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SEXY PRINZ GESUCHT! von KATHRYN JENSEN Was für ein Mann! Geschmeidig kommt er aus dem Meer auf Elly zu. Wassertropfen glitzern auf seiner gebräunten Haut … Stopp! Elly ist nicht hergekommen, um von wildem Sex mit Daniel Eastwood zu träumen! Sie soll herausfinden, ob Dan der vermisste Prinz von Danubia ist … DER MILLIARDÄR, DER MICH VERFÜHRTE von JULES BENNETT Als Mia nach Hollywood kommt, trifft sie auf den Mann ihrer Träume: Filmproduzent Bronson Dane entfacht ein Inferno der Lust in ihr! Und doch kann sie nicht von einer Zukunft mit dem Millionär träumen - denn Mia weiß von einem Geheimnis, das sein Leben zerstören könnte … SINNLICHE KREUZFAHRT MIT DIR von RACHEL BAILEY Ein Kreuzfahrtschiff! Na ja, immerhin die Hälfte davon erbt Schiffsärztin Della. Zweiter Erbe ist Hotelier Luke Marlow. Und der ist leider nicht nur sexy, sondern auch profitgierig und will ihr geliebtes Schiff stilllegen. Nur drei Wochen bleiben Della, um ihn umzustimmen! HEISSE KÜSSE FÜR DIE WÜSTENROSE von JENNIFER LEWIS Wie ein Märchenprinz aus 1001 Nacht sieht er aus! Nur einen Vornamen nennt er ihr. Aber sein sinnlicher Kuss ist wie ein Quell in der Wüste für Dani. Zu spät erkennt sie, wer der feurige Quasar ist, der in ihr heiße Leidenschaft geweckt hat: der größte Feind ihres Vaters …
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Seitenzahl: 809
Kathryn Jensen, Jules Bennett, Rachel Bailey, Jennifer Lewis
BACCARA EXTRA BAND 24
IMPRESSUM
BACCARA EXTRA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
Neuauflage in der Reihe BACCARA EXTRABand 24 - 2021 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
© 2002 by Kathryn Pearce Originaltitel: „The Secret Prince“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Ute Augstein Deutsche Erstausgabe 2015 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1872
© 2012 by Jules Bennett Originaltitel: „Caught in the Spotlight“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Charlotte Gatow Deutsche Erstausgabe 2013 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1753
© 2013 by Rachel Robinson Originaltitel: „Countering his Claim“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Nicole Lacher Deutsche Erstausgabe 2015 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1863
© 2015 by Jennifer Lewis Originaltitel: „Her Desert Knight“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Eva Ritter Deutsche Erstausgabe 2015 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1884
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 03/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751501866
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
„Du gehörst mir, Lady.“ Daniel Eastwood warf seine Jeans zu dem Sweatshirt, das bereits im Sand lag. „Mir die kalte Schulter zu zeigen, wird dir nichts nützen.“
Sie war an diesem Morgen noch schöner als am Tag zuvor … und am Tag davor. Daniel war bereit für sie. Voller Vorfreude rollte er die breiten Schultern.
Drei lange Schritte und er tauchte in die Wellen des Atlantiks ein. Wie immer fügte sich die See seinen kraftvollen Schwimmzügen. Ihre kalten Finger griffen nach ihm und trugen ihn hinaus ins tiefe Wasser. In jeder grüngrauen Woge konnte er ihre Stärke spüren. Er schwamm genau eine halbe Meile parallel zum menschenleeren Strand, bevor er umkehrte und an die Stelle zurück kraulte, an der er sich ins Meer gestürzt hatte.
Vom ersten Moment an hatte Daniel eine fast schon intime Beziehung zur See gehabt. Er hatte sie zum ersten Mal während eines Schulausflugs von Baltimore nach Ocean City gesehen. Sie hatte auf das Stadtkind, das da auf dem hellen Sand stand, zugleich einschüchternd und faszinierend gewirkt. So viel Wasser! Und dieses Wasser schien in seinem eigenen Takt zu atmen. Die frische Luft gab dem kleinen Dan das Gefühl, stark zu sein, ein ganz neuer Mensch zu sein.
Obwohl er noch am selben Tag in die Stadt zurückkehren musste, hatte er die Schönheit des Meeres nie vergessen. Er hatte immer gewusst, dass er nirgendwo anders leben wollte als an der Küste.
Sobald er alt genug war, war er zurückgekehrt und hatte einen Sommerjob als Rettungsschwimmer angenommen. Von da an war er – abgesehen von der Zeit, die er bei den Marines verbracht hatte – jedes Jahr im Juni mit der Gleichmäßigkeit der Gezeiten wieder hergekommen.
Doch obwohl er die See liebte, wusste er, dass sie unberechenbar war. Es gab plötzliche Böen. Tiefes Wasser an Stellen, an denen es am Tag zuvor noch flach gewesen war. Es gab Strömungen, die selbst den stärksten Schwimmer mit sich reißen und umbringen konnten. Doch er liebte die Kraft und die Schönheit der See, auch wenn sie nicht ungefährlich war.
Als Dan jetzt den Kopf zur Seite wandte, um ein letztes Mal Luft zu holen, bevor er mit vier weiteren Kraulschlägen den Strand erreichen würde, sah er eine Frau neben seinen abgelegten Kleidern stehen. Mit der Hand schirmte sie die Augen vor der Morgensonne ab. Sie wirkte wie jemand, der seinetwegen gekommen war, nicht wie eine Spaziergängerin, die nur kurz einem Schwimmer zusehen wollte.
„Was zum Teufel …“, murmelte Dan und schluckte unabsichtlich einen Schwall Salzwasser. Seine Leute wussten, dass er um diese Zeit nicht gestört werden wollte. Er kam im brusthohen Wasser auf die Füße und musterte die Frau.
Sie war nicht von hier, denn dann würde er sie kennen. Sie war groß für eine Frau, stellte er fest, wahrscheinlich höchstens einen Kopf kleiner als er. Ihr rostbraunes Haar trug sie zu einem Knoten zusammengebunden. In ihrem grünen Kostüm wirkte sie am Strand deplatziert. Sie hielt ihre braunen Pumps in einer Hand und sah sogar auf die Entfernung genervt aus.
Als er langsam aus dem Wasser kam, änderte sich ihr Gesichtsausdruck. Sie wirkte jetzt beunruhigt. Vielleicht fürchtete sie, dass er ohne Badehose geschwommen war, dachte Dan. Er lächelte, als er auf sie zuging. Nach einigen weiteren Schritten aus dem Wasser heraus wurde dann klar, dass er nicht nackt war.
Sofort hoben sich ihre Mundwinkel.
Dan musste sich ein Grinsen verkneifen. Er hätte viel dafür gegeben, ihr Gesicht zu sehen, wenn er heute Morgen doch nackt geschwommen wäre.
„Werfen Sie mir bitte mein Handtuch her!“, rief er und steuerte direkt auf sie zu.
Sie runzelte die Stirn, als würde sie ihn wegen der lauten Brandung nicht verstehen. Dann sah sie sich um und griff schließlich nach dem Handtuch.
„Finden Sie es nicht ein bisschen ungewöhnlich im November in Maryland zu baden?“, fragte sie.
„Durchaus nicht.“ Die folgende Bemerkung konnte er einfach nicht unterdrücken: „Ich bin sehr heißblütig.“
Sie verdrehte die Augen und warf ihm das Handtuch zu. „Oh, bitte …“
„Es ist wirklich wahr. Meine Körpertemperatur ist etwas höher als die der meisten Menschen. Das war schon immer so. Allerdings kennt meine Begeisterung auch Grenzen. Wenn die See zufriert, schwimme ich nicht mehr.“
„Das klingt vernünftig“, antwortete sie amüsiert.
Elly zwang sich, den Horizont zu betrachten und nicht den fast nackten Mann. Sie versuchte sich daran zu erinnern, warum sie mitten im Winter am Strand stand und fror. Aber es fiel ihr schwer, Dan Eastwood nicht anzusehen. Keiner der Männer, die sie kannte, hatte einen solchen Körper. Die breiten muskulösen Schultern eines Schwimmers, einen festen Waschbrettbauch und schmale Hüften, die in starke Beine übergingen.
Aber sie war nicht hierhergekommen, um mit ihm zu flirten. Ihr Auftrag war wichtig, und außerdem drängte die Zeit.
„Sind Sie Daniel Robert Eastwood?“, fragte sie und riskierte doch noch einen kurzen Blick. Gott, er war umwerfend!
„Der bin ich. Und wer sind Sie?“
Er trocknete sich zuerst seine muskulöse Brust ab, dann die starken Arme, schließlich den Bauch. Das Handtuch wanderte tiefer …
Elly schaute hastig weg. An ihrem Haaransatz bildeten sich trotz der kalten Luft kleine Schweißperlen. „Ich heiße Elizabeth Anderson. Ich möchte Ihnen gern ein paar Fragen stellen, wenn Sie Zeit haben.“
Er zuckte die Achseln. „Falls Sie Hotelbedarf verkaufen, dann sollten Sie sich mit meinem Geschäftspartner, Kevin Hunter, treffen. Er ist für die Bestellungen zuständig. Sein Büro liegt im Hauptgebäude.“
„Mit Mr. Hunter habe ich bereits gesprochen. Er hat mir gesagt, wo ich Sie finde.“
„Aha.“
Elly mochte es, wie seine dunklen Augen sie anblitzten, ein Hinweis darauf, dass er es guthieß, dass sein Partner sie hergeschickt hatte.
Ihr fiel auf, dass sie sich unwillkürlich mit der Zunge über die Oberlippe fuhr. Sie schloss den Mund. Daniel könnte es als Reaktion auf den Anblick seines Körpers verstehen – was es ja auch war. Sie sollte sich besser auf das Geschäftliche konzentrieren. Eine Menge Leute waren auf sie angewiesen, wichtige Leute, darunter ihr Vater.
Als Dan sich das Sweatshirt über den Kopf zog, hatte er sich einen ersten Eindruck von der Fremden verschafft. Sie war schlank und wirkte fit, auch wenn sie etwas blass war. Sie sah aus, als hielte sie ihr Job drinnen fest und als nehme sie sich nicht die Zeit, sich draußen zu erholen. Ihr kurzer Rock enthüllte lange, gut geformte Beine. Über ihre Brüste … ließ sich nicht viel sagen, denn sie trug eine konservative Kostümjacke. Schade, dass nicht August war. Sie hätte ihre Jacke ausziehen müssen.
„Lassen Sie uns zu meinem Haus hochgehen“, schlug er vor. „Und Sie erzählen mir, was Sie herführt.“
„Warum ziehen Sie sich nicht zuerst um, Mr. Eastwood, und wir treffen uns in Ihrem Büro?“
„Weil es unpraktisch ist.“ Er ging los. Einen Augenblick später hörte er sie hinter sich herhasten. Er lächelte in sich hinein.
„Warum ist es unpraktisch?“, rief sie.
„Ich habe um neun Uhr einen Termin in der Stadt und weiß nicht, wie lange es dauert. Haben Sie schon einmal davon gehört, dass man sich anmeldet, Miss Anderson?“
„Dafür reichte die Zeit nicht. Ich muss jetzt mit Ihnen sprechen.“
Dan blieb stehen und drehte sich um. Die Dringlichkeit in ihrer Stimme verhieß nichts Gutes. „Vielleicht sollten wir es gleich hier klären. Worum geht es?“
Sie seufzte und blickte nachdenklich den Strand hinunter. Dann sah sie ihn an.
„Beeilen Sie sich“, forderte er sie auf. Gleich würden ihm vor Kälte die Finger abfallen.
„Also gut“, sagte sie schnippisch. „Ich bin Ahnenforscherin. Ich arbeite in der Firma meines Vaters. Wir sind beauftragt worden, nach den Erben und Nachkommen eines verstorbenen Herrn zu suchen. Es besteht die Möglichkeit, dass Sie mit ihm verwandt sind.“
Dan lachte. „Das ist alles?“
„Das ist alles“, sagte sie. „Ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen. Dann sind Sie mich auch schon los.“ Sie legte den Kopf schief. „Ihre Lippen werden blau. Ich nehme an, wir unterhalten uns lieber drinnen. Hier draußen ist es zu kalt.“
„In Ordnung.“ Er trat auf den Bohlenweg aus grauen Treibholzplanken, der sich über eine Meile am Strand entlangzog. Die meisten Gebäude am anderen Ende des Wegs waren Hotels und mehrstöckige Häuser mit Eigentumswohnungen. Hier, im älteren Teil der Stadt mit den überdachten Arkaden, den bunten Verkaufsbuden und kleinen Imbissen, gab es noch einige der traditionellen Strandhäuser, die die gewaltigen Stimmungsumschwünge der See überstanden hatten.
Vor vier Jahren, als der Hurrikan Evelyn ganze Blocks der niedrigen Holzhäuser weggefegt hatte, bot sich Dan die Gelegenheit, auf die er so lange gewartet hatte. Seine Zeit bei den Marines lag hinter ihm, er hatte seinen Master in Betriebswirtschaft gemacht und Geld gespart. Und er hatte schon lange nach einer Investitionsmöglichkeit Ausschau gehalten, die so nah wie möglich an seinem geliebten Strand lag.
Er und sein bester Freund Kevin hatten ihre Ersparnisse zusammengelegt, um den zerstörten Besitz zu kaufen. Sie hatten das Grundstück mit Tonnen von Erde höher legen und mit künstlichen Dünen schützen lassen. Dann hatten sie fünfundzwanzig kleinere, solidere Versionen der Originalbungalows bauen lassen. Sie hatten die Wohn- und Urlaubsanlage Haven genannt. Sie war inzwischen sehr viel erfolgreicher, als Kevin und er je erwartet hatten. Dan war stolz auf das Erreichte.
Nun, wo die Aufbauarbeit hinter ihnen lag, kam ihm allerdings ein Tag wie der andere vor. In der Nachsaison war es einsam an der Küste. Nach dem Labor Day verschwanden die meisten Touristen – auch die alleinstehenden Frauen.
Aber jetzt war die selbstbewusste, beeindruckende Elizabeth Anderson mit ihren rotbraunen Locken und ihren langen Beinen aufgetaucht. Dan spielte mit dem aufregenden Gedanken, seinen Termin um neun Uhr sausen zu lassen und den Vormittag mit ihr zu verbringen … Wie konnte er es schaffen, ihre angekündigten zehn Minuten Gesprächszeit in mehrere Stunden zu verwandeln?
„Also, erzählen Sie mir von meiner geheimnisvollen Familie.“ Er öffnete die Tür des ersten Strandhauses und winkte sie herein.
„Wir wissen nicht genau, ob es Ihre Familie ist“, wandte sie ein. „Noch nicht. Deshalb muss ich ja mit Ihnen reden.“
„Dann mal los.“ Er warf sein feuchtes Handtuch über die Lehne des braunen Ledersofas, was Elizabeth mit einem missbilligenden Blick bedachte.
„Wie heißen Ihre Eltern?“, fragte sie.
„Meine Mutter heißt Margaret Jennings Eastwood. Sie wird Madge genannt. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt. Sein Name war Carl Eastwood. Er ist kurz nach meiner Geburt gestorben.“
Elizabeth Anderson nickte und zog einen Notizblock und einen Kugelschreiber aus ihrer Handtasche. Sie notierte sich etwas. „Wann sind Sie geboren?“
Er sagte es ihr.
„Dann sind Sie jetzt also zweiunddreißig?“ Er nickte. „Die Adresse Ihrer Mutter und ihre Telefonnummer?“
Dan blieb auf dem Weg zum Badezimmer stehen und sah seine Besucherin misstrauisch an. „Warum wollen Sie das wissen?“
„Weil ich sicher bin, dass sich Ihre Mutter für Ihr Erbe ebenso interessiert wie Sie“, sagte Elizabeth mit einem strahlenden Lächeln. Doch sie senkte den Blick, bevor sie zu Ende gesprochen hatte.
Dan fragte sich, ob sie etwas vor ihm verbarg. „Wenn Sie mit meiner Mutter sprechen müssen, werde ich mitkommen. Welche Informationen benötigen Sie sonst noch?“
Sie sah enttäuscht aus, schaute aber weiter auf ihren Notizblock. „Nun, wo sind Sie geboren worden, Mr. Eastwood?“
„Nennen Sie mich Dan. Im Mercy Hospital in Baltimore.“
Sie blinzelte, blätterte einige Seiten zurück und nickte. „Haben Sie immer in Baltimore gewohnt?“
„Bis ich mit der Highschool fertig war. Nach meinem Abschied von den Marines bin ich nach Ocean City gezogen. Seitdem leben wir hier.“
Sie wirkte, als habe er ihr gerade eine wichtige Information gegeben. Das beunruhigte ihn. Er hasste es, im Unklaren gelassen zu werden.
„Haben Sie Geschwister?“, fuhr sie fort.
„Nein.“
„Auch keine Stiefbrüder oder – schwestern von einem anderen Vater?“
Dan blickte finster drein. Er mochte diese privaten Fragen nicht. „Was wollen Sie damit andeuten, Miss Anderson?“
„Meine Freunde nennen mich Elly.“
Sie warf ihm einen betont unschuldigen Blick zu, und er spürte, wie ihn ein erregendes Prickeln durchlief. Automatisch lächelte er zurück, obwohl er vermutete, dass sie auf etwas hinauswollte, das sie ihm verschwieg.
„Es ist nur eine einfache Frage“, fuhr sie fort. „Heutzutage gibt es immer mehr Patchworkfamilien. Außerdem dürfen Frauen mehr als einmal heiraten.“
„Meine Mutter hat nicht wieder geheiratet“, sagte er rasch.
„Aha.“
Dan hätte gern gesehen, was sie da aufschrieb. Er mochte es nicht, dass sein Privatleben dermaßen ans Licht gezerrt wurde. „Ich muss mich für den Termin umziehen“, brummte er. „Wenn Sie mir nicht sagen, worum es eigentlich geht, ist unser Gespräch hiermit beendet.“
Sie klappte den Notizblock zu und packte ihn mitsamt dem Kugelschreiber in ihre Handtasche zurück. „Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen noch nicht mehr sagen. Die Angelegenheit ist vertraulich.“
„Dann sollten Sie besser gehen“, sagte er schroff, obwohl er wusste, dass er ein Trottel war, wenn er das Schönste wegschickte, was seit Monaten am Strand aufgetaucht war. Elly gefiel ihm hier drinnen im Haus ebenso gut wie draußen am Strand. Der einzige Unterschied war, dass ihre Augen jetzt zu leuchten schienen – fast so, als habe sie gerade etwas Interessantes erfahren.
Aber das Treffen mit dem Bauunternehmer war wichtig. Obwohl seine Hormone forderten, er solle sich wenigstens ihre Telefonnummer geben lassen, warnte ihn sein Verstand, es sei besser, sich von ihr fernzuhalten. Er wusste nicht wieso, aber sie schien nichts als Ärger zu versprechen.
„Ich melde mich, wenn ich Ihnen mehr sagen kann“, sagte sie.
„Vielleicht haben Sie beim nächsten Mal Lust, mir beim Schwimmen Gesellschaft zu leisten“, schlug er vor und öffnete ihr die Tür.
Sie lachte. „Im November?“
Schade, dachte er, als er kurz darauf allein in seinem Wohnzimmer stand.
Ich würde dich gerne nach einem kalten Bad aufwärmen.
Elly saß im Auto und versuchte, sich zu sammeln. Ihr Vater würde mächtig sauer auf sie sein, weil sie so wenig von Daniel Eastwood erfahren hatte. Die Dinge waren nicht gut gelaufen. Sie hätte sich ihm fast zu Füßen geworfen, als er aus dem Wasser gestiegen war – mit seiner feucht schimmernden, bronzefarbenen Haut und diesen Muskeln … Wie ein junger Gott hatte er ausgesehen. Die winzige Speedo-Badehose hatte nichts, aber auch rein gar nichts, der Fantasie überlassen.
Ihre Wangen wurden heiß. Sie seufzte frustriert. Normalerweise machten Männer sie nicht nervös. Sie hatte sich dafür entschieden, sich gegen solche Gefühle zu schützen, um sich nicht auf jemanden einzulassen. Sich auf jemanden einzulassen, bedeutete Intimität, und Intimität bedeutete …
Ohne Vorwarnung kam die Erinnerung an jene Nacht zurück. Der Schrei … die aufgeregten Telefonate ihres Vaters … seine Hilflosigkeit und ihre bewegungslos im Schlafzimmer liegende Mutter. Dann hatten Sirenen die Stille durchschnitten.
Ebenso schnell, wie die Bilder erschienen waren, verschwanden sie wieder und ließen Elly zitternd und schwitzend zurück. Sie schlug die Hände vors Gesicht und atmete bewusst langsam und tief ein und aus, um sich zu beruhigen. „Es ist vorbei. Es ist vorbei“, flüsterte sie vor sich hin, bis die Angst sie losließ und sich der Druck auf ihrer Brust löste. Sie konnte wieder klar denken. Was war ihr noch durch den Kopf gegangen, bevor …
Dan Eastwood.
Sie öffnete die Augen und konzentrierte sich auf die graugrüne Brandung des Meeres.
Sie konnte es immer noch schaffen!
Dan hatte sich zwar geweigert, weitere Fragen zu beantworten, aber es wäre eine Quälerei, jetzt zurückzugehen und ihn sich noch einmal vorzunehmen. Solange seine dunklen Augen sie fixierten, würde sie sich nicht konzentrieren können. Das wusste sie. Sie würde daran denken, wie er unten am Strand ausgesehen hatte, und ihren Job vermasseln.
Andererseits wusste sie bisher nicht genug über ihn, um sicher zu sein, dass er derjenige war, den sie suchte.
Elly schaute auf ihre Armbanduhr. In einigen Stunden würde sie ihren Vater anrufen müssen, um ihm zu sagen, was sie herausgefunden hatte. Sie beide wussten, dass die Hölle los sein würde, wenn sie die Person, die sie suchten, nicht innerhalb von vierundzwanzig Stunden fanden. Die Londoner Boulevardzeitung, die sich irgendwie Insider-Informationen aus dem Palast beschafft hatte, würde einen Skandal lostreten, der das Fürstenhaus von Danubia bedrohte. Und die Stammbaumforschung Anderson würde sich schlechte Presse einhandeln.
Was sollte sie also tun?
Beunruhigt zog Elly ihren Laptop vom Beifahrersitz auf ihren Schoß. Sie schaltete den Computer ein und fügte die Informationen, die sie von Dan Eastwood erhalten hatte, einer Datei hinzu. Seinen Namen und seine Adresse hatte sie im Internet gefunden, doch Adresse und Telefonnummer seiner Mutter tauchten dort nicht auf.
Immerhin hatte Eastwood indirekt eingestanden, dass seine Mutter in der Gegend lebte.
„Seitdem leben wir hier.“
Er hatte wir gesagt und nicht ich. Und er hatte ihr angeboten, sie zu seiner Mutter zu begleiten. Also musste sie in der Nähe wohnen.
Nachdem Elly die Datei vervollständigt hatte, nahm sie ihre Handtasche und stieg wieder aus dem Wagen. Vielleicht konnten ihr die Nachbarn helfen.
Elly stand ganz oben auf der Treppe, die zu einem gelben Bungalow führte, zog ihre Kostümjacke glatt, setzte ein freundliches Lächeln auf und klopfte. Gleich darauf wurde die Tür geöffnet.
„Ja, bitte?“ Eine kleine blonde Frau in mittleren Jahren sah sie neugierig an.
„Margaret Eastwood?“, fragte Elly.
„Ja.“
„Ich habe heute Morgen mit Ihrem Sohn gesprochen und …“
Die Frau machte ein erfreutes Gesicht. „Sie sind eine Freundin von Dan?“
„Keine richtige Freundin. Ich habe eigentlich nach Ihnen gesucht und Dans Adresse zuerst gefunden.“
„Kommen Sie herein und erzählen Sie mir, warum er Sie geschickt hat.“ Margaret strahlte Elly an. „Das ist das Nette hier in Haven. Sie nennen es eine bewachte Wohnanlage. Hier kann man den Menschen vertrauen. Es ist nicht so wie in unserer früheren Wohngegend, wo wir darüber nachdenken mussten, wen wir hereinlassen können und wen nicht.“
„Ja … natürlich …“, stimmt Elly zu und fühlte sich ein bisschen schuldig. Schließlich war sie selbst ein Eindringling.
Als sie das gemütlich eingerichtete Wohnzimmer betrat, fielen ihr gleich die Fotos auf dem Klavier auf. Auf den Bildern war immer derselbe Junge zu sehen: als Baby, als Kleinkind, in der Schule … Elly sog die Luft ein. „Es riecht wundervoll.“
„Ingwerbrot“, sagte Margaret. „Ich backe im Herbst immer das traditionelle neu-englische Ingwerbrot. Es erinnert mich an zu Hause. Und Danny liebt es.“
„Dann stammen Sie nicht aus der Gegend?“
„Meine Güte, nein. Aber jetzt bin ich in Maryland zu Hause. Ich habe fast mein ganzes Leben hier verbracht. Nehmen Sie doch Platz. Ich bringe Ihnen einen Kaffee und ein Stück warmes Ingwerbrot.“
Elly wollte protestieren, doch Margaret war schon hinausgegangen.
„Sie haben gesagt, dass Sie fast Ihr ganzes Leben hier verbracht haben?“, rief sie ihr nach.
„In Maryland, nicht in Ocean City. Wir haben in Baltimore gewohnt, als Dan noch klein war. Aber nachdem er hier einige Jahre als Rettungsschwimmer gejobbt hatte, ist er richtig süchtig nach der Küste geworden. Nach seiner Zeit bei den Marines hat er mich gebeten, mit ihm hierher zu ziehen. Später haben er und sein Freund Land gekauft und diese niedlichen kleinen Bungalows bauen lassen.“ Sie lächelte stolz, als sie zurückkam und ein Tablett mit Kaffee und Ingwerbrot ins Wohnzimmer trug. „Danny organisiert auch ein Ferienlager für Kinder aus der Stadt.“
„Das wusste ich nicht“, gestand Elly.
„Oh ja. Es ist ihm sehr wichtig, dass die Kinder von dort mal etwas anderes sehen.“
Elly nahm einen Becher mit dampfend heißem Kaffee und einen Teller mit Kuchen entgegen. Wieder fühlte sie einen Stich, weil sie diese freundliche Frau hinterging. „Mrs. Eastwood, ich muss gestehen, dass es nicht Dan war, der mich zu Ihnen geschickt hat.“
„Nicht?“ Margaret sah enttäuscht aus.
„Eine europäische Familie hat mich damit beauftragt, einen fehlenden Zweig ihres Stammbaums zu ergänzen. Die von Karloffs. Ist Ihnen der Name bekannt?“
Margaret Eastwood wurde blass. Ihre Finger bewegten sich nervös auf ihrem Schoß hin und her. „Nein.“
„Sie sind so etwas wie die Grimaldis in Monaco, nämlich die fürstliche Familie von Danubia, einem kleinen europäischen Land.“
„Ich glaube, Sie sollten gehen“, sagte Margaret knapp.
Doch Elly war jetzt fest entschlossen. Sie wählte ihre Worte vorsichtig. „Wir glauben, dass eine junge amerikanische Frau vor dreiunddreißig Jahren eine kurze, romantische Affäre mit dem jungen Fürsten hatte, bevor er eine andere Frau heiratete. Es ist möglich, dass die junge Amerikanerin schwanger war, als sich die beiden trennten. Jedenfalls ist sie verschwunden, bevor das Kind geboren wurde. Wissen Sie etwas darüber, Mrs. Eastwood?“
Dans Mutter setzte ihren Teller vorsichtig ab und schaute aus dem Fenster. „Mein Ehemann war Amerikaner. Er hieß Carl Eastwood und starb, bevor Dan ein Jahr alt war“, sagte sie schließlich.
Carl Eastwood. Diesen Namen hatte Dan ebenfalls genannt. Carl mit C. War es ein Zufall, dass der junge Fürst Karl geheißen hatte? Seine Hoheit Karl von Karloff war vor einigen Jahren gestorben. Sein Sohn Jacob herrschte nun in Danubia. Jacob schien der einzige Erbe zu sein, bevor die Affäre seines Vaters vor einigen Tagen ans Licht gekommen war. Diese paar Tage kamen Elly inzwischen wie Monate vor.
„Ich weiß weder etwas über Affären noch über Fürsten und schon gar nichts über illegitime Babys“, erklärte Margaret scharf.
Ellys Herz schlug schneller. Etwas in Margarets Gesichtsausdruck sagte ihr, dass die Frau log.
„Ich verstehe, dass es für Sie sehr schwer sein muss.“ Elly stellte ihren Kaffee und den Kuchenteller ab und beugte sich zu Margaret hinüber, um ihr über den Arm zu streichen. „Aber wenn Sie mir vielleicht mehr Informationen geben könnten, bitte.“
Margaret atmete schwer. Sie saß jetzt wie erstarrt in ihrem Stuhl. „Gehen Sie“, flüsterte sie. „Verschwinden Sie aus meinem Haus.“
Elly seufzte unhörbar. Sie verstand den Wunsch der Frau nach Privatsphäre gut, aber wenn sie nicht schnell die Wahrheit herausfand, dann würden Madge und ihr Sohn bald in einer schrecklichen Klemme stecken. Für Katz-und-Maus-Spiele war jetzt ganz und gar nicht der richtige Zeitpunkt. Auf ihrem Weg von Connecticut nach Baltimore hatte Elly schon zwei Reporter abhängen müssen. Sie konnten jeden Moment hier aufkreuzen – und dann hätte sie die Sache nicht mehr in der Hand.
Elly entschloss sich, es anders zu versuchen. „Mrs. Eastwood, ich möchte Sie nicht verärgern. Aber in Fällen, in denen Beziehungen zerbrechen, wollen Kinder wissen, was aus ihren verlorenen Familienmitgliedern geworden ist. Glauben Sie nicht, dass Dan gerne wissen würde, wer sein leiblicher Vater war?“ Sie bluffte, denn noch war sie sich nicht ganz sicher. Doch wenn ihr Bluff funktionierte, würde sie es wissen.
Madge öffnete den Mund und schnappte nach Luft. „Mein Sohn muss nicht wissen, dass …“
Ihre Worte schwebten noch im Raum, als sich die Haustür öffnete und Schritte zu hören waren. Beide Frauen sahen zur Wohnzimmertür.
Dan Eastwood schaute um die Ecke. Sogar auf diese Entfernung sah Elly die Ader an seiner Schläfe pulsieren. Er war offenbar sehr zornig. „Was muss ich nicht wissen, Mutter?“
Eine eiskalte Hand schien Ellys Brust zusammenzupressen. Sie verkrampfte ihre Hände ineinander und schluckte.
Als sie einen Blick auf Madge warf, sah sie, dass sich deren Dickköpfigkeit in Hilflosigkeit verwandelt hatte. „Oh. Da bist du ja. Ich schätze, ich hätte diese junge Dame nicht hereinlassen dürfen. Sie hat mir erzählt, sie sei deine Freundin, Danny.“
Elly sprang auf. Diese Frau war ganz und gar nicht so harmlos, wie sie wirkte. „Das habe ich nie gesagt! Mrs. Eastwood, Sie wissen genau, dass mein Besuch …“ Sie unterbrach sich, weil ihr klar wurde, dass Dan ihr kaum glauben würde. „Egal! Ich bin allein hierhergekommen, weil ich geglaubt habe, dass es für Ihre Mutter vielleicht besser ist, wenn sie unter vier Augen mit mir redet.“
Dan sah sie skeptisch an.
„Wirklich. Ich wollte niemanden verletzen.“
„Ich habe Ihnen gesagt, dass ich Sie begleiten würde“, fuhr Dan sie an. Dann wandte er sich seiner Mutter zu. „Ich weiß nicht, wie sie dich gefunden hat. Es tut mir leid. Aber was ist es denn nun, was ich nicht wissen muss?“
Madge presste die Lippen zusammen.
„Dann verraten Sie mir, worum es geht“, sagte Dan und wandte sich wieder an Elly.
„Es ist noch nicht sicher, ob es überhaupt etwas zu verraten gibt.“ Elly versuchte ihr Möglichstes, um diskret zu bleiben. „Es ist wichtig, dass ich herausfinde, ob Ihre Mutter jemals in Europa war. In Paris, um genau zu sein.“
Dan schaute von Elly zu seiner Mutter. Madge sah ängstlich aus. „Was geht hier vor, Mom?“
„Sie quält mich“, wimmerte Madge. „Mach, dass sie geht.“
„Sie wird sofort das Haus verlassen, wenn sie erklärt hat, was zum Teufel sie eigentlich sucht“, presste Dan zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Obwohl Elly ihn einerseits auf die Palme brachte, fühlte er sich doch wohl in ihrer Gegenwart. Er würde sie am liebsten einfach nur anschauen: ihr hübsches Gesicht, ihre Hände, ihre Brüste … Sie hatte nämlich ihre Kostümjacke ausgezogen, und der Anblick ihrer Kurven unter der Bluse war extrem vielversprechend …
„Warum ist es wichtig, ob meine Mutter in Europa war?“ Offenbar konnte er doch noch einigermaßen klar denken.
Elly trat einen Schritt auf ihn zu. Sie hoffte, dass sie die richtigen Worte fand. „Kürzlich sind Dokumente aufgetaucht, in denen eine junge Frau namens Margaret Jennings erwähnt wird. Diese junge Frau hat ein Jahr in Paris studiert. Jennings ist ihr Mädchenname, nicht wahr, Mrs. Eastwood?“
Dan antwortete für seine Mutter. „Das stimmt. Und sie hat ein Jahr an der Sorbonne studiert. Das hast du mir doch erzählt, Mom.“
Madge schloss die Augen und schwieg.
Elly setzte nach. „Haben Sie in diesem Jahr einen jungen Mann …“
„Ich habe dort Carl Eastwood kennengelernt“, stieß Madge hervor. „Wir haben geheiratet, und neun Monate später wurde Dan geboren. Doch Carl starb früh.“ Madge wischte sich die Tränen aus den Augen.
Dan sah verwirrt drein. „Ich dachte, du und Dad, ihr hättet in Baltimore geheiratet.“
„Nein. Es war in einem Städtchen in der Nähe von Paris.“ Madge schniefte und vermied den Blick ihres Sohnes. „Die Kirche sei abgebrannt, habe ich später gehört, und mit ihr wohl alle Aufzeichnungen.“
Elly öffnete den Mund, um der Frau zu sagen, dass das eine Lüge war. Doch dann überlegte sie es sich anders.
„Nur weiter.“ Dan sah sie auffordernd an. „Sie wollten etwas sagen.“
Elly schluckte. „Es ist wahr, dass kein Beleg für eine Hochzeit existiert.“ Sie zögerte. „Und das kommt daher, weil es im Leben Ihrer Mutter keinen Carl Eastwood gegeben hat. Ebenso wenig gab es eine Hochzeit.“
„Okay. Das reicht. Es wird Zeit für Sie zu gehen!“ Dan fasste Elly am Ellbogen und schob sie zur Tür. Elly konnte gerade noch ihre Handtasche und ihren Mantel an sich raffen.
„Ich habe keine Ahnung, welches Spiel Sie hier spielen, und es ist mir auch egal.“ Dan öffnete die Tür. „Sie gehen jetzt.“
„Wollen Sie denn nicht …“
Bevor sie ihren Satz beenden konnte, fand sie sich draußen vor Madges Tür wieder. Sie spürte immer noch Dans Finger auf ihrem Arm und seine Hand in ihrem Rücken, obwohl er längst zurück ins Haus gegangen war. Der Mann hatte vielleicht Nerven! Er hatte sie rausgeworfen!
Und dann fiel ihr auf, was gerade passiert war. Ein Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit.
Sie hatte ihren Prinzen gefunden!
Elly rutschte vor Vorfreude – den Telefonhörer fest ans Ohr gepresst – auf ihrem Hotelbett herum. Jemand holte gerade ihren Vater ans Telefon. Sie kannte den Kristallpalast zwar nicht aus eigener Erfahrung, doch auf Fotos sah er riesig aus. Frank Anderson konnte leicht eine halbe Meile vom nächsten Telefon entfernt sein.
Doch dann hörte sie seine rauchige Stimme. „Du rufst spät an. Was hast du herausgefunden?“
„Es ist ein Junge!“, rief sie.
„Der alte Fürst hat einen Sohn mit dem Jennings-Mädchen gezeugt?“
Elly lächelte und genoss den Moment. „Das Mädchen ist inzwischen in den Fünfzigern. Sie wird Madge genannt und will nicht zugeben, dass sie vor über dreißig Jahren eine fürstliche Affäre hatte.“
„Verständlich“, brummte ihr Vater. „Sie ist verheiratet und will nicht, dass ihr Ehemann etwas über ihre Vergangenheit erfährt.“
„Das ist es nicht“, gestand Elly seufzend. „Aber sie bleibt bei ihrer Geschichte über einen amerikanischen Ehemann, der jung gestorben ist. Ich glaube, sie hat sich das für ihren Sohn ausgedacht.“
„Aber du bist dir bei diesem jungen Mann sicher?“
Elly zögerte kurz. „Ja. Er sieht sogar wie Jacob aus, Dad. Und die Fotos von Karl in jungen Jahren könnten auch Daniel Eastwood von heute zeigen. Sie haben beide dasselbe dunkle Haar und denselben Körperbau. Eastwoods Augen sind allerdings dunkelbraun und nicht blau.“
„Die Augenfarbe könnte von der mütterlichen Seite stammen. Na gut, ich informiere Jacob.“
„Haben wir wirklich genug Material, um zu beweisen, dass er Karls Sohn ist?“, fragte Elly. Sie vertraute zwar ihrer Intuition und den Informationen, die sie gesammelt hatte, aber die gesetzliche Seite war noch etwas anderes.
„Karl hat zur gleichen Zeit wie Margaret Jennings an der Sorbonne studiert. Er hat ihre Liebesbriefe an ihn und ihren Abschiedsbrief aufbewahrt. Ein Handschriftenspezialist kann die Schrift in diesen Briefen mit der von Margaret Eastwood vergleichen. Außerdem gibt es noch andere Dokumente.“
Elly war so aufgeregt, dass sie kaum sprechen konnte. Sie kannte die Briefe und fühlte sich von der Geschichte, die sie enthüllten, berührt. Für den jungen Prinzen, der bald Fürst werden sollte, und seine Geliebte musste die Situation verzweifelt gewesen sein. Ob Karl überhaupt gewusst hatte, dass die Frau, die er liebte und die er nie würde heiraten können, ein Kind von ihm erwartete? In den Dokumenten wurde ihre Schwangerschaft nicht erwähnt. Wie traurig es wäre, dachte Elly, wenn der Mann gestorben war, ohne etwas von seinem Erstgeborenen zu erfahren.
Aber jetzt, Jahrzehnte später, könnte eine neue, wundervolle Zeit für Dan und seine Mutter beginnen. Nicht, dass sie es verdient hatten, wo sie sie einfach aus dem Haus geworfen hatten, dachte Elly. Aber man stelle sich vor, einen Bruder zu finden, von dem man nicht einmal gewusst hatte, dass er existiert! Ein Bruder, der ein europäischer Fürst war!
„Was jetzt?“, fragte Elly.
„Jacobs Berater haben mir heute erklärt, dass – für den Fall, dass du die Mutter und ihr Kind findest – beide mit dem nächsten Flugzeug nach Danubia gebracht werden sollen.“
„Warum?“
„Schadensbegrenzung. Sie glauben, dass die beiden in Danubia besser vor der Presse geschützt sind. Außerdem müssen ein paar Dinge geklärt werden. Je früher das geschieht – das ist jedenfalls die Meinung des Hofes – desto besser.“
Elly überlegte kurz. „Eastwood glaubt mir aber nicht. Wie soll ich ihn in einen Flieger nach Europa schaffen? Dad, das ist nicht mehr unsere Sache. Wir sollten nur seine Identität klären. Wir sind keine Privatdetektive.“
„Elizabeth.“ Ihr Vater hustete. Elly fand es schrecklich, dass er rauchte. Aber seit dem Tod ihrer Mutter ließ er sich von niemandem etwas sagen – nicht über seine Gesundheit und auch nicht von seiner einzigen Tochter.
„Wir haben keine andere Wahl“, fuhr ihr Vater fort. „Der Fürst macht uns dafür verantwortlich, dass etwas durchgesickert ist. Er ist überzeugt, dass die undichte Stelle nicht am Hof zu finden ist. Wir müssen alles tun, um weitere Probleme zu vermeiden. Und …“ Er verstummte.
„Gibt es schlechte Neuigkeiten?“
„Denk an die Folgen dieser Entdeckung, Elly. Es geht um eine riesige Geldsumme. Selbst ein illegitimes Kind hat ein Recht auf das Erbe seines Vaters. Und was ist mit der Mutter? Soweit wir wissen, hat sie nie Unterhalt für das Kind bekommen.“
Elly verdrehte die Augen. Das Briefbündel, das ihr Vater vor einiger Zeit zufällig hinter einer Holzpaneele entdeckt hatte, begann sich in eine Büchse der Pandora zu verwandeln. Nicht nur Margaret Eastwoods Liebesbriefe waren dabei gewesen, sondern auch andere Briefe, die als unzustellbar aus den USA zurückgekommen waren. Offenbar hatte Karl zehn Jahre lang vergeblich versucht, seine große Liebe wiederzufinden. Vielleicht hatte er nur nach Margaret gesucht. Vielleicht hatte er aber auch wissen wollen, ob er ein Kind gezeugt hatte, einen Erstgeborenen.
„Ich soll sie also in ein Flugzeug schaffen“, wiederholte Elly und schüttelte den Kopf. „Klingt nach einer Entführung. Ich habe keine Ahnung, wie ich das anstellen soll.“
„Uns bleibt nicht viel Zeit“, erinnerte ihr Vater sie. „Ich an ihrer Stelle würde mich über ein sicheres Versteck freuen. Die Medien werden sie lebendig fressen.“
„Ich habe das Gefühl, dass Daniel Eastwood nicht besonders leicht einzuschüchtern ist“, gab Elly zu bedenken.
„Elizabeth …“, ihr Vater klang besorgt, „… wenn diese Sache nach hinten losgeht, ist unser Ruf ruiniert. Hast du das verstanden?“
Sie schluckte. So schlimm war es also. „Ich bringe sie zu dir“, versprach sie.
Dan kam eine halbe Stunde zu spät zu seinem Termin mit dem Bauunternehmer. Auf dem Weg dorthin schweiften seine Gedanken ab. Immer wieder musste er an die attraktive Rothaarige denken, die er aus dem Haus seiner Mutter geworfen hatte – und an die unerfreuliche Tatsache, dass er Elly Anderson wahrscheinlich nie wieder begegnen würde.
Glücklicherweise wartete der Bauunternehmer noch auf ihn. Sie besprachen offene Fragen und unterzeichneten dann einen Vertrag. Innerhalb der nächsten Woche würden die Schäden an einigen Häusern behoben sein. Eine Sache weniger, über die er sich Sorgen machen musste.
Als er nach Haven zurückkam und seinen Wagen parkte, fiel ihm die rothaarige Frau auf. Er spähte durch die Windschutzscheibe. Elizabeth Anderson stand mit einem Mann am Rande des Parkplatzes.
Ellys Beine sahen noch länger aus, fand Dan, als er beobachtete, wie der Wind mit ihrem Rocksaum spielte. Ihr Haar umfloss ihr Gesicht in weichen Wellen, während sie mit Kevin sprach und immer wieder einige Strähnen nach hinten strich.
„Was hat diese Frau jetzt wieder vor?“, murmelte Dan vor sich hin und stieg aus dem Wagen.
Der gute alte Kevin hatte diesen hypnotisierten Ausdruck im Gesicht, den manche Männer unwillkürlich aufsetzten, wenn sie einer attraktiven Frau gegenüberstanden. Dan konnte nur hoffen, dass Kevin nichts getan hatte, um Elly bei ihren Schnüffeleien zu ermutigen. Er lief auf die beiden zu. „Ich dachte, wir seien uns einig gewesen, dass Sie mit dem Unsinn aufhören!“, rief er.
Elly drehte sich zu ihm um. Dan war hin- und hergerissen zwischen seiner Wut auf sie und dem hinreißenden Anblick, den sie bot, während der stürmische Wind an ihrem Rock, ihren Haaren und ihrer Jacke zerrte.
Entschlossen sah sie ihm entgegen. „Wir müssen dringend miteinander reden, Mr. Eastwood.“
„Das haben wir doch schon heute Morgen getan.“
Kevin schaute von einem zum anderen und trat dann verwirrt zwei Schritte zurück. „Ich weiß zwar nicht, was hier los ist, aber ich glaube, ich lasse euch zwei allein. Auf mich wartet Arbeit.“ Er ging davon, aber nicht ohne noch einen Blick zu ihnen zurückzuwerfen.
„Sie und Mrs. Eastwood müssen mit mir nach Europa fliegen. Spätestens heute Abend“, erklärte Elly ungerührt.
Dan lachte. „Sie irren sich nicht nur in meiner Mutter, Sie sind auch komplett verrückt.“
„Nein“, sagte Elly ruhig. „Weder das eine noch das andere ist richtig. Ich kann es beweisen. Hören Sie mir bitte zu! Wenn Sie sich weigern, kann das für Sie und Ihre Mutter sehr unangenehme Folgen haben.“
Etwas in ihrem Tonfall ließ Dan aufhorchen. Diese Frau war überzeugt von dem, was sie sagte. Der bestürzte Gesichtsausdruck seiner Mutter kam ihm wieder in den Sinn. Etwas hatte ihr Angst eingejagt. Und das machte auch ihm Angst.
Er schaute auf seine Armbanduhr. „Es ist fast Mittag. Haben Sie Hunger?“
„Ich habe sogar sehr großen Hunger“, gab Elly zurück. „Ich hatte keine Zeit für ein Frühstück heute Morgen. Warum?“
„Lassen Sie uns essen gehen. Wir können alles bei Krabbenküchlein besprechen.“
Kirby’s, das beliebteste Restaurant an der Ocean Avenue, war ganz im Stil der Fünfzigerjahre eingerichtet. Sie setzten sich in eine Nische, und Dan bestellte zwei große Teller mit Krabbenküchlein und Pommes frites.
Elly begoss ihre Fritten großzügig mit Ketchup und schaufelte sie hungrig in sich hinein. Dan aß langsam und beobachtete sie. Er war sich ihrer atemberaubenden Figur sehr bewusst. Immer wieder schaute er fasziniert auf ihren Mund, während sie noch ganz mit den knusprigen Kartoffelstücken und den leckeren Krabbenküchlein beschäftigt war.
Dan war zugleich neugierig und misstrauisch. Warum wollte sie ihn unbedingt nach Europa schaffen? „Also erzählen Sie mir von den Beweisen“, sagte er schließlich. „Und warum haben Sie es so eilig, mich aus dem Land zu bringen?“
„Ich weiß, dass Sie mich aufdringlich finden“, begann sie, spießte eine weitere Fritte auf ihre Gabel und fuchtelte damit in seine Richtung. „Und ich freue mich nicht darüber, jemanden der Lüge bezichtigen zu müssen …“
„Aber Sie tun es trotzdem“, sagte er leise.
Elly betrachtete ihn eingehend. „Menschen können sehr erfinderisch sein, wenn es darum geht, ihre Vergangenheit zu schützen. Vor allem, wenn sie Angst haben. Frauen müssen besonders vorsichtig sein. Und eine alleinerziehende Mutter muss anderen Menschen ununterbrochen erklären, warum sie allein ist. Zweifellos hat ihre Mutter gedacht, dass ein toter Ehemann für ihre Umwelt leichter hinzunehmen ist als die Wahrheit.“
„Und was ist die Wahrheit?“ Vielleicht würde er ihr glauben, dachte Dan. Aber ganz bestimmt nicht ohne eine gute Erklärung.
Elly zog einen Umschlag aus ihrer Handtasche. „Dies sind Fotokopien von Briefen, die kürzlich auf dem Besitz der von Karloffs gefunden worden sind. Die Unterschrift auf diesen Briefen stammt fast sicher von Ihrer Mutter. Letzte Zweifel können wir in Danubia beseitigen. Wir glauben, dass Ihre Mutter sich in Paris in Karl von Karloff verliebt hat. Sehr wahrscheinlich hat sie gedacht, dass er sie heiraten würde. Aber er war nicht ganz ehrlich zu ihr. Er war bereits verlobt und außerdem der Thronfolger von Danubia.“
Elly hob die Hand, als Dan etwas entgegnen wollte. „Karl war unter einem anderen Namen an der Sorbonne eingeschrieben“, fuhr sie fort. „Als Margaret herausfand, dass er sie niemals heiraten konnte, ist sie nach Amerika geflohen. Wahrscheinlich wusste sie da schon, dass sie schwanger war. Statt zu ihren Eltern nach Massachusetts zurückzukehren, ließ sie sich in Baltimore nieder und erfand einen Ehemann. Vielleicht wollte sie mit ihrem Umzug nach Baltimore auch Karl abschütteln. Möglicherweise fürchtete sie sich vor dem, was er tun könnte, wenn er entdeckte, dass er ein Kind hatte.“
Dan wurde heiß. Er betrachtete den Umschlag auf dem Tisch. „Das alles ist schwer zu glauben.“
Elly schüttelte langsam den Kopf. „Es tut mir leid. Aber sehen Sie selbst.“
Dan konnte kaum atmen, er fühlte sich wie erstarrt. Er war noch immer wütend auf Elly, aber gleichzeitig fürchtete er, dass sie die Wahrheit sagte. Sie musste nicht betonen, dass sich sein Leben drastisch verändern würde, wenn es so war.
Und was würde aus seiner Mutter werden? Sie hasste Auseinandersetzungen und wünschte sich nur, ruhig und einfach leben zu können. Unglückliche Beziehungen und ungeplante Geburten waren schon schlimm genug. Dazu musste der Vater nicht aus einer fürstlichen Dynastie stammen, die regelmäßig in der Öffentlichkeit stand und dem Klatsch der Regenbogenblätter nicht entgehen konnte.
Elly legte ihre Hand auf seine. „Das alles muss ein Schock für Sie sein. Es tut mir wirklich leid.“ Sie sah ihn ernst und mitfühlend an. „Mir wäre es lieber gewesen, wenn Ihre Mutter mit ihrem Geheimnis unbehelligt hätte weiterleben können. Aber andere wissen davon. Deshalb musste ich Sie informieren.“
Dan war sprachlos. Er fühlte sich seltsam betäubt und hatte keine Ahnung, wie er reagieren sollte.
„Nehmen Sie sich Zeit, die Papiere durchzulesen“, schlug Elly vor. „Und dann können wir darüber reden.“
Ihm fiel jetzt auf, dass sie einen leichten Dialekteinschlag hatte. Sie klang nach Neu-England, irgendwie nach Ahornsirup. Er würde sie gerne näher kennenlernen. Sie schien nett zu sein – und sie war natürlich auch sehr attraktiv. Aber so wie es aussah, gab es weit dringendere Fragen, die er klären musste.
Er nahm einen Bissen von einem inzwischen lauwarmen Krabbenküchlein und kaute, ohne etwas zu schmecken. „Es wird eine Menge Wirbel geben, oder? Nicht nur in der Presse.“
Sie warf ihm einen unergründlichen Blick zu. „Das könnte durchaus sein.“
Dan zog die Fotokopien aus dem Umschlag. Er überflog rasch das erste Blatt.
Daniel Robert Jennings. Geboren am 20. August 1970. Geburtsort: Baltimore, Maryland. Die Geburtsurkunde liegt bei. Mutter: Margaret Jennings. Ein Vater wurde nicht angegeben. Name der Mutter und des Kindes drei Monate später in Eastwood geändert. Als Grund wird genannt: Heirat mit Carl Eastwood. Ein Mann dieses Namens taucht nirgendwo auf. Ergebnis: sehr wahrscheinlich ein ausgedachter Name.
Es gab noch andere Berichte, die sich Dan mit trockenem Mund und rasendem Puls hastig durchlas.
Margaret Jennings, von 1969 bis 1970 Studentin an der Sorbonne, ausgezeichnete Noten. Verließ die Universität im März 1970. Genannte Gründe: persönlich.
Kleine Schweißperlen liefen seinen Nacken hinunter. Er starrte auf die nächste Seite, auf der jemand „Liebesbriefe, unterschrieben mit ‚deine dich liebende Margaret‘, keine Umschläge“ notiert hatte. Es gab sogar Fotokopien von zwei Briefen. Er versuchte, nicht daran zu denken, wie viel Liebe und Sehnsucht sich hinter den Sätzen verbargen. Aber er sah auf den ersten Blick, dass die Schrift der seiner Mutter erstaunlich ähnelte. Dann entdeckte er eine weitere Anmerkung:
Briefe seiner Hoheit Karl von Karloff an eine Margaret Jennings in den Vereinigten Staaten, datiert 1970 (3), 1972(2), 1973, 1975, 1976 und 1980. Alle als unzustellbarzurückgeschickt.
„Nun?“, fragte Elly und schaute von ihrem leeren Teller auf.
Dan lächelte schwach. „Ich könnte mir vorstellen, dass Karls legitimer Sohn wegen Ihrer Entdeckungen ein bisschen nervös ist.“
„Etwas mehr als nur nervös. Vor allem, weil Sie vor ihm auf die Welt gekommen sind.“
„Autsch.“
„Und das ist noch längst nicht alles“, fügte Elly hinzu. „Jemand aus dem Palast hat geplaudert. Ein Reporter samt Fotograf ist Ihnen auf den Fersen. Sie waren hinter mir her, aber ich habe sie in Baltimore abgehängt. Dass ich Sie vor Ihnen gefunden habe, war ziemliches Glück.“
Dan hatte keinen Appetit mehr. Er schob seinen Teller weg. Vor seinem inneren Auge erschienen Bilder von Fernsehkameras, von Reportern mit Mikrofonen, und er sah sich schon mit ständigen Anrufen von irgendwelchen Zeitungsleuten konfrontiert. Gleichzeitig versuchte er sich einzureden, dass die ganze Sache vielleicht eine gute Seite haben könnte. Immerhin würde sie Werbung für sein Projekt für die Stadtkinder machen.
Im nächsten Moment fiel ihm ein, dass die Aufmerksamkeit weder ihm noch seiner ehrenamtlichen Arbeit gelten würde. Es würde um seine Mutter und ihre Vergangenheit gehen, die sie vor ihm, vor ihren Freunden und Nachbarn hatte verbergen wollen. Das Ganze würde sie umbringen.
Er starrte Elly entsetzt an. „Wir wollten das nicht.“
„Ich weiß. Und ich schwöre Ihnen, dass mein Vater und ich nichts damit zu tun haben, dass die Vergangenheit Ihrer Mutter ans Licht gezerrt wird. Aber wir werden alles tun, um das Ganze nicht noch schlimmer zu machen.“
„Was haben Sie vor? Uns wegzaubern?“
Sie lächelte ihn wieder geheimnisvoll an. „So etwas Ähnliches.“
Elly war erleichtert, als Dan zustimmte, mit ihr nach Danubia zu fliegen. Seine Mutter davon zu überzeugen, dass es besser für sie wäre, ihr behagliches Häuschen zu verlassen, war zuerst ein Kampf. Doch dann rief der erste Journalist vom Washington Star an.
Offenbar hatte die englische Presse, die als erste Wind von der Angelegenheit bekommen hatte, sich auf ihrer Suche nach dem verschwundenen Prinzen mit verschiedenen amerikanischen Zeitungen in Verbindung gesetzt. Der Star hatte ein Team auf die Sache angesetzt, und bald war klar, dass es nicht bei Anrufen der Reporter bleiben würde. Die Vorstellung, dass ihr Haus über kurz oder lang von Journalisten und Fotografen belagert werden würde, brachte Madge schließlich dazu, einzulenken und der Reise zuzustimmen.
Mit Unterstützung der Botschaft von Danubia buchte Elly für denselben Abend einen Flug. Auf dem Weg zum Flughafen nach Washington D. C. stießen sie auf zwei Wagenladungen mit Journalisten. „Solange wir in Bewegung bleiben …“, versicherte Elly der ängstlichen Madge, „… ist alles in Ordnung. Auf dem Flughafen wird uns der Sicherheitsdienst abschirmen.“
Sie hängten die beiden Limousinen schließlich ab. Auf dem Flugplatz wurden sie sofort in einen bewachten Bereich gebracht, wo sie unbehelligt von der Presse auf ihre Maschine warten konnten. Als sie schließlich einstiegen und das Flugzeug abhob, hätte Elly am liebsten einen Freudenschrei ausgestoßen. Doch sie wusste, dass mit ihrem Verschwinden aus den USA die Probleme noch längst nicht gelöst waren.
Sie schloss die Augen. Sie war erschöpft, und ihre Gedanken drifteten ab. Sie dachte an eine Zeit in ihrem Leben, in der es mehr als zwei Andersons gegeben hatte: Damals hatte es sie selbst, ihren Dad – und ihre Mom gegeben. Sie sah das lächelnde Gesicht ihrer Mutter vor sich. Elly kämpfte gegen diese Erinnerungen an, die es ihr so schwer machten, ihren inneren Frieden zu finden. Ihr Herz begann zu rasen. Sie atmete schwer.
„Es wird alles gut gehen, mein Schatz“, hatte ihre Mutter ihr damals versichert, als eine weit jüngere Elly sich Sorgen machte, dass sie die Ankunft des Babys verpassen würde. „Es ist alles genau geplant. Ich gehe an dem Tag ins Krankenhaus, den du und ich im Kalender angestrichen haben. Kannst du dich daran erinnern? Dort werde ich eine kleine Operation haben, die man Kaiserschnitt nennt. Du wirst deinen kleinen Bruder gleich nach der Geburt sehen können. Und dann werden wir uns darüber streiten, wer zuerst mit ihm kuscheln darf.“
Sie hatten darüber gelacht. Ihr Vater hatte Elly erzählt, dass sie mit zwölf Jahren schon alt genug war, um selbst Mutter zu werden – jedenfalls in einigen Teilen der Welt. Elly hatte sich darauf gefreut, ihren kleinen Bruder in die Arme zu nehmen und ihn zu beschützen.
Während sie Richtung Danubia durch die Nacht flog, versank Elly noch tiefer in der Vergangenheit. Ihre Gedanken kehrten wieder zu jener Nacht zurück.
Wieder quälten sie die lauten Schreie ihrer Mutter und die Stimme ihres Vaters, der am Telefon verzweifelt nach Hilfe rief. Als sie zu ihrer Mutter ins Schlafzimmer gehen wollte, hatte ihr Vater ihr den Weg versperrt. Er hatte sie angeschrien, dass sie nicht dort hineingehen dürfe, und sie in ihr Zimmer geschoben. Sie fühlte sich, als würde sie für ein Verbrechen bestraft, das sie nicht verstand.
Vor ihrem Fenster hatten die Lichter des Rettungsdienstes geblinkt. Zwei Sanitäter waren ins Haus gerannt, während der Fahrer des Krankenwagens eine Trage herauszog. „Es wird ihr bald wieder gut gehen“, hatte Elly geflüstert. „Dad hat es gesagt.“ Doch die Zeit verging, und der Rettungswagen stand noch immer da. Irgendwann wusste Elly, dass die Sanitäter ihre Mutter nicht ins Krankenhaus bringen würden.
Elly hörte ein Wimmern und spürte etwas Feuchtes auf ihren Wangen. Sie drehte sich in ihrem Sitz herum, fühlte, wie eng ihr die Brust war, und bemerkte eine Hand auf ihrer Schulter.
„Geht es Ihnen gut?“ Es war nicht die Stimme ihrer Mutter, die sie so oft bei ihren schlimmsten Flashbacks gehört hatte. Diese Stimme gehörte einem Mann. „Elly?“
Sie blinzelte und brauchte einen Augenblick, um sich in der schwach beleuchteten Flugzeugkabine zu orientieren. Ihre Kehle brannte, ihre Schläfen pochten. Als sie den Kopf drehte, sah sie, dass sich Dan auf den leeren Sitz neben sie gesetzt hatte.
„Sie haben schlecht geträumt“, sagte er leise.
„Wirklich?“ Der Unterschied zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart schien fließend, so, als könne sie jederzeit zu den dramatischen Momenten ihrer Kindheit zurückkehren und sie noch einmal erleben.
Dan nahm ihre Hand. „Wollen Sie mir davon erzählen?“ Er lächelte sie an.
„Nein, lieber nicht.“ Sie schauderte und schluckte zweimal, um den Kloß in ihrer Kehle loszuwerden und ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen. In ihrem Kopf klangen immer noch die schrecklichen Schreie nach. Die kalte Hand des Todes griff nach ihr. „Egal, was ich tue, dieser Albtraum kehrt immer wieder.“
„Er ist schlimm, was?“
„Sehr schlimm.“ Sie hätte es dabei belassen können. Doch seine ehrliche Anteilnahme brachte sie dazu, mehr zu sagen. Es schien ihr, als hätten sie und Dan etwas gemeinsam: Sie beide wurden von ihrer Vergangenheit verfolgt, die sie ihr ganzes Leben lang nicht mehr loslassen würde. „Es ist keine reine Fantasie, sondern wie die Endlosschleife eines wirklichen Ereignisses.“
„Wie bei einem Soldaten, der plötzlich wieder auf dem Schlachtfeld steht?“
„Etwas in der Art.“ Elly zog sich in ihrem Sitz hoch und schaute zur schlafenden Madge hinüber. „Sie sind sehr freundlich zu ihr.“
„Warum sollte ich nicht? Sie ist meine Mutter!“
„Nicht alle Menschen wissen zu schätzen, was sie an ihren Eltern haben.“
„Wahrscheinlich haben Sie recht“, stimmt er ihr zurückhaltend zu. „Behandeln Sie Ihre Mutter gut?“
Elly schloss die Augen und erschauerte.
„Es tut mir leid“, flüsterte Dan. „Das war wahrscheinlich zu persönlich.“ Er atmete tief durch. „Ich glaube, es kommt daher, weil Sie so viel über mich herausgefunden haben und ich nichts über Sie weiß. Außer, dass Sie für Ihren Vater arbeiten.“
Sie zuckte die Achseln, entspannte sich aber beim Klang seiner sanften Stimme. „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich war zwölf Jahre alt. Meine Eltern hatten jahrelang versucht, ein zweites Kind zu bekommen. Sie waren überglücklich, als meine Mutter endlich schwanger wurde.“ Ihre Stimme klang flach. Von den Gefühlen, die sie mit diesen Ereignissen verbanden, war nichts zu hören. „Mom starb im Kindbett. Mein kleiner Bruder ist auch gestorben.“
„Das ist furchtbar.“ Dan drückte ihre Hand. „Es muss lange gedauert haben, darüber hinwegzukommen.“ Dann trafen sich ihre Blicke, und er verstand. „Vielleicht verfolgt Sie das sogar noch heute.“
Sie schaute nach draußen, um seinem allzu wissenden Blick zu entgehen. Der Mond war nicht zu sehen, dafür funkelten die Sterne über dem Atlantischen Ozean. Dans Daumen malte beruhigende Kreise auf ihrem Handrücken.
Plötzlich konnte sie ihre Gedanken nicht mehr für sich behalten. Die Worte strömten regelrecht aus ihr heraus. Noch nie hatte sie sich jemandem so rückhaltlos anvertraut, und sie fragte sich, warum sie ausgerechnet diesem Mann ihr Herz öffnete. Vielleicht, weil sie wusste, dass Schmerz und Anstrengung vor ihm lagen. Vielleicht aber auch, weil sich ihre Wege bald wieder trennen würden.
Als sie ihm von der furchtbaren Nacht erzählte, vom Tod ihrer Mutter und der Trauer ihres Vaters, legte Dan den Arm um sie, als wolle er sie vor ihren Erinnerungen beschützen.
„Mein Vater hat nach dem Tod meiner Mutter irgendwie aufgehört zu funktionieren“, sagte Elly. „Er ist nicht mehr arbeiten gegangen. Er hat nicht genug gegessen. Er hat wieder angefangen zu rauchen. Und er hat eine Menge getrunken, glaube ich. Er war tagsüber selten zu Hause und nachts nie. Er hat ihren Namen nicht erwähnt. Wir haben nie mehr darüber gesprochen.“
Dan schaute sie betroffen an. „Aber gerade in dieser Zeit hätten Sie ihn dringend gebraucht.“
Elly seufzte. „Ja. Aber ich kann ihm nicht vorwerfen, dass er Abstand benötigte. Ich sehe ihr unglaublich ähnlich. Mich anzusehen, war einfach zu viel für meinen Dad.“
„Das ist keine Entschuldigung“, entgegnete Dan.
Sie schloss die Augen. „Sie können sich nicht vorstellen, wie es war.“ Sollte sie ihm nun auch noch den Rest erzählen? Den Teil, der ihre Zukunft überschattete? Doch nun, wo sie ihm ihr Herz geöffnet hatte, schien es kein Zurück mehr zu geben.
„Erst Jahre später“, flüsterte Elly, „hat mir Dad erzählt, was in jener Nacht wirklich passiert ist. Meine Mutter hatte ein vergrößertes Herz. Sie wussten es seit meiner Geburt und hatten sich deshalb für eine Kaiserschnittentbindung entschieden. Aber als die Wehen begannen, hat ihr Herz versagt. Das Baby ist erstickt, bevor der Rettungswagen kam.“
„Es tut mir sehr leid, Elly.“
Sie nickte nur. „Mein Vater hat darauf bestanden, dass ich mich gründlich untersuchen lasse. Er war nicht besonders überrascht, als sich herausstellte, dass ich das Herzproblem meiner Mutter geerbt habe. Mein Herz ist ein bisschen größer, als es sein sollte. Nichts Schlimmes. Man kann ohne Weiteres damit leben. Aber an dem Tag, als ich es erfahren habe, beschloss ich, keine Kinder zu bekommen. Ich mag Kinder wirklich gern“, betonte sie. „Aber ich will mein Leben ihretwegen nicht aufs Spiel setzen, wie es meine Mutter getan hat.“
„Heutzutage kommt es sehr selten vor, dass Frauen im Kindbett sterben“, entgegnete Dan vorsichtig. „Wenn man frühzeitig ins Krankenhaus kommt … Sie sollten nicht …“
Elly entzog ihm ihre Hand. „Erzählen Sie mir nicht, was ich tun oder lassen soll!“, fuhr sie ihn an. Um die anderen Passagiere nicht aufmerksam zu machen, unterdrückte sie ein Schluchzen. Sie presste die Worte heraus: „Belehren … Sie … mich … nicht!“
„Das tue ich nicht, Elly“, flüsterte er. „Ich weise nur auf die medizinischen Fakten hin. In den vergangenen zehn Jahren gab es eine Menge Fortschritte. Die Chancen, dass Sie ohne jegliche Komplikationen ein Baby bekommen können, sind groß.“
Sie schaute ihn an. „Chancen. Glauben Sie wirklich, dass ein Kind mehr auf dieser Welt es wert ist, dass ich oder eine andere Frau, deren Körper zu schwach ist, ihr Leben dafür riskiert?“
Er antwortete nicht.
Sie atmete tief durch und fühlte sich seltsamerweise besser, weil sie endlich einmal laut ausgesprochen hatte, was sie empfand.
In ihrem Leben hatte es in den vergangenen Jahren natürlich auch Männer gegeben. Mit einigen davon hatte sie geschlafen, aber erst, nachdem sie ganz sicher gewesen war, dass diese Männer keine Familie gründen wollten. Während dieser Affären hatte sie die Pille genommen. Und weil sie sich in keinen verliebt hatte, hatte sie es auch nicht bedauert, wenn diese Männer sich irgendwann eine andere Frau gesucht hatten.
Die letzte Trennung war trotzdem schmerzhaft gewesen. Sam war wirklich ein netter Kerl gewesen und mit der Zeit hatte sie angefangen, ihn sehr zu mögen. Sein einziger Fehler war, dass er seine Meinung geändert hatte: Er hatte beschlossen, Ehemann und Vater werden zu wollen.
Das war ein Jahr her. Seitdem war sie allein. Doch nun saß ein ausgesprochen verlockender Mann neben ihr. Vielleicht zu verlockend für sie. Sie versuchte abzuschätzen, wie sehr sie Dan mochte, und stellte fest, dass die Leidenschaft für ihn sich neu und ausgesprochen stark anfühlte. Er hatte etwas in ihr berührt. Alle anderen Männer waren nicht einmal in die Nähe dieses Etwas gekommen. Dabei kannte sie Dan erst seit wenigen Stunden.
„Was ist mit Ihnen?“, fragte sie schnell. „Warum sind Sie nicht verheiratet?“ Sie hoffte, er würde sagen, dass er keine Kinder wollte und sich deshalb noch nicht fest gebunden hatte.
„Ich nehme an, dass ich zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt war“, gestand er stattdessen. „Bei den Marines war der Zeitpunkt nicht gut. Ich wurde andauernd versetzt. Nach der Uni stand meine Firma an erster Stelle. Ich habe immer eine Familie gründen wollen. Aber jetzt, wo es ginge, fehlt die richtige Frau dafür.“
Elly zuckte innerlich zusammen. Okay. Das war’s. Er suchte nach einer Lebensgefährtin, nach der künftigen Mutter seiner Kinder. Und das bin ich nicht, dachte sie und war überrascht, dass sie dieser Gedanke traurig machte. Trotzdem fand sie Dan weiterhin anziehend. Er erweckte Gefühle in ihr zum Leben, von denen sie nicht mehr gewusst hatte, dass sie überhaupt existierten.
Dan strich ihr leicht über den Arm. „Geht es Ihnen besser?“
„Ja“, gestand sie halbherzig. „Mir geht es gut. Danke, dass Sie mir Ihre Schulter geliehen haben.“
Er schaute zu seinem eigenen Platz hinüber, den inzwischen die schlafende Madge mit Beschlag belegt hatte.
„Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich noch ein bisschen hier sitzen bleibe?“
„Nein. Bleiben Sie nur.“ Und mit einem Blick auf Madge fügte Elly hinzu: „Sie wird in Danubia ihre ganze Kraft brauchen.“
Sie unterhielten sich die ganze Nacht lang über unbedeutende Dinge. Es war, als wüssten sie beide, dass sie schon genug über Persönliches gesprochen hatten. Aber Elly bedauerte nicht, dass sie es getan hatten – irgendwie war es der richtige Zeitpunkt gewesen.
Der Jet landete früh am Morgen auf dem Pariser Flughafen Orly. Die amerikanischen Reporter waren zwar in den USA zurückgeblieben, doch sie hatten ihre europäischen Kollegen alarmiert. Vor dem Ausgang drängten sich die Paparazzi.
„Schrecklich“, seufzte Madge. „Wie sollen wir nur an denen vorbeikommen?“
Elly zeigt auf einige französische Polizisten, die aufmerksam die Fluggäste musterten. „Sieht ganz so aus, als hätte der Hof die hiesigen Behörden alarmiert. Lassen Sie uns zu den Polizisten hinübergehen.“
Dan folgte den beiden Frauen.
Ein Sicherheitsteam eskortierte sie zu einer Limousine, die sie zu einer privaten Startbahn brachte. Dort wartete ein Hubschrauber mit dem Wappen der von Karloffs auf sie. Zwei Stunden später kam der Kristallpalast in Sicht, der über Danubias Hauptstadt thronte, deren Geschichte bis ins Mittelalter zurückreichte.
Madge stieß einen leisen Schrei aus. „Wie schön!“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie sah ihren Sohn traurig an und rief ihm über den Lärm der Rotorblätter zu: „Bist du böse auf mich, weil ich es dir jahrelang verheimlicht habe, Danny?“
Er schüttelte den Kopf. „Du hast mir eine sichere, liebevolle Kindheit geschenkt.“ Er lächelte ihr aufmunternd zu. Doch als seine Mutter sich wegdrehte, veränderte sich sein Gesichtsausdruck.
Elly flüsterte ihm ins Ohr: „Was ist los?“
„Später“, formten seine Lippen unhörbar.
Elly nickte und versuchte, Dans Gedanken zu erraten. Es war nicht Madge gewesen, die ihrem Sohn einen fürstlichen Titel und eine ebensolche Erziehung vorenthalten hatte. Tradition und Politik waren daran schuld.
Es wäre Madge niemals gestattet worden, ihr Baby hierher zu bringen. Wären Karls Geliebte und sein illegitimer Sohn in Danubia aufgetaucht, wäre das eine Beleidigung für die Fürstin gewesen. Karl hätte Madge bestenfalls anbieten können, für das Baby und sie aufzukommen, vermutete Elly. Dans Mutter musste das gewusst haben. Sie hatte sich dafür entschieden, sich vor ihm zu verstecken. Sie hatte ihrem Liebhaber und seiner Mildtätigkeit – oder seinem Schweigegeld – den Rücken gekehrt.
Elly verstand das alles. Wenn das Schicksal es mit einer Frau nicht gut meinte, war ihr Stolz alles, was ihr blieb, wenn sie überleben wollte.
Sie wusste nun, dass sie alle Möglichkeiten ausschöpfen musste, um Madge und Dan beizustehen. Schließlich war sie mitverantwortlich für ihre Schwierigkeiten. Wenn ihr Vater und sie die Informationen nicht versehentlich an die falsche Person weitergeleitet hätten, wüssten die Medien heute noch nichts von Madge und ihrem Sohn.
Beim Abendessen in einem der intimeren Räume des Palastes traf Elly schließlich die fürstliche Familie. Sie und ihr Vater kamen gemeinsam, Dan und Madge warteten bereits – mit Cocktails in den Händen, wie das Dutzend weiterer Gäste. Elly ließ sich von einem der Kellner ein Glas Weißwein geben, ging zu Mutter und Sohn hinüber und stellte den beiden ihren Vater vor.
„Wer sind diese Leute?“, fragte Dan.
Frank Anderson sah sich um. „Es sind Angehörige von Fürst Jacobs Hof sowie seine politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Berater. Sie sind hier, um Sie unter die Lupe zu nehmen und zu beschließen, was sie mit Ihnen machen sollen.“ Er lächelte Dan zu und hob sein Glas. „Aber ich möchte Sie nicht unter Druck setzen, mein Junge.“
Dan sah sich argwöhnisch im Raum um. Er wirkte angespannt. „Warum sagen sie nicht offen, was sie denken?“
„Sie wissen noch nicht, was sie denken sollen“, entgegnete Elly. „Keiner weiß, wie Sie sich verhalten werden.“
„Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich nichts haben will!“, gab Dan scharf zurück.