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Was für ein Mann! Elly Anderson ringt nach Atem. Geschmeidig tritt er aus der Brandung auf sie zu. Die Wassertropfen glitzern auf seiner gebräunten Haut, mit seinen muskulösen Schultern und dem sexy Six-Pack ist er einfach umwerfend … Stopp! Elly muss sich mit aller Macht zusammenreißen. Denn sie ist nicht an den einsamen Strand gekommen, um von heißen Küssen und wildem Sex in den Dünen zu träumen. Sondern um im Auftrag der Fürstenfamilie von Danubia herauszufinden, ob Daniel Eastwood der vermisste Prinz ist, der ein Anrecht auf den Thron hat …
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Seitenzahl: 206
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2002 by Kathryn Pearce Originaltitel: „The Secret Prince“ erschienen bei: Harlequin Books, Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1872 - 2015 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Charlotte Gatow
Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 05/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733721169
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Du gehörst mir, Lady.“ Daniel Eastwood warf seine Jeans zu dem Sweatshirt, das bereits im Sand lag. „Mir die kalte Schulter zu zeigen, wird dir nichts nützen.“
Sie war an diesem Morgen noch schöner als am Tag zuvor … und am Tag davor. Daniel war bereit für sie. Voller Vorfreude rollte er die breiten Schultern.
Drei lange Schritte und er tauchte in die Wellen des Atlantiks ein. Wie immer fügte sich die See seinen kraftvollen Schwimmzügen. Ihre kalten Finger griffen nach ihm und trugen ihn hinaus ins tiefe Wasser. In jeder grüngrauen Woge konnte er ihre Stärke spüren. Er schwamm genau eine halbe Meile parallel zum menschenleeren Strand, bevor er umkehrte und an die Stelle zurück kraulte, an der er sich ins Meer gestürzt hatte.
Vom ersten Moment an hatte Daniel eine fast schon intime Beziehung zur See gehabt. Er hatte sie zum ersten Mal während eines Schulausflugs von Baltimore nach Ocean City gesehen. Sie hatte auf das Stadtkind, das da auf dem hellen Sand stand, zugleich einschüchternd und faszinierend gewirkt. So viel Wasser! Und dieses Wasser schien in seinem eigenen Takt zu atmen. Die frische Luft gab dem kleinen Dan das Gefühl, stark zu sein, ein ganz neuer Mensch zu sein.
Obwohl er noch am selben Tag in die Stadt zurückkehren musste, hatte er die Schönheit des Meeres nie vergessen. Er hatte immer gewusst, dass er nirgendwo anders leben wollte als an der Küste.
Sobald er alt genug war, war er zurückgekehrt und hatte einen Sommerjob als Rettungsschwimmer angenommen. Von da an war er – abgesehen von der Zeit, die er bei den Marines verbracht hatte – jedes Jahr im Juni mit der Gleichmäßigkeit der Gezeiten wieder hergekommen.
Doch obwohl er die See liebte, wusste er, dass sie unberechenbar war. Es gab plötzliche Böen. Tiefes Wasser an Stellen, an denen es am Tag zuvor noch flach gewesen war. Es gab Strömungen, die selbst den stärksten Schwimmer mit sich reißen und umbringen konnten. Doch er liebte die Kraft und die Schönheit der See, auch wenn sie nicht ungefährlich war.
Als Dan jetzt den Kopf zur Seite wandte, um ein letztes Mal Luft zu holen, bevor er mit vier weiteren Kraulschlägen den Strand erreichen würde, sah er eine Frau neben seinen abgelegten Kleidern stehen. Mit der Hand schirmte sie die Augen vor der Morgensonne ab. Sie wirkte wie jemand, der seinetwegen gekommen war, nicht wie eine Spaziergängerin, die nur kurz einem Schwimmer zusehen wollte.
„Was zum Teufel …“, murmelte Dan und schluckte unabsichtlich einen Schwall Salzwasser. Seine Leute wussten, dass er um diese Zeit nicht gestört werden wollte. Er kam im brusthohen Wasser auf die Füße und musterte die Frau.
Sie war nicht von hier, denn dann würde er sie kennen. Sie war groß für eine Frau, stellte er fest, wahrscheinlich höchstens einen Kopf kleiner als er. Ihr rostbraunes Haar trug sie zu einem Knoten zusammengebunden. In ihrem grünen Kostüm wirkte sie am Strand deplatziert. Sie hielt ihre braunen Pumps in einer Hand und sah sogar auf die Entfernung genervt aus.
Als er langsam aus dem Wasser kam, änderte sich ihr Gesichtsausdruck. Sie wirkte jetzt beunruhigt. Vielleicht fürchtete sie, dass er ohne Badehose geschwommen war, dachte Dan. Er lächelte, als er auf sie zuging. Nach einigen weiteren Schritten aus dem Wasser heraus wurde dann klar, dass er nicht nackt war.
Sofort hoben sich ihre Mundwinkel.
Dan musste sich ein Grinsen verkneifen. Er hätte viel dafür gegeben, ihr Gesicht zu sehen, wenn er heute Morgen doch nackt geschwommen wäre.
„Werfen Sie mir bitte mein Handtuch her!“, rief er und steuerte direkt auf sie zu.
Sie runzelte die Stirn, als würde sie ihn wegen der lauten Brandung nicht verstehen. Dann sah sie sich um und griff schließlich nach dem Handtuch.
„Finden Sie es nicht ein bisschen ungewöhnlich im November in Maryland zu baden?“, fragte sie.
„Durchaus nicht.“ Die folgende Bemerkung konnte er einfach nicht unterdrücken: „Ich bin sehr heißblütig.“
Sie verdrehte die Augen und warf ihm das Handtuch zu. „Oh, bitte …“
„Es ist wirklich wahr. Meine Körpertemperatur ist etwas höher als die der meisten Menschen. Das war schon immer so. Allerdings kennt meine Begeisterung auch Grenzen. Wenn die See zufriert, schwimme ich nicht mehr.“
„Das klingt vernünftig“, antwortete sie amüsiert.
Elly zwang sich, den Horizont zu betrachten und nicht den fast nackten Mann. Sie versuchte sich daran zu erinnern, warum sie mitten im Winter am Strand stand und fror. Aber es fiel ihr schwer, Dan Eastwood nicht anzusehen. Keiner der Männer, die sie kannte, hatte einen solchen Körper. Die breiten muskulösen Schultern eines Schwimmers, einen festen Waschbrettbauch und schmale Hüften, die in starke Beine übergingen.
Aber sie war nicht hierhergekommen, um mit ihm zu flirten. Ihr Auftrag war wichtig, und außerdem drängte die Zeit.
„Sind Sie Daniel Robert Eastwood?“, fragte sie und riskierte doch noch einen kurzen Blick. Gott, er war umwerfend!
„Der bin ich. Und wer sind Sie?“
Er trocknete sich zuerst seine muskulöse Brust ab, dann die starken Arme, schließlich den Bauch. Das Handtuch wanderte tiefer …
Elly schaute hastig weg. An ihrem Haaransatz bildeten sich trotz der kalten Luft kleine Schweißperlen. „Ich heiße Elizabeth Anderson. Ich möchte Ihnen gern ein paar Fragen stellen, wenn Sie Zeit haben.“
Er zuckte die Achseln. „Falls Sie Hotelbedarf verkaufen, dann sollten Sie sich mit meinem Geschäftspartner, Kevin Hunter, treffen. Er ist für die Bestellungen zuständig. Sein Büro liegt im Hauptgebäude.“
„Mit Mr Hunter habe ich bereits gesprochen. Er hat mir gesagt, wo ich Sie finde.“
„Aha.“
Elly mochte es, wie seine dunklen Augen sie anblitzten, ein Hinweis darauf, dass er es guthieß, dass sein Partner sie hergeschickt hatte.
Ihr fiel auf, dass sie sich unwillkürlich mit der Zunge über die Oberlippe fuhr. Sie schloss den Mund. Daniel könnte es als Reaktion auf den Anblick seines Körpers verstehen – was es ja auch war. Sie sollte sich besser auf das Geschäftliche konzentrieren. Eine Menge Leute waren auf sie angewiesen, wichtige Leute, darunter ihr Vater.
Als Dan sich das Sweatshirt über den Kopf zog, hatte er sich einen ersten Eindruck von der Fremden verschafft. Sie war schlank und wirkte fit, auch wenn sie etwas blass war. Sie sah aus, als hielte sie ihr Job drinnen fest und als nehme sie sich nicht die Zeit, sich draußen zu erholen. Ihr kurzer Rock enthüllte lange, gut geformte Beine. Über ihre Brüste … ließ sich nicht viel sagen, denn sie trug eine konservative Kostümjacke. Schade, dass nicht August war. Sie hätte ihre Jacke ausziehen müssen.
„Lassen Sie uns zu meinem Haus hochgehen“, schlug er vor. „Und Sie erzählen mir, was Sie herführt.“
„Warum ziehen Sie sich nicht zuerst um, Mr Eastwood, und wir treffen uns in Ihrem Büro?“
„Weil es unpraktisch ist.“ Er ging los. Einen Augenblick später hörte er sie hinter sich herhasten. Er lächelte in sich hinein.
„Warum ist es unpraktisch?“, rief sie.
„Ich habe um neun Uhr einen Termin in der Stadt und weiß nicht, wie lange es dauert. Haben Sie schon einmal davon gehört, dass man sich anmeldet, Miss Anderson?“
„Dafür reichte die Zeit nicht. Ich muss jetzt mit Ihnen sprechen.“
Dan blieb stehen und drehte sich um. Die Dringlichkeit in ihrer Stimme verhieß nichts Gutes. „Vielleicht sollten wir es gleich hier klären. Worum geht es?“
Sie seufzte und blickte nachdenklich den Strand hinunter. Dann sah sie ihn an.
„Beeilen Sie sich“, forderte er sie auf. Gleich würden ihm vor Kälte die Finger abfallen.
„Also gut“, sagte sie schnippisch. „Ich bin Ahnenforscherin. Ich arbeite in der Firma meines Vaters. Wir sind beauftragt worden, nach den Erben und Nachkommen eines verstorbenen Herrn zu suchen. Es besteht die Möglichkeit, dass Sie mit ihm verwandt sind.“
Dan lachte. „Das ist alles?“
„Das ist alles“, sagte sie. „Ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen. Dann sind Sie mich auch schon los.“ Sie legte den Kopf schief. „Ihre Lippen werden blau. Ich nehme an, wir unterhalten uns lieber drinnen. Hier draußen ist es zu kalt.“
„In Ordnung.“ Er trat auf den Bohlenweg aus grauen Treibholzplanken, der sich über eine Meile am Strand entlangzog. Die meisten Gebäude am anderen Ende des Wegs waren Hotels und mehrstöckige Häuser mit Eigentumswohnungen. Hier, im älteren Teil der Stadt mit den überdachten Arkaden, den bunten Verkaufsbuden und kleinen Imbissen, gab es noch einige der traditionellen Strandhäuser, die die gewaltigen Stimmungsumschwünge der See überstanden hatten.
Vor vier Jahren, als der Hurrikan Evelyn ganze Blocks der niedrigen Holzhäuser weggefegt hatte, bot sich Dan die Gelegenheit, auf die er so lange gewartet hatte. Seine Zeit bei den Marines lag hinter ihm, er hatte seinen Master in Betriebswirtschaft gemacht und Geld gespart. Und er hatte schon lange nach einer Investitionsmöglichkeit Ausschau gehalten, die so nah wie möglich an seinem geliebten Strand lag.
Er und sein bester Freund Kevin hatten ihre Ersparnisse zusammengelegt, um den zerstörten Besitz zu kaufen. Sie hatten das Grundstück mit Tonnen von Erde höher legen und mit künstlichen Dünen schützen lassen. Dann hatten sie fünfundzwanzig kleinere, solidere Versionen der Originalbungalows bauen lassen. Sie hatten die Wohn- und Urlaubsanlage Haven genannt. Sie war inzwischen sehr viel erfolgreicher, als Kevin und er je erwartet hatten. Dan war stolz auf das Erreichte.
Nun, wo die Aufbauarbeit hinter ihnen lag, kam ihm allerdings ein Tag wie der andere vor. In der Nachsaison war es einsam an der Küste. Nach dem Labor Day verschwanden die meisten Touristen – auch die alleinstehenden Frauen.
Aber jetzt war die selbstbewusste, beeindruckende Elizabeth Anderson mit ihren rotbraunen Locken und ihren langen Beinen aufgetaucht. Dan spielte mit dem aufregenden Gedanken, seinen Termin um neun Uhr sausen zu lassen und den Vormittag mit ihr zu verbringen … Wie konnte er es schaffen, ihre angekündigten zehn Minuten Gesprächszeit in mehrere Stunden zu verwandeln?
„Also, erzählen Sie mir von meiner geheimnisvollen Familie.“ Er öffnete die Tür des ersten Strandhauses und winkte sie herein.
„Wir wissen nicht genau, ob es Ihre Familie ist“, wandte sie ein. „Noch nicht. Deshalb muss ich ja mit Ihnen reden.“
„Dann mal los.“ Er warf sein feuchtes Handtuch über die Lehne des braunen Ledersofas, was Elizabeth mit einem missbilligenden Blick bedachte.
„Wie heißen Ihre Eltern?“, fragte sie.
„Meine Mutter heißt Margaret Jennings Eastwood. Sie wird Madge genannt. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt. Sein Name war Carl Eastwood. Er ist kurz nach meiner Geburt gestorben.“
Elizabeth Anderson nickte und zog einen Notizblock und einen Kugelschreiber aus ihrer Handtasche. Sie notierte sich etwas. „Wann sind Sie geboren?“
Er sagte es ihr.
„Dann sind Sie jetzt also zweiunddreißig?“ Er nickte. „Die Adresse Ihrer Mutter und ihre Telefonnummer?“
Dan blieb auf dem Weg zum Badezimmer stehen und sah seine Besucherin misstrauisch an. „Warum wollen Sie das wissen?“
„Weil ich sicher bin, dass sich Ihre Mutter für Ihr Erbe ebenso interessiert wie Sie“, sagte Elizabeth mit einem strahlenden Lächeln. Doch sie senkte den Blick, bevor sie zu Ende gesprochen hatte.
Dan fragte sich, ob sie etwas vor ihm verbarg. „Wenn Sie mit meiner Mutter sprechen müssen, werde ich mitkommen. Welche Informationen benötigen Sie sonst noch?“
Sie sah enttäuscht aus, schaute aber weiter auf ihren Notizblock. „Nun, wo sind Sie geboren worden, Mr Eastwood?“
„Nennen Sie mich Dan. Im Mercy Hospital in Baltimore.“
Sie blinzelte, blätterte einige Seiten zurück und nickte. „Haben Sie immer in Baltimore gewohnt?“
„Bis ich mit der Highschool fertig war. Nach meinem Abschied von den Marines bin ich nach Ocean City gezogen. Seitdem leben wir hier.“
Sie wirkte, als habe er ihr gerade eine wichtige Information gegeben. Das beunruhigte ihn. Er hasste es, im Unklaren gelassen zu werden.
„Haben Sie Geschwister?“, fuhr sie fort.
„Nein.“
„Auch keine Stiefbrüder oder – schwestern von einem anderen Vater?“
Dan blickte finster drein. Er mochte diese privaten Fragen nicht. „Was wollen Sie damit andeuten, Miss Anderson?“
„Meine Freunde nennen mich Elly.“
Sie warf ihm einen betont unschuldigen Blick zu, und er spürte, wie ihn ein erregendes Prickeln durchlief. Automatisch lächelte er zurück, obwohl er vermutete, dass sie auf etwas hinauswollte, das sie ihm verschwieg.
„Es ist nur eine einfache Frage“, fuhr sie fort. „Heutzutage gibt es immer mehr Patchworkfamilien. Außerdem dürfen Frauen mehr als einmal heiraten.“
„Meine Mutter hat nicht wieder geheiratet“, sagte er rasch.
„Aha.“
Dan hätte gern gesehen, was sie da aufschrieb. Er mochte es nicht, dass sein Privatleben dermaßen ans Licht gezerrt wurde. „Ich muss mich für den Termin umziehen“, brummte er. „Wenn Sie mir nicht sagen, worum es eigentlich geht, ist unser Gespräch hiermit beendet.“
Sie klappte den Notizblock zu und packte ihn mitsamt dem Kugelschreiber in ihre Handtasche zurück. „Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen noch nicht mehr sagen. Die Angelegenheit ist vertraulich.“
„Dann sollten Sie besser gehen“, sagte er schroff, obwohl er wusste, dass er ein Trottel war, wenn er das Schönste wegschickte, was seit Monaten am Strand aufgetaucht war. Elly gefiel ihm hier drinnen im Haus ebenso gut wie draußen am Strand. Der einzige Unterschied war, dass ihre Augen jetzt zu leuchten schienen – fast so, als habe sie gerade etwas Interessantes erfahren.
Aber das Treffen mit dem Bauunternehmer war wichtig. Obwohl seine Hormone forderten, er solle sich wenigstens ihre Telefonnummer geben lassen, warnte ihn sein Verstand, es sei besser, sich von ihr fernzuhalten. Er wusste nicht wieso, aber sie schien nichts als Ärger zu versprechen.
„Ich melde mich, wenn ich Ihnen mehr sagen kann“, sagte sie.
„Vielleicht haben Sie beim nächsten Mal Lust, mir beim Schwimmen Gesellschaft zu leisten“, schlug er vor und öffnete ihr die Tür.
Sie lachte. „Im November?“
Schade, dachte er, als er kurz darauf allein in seinem Wohnzimmer stand.
Ich würde dich gerne nach einem kalten Bad aufwärmen.
Elly saß im Auto und versuchte, sich zu sammeln. Ihr Vater würde mächtig sauer auf sie sein, weil sie so wenig von Daniel Eastwood erfahren hatte. Die Dinge waren nicht gut gelaufen. Sie hätte sich ihm fast zu Füßen geworfen, als er aus dem Wasser gestiegen war – mit seiner feucht schimmernden, bronzefarbenen Haut und diesen Muskeln … Wie ein junger Gott hatte er ausgesehen. Die winzige Speedo-Badehose hatte nichts, aber auch rein gar nichts, der Fantasie überlassen.
Ihre Wangen wurden heiß. Sie seufzte frustriert. Normalerweise machten Männer sie nicht nervös. Sie hatte sich dafür entschieden, sich gegen solche Gefühle zu schützen, um sich nicht auf jemanden einzulassen. Sich auf jemanden einzulassen, bedeutete Intimität, und Intimität bedeutete …
Ohne Vorwarnung kam die Erinnerung an jene Nacht zurück. Der Schrei … die aufgeregten Telefonate ihres Vaters … seine Hilflosigkeit und ihre bewegungslos im Schlafzimmer liegende Mutter. Dann hatten Sirenen die Stille durchschnitten.
Ebenso schnell, wie die Bilder erschienen waren, verschwanden sie wieder und ließen Elly zitternd und schwitzend zurück. Sie schlug die Hände vors Gesicht und atmete bewusst langsam und tief ein und aus, um sich zu beruhigen. „Es ist vorbei. Es ist vorbei“, flüsterte sie vor sich hin, bis die Angst sie losließ und sich der Druck auf ihrer Brust löste. Sie konnte wieder klar denken. Was war ihr noch durch den Kopf gegangen, bevor …
Dan Eastwood.
Sie öffnete die Augen und konzentrierte sich auf die graugrüne Brandung des Meeres.
Sie konnte es immer noch schaffen!
Dan hatte sich zwar geweigert, weitere Fragen zu beantworten, aber es wäre eine Quälerei, jetzt zurückzugehen und ihn sich noch einmal vorzunehmen. Solange seine dunklen Augen sie fixierten, würde sie sich nicht konzentrieren können. Das wusste sie. Sie würde daran denken, wie er unten am Strand ausgesehen hatte, und ihren Job vermasseln.
Andererseits wusste sie bisher nicht genug über ihn, um sicher zu sein, dass er derjenige war, den sie suchte.
Elly schaute auf ihre Armbanduhr. In einigen Stunden würde sie ihren Vater anrufen müssen, um ihm zu sagen, was sie herausgefunden hatte. Sie beide wussten, dass die Hölle los sein würde, wenn sie die Person, die sie suchten, nicht innerhalb von vierundzwanzig Stunden fanden. Die Londoner Boulevardzeitung, die sich irgendwie Insider-Informationen aus dem Palast beschafft hatte, würde einen Skandal lostreten, der das Fürstenhaus von Danubia bedrohte. Und die Stammbaumforschung Anderson würde sich schlechte Presse einhandeln.
Was sollte sie also tun?
Beunruhigt zog Elly ihren Laptop vom Beifahrersitz auf ihren Schoß. Sie schaltete den Computer ein und fügte die Informationen, die sie von Dan Eastwood erhalten hatte, einer Datei hinzu. Seinen Namen und seine Adresse hatte sie im Internet gefunden, doch Adresse und Telefonnummer seiner Mutter tauchten dort nicht auf.
Immerhin hatte Eastwood indirekt eingestanden, dass seine Mutter in der Gegend lebte.
„Seitdem leben wir hier.“
Er hatte wir gesagt und nicht ich. Und er hatte ihr angeboten, sie zu seiner Mutter zu begleiten. Also musste sie in der Nähe wohnen.
Nachdem Elly die Datei vervollständigt hatte, nahm sie ihre Handtasche und stieg wieder aus dem Wagen. Vielleicht konnten ihr die Nachbarn helfen.
Elly stand ganz oben auf der Treppe, die zu einem gelben Bungalow führte, zog ihre Kostümjacke glatt, setzte ein freundliches Lächeln auf und klopfte. Gleich darauf wurde die Tür geöffnet.
„Ja, bitte?“ Eine kleine blonde Frau in mittleren Jahren sah sie neugierig an.
„Margaret Eastwood?“, fragte Elly.
„Ja.“
„Ich habe heute Morgen mit Ihrem Sohn gesprochen und …“
Die Frau machte ein erfreutes Gesicht. „Sie sind eine Freundin von Dan?“
„Keine richtige Freundin. Ich habe eigentlich nach Ihnen gesucht und Dans Adresse zuerst gefunden.“
„Kommen Sie herein und erzählen Sie mir, warum er Sie geschickt hat.“ Margaret strahlte Elly an. „Das ist das Nette hier in Haven. Sie nennen es eine bewachte Wohnanlage. Hier kann man den Menschen vertrauen. Es ist nicht so wie in unserer früheren Wohngegend, wo wir darüber nachdenken mussten, wen wir hereinlassen können und wen nicht.“
„Ja … natürlich …“, stimmt Elly zu und fühlte sich ein bisschen schuldig. Schließlich war sie selbst ein Eindringling.
Als sie das gemütlich eingerichtete Wohnzimmer betrat, fielen ihr gleich die Fotos auf dem Klavier auf. Auf den Bildern war immer derselbe Junge zu sehen: als Baby, als Kleinkind, in der Schule … Elly sog die Luft ein. „Es riecht wundervoll.“
„Ingwerbrot“, sagte Margaret. „Ich backe im Herbst immer das traditionelle neu-englische Ingwerbrot. Es erinnert mich an zu Hause. Und Danny liebt es.“
„Dann stammen Sie nicht aus der Gegend?“
„Meine Güte, nein. Aber jetzt bin ich in Maryland zu Hause. Ich habe fast mein ganzes Leben hier verbracht. Nehmen Sie doch Platz. Ich bringe Ihnen einen Kaffee und ein Stück warmes Ingwerbrot.“
Elly wollte protestieren, doch Margaret war schon hinausgegangen.
„Sie haben gesagt, dass Sie fast Ihr ganzes Leben hier verbracht haben?“, rief sie ihr nach.
„In Maryland, nicht in Ocean City. Wir haben in Baltimore gewohnt, als Dan noch klein war. Aber nachdem er hier einige Jahre als Rettungsschwimmer gejobbt hatte, ist er richtig süchtig nach der Küste geworden. Nach seiner Zeit bei den Marines hat er mich gebeten, mit ihm hierher zu ziehen. Später haben er und sein Freund Land gekauft und diese niedlichen kleinen Bungalows bauen lassen.“ Sie lächelte stolz, als sie zurückkam und ein Tablett mit Kaffee und Ingwerbrot ins Wohnzimmer trug. „Danny organisiert auch ein Ferienlager für Kinder aus der Stadt.“
„Das wusste ich nicht“, gestand Elly.
„Oh ja. Es ist ihm sehr wichtig, dass die Kinder von dort mal etwas anderes sehen.“
Elly nahm einen Becher mit dampfend heißem Kaffee und einen Teller mit Kuchen entgegen. Wieder fühlte sie einen Stich, weil sie diese freundliche Frau hinterging. „Mrs Eastwood, ich muss gestehen, dass es nicht Dan war, der mich zu Ihnen geschickt hat.“
„Nicht?“ Margaret sah enttäuscht aus.
„Eine europäische Familie hat mich damit beauftragt, einen fehlenden Zweig ihres Stammbaums zu ergänzen. Die von Karloffs. Ist Ihnen der Name bekannt?“
Margaret Eastwood wurde blass. Ihre Finger bewegten sich nervös auf ihrem Schoß hin und her. „Nein.“
„Sie sind so etwas wie die Grimaldis in Monaco, nämlich die fürstliche Familie von Danubia, einem kleinen europäischen Land.“
„Ich glaube, Sie sollten gehen“, sagte Margaret knapp.
Doch Elly war jetzt fest entschlossen. Sie wählte ihre Worte vorsichtig. „Wir glauben, dass eine junge amerikanische Frau vor dreiunddreißig Jahren eine kurze, romantische Affäre mit dem jungen Fürsten hatte, bevor er eine andere Frau heiratete. Es ist möglich, dass die junge Amerikanerin schwanger war, als sich die beiden trennten. Jedenfalls ist sie verschwunden, bevor das Kind geboren wurde. Wissen Sie etwas darüber, Mrs Eastwood?“
Dans Mutter setzte ihren Teller vorsichtig ab und schaute aus dem Fenster. „Mein Ehemann war Amerikaner. Er hieß Carl Eastwood und starb, bevor Dan ein Jahr alt war“, sagte sie schließlich.
Carl Eastwood. Diesen Namen hatte Dan ebenfalls genannt. Carl mit C. War es ein Zufall, dass der junge Fürst Karl geheißen hatte? Seine Hoheit Karl von Karloff war vor einigen Jahren gestorben. Sein Sohn Jacob herrschte nun in Danubia. Jacob schien der einzige Erbe zu sein, bevor die Affäre seines Vaters vor einigen Tagen ans Licht gekommen war. Diese paar Tage kamen Elly inzwischen wie Monate vor.
„Ich weiß weder etwas über Affären noch über Fürsten und schon gar nichts über illegitime Babys“, erklärte Margaret scharf.
Ellys Herz schlug schneller. Etwas in Margarets Gesichtsausdruck sagte ihr, dass die Frau log.
„Ich verstehe, dass es für Sie sehr schwer sein muss.“ Elly stellte ihren Kaffee und den Kuchenteller ab und beugte sich zu Margaret hinüber, um ihr über den Arm zu streichen. „Aber wenn Sie mir vielleicht mehr Informationen geben könnten, bitte.“
Margaret atmete schwer. Sie saß jetzt wie erstarrt in ihrem Stuhl. „Gehen Sie“, flüsterte sie. „Verschwinden Sie aus meinem Haus.“
Elly seufzte unhörbar. Sie verstand den Wunsch der Frau nach Privatsphäre gut, aber wenn sie nicht schnell die Wahrheit herausfand, dann würden Madge und ihr Sohn bald in einer schrecklichen Klemme stecken. Für Katz-und-Maus-Spiele war jetzt ganz und gar nicht der richtige Zeitpunkt. Auf ihrem Weg von Connecticut nach Baltimore hatte Elly schon zwei Reporter abhängen müssen. Sie konnten jeden Moment hier aufkreuzen – und dann hätte sie die Sache nicht mehr in der Hand.
Elly entschloss sich, es anders zu versuchen. „Mrs Eastwood, ich möchte Sie nicht verärgern. Aber in Fällen, in denen Beziehungen zerbrechen, wollen Kinder wissen, was aus ihren verlorenen Familienmitgliedern geworden ist. Glauben Sie nicht, dass Dan gerne wissen würde, wer sein leiblicher Vater war?“ Sie bluffte, denn noch war sie sich nicht ganz sicher. Doch wenn ihr Bluff funktionierte, würde sie es wissen.
Madge öffnete den Mund und schnappte nach Luft. „Mein Sohn muss nicht wissen, dass …“
Ihre Worte schwebten noch im Raum, als sich die Haustür öffnete und Schritte zu hören waren. Beide Frauen sahen zur Wohnzimmertür.
Dan Eastwood schaute um die Ecke. Sogar auf diese Entfernung sah Elly die Ader an seiner Schläfe pulsieren. Er war offenbar sehr zornig. „Was muss ich nicht wissen, Mutter?“
Eine eiskalte Hand schien Ellys Brust zusammenzupressen. Sie verkrampfte ihre Hände ineinander und schluckte.
Als sie einen Blick auf Madge warf, sah sie, dass sich deren Dickköpfigkeit in Hilflosigkeit verwandelt hatte. „Oh. Da bist du ja. Ich schätze, ich hätte diese junge Dame nicht hereinlassen dürfen. Sie hat mir erzählt, sie sei deine Freundin, Danny.“
Elly sprang auf. Diese Frau war ganz und gar nicht so harmlos, wie sie wirkte. „Das habe ich nie gesagt! Mrs Eastwood, Sie wissen genau, dass mein Besuch …“ Sie unterbrach sich, weil ihr klar wurde, dass Dan ihr kaum glauben würde. „Egal! Ich bin allein hierhergekommen, weil ich geglaubt habe, dass es für Ihre Mutter vielleicht besser ist, wenn sie unter vier Augen mit mir redet.“
Dan sah sie skeptisch an.
„Wirklich. Ich wollte niemanden verletzen.“
„Ich habe Ihnen gesagt, dass ich Sie begleiten würde“, fuhr Dan sie an. Dann wandte er sich seiner Mutter zu. „Ich weiß nicht, wie sie dich gefunden hat. Es tut mir leid. Aber was ist es denn nun, was ich nicht wissen muss?“
Madge presste die Lippen zusammen.
„Dann verraten Sie mir, worum es geht“, sagte Dan und wandte sich wieder an Elly.