Baccara Gold Band 30 - Jennifer Lewis - E-Book

Baccara Gold Band 30 E-Book

Jennifer Lewis

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Beschreibung

LEIDENSCHAFT ZUM DESSERT von JENNIFER LEWIS
Liebe und Job passen nicht zusammen. Darin sind sich Sara und ihr Chef, Öl-Millionär Kazim Al Mansur, einig. Als ein gemeinsames Picknick überraschend in einer leidenschaftlichen Nacht endet, versuchen beide es herunterzuspielen – allerdings hatte die heiße Liebesnacht süße Folgen …

ZIMMER FREI IM PARADIES von MAUREEN CHILD

Auch das noch! Erst platzt Caitlyns Hochzeit, dann überschüttet ihr attraktiver Boss Jefferson sie mit Arbeit statt mit Trost, sodass sie kündigt. Und jetzt steht er hier im pazifischen Ferienresort vor ihr und bittet Caitlyn, sich ihre Unterkunft zu teilen, da alle Zimmer sonst belegt sind.

WIE VERFÜHRT MAN SEINEN BOSS? von EMILY MCKAY
Nie standen die Chancen besser, ihren sexy Boss Derek endlich für sich zu gewinnen. Schließlich hat er Raina gebeten, bei ihm einzuziehen und sich um seine kleine Tochter zu kümmern. Also nimmt Raina ihr Herz in die Hand – ohne zu ahnen, ob Derek ihre Gefühle erwidert …

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Seitenzahl: 610

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Jennifer Lewis, Maureen Child, Emily McKay

BACCARA GOLD BAND 30

IMPRESSUM

BACCARA GOLD erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage in der Reihe BACCARA GOLD, Band 30 09/2022

© 2007 by Jennifer Lewis Originaltitel: „The Boss’s Demand“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Eleni Nikolina Deutsche Erstausgabe 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1492

© 2007 by Maureen Child Originaltitel: „Scorned by the Boss“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Gabriele Ramm Deutsche Erstausgabe 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1497

© 2008 by Emily McKaskle Originaltitel: „Baby Benefits“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Sandra Stricker Deutsche Erstausgabe 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BACCARA, Band 1616

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751510431

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Leidenschaft zum Dessert

1. KAPITEL

„Ich will, dass sie verschwindet.“

Kazim Al Mansurs leiser Befehl drang an ihr Ohr, als Sara gerade auf den Knopf der Gegensprechanlage drückte, um mit ihm zu sprechen. Sara hielt erstaunt den Atem an. Jemand musste bei ihm im Büro sein. Sie schwieg wohlweislich. Obwohl sie erst seit wenigen Stunden hier war, hatte sie schon ein wenig Angst vor ihrem neuen Boss.

„Aber Mr. Al Mansur …“, entgegnete eine Stimme, die Sara sofort Jill Took aus der Personalabteilung zuordnete. „Sie hat einen Magister in Betriebswirtschaft und hat als Nebenfach Geologie studiert. Sie hat ihre Abschlussarbeit über das Profitpotenzial alternativer Bergbautechnologien geschrieben, und ihre Referenzen sind hervorragend.“

Sie redeten über sie! Saras Finger auf dem Knopf zitterte, und ihr erster Impuls war, die Verbindung schnell zu unterbrechen. Aber stattdessen hielt sie den Atem an und lauschte weiter.

„Hatte ich Sie nicht darüber informiert, dass meine Assistentin eine reifere Frau sein soll?“ Al Mansurs Stimme klang drohend.

„Ja, aber …“

„Wie alt ist Miss Daly?“

„Fünfundzwanzig, aber sie macht einen sehr reifen Eindruck. Sie …“

„Fünfundzwanzig!“, wiederholte Al Mansur verächtlich schnaubend. „Das kann man wohl kaum reif nennen. Ich habe doch ausdrücklich betont, dass ich eine Assistentin mit langjähriger Erfahrung vorziehe – am liebsten eine mit grauem Haar.“

„Mr. Al Mansur, ich fürchte, wir erhalten nicht allzu viele Bewerbungen von älteren Menschen. Ich …“

„Ist Miss Daly verheiratet?“

„Nein, Sir, ich glaube nicht. Aber wie Sie wissen, ist diese Art von Information auch nicht …“

„Miss Took …“, seine Stimme war immer noch leise, aber sein Ton war so brüsk, dass Saras Magen sich zusammenzog, „… ich bin ein sehr beschäftigter Mann. Ich habe keine Zeit für lange Diskussionen und noch weniger für die Art von Komplikationen, die mich in letzter Zeit gestört haben, wie Sie sehr wohl wissen. Miss Daly muss gehen.“

„Aber Mr. Al Mansur …“

„Das ist mein letztes Wort in dieser Angelegenheit. Miss Daly?“

Sara zuckte zusammen, als sie so unerwartet ihren Namen hörte. Ihr Chef musste seinerseits auf den Knopf der Gegensprechanlage gedrückt haben.

„Ja?“, meldete sie sich mit krächzender Stimme.

„Bitte kommen Sie herein.“

„Ja, Sir.“ Sie ließ den Knopf los. Auf einmal war ihr schwindlig. Al Mansur wollte sie feuern.

Sie hörte Stimmen auf der anderen Seite der schweren Mahagonitür. Zweifellos besprachen Al Mansur und Miss Took die Bedingungen ihrer Entlassung. Und das nach nur einem einzigen Morgen! Sara war fortgezogen, um Tausende von Kilometern von ihrer Heimat entfernt diesen Job in Placer anzunehmen, mitten in den zerklüfteten Bergen und weiten Tälern der Wüste von Nevada. Ihr ganzes Bargeld steckte in der Anzahlung für ihre Wohnung, ihr Auto hatte seinen Geist aufgegeben und … Blitzartig wurde ihr der ganze Ernst ihrer Situation klar.

Dieser Job war die Antwort auf all ihre Gebete. Das hohe Gehalt war die Hoffung, sich von den erdrückenden Schulden zu befreien, die durch ihr Studiendarlehen und die Krankheit ihrer Mutter entstanden waren. Sie hatte ihr Examen verschieben müssen, weil sie während des Studiums gearbeitet hatte, aber jetzt bot sich ihr endlich die Chance, ihre Karriere voranzutreiben und sich einen Namen als Chefassistentin und Projektleiterin einer der erfolgreichsten Firmen in der Ölindustrie zu machen.

Und jetzt sollte ihr diese einmalige Chance genommen werden, weil sie kein einziges graues Haar hatte? Das war nicht fair. Sie hatte so lange sehr hart gearbeitet, und jetzt wollte man ihr nicht einmal die Gelegenheit geben, sich zu beweisen? Oh nein! Sara war entschlossen, sich nicht so ohne Weiteres abservieren zu lassen.

Eine Mischung aus Angst und Wut trieb sie aus ihrem Sessel. Sie knöpfte die Jacke ihres konservativen Kostüms zu, das sie speziell für den Job hier gekauft hatte, und ging auf die Tür zu. Ihre Hand zitterte, als sie sie auf den glänzenden Griff legte, und Sara atmete tief durch, bevor sie die Tür öffnete.

„Aber sie ist doch ein unscheinbares kleines Ding. Ich bin sicher, sie ist nicht der Typ, der …“ Miss Took unterbrach sich und wurde rot, als Sara hereinkam.

Der kühle Blick ihres Chefs traf Sara wie ein Schlag in die Magengrube. Er lehnte sich in seinem schwarzen Ledersessel zurück, die Arme auf den Lehnen, und musterte sie eingehend.

Alles an dem Mann war einschüchternd – sein dichtes schwarzes Haar, das kantige Gesicht und die breiten Schultern. Kazim Al Mansur strahlte Macht und Autorität aus, und Sara hatte das ungute Gefühl, dass er gefährlich sein konnte, wenn er es für angebracht hielt.

Kazim beugte sich leicht vor und kniff leicht die Augen zusammen. „Miss Daly …“

„Ja.“ Sie war erstaunt, dass ihre Stimme so normal klang, während sie doch innerlich vor Empörung und Furcht kochte. Sein Blick wanderte über ihr Gesicht, und man sah ihm deutlich an, dass seine Einschätzung nicht zu ihren Gunsten ausgefallen war. Saras Wut wuchs von Sekunde zu Sekunde. Gleichzeitig aber war sie wie elektrisiert und wurde von einer unerklärlichen Erregung erfasst.

„Sie werden ab sofort in die Buchhaltung versetzt. Ihr Gehalt und die Vergünstigungen bleiben die gleichen. Sie beginnen jetzt gleich mit Ihren neuen Aufgaben.“

In die Buchhaltung? Sara war aus Wisconsin hierhergezogen, um eine wichtige Position als rechte Hand des Vorstands anzunehmen, und man hatte ihr versichert, dass ihre Pflichten weit über das rein Administrative hinausgehen würden. Eine Versetzung in die Buchhaltung würde einen Rückschritt bedeuten.

„Aber warum?“, stieß sie hervor.

Jill Took rutschte unbehaglich auf ihrem Sessel herum. „Wir dachten, Ihre Fähigkeiten würden viel besser genutzt werden in … anderen Stellungen.“

Sara richtete ihren Blick auf den Mann, der sie fortschicken wollte. Er kannte sie nicht einmal und verabscheute sie schon. Sie dachte nicht daran, vor ihm zu kuschen.

Kazim Al Mansur war zwar arrogant, aber sehr attraktiv, das musste sie trotz allem zugeben. Viele Frauen würden seiner unleugbaren Anziehungskraft erliegen. Aber für Sara war er nur ihr Boss – ein gewöhnlicher Mann in einem dunklen Anzug, der zufällig Augen hatte, die einem bis in die Seele schauten, so intensiv und beunruhigend war ihr Blick.

Sara sah ihn volle fünf Sekunden an, und er zuckte nicht mit der Wimper.

Schließlich beugte er sich vor und griff nach einem Kugelschreiber auf seinem Schreibtisch. „Sie werden für jede Unannehmlichkeit entschädigt, Miss Daly.“

„Ich will keine Entschädigung“, erwiderte sie. „Ich will diesen Job. Ich besitze alle nötigen Qualifikationen dafür, und ich arbeite hart. Ich werde die beste Assistentin sein, die Sie je gehabt haben, das verspreche ich Ihnen, Mr. Al Mansur. Sie werden nichts an mir zu bemängeln finden.“

„Das ist leider nicht möglich, Miss Daly.“

Seine ausdruckslose Miene und die lässige Haltung gossen bei Sara neues Öl ins Feuer. „Ich habe Ihr Gespräch mitgehört.“ Heute schien sie ständig mit Dingen herauszuplatzen, die sie besser für sich behalten hätte. Aber auf der anderen Seite war es gut, die Karten auf den Tisch zu legen.

Er hob eine Augenbraue und runzelte leicht die Stirn.

Sara nahm all ihren Mut zusammen. „Ich hörte Sie sagen, dass ich nicht alt genug bin für die Stellung.“

„Miss Daly, ich will ganz offen mit Ihnen sein.“ Seine Stimme war tief und der Ton ruhig. Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich habe genug von koketten Mädchen, die hier auftauchen, um sich einen Ehemann zu angeln.“ Sein Ton wurde kühler. „Ich muss ein Unternehmen leiten und werde das alberne Verhalten all jener nicht länger dulden, die anderes als meine Geschäfte im Sinn haben. Aus diesem Grund kommen für den Posten meiner Assistentin keine jungen unverheirateten Frauen mehr in Betracht. Das wäre alles, Miss Daly.“

Sara ging auf seinen Schreibtisch zu, ohne weiter zu überlegen – wie sie so vieles an diesem Morgen tat. Sie legte die Fingerspitzen auf das glänzende Mahagoni und beugte sich auch vor. Sie war ihm jetzt so nah, dass sie sein dezentes teures Rasierwasser wahrnahm. Es war Zeit, zum Angriff überzugehen.

„Mr. Al Mansur, ich bin zwar jung und unverheiratet, aber glauben Sie mir, ich habe kein Interesse an irgendetwas, das über meine Pflichten als Ihre Assistentin hinausginge. Außerdem bin ich erfahren in meinem Job.“

Und ich bin ein unscheinbares kleines Ding setzte Sara im Stillen hinzu. Das hatte Miss Took doch gesagt, oder? Umso besser. Sara hob leicht das Kinn an und sah ihm in die Augen. „Ihr Unternehmen gehört zu den zukunftsorientierten, schnell wachsenden Firmen, die mich interessieren. In den vergangenen fünf Jahren haben Sie jedes Mal eine Umsatzsteigerung von zehn Prozent erreicht. Sie gehören zu den Pionieren, was neue umweltschonende Ölförderungstechnologien angeht.“

Sie schluckte nervös und tat ihr Bestes, um sich von Al Mansurs strengem Blick nicht einschüchtern zu lassen. „Ihr Unternehmen ist ausgezeichnet worden für seine fortschrittliche, mitarbeiterfreundliche Firmenpolitik, aber verdient hat es das vielleicht doch nicht, wenn man bedenkt, wie ich gerade behandelt werde. Und wenn Sie mir diese Stelle vorenthalten, werde ich Sie wegen Diskriminierung belangen.“

Sie richtete sich wieder auf und verschränkte genau wie er die Arme vor der Brust. Ihr ungewohntes Selbstbewusstsein erfreute sie und entsetzte sie gleichzeitig. Sie wollte ihn anzeigen? Sie konnte sich nicht einmal den Kaffee für einen guten Anwalt leisten. Sie bluffte, aber es war das Einzige, was sie tun konnte, und sie hatte nicht mehr viel zu verlieren.

Al Mansur sah sie nur stumm mit seinen großen dunklen Augen an, die sie bis ins Innerste erzittern ließen. Wenn Blicke töten könnten, dachte Sara.

Er erhob sich so abrupt aus seinem Sessel, dass sie unwillkürlich einen Schritt zurückwich. „Sie …“ Seine Augen blitzten vor Wut, und er beugte sich so drohend über die Tischfläche, dass Sara am liebsten aus dem Büro gelaufen wäre. „Sie wollen mich verklagen?“

„Es ist nicht fair. Sie haben mir keine Chance gegeben. Sie feuern mich für etwas, das jemand anders getan hat.“ Sie klang ruhig und vernünftig, obwohl sie innerlich vor Angst zitterte. „Lassen Sie mich Ihnen beweisen, dass ich gut für den Job bin. Wenn Sie mit meiner Leistung nicht zufrieden sind, können Sie mich ja immer noch versetzen oder entlassen, und ich werde mich nicht beschweren.“

Er überlegte einen Moment mit gerunzelter Stirn, dann richtete er sich zu seiner beeindruckenden Größe auf und warf Jill Took einen Blick zu, bevor er Sara wieder ansah. „In Ordnung, Miss Daly. Sie bekommen einen Monat.“

Ihr wurde ganz schwach vor Erleichterung.

„Einen Monat, in dem Sie beweisen können, dass Sie in der Lage sind, sich ganz auf Ihre beruflichen Pflichten zu konzentrieren.“

„Ich werde Sie nicht enttäuschen, Sir.“ Sie unterdrückte den Impuls, einen militärischen Gruß folgen zu lassen.

Als er um den Schreibtisch herumkam, erstarrte Sara sekundenlang vor Schreck. Obwohl sie am liebsten vor ihm zurückgewichen wäre, blieb sie tapfer stehen, nahm seine große, braune Hand und schüttelte sie mit, wie sie hoffte, selbstbewusster Festigkeit. Erst in diesem Moment erkannte Sara, wie groß die Herausforderung war, die sie angenommen hatte.

Ein Schauer überlief sie. Seine dunklen Augen schienen in ihr tiefstes Inneres schauen zu können, und Sara war sich seiner überwältigenden männlichen Ausstrahlung stärker bewusst, als ihr lieb war.

Als er ihre Hand freigab, spürte Sara noch ein leichtes Prickeln. Eine seltsame Hitze durchströmte ihren ganzen Körper, und das in einem von der Klimaanlage gekühlten Büro. Sie war nur froh, dass sie noch ihre Kostümjacke trug, denn wenn sie nur ihre dünne Bluse getragen hätte, wäre es Al Mansur nicht entgangen, dass ihre Brustspitzen sich aufgerichtet hatten.

Was in aller Welt war nur los mit ihr?

Sara trat einen Schritt zurück. Die Gefühle, die ihr Chef in ihr weckte, waren ihr unheimlich. Wie konnte ein Mann, den sie gar nicht kannte und den sie überhaupt nicht mochte, eine solche Wirkung auf sie haben?

Sie räusperte sich und bemühte sich verzweifelt, professionelle Tüchtigkeit auszustrahlen statt der eigenartigen Erregung, die sie erfüllte.

„Wäre das alles, Sir?“ Sie klang wie ein Butler aus einem mittelmäßigen Kinofilm. Aber ein Drehbuch war genau das, was sie jetzt dringend gebraucht hätte. Noch besser wäre, wenn sie so schnell wie möglich verschwinden könnte.

Ihr Boss hatte sich umgedreht und suchte etwas in dem Durcheinander von Papieren auf seinem riesigen Schreibtisch. Dann nickte er flüchtig. „Ja, danke.“

Jill Took stand auf und eilte auf die Tür zu, und Sara folgte ihr eilig, als wäre sie auf der Flucht.

Draußen im geräumigen Vorzimmer, in dem Saras Schreibtisch stand, wandte Jill sich sofort an sie.

„Sara, was ich vorhin sagte, als Sie hereinkamen, dass Sie ein unscheinbares kleines Ding seien …“ Sie wurde rot. „Sie wissen hoffentlich, dass ich nur alles Mögliche zu tun versuchte, um Mr. Al Mansur dazu zu bewegen, seine Meinung zu ändern.“

„Natürlich“, versicherte Sara. Sie fragte sich allerdings, warum Jills Wangen so rot waren, wenn sie nicht schwindelte. „Und ich weiß es zu schätzen, dass Sie sich für mich eingesetzt haben. Ich werde Sie nicht enttäuschen.“

„Das weiß ich doch. Immerhin habe ich Sie eingestellt, vergessen Sie das nicht.“

Sara lachte.

Jill senkte die Stimme. „Er ist eigentlich ganz okay. Es ist nur so, dass er im Grunde genommen recht hat. Ich habe seine letzten zwei Assistentinnen engagiert. Sie schienen beide so für den Job qualifiziert und waren so tüchtig. Aber sie … Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. Sie haben seinetwegen völlig den Kopf verloren.“

Sara schwieg betreten. Sie hatte eine kleine Kostprobe seiner männlichen Ausstrahlung bekommen, und ihr war immer noch ein wenig schwindlig davon.

„Ich meine, er ist ein gut aussehender Mann und so“, fuhr Jill leise fort und warf einen schnellen Blick zur geschlossenen Bürotür. „Aber er hat eine fast unheimliche Wirkung auf Frauen, die alle dazu bringt, sich ihm auf die peinlichste Weise an den Hals zu werfen. Aber ich wusste gleich, dass Sie nicht zu dieser Sorte gehören.“

Da Sie ja ein so unscheinbares kleines Ding sind.

„Aber nein“, erwiderte Sara hastig. „Ich brauche diesen Job, und ich bin entschlossen, ihn zu behalten.“

„Sie werden großartig zurechtkommen“, sagte Jill und drückte ihr aufmunternd den Arm.

Sara nickte. „Darauf können Sie sich verlassen.“

Miss Daly hatte ihm mit einer Klage wegen Diskriminierung gedroht. Kazim hob die Augenbrauen. Das war noch nie vorgekommen, und es ärgerte ihn, dass jemand ihm diesen Vorwurf machte. Er hatte nichts gegen weibliche Angestellte und würde sie sogar auf den Ölfeldern arbeiten lassen, wenn sie es wollten.

Er sah auf, als es an seiner Tür klopfte. „Herein.“

Sara kam mit einem Bericht herein, den sie auf seine Bitte vorbereitet hatte, und legte den Ordner auf seinen Schreibtisch.

„Kann ich Ihnen sonst noch etwas bringen?“ Ihre helle Stimme klang ihm angenehm im Ohr. Sara wartete still. Eine blonde Strähne hatte sich aus ihrem Knoten gelöst und berührte ihr Kinn.

„Ich könnte gut eine Tasse Kaffee gebrauchen“, sagte er.

„Ich kann keinen Kaffee kochen.“ Sie sah ihn fast unverschämt an, und sekundenlang war Kazim zu verblüfft von ihrer Weigerung, um zu reagieren.

Dann sagte er ruhig: „Ich nehme an, Sie könnten einen Weg finden, diese schwierige Aufgabe zu bewältigen, aber machen Sie sich nicht die Mühe. Zu viel Koffein ist sowieso nicht gut für die Nerven.“

Er sah ganz kurz ein Lächeln um ihre Mundwinkel, aber sie hatte sich sehr schnell wieder im Griff und schaute ihn wieder mit ausdrucksloser Miene an. Kazim musste zugeben, dass er ihren Mut bewunderte. Sie wusste sich in jeder Situation zu behaupten.

Plötzlich kam es ihm in seinem Büro unangenehm warm vor. Sara drehte sich um und ging ohne ein weiteres Wort. Ein sehr gutes Zeichen. Diese Frau würde ihm jedenfalls nicht die Ohren vollquatschen.

Er würde ihr die Chance geben, um die sie gebeten hatte – nein, die sie gefordert hatte. Er erinnerte sich an das Feuer, das in ihren Augen aufgeleuchtet hatte – in diesen bemerkenswerten jadegrünen Augen mit den goldenen Sprenkeln, die ihn wütend angesehen hatten.

Ein unscheinbares kleines Ding? Was für ein Gedanke! Sara Daly war auf ihre Weise sehr schön, aber ihre schlichte Schönheit übte auf ihn keine Wirkung aus. Er hatte sich zu sehr an die offensichtlicheren weiblichen Reize gewöhnt. Er liebte schnelle Wagen, lockere Frauen und den Luxus und die Annehmlichkeit, am Ende eines Tages allein in seinem Bett zu schlafen.

Sara verbrachte einen großen Teil des Nachmittags damit, ihre Akten neu zu ordnen. Das Organisationssystem ihrer Vorgängerin war verblüffend, um es gelinde auszudrücken. Nachdem Sara den letzten Aufkleber auf einem Ordner angebracht hatte, schloss sie die Schublade.

In diesem Moment kam ihr Chef aus seinem Büro und ging an ihrem Schreibtisch vorbei, ohne ein Wort an sie zu richten oder auch nur einen Blick auf sie zu verschwenden. Er ging einfach mit geschmeidigen, raubtierähnlichen Schritten hinaus.

Als die hohe Mahagonitür, die zum Aufzug führte, sich hinter ihm schloss, überlegte Sara, dass man für diesen Job eigentlich Schmerzensgeld bekommen müsste. Sie ahnte schon, dass Kazim Al Mansur ein Arbeitstier war und von seinen Angestellten den gleichen Einsatz verlangte.

Nun, sie konnte auch hart arbeiten.

Sara hatte ein etwas ungutes Gefühl, als sie sein Büro betrat, während er fort war, aber er hatte ihr ja nicht ausdrücklich gesagt, sie solle draußen bleiben. Sie wollte es auf eine Weise umorganisieren, dass Kazim sich fragen würde, wie er bis jetzt ohne sie hatte überleben können.

Sie öffnete die Tür. Es gab weder Bilder an den Wänden noch sonst irgendwelche Dekorationsgegenstände. Auch auf seinem Schreibtisch stand kein einziges gerahmtes Foto. Kazim war offenbar zu jeder Zeit völlig auf seine Arbeit konzentriert.

Sara hatte zwar keinen Zweifel daran gelassen, dass sie nicht seine persönliche Kaffeekocherin war, aber jetzt hatte sie das Bedürfnis, ihm zu beweisen, dass sie alles tun würde, was in ihrer Macht stand, damit sein Tag so problemlos wie möglich verlief. Mit ihrer gewohnten Gründlichkeit brachte sie Ordnung in das Durcheinander von Papieren auf Kazims Schreibtisch und bedachte sie mit beschrifteten Aufklebern, wenn sie sofortige Maßnahmen verlangten. Sie spitzte die Bleistifte und probierte alle Kugelschreiber aus, um die leeren fortzuwerfen.

Sie hatte in ihrem Büro Schmieröl gefunden, um seinen Sessel von seinem nervigen Quietschen zu befreien. Und da sie schon immer zu den Menschen gehört hatte, die notfalls selbst die Ärmel hochkrempelten, kniete sie gerade unter dem Sessel, als die Tür zum Büro geöffnet wurde.

„Was in aller Welt …“ Die tiefe Stimme ihres Chefs erfüllte den Raum.

Von ihrem Platz aus sah Sara nur seine glänzenden schwarzen Stiefel und die Aufschläge seines Nadelstreifenanzugs. Ihr Magen zog sich zusammen, und sie sprang erschrocken auf, wobei sie sich den Kopf am Sessel stieß. „Au!“

Kazim kam auf sie zu, und Sara schluckte mühsam und richtete sich so würdevoll auf, wie sie es in ihrem engen Rock nur konnte.

Kazim sah stirnrunzelnd auf die glatte Oberfläche seines Schreibtischs, die vorhin noch mit Papieren bedeckt gewesen war, dann musterte er Sara und die Dose Schmieröl in ihrer Hand, und seine Miene wurde noch finsterer.

„Was machen Sie da?“

Sie räusperte sich. „Ihr Sessel quietscht.“

Er hob eine Augenbraue.

„Ist Ihnen das noch nicht aufgefallen? Es hat mich wahnsinnig gemacht. Lassen Sie sehen, ob das Quietschen jetzt vorbei ist.“ Sie setzte sich in den großen Ledersessel und registrierte zufrieden, dass kein einziges Geräusch zu hören war. „Ich glaube, ich habe es geschafft.“

Er verzog keine Miene. „Was haben Sie mit meinem Schreibtisch gemacht?“

„Ich habe Ihre Papiere in Kategorien aufgeteilt und geordnet. Ich habe nichts weggeworfen, keine Sorge, aber ich glaube, der Stapel auf der rechten Seite ist überflüssig.“

Er runzelte wieder die Stirn. „Wie könnten Sie genug über meine Arbeit wissen, um meine Papiere zu ordnen? Noch dazu an Ihrem ersten Tag?“

„Purer Instinkt.“

„Bitte räumen Sie meinen Sessel.“ Kazim sprach betont langsam, als hätte er jemanden vor sich, der schwer von Begriff war.

Sara sprang sofort auf.

„Wie kamen Sie auf die Idee, Sie könnten mein Büro betreten und ohne Erlaubnis meine Papiere durchwühlen?“

„Ich denke, dass es zu meinen Pflichten gehört, Ihren Schreibtisch in Ordnung zu halten.“

Er musterte sie kühl. „Woher soll ich wissen, dass Sie keine Wanze angebracht haben?“

„Eine Wanze?“

„Um meine Gespräche mitzuhören.“

„Sagen Sie denn etwas, das sich abzuhören lohnt?“, konterte Sara und bedauerte ihre kindische Reaktion sofort.

Kazim sah sie fassungslos an. „Für meine Konkurrenten würde es sich schon lohnen.“ Er kam näher und ging um Sara herum, hockte sich schnell hin und suchte mit der Hand die Unterseite des Sessels ab.

Saras Blick blieb an seinem Nacken hängen, an dem bisschen sonnengebräunter Haut, die zwischen dem Kragen seines gestärkten weißen Hemds und seinem kurz geschnittenen schwarzen Haar zu sehen war.

Jetzt kniete er vor dem Schreibtisch. Die Muskeln seiner Oberarme zeichneten sich unter seinem Jackett ab und zogen Saras Aufmerksamkeit auf sich. Erst Sekunden später wurde ihr klar, dass er auch den Schreibtisch nach Wanzen absuchte.

Kazim beugte sich weiter vor, und Sara konnte seine muskulösen Beine bewundern. Der Mann war gebaut wie ein Zehnkämpfer. Sie machte einen Schritt zurück, um die seltsamen Reaktionen ihres Körpers wieder in den Griff zu bekommen.

Kazim kam wieder unter dem Schreibtisch hervor, während Sara versuchte, überallhin zu schauen, nur nicht auf seinen knackigen Po.

„Glauben Sie immer noch, dass ich eine Spionin bin?“ Sie hob herausfordernd das Kinn.

Er fuhr sich mit der Hand durch das dichte Haar. „Hätten Sie nicht den Hausmeister informieren können, dass mein Sessel quietscht?“

„Ja, sicher. Aber da ich ihn erst anrufen und das Problem hätte erklären müssen, konnte ich es genauso gut selbst erledigen. Man muss kein Fachmann sein, um die Rollen eines Schreibtischstuhls ölen zu können.“

Er sah sie irritiert an. Offenbar löste das Wort „ölen“ auch bei ihm bestimmte Assoziationen aus. Ihr wurde heiß, und sie musste an seine Warnung denken, auf keinen Fall ein Interesse für ihn als Mann zu entwickeln. Der Gedanke weckte in ihr das Verlangen, ihn ein wenig zu necken und ihn zu fragen, ob sie dafür gefeuert werden konnte, wenn sie harmlose Tätigkeiten mit Worten schilderte, die erotische Bilder heraufbeschwören konnten.

Aber im letzten Moment hielt sie sich doch noch zurück. Warum sollte sie ihren Boss provozieren wollen?

Er richtete sich zu seiner bemerkenswerten Größe auf, zog das Jackett aus und hängte es über die Rückenlehne seines Sessels. Danach nahm er die goldenen Manschettenknöpfe ab, ließ sie auf den Schreibtisch fallen und krempelte die Ärmel hoch. Seine Unterarme waren muskulös – wie wohl sein ganzer Körper, dachte Sara unwillkürlich – sonnengebräunt und mit feinen dunklen Härchen bedeckt.

Der Gedanke, diese Arme könnten sich um ihre Taille legen und sie fest an seine breite Brust drücken, kam ihr so plötzlich, dass sie unwillkürlich erschauerte. Sara machte unwillkürlich einen Schritt zurück und strich mit der Hand über ihr Kostüm, als könnte sie so die seltsame Sehnsucht verscheuchen, die sie plötzlich erfüllte. Sie bemühte sich, nicht auf seine Arme zu starren. Lieber Himmel, es waren doch nur Arme! Was war denn nur los mit ihr?

„Haben Sie nichts zu tun, Sara?“ Er sah von seinen Papieren auf, und sie zuckte zusammen.

„Ich war nicht sicher, ob Sie nicht noch etwas brauchten.“

„Wenn ich etwas brauche, werde ich es Sie wissen lassen. In der Zwischenzeit erwarte ich von Ihnen, dass Sie allein für Ihre Unterhaltung sorgen.“

Er musste bemerkt haben, wie sie ihn gemustert hatte – ach was, mit den Augen verschlungen hatte, wem machte sie etwas vor? Sie wurde rot und wandte sich schnell ab, damit er es nicht merkte.

„Soll ich das Wasser in der Vase mit den Rosen wechseln?“ Sicher ein Geschenk von einer seiner unzähligen Verehrerinnen.

„Nein.“ Er richtete den Blick auf seine Papiere. „Vielleicht möchten Sie sie mit nach Hause nehmen. Ich mag keine Blumen.“

„Ich kann sie nicht mitnehmen, ich komme mit dem Fahrrad zur Arbeit. Aber ich stelle sie gern auf meinen Schreibtisch. Danke.“

Sie nahm sich die Zeit, kurz den Duft der gelben Blüten einzuatmen, und fühlte sich gleich viel entspannter. „Wenn Sie sonst nichts mehr brauchen, gehe ich nach Hause.“

Er sah flüchtig auf die Uhr. „Ja, gut.“ Und schon war er wieder in seine Papiere vertieft.

Sara nahm die Vase und ging zur Tür, die sie mit der Hüfte aufstieß. „Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend.“

Sekundenlang kam keine Antwort. Dann hob er den Kopf und sah sie nachdenklich an. „Sie kommen auf dem Fahrrad ins Büro?“

„Ja.“ Sie wartete mit angehaltenem Atem auf eine missbilligende Bemerkung.

„Aha.“ Er sah sie mit ausdrucksloser Miene an, und wandte sich dann wieder seiner Arbeit zu, ohne noch mehr zu sagen.

Sara zog sich mit einem leisen Seufzer der Erleichterung zurück.

Kazim legte die unterschriebenen Dokumente in seinen Ausgangskorb und stand langsam auf. Er stellte sich vor das bodentiefe Fenster, das die eine Seite seines Büros einnahm.

Die Sonne stand schon sehr tief am Himmel. Viele seiner Angestellten waren bereits nach Hause gegangen. Andere überquerten jetzt gerade den Parkplatz, stiegen in ihre Wagen und machten sich in einer langen Prozession auf den Weg zur Ausfahrt.

Eine einzige einsame Gestalt löste sich aus der Menge und flitzte geschickt auf ihrem Fahrrad zwischen den Autos hindurch.

Kazim kniff die Augen zusammen, um Sara besser sehen zu können. Sie trug nicht mehr ihr beigefarbenes Kostüm. Aber wie hätte sie in dem engen Rock auch Fahrrad fahren können? Na ja, vielleicht nicht eng, aber doch recht knapp geschnitten, sodass er ihre Hüften betonte, wie Kazim nur allzu gut in Erinnerung hatte.

Jetzt trug sie eine Radlerhose aus einem glänzenden elastischen Material. Er blinzelte. Ihre Beine waren lang und schlank. Das blonde Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengenommen. Sollte sie nicht einen Helm tragen?

Er sah ihr nach, während sie zum Ausgang fuhr und sich auf die Pedale stellte, um die als Geschwindigkeitsbremse dienenden Bodenschwellen zu passieren. Dabei hob sich ihr Po vom Sattel.

Kazim räusperte sich und wandte sich hastig ab. Etwas ging in ihm vor, was ihn überraschte und ärgerte. Sein Puls beschleunigte sich, und er atmete schneller. Der Anblick ihres hübschen, kleinen Pos hatte ihn offenbar aus dem Gleichgewicht gebracht.

Ein unscheinbares kleines Ding? Wohl kaum. Sara stellte ihre weiblichen Reize nur nicht so offensichtlich zur Schau wie die meisten Frauen mit ihren Miniröcken und hohen Absätzen.

Aber er hatte bereits jetzt erkannt, dass sie nicht anders war als alle anderen.

2. KAPITEL

„Sie können mich Kazim nennen.“

Saras Herz schlug schneller. „In Ordnung. Kazim.“

Sein Name aus ihrem Mund klang unerwartet intim und sinnlich. Sein Angebot war eine Art Belohnung für ihre erfolgreiche erste Woche als seine Assistentin. Sie wusste, dass er mit ihrer Arbeit zufrieden war. Schon zwei Mal hatte er sich von ihr bei Meetings vertreten lassen. Außerdem hatte er ihr sogar erlaubt, einen neuen Vertrag mit einem Rohrlieferanten auszuhandeln.

Sie hatte so gehofft, dass seine männliche Anziehungskraft abflauen würde, aber leider war das noch nicht passiert.

„Sara, hier ist meine Rede für die Konferenz nächste Woche. Bitte lesen Sie sie Korrektur und sagen Sie mir, was Sie davon halten.“

Er reichte ihr einen Stapel handgeschriebener Blätter. Sara stellte innerlich seufzend fest, dass selbst seine Schrift sexy war – kühn geschwungen und kräftig.

„Gern.“ Sie nahm die Papiere entgegen und zwang sich, den Blick von seinem attraktiven Gesicht zu lösen.

Kazim warf sich mit der Leidenschaft eines Berufssportlers in seine Arbeit. Am Ende eines jeden Tages sah er so angespannt aus, dass Sara ihm am liebsten die Schultern massiert hätte. Sie sehnte sich danach, ihn genüsslich aufseufzen zu hören, wenn ihre Finger ihm Erleichterung brachten.

Natürlich bekämpfte sie solche Anwandlungen. Eine alberne Schulmädchenschwärmerei hätte ihr gerade noch gefehlt. Es konnte ihr nur Ärger einbringen, sich für einen Mann zu interessieren, der von seinen weiblichen Angestellten keine Annäherungsversuche duldete. Noch dazu ging es hier um den Mann, der den Schlüssel zu ihrer Zukunft in Händen hielt – Hände, die ihre Fantasie mehr anregten, als Sara lieb war.

„Sie können meine Rede hier lesen, wenn Sie möchten. Dann wird Sie das Klingeln des Telefons nicht stören.“ Er wies auf einen pflaumenfarbenen Sessel in einer Ecke seines riesigen Büros.

„Prima. Danke schön.“ Noch eine Ehre, die sie wahrscheinlich nicht verdiente. Sara setzte sich in den weichen Ledersessel und hielt die Papiere vor sich, um sich die allzu ablenkende Sicht auf ihren Chef zu nehmen.

Je mehr sie zusammenarbeiteten, desto mehr juckte es ihr in den Fingern, ihn zu berühren. Sie konnte es sich selbst nicht erklären. Es knisterte jedes Mal heftig, wenn sie ihm nahe kam, was immerhin oft geschah, da sie ja mit ihm zusammenarbeitete.

Vielleicht könnte sie eine ganz flüchtige Berührung riskieren, die er kaum bemerken würde. Nein, auf keinen Fall! Dazu war der Job zu wichtig für sie. Sie bekam nicht nur ein ausgesprochen großzügiges Gehalt, sondern hatte, was noch viel wichtiger war, die Gelegenheit, sich in der Geschäftswelt zu behaupten und sich eine Karriere aufzubauen, die die Basis für ein gesichertes Leben sein würde. Als beruflich erfolgreiche Frau würde sie nie auf einen Mann angewiesen sein. Sie würde nie so leiden müssen wie ihre Mutter, die in einer lieblosen Ehe gefangen gewesen war, weil ihr die Mittel fehlten, ihre Kinder ohne die Hilfe ihres Mannes zu versorgen.

Aber etwas an Kazims Wangenknochen weckte in ihr den Wunsch, ihn zu küssen. Sie sehnte sich danach, seine Ohren zu streicheln und mit den Lippen zu liebkosen. Und sein Mund war eine einzige Herausforderung für jede heißblütige junge Frau.

„Was gucken Sie so?“

Sie zuckte zusammen. Kazim sah sie verwundert an, und sie senkte hastig den Blick, damit er das Verlangen in ihren Augen nicht bemerkte. Lieber Himmel, er hatte sie dabei ertappt, wie sie ihn anhimmelte wie ein kleines Schulmädchen. Am liebsten wäre sie im Boden versunken.

„Entschuldigung. Ich war in Gedanken.“

„Das sehe ich.“ Er lehnte sich in seinem schwarzen Ledersessel zurück, und ein leises Lächeln umspielte seine Mundwinkel.

Er wusste, dass sie ihn begehrte, genauso wie auch all ihre Vorgängerinnen. Sara gab sich alle Mühe, seinem Blick standzuhalten. Kazim betrachtete sie weiterhin nachdenklich, ohne etwas zu sagen, und biss sich dann leicht in die Unterlippe. Es war eine so sinnliche Geste, dass es Sara ganz heiß wurde.

Ein Klopfen an der Tür ließ sie zusammenfahren, und sie sprang schnell auf und legte Kazims Rede achtlos auf den Sessel.

„Sie sind ganz schön schreckhaft“, bemerkte er leise.

„Herein!“, sagte sie heftiger als beabsichtigt und versuchte, ihre Fassung wiederzugewinnen, auf die sie sonst doch immer so stolz war.

„Ich habe die Proben vom Davis-Feld, die Sie verlangt haben“, sagte Dora, eine der Angestellten, und lächelte Kazim mit ihrem knallrot geschminkten Mund an. Sie war die größte Klatschtante in der Firma und hatte Sara schon oft mit großem Genuss den traurigen Untergang ihrer Vorgängerinnen bis in jede Einzelheit beschrieben.

Dora trug einen rechteckigen Metallkasten, in denen kleine Fläschchen mit einer schwarzen Flüssigkeit steckten, und stellte sie auf Kazims Schreibtisch.

Kazim nahm eins der Fläschchen heraus. „Danke, Dora.“ Er verabschiedete sie mit einem Nicken, und sie verließ das Büro mit einem Grinsen auf dem Gesicht, das Sara erröten ließ. Hatte Dora womöglich die Situation erkannt und begriffen, dass Sara der gleichen Versuchung zu erliegen drohte wie schon so viele Frauen vor ihr?

„Wissen Sie, was das ist?“ Kazim schüttelte die Flüssigkeit im Fläschchen.

„Öl?“

„Ja. Der Grund, warum wir uns alle hier befinden. Schwarzes Gold.“

Er nahm den Stöpsel von der kleinen Flasche, hielt sie sich an die Nase und seufzte zufrieden. „Ich bekomme nie genug von diesem Geruch.“ Er stand auf und ging auf Sara zu. „Haben Sie je Rohöl in der Hand gehabt?“

„Nicht, dass ich wüsste“, sagte Sara. Seine Nähe machte sie unsicher, und sie schluckte mühsam.

Kazim tauchte einen Finger in die schwarze Flüssigkeit und nahm ihn wieder heraus. „Hier.“ Er hielt Sara den Finger unter die Nase, und sie unterdrückte den plötzlichen Drang zu lachen. Der starke Geruch wirkte seltsamerweise regelrecht berauschend.

Kazim hielt sich den Finger an die Nase, und impulsiv gab Sara ihm einen leichten Schubs, sodass er sich Öl auf die Oberlippe schmierte. Sie hatte ihn berührt! Zwar nahm sie sofort entsetzt die Hand wieder zurück, und er sah sie erstaunt an.

Sie lachte ziemlich verlegen. „Sie sehen aus wie Charlie Chaplin.“

„Vielleicht bin ich eine seiner berühmtesten Figuren – der Große Diktator.“

Ein Hauch von Humor blitzte in seinen Augen auf, und sein Mund verzog sich nun zu einem kaum merklichen Lächeln.

„Sie sind allerdings ein gütiger Diktator.“ Sie salutierte spöttisch, und ganz langsam vertiefte sich sein Lächeln, und Sara fühlte sich, als wäre die Sonne aufgegangen.

„Das nehme ich mal als Kompliment“, sagte er amüsiert. Das warme Lächeln und der intensive Ausdruck seiner Augen trugen ernsthaft dazu bei, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen.

„Lassen Sie mich Ihnen ein Taschentuch holen.“

Sie nahm eins aus einer Schachtel auf seinem Schreibtisch und tupfte ihm damit den Fleck von der Oberlippe. Ihre Fingerspitzen berührten seine Wange, und einen Moment lang erschauerte sie vor Erregung.

Er beobachtete sie nachdenklich, während sie ihm das Öl vom Mund wischte. Es ging nicht so leicht ab, und Sara schmierte auch noch aus Versehen ein wenig davon mit dem schmutzigen Taschentuch auf seine Wange.

„Warten Sie, ich nehme ein neues.“

Betontes Räuspern riss beide aus ihren Gedanken. Dora war mit einem Kasten weiterer Proben hereingekommen, und ihre amüsierte Miene ließ keinen Zweifel daran, was sie denken musste. Sara wurde bewusst, dass es so aussehen musste, als würde sie ihren eigenen Lippenstift vom Mund ihres Chefs wischen.

Was für eine Vorstellung!

Sie steckte das schmutzige Taschentuch in ihre Tasche und griff nach dem Kasten mit den Proben und machte auf dem Schreibtisch Platz dafür.

„Danke, Dora.“

Sie nickte und wandte sich ab, die Lippen fest zusammengepresst. Als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, wandte Sara sich zu Kazim um und sah das Lächeln in seinen Augen.

„Sie glaubt, dass wir uns geküsst haben“, stellte er fest.

Sara schluckte mühsam. „Dafür besteht keine Gefahr“, antwortete sie hastig. „Möchten Sie ein Taschentuch für Ihren Finger?“

„Danke.“

Als sie es ihm reichen wollte, hielt er ihr allerdings nur den Finger hin und erwartete offenbar, dass sie ihn abwischte. Ihre Blicke trafen sich, und in seinem lag eine unmissverständliche Herausforderung.

Also holte Sara tief Luft und folgte seiner stummen Aufforderung. Obwohl sein Finger nach einer Weile schon längst sauber war, wollte sie nicht aufhören. Sie wollte seine Haut noch eine Weile länger spüren, und so legte sie die Hand unter seine, als könnte sie so besser seinen Finger säubern.

Hör jetzt auf damit, Sara! Du spielst mit dem Feuer. Entflammbare Flüssigkeiten und entflammte Gefühle sind eine explosive Mischung.

Widerwillig zog sie die Hand weg und warf die Taschentücher in den Papierkorb. Als sie Kazim einen hastigen Blick zuwarf, sah sie, dass er sie mit einem eigenartigen Ausdruck betrachtete.

„Ich werde Ihre Rede an meinem Schreibtisch lesen“, sagte sie und legte die Blätter zusammen. Er nickte, und sie eilte aus dem Raum und schloss leise die Tür hinter sich. Ihr Herz hämmerte wild in ihrer Brust, und ihr war schwindlig.

Es war verboten, Kazim zu begehren, und ihn zu berühren kam nicht mehr in Frage. Sie hatten ein Abkommen, und sie war damit einverstanden gewesen. Trotzdem hätte sie nur zu gern gewusst, wie es sein mochte, von ihm geküsst zu werden, und sehnte sich danach, von ihm berührt zu werden.

Sie musste an ihre Karriere denken, und wenn sie wollte, dass er ihr vertraute und noch mehr Verantwortung übergab, dann musste sie vernünftig sein. Sie wusste, dass sie es mit ihrem Können und ihrem Einsatz schaffen konnte.

Und sie wusste auch, dass sie Kazim begehrte.

Leider schlossen die beiden Wünsche sich gegenseitig aus. Wenn sie ihren Gefühlen für ihren Boss nachgab, konnte sie ihre Karriere vergessen. Das hatte er ihr schon an ihrem allerersten Tag klargemacht.

Und sie war schließlich nur auf Probe hier.

Eine Woche war erst vorbei, drei Wochen der vereinbarten Probezeit lagen noch vor ihr.

„Was, in aller Welt, ist das hier?“ Kazim sah Sara erstaunt an, und dann wanderte sein Blick zu dem neuen, großen schwarzen ledernen Ding auf seinem Sessel.

„Ein Lendenstützkissen. Es soll Ihren Rücken entlasten. Mir ist aufgefallen, dass Sie sich oft strecken, und ich dachte, so könnten Sie verhindern, überhaupt einen steifen Rücken zu bekommen.“

Und vor allem dachte ich, dass ich einfach nicht mehr mit ansehen kann, wie Sie sich strecken und recken, ohne das letzte bisschen Verstand zu verlieren, das mir noch geblieben ist.

Er betastete das Kissen, als fürchtete er, es könnte gleich lebendig werden. „Hm.“

„Ich habe es nur zur Probe angefordert. Wenn Sie es nicht mögen, geht es sofort wieder zurück.“ Sara wandte sich ab und begann die Blumen zu gießen, die sie in sein Büro gestellt hatte, um es ein wenig gemütlicher zu machen. Sie hatte nicht erwartet, dass er begeistert sein würde, und hatte das ungute Gefühl, dass sie ihn mit ihren kleinen außergeschäftlichen Gesten eher überraschte und verwirrte als begeisterte, obwohl er sich nichts anmerken ließ.

Vielleicht bemühte sie sich einfach zu sehr. Den halben Samstag hatte sie darauf verwandt, sich nach etwas umzusehen, was Rückenschmerzen lindern könnte, und sie hatte noch mehr Ideen, wie sie ihm eine Freude machen würde, aber sie wollte es nicht übertreiben.

Sie hörte, wie er sich in seinen Sessel setzte, und konnte nicht widerstehen, sich umzudrehen. Insgeheim ärgerte sie sich darüber, dass sie so sehr hoffte, ihn lächeln zu sehen. Sie durfte nicht vergessen, dass es nicht ihre Aufgabe war, ihren Chef glücklich zu machen, jedenfalls nicht auf privater Ebene.

Er saß jetzt auf dem neuen Kissen, schien sich jedoch nicht besonders behaglich zu fühlen, und sah viel sagend auf ihre Füße.

„Oh, Entschuldigung, meine Schuhe drückten so. Ich ziehe sie gleich wieder an.“

Kazim räusperte sich. „Nicht nötig. Es ist spät, und nur Sie und ich sind noch im Büro. Sie können an- oder ausziehen, was Sie wollen.“

Sie sah ihm unwillkürlich beim Sprechen auf den sinnlichen Mund und ihr wurde ganz heiß bei der Vorstellung, sie könnte sich hier vor ihm ausziehen. „Danke.“ Sie zwang sich zu einem höflichen Lächeln.

Er rutschte nervös auf dem Kissen herum.

„Sie hassen es, stimmt’s?“

„Nein, es ist nur noch sehr ungewohnt für mich.“ Er setzte sich gerade auf und straffte die breiten Schultern, bevor er sich zurücklehnte.

Widerwillig nahm sie den Blick von ihm und goss weiter ihre Blumen. Sie ließen das Büro viel gemütlicher und fröhlicher erscheinen, besonders seit sie Kazim dazu überreden konnte, zwei abstrakte Bilder in den wundervollsten Farben aufzuhängen.

„Sara?“

Wie immer, wenn sie seine tiefe, heisere Stimme hörte, stockte ihr der Atem. „Ja?“, erwiderte sie, ohne ihn jedoch anzusehen.

„Es ist nicht Ihr Job, die Blumen in meinem Büro zu gießen oder mir das Sitzen in meinem Sessel bequemer zu machen.“

Der seltsame Ton, in dem er das sagte, ließ Sara nun doch aufblicken. „Ich weiß, ich wollte nur …“

„Ebenso wenig wie ich von Ihnen verlangen würde, mir Kaffee zu machen, erwarte ich auch nicht, dass Sie sich mit solchen Nebensächlichkeiten beschäftigen. Es ist spät, und Sie möchten bestimmt nach Hause gehen.“

Sie erschrak, weil es wie eine Zurückweisung klang. Aber sie hatte selbst Schuld. Er hatte sie nicht gebeten, irgendetwas für ihn zu tun.

„Es tut mir leid. Ich nehme an, ich ärgere Sie nur mit all diesen Dingen.“ Sie wies auf die Bilder, die Pflanzen und die neue Kaffeemaschine für die Zubereitung des starken Kaffees, den er so liebte. Ihr Mut sank ein wenig. Sie hatte eindeutig des Guten zu viel getan.

„Im Gegenteil. Die Atmosphäre hier ist doch viel besser, seit Sie hier sind“, erwiderte er und warf ihr einen so unerwartet freundlichen Blick zu, dass ihr Herz einen Sprung machte.

„Um die Wahrheit zu sagen, es bringt mir Spaß, Räume fröhlicher zu gestalten.“ Sie drückte die Gießkanne an sich. „Ich habe sehr viel Zeit, wenn ich nicht im Büro bin, und ich bin es nicht gewohnt, so viel allein zu sein. Zu Hause habe ich eine große Familie, vier Schwestern und drei Brüder.“ Ihre Stimme zitterte zwar leicht, doch Sara hatte sich schnell wieder im Griff. „Meine Mutter war sehr lange krank, und ich habe sie gepflegt. Ich bin es also gewohnt, viel zu tun zu haben und mich um die Menschen um mich herum zu kümmern. Das Gefühl, völlig allein nach Hause zu gehen, ist neu für mich.“

Sara, halt den Mund!

Was war nur los mit ihr, dass sie ausgerechnet ihrem Boss vorjammerte, wie einsam sie in letzter Zeit gewesen war? Das war schließlich nicht sein Problem. Und es war ihre eigene Entscheidung gewesen, hierherzukommen. Nur weil sie sonst niemanden hatte, den sie bemuttern konnte, hatte sie Kazim dazu benutzt, ihren Mutterinstinkt auszuleben. Sie errötete heftig, als ihr klar wurde, was sie getan hatte.

Kazim nickte. „Ich weiß Ihre Mühe zu schätzen, Sara. Es ist eine Gabe, die Bedürfnisse der anderen zu erkennen, ohne sie fragen zu müssen. Ihre Aufmerksamkeit ist eine willkommene Ergänzung für Ihre hervorragende Arbeit.“

Sie blinzelte verblüfft und biss sich unwillkürlich auf die Unterlippe, so unerwartet war sein Kompliment und so groß ihre Freude. Und er hatte mit solcher Ernsthaftigkeit gesprochen, dass es sie bis ins Innerste traf. Sie war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, triumphierend zu lachen, und dem Drang, vor lauter Freude in Tränen auszubrechen.

„Danke“, sagte sie schließlich bewegt.

Er nickte nur knapp, beugte sich wieder über seine Papiere und lockerte seine Krawatte.

„Gute Nacht“, sagte Sara noch hastig und eilte über den Teppich davon, als wäre der Teufel hinter ihr her.

„Gute Nacht, Sara“, kam seine Antwort, leise und ein wenig erstickt, als säße seine Krawatte zu fest, dabei hatte er sie doch gerade eben gelockert. Die Erinnerung an seine Stimme verfolgte sie noch bis zum Parkplatz und den ganzen Heimweg.

Kazim lehnte sich in seinem Sessel zurück und beobachtete Sara dabei, wie sie ein Verkaufsgespräch mit einem potenziellen Kunden aus Kanada führte. Ihr Probemonat war fast vorbei, und sie hatte zweifelsfrei bewiesen, dass sie ihrem Job mehr als gewachsen war.

„Wie ich Ihnen dargestellt habe, ist unsere Methode in der Lage, die Menge an Sedimenten im Rohöl auf weit weniger als die zugelassenen Werte zu reduzieren. Die neuen Techniken, die wir entwickelt haben, ermöglichen es somit den Besitzern bisher unrentabler Ölfelder, sie doch noch gewinnbringend auszubeuten. Wir bieten ein ganzes Paket von Leistungen an, von der Bohrung bis zur Raffinierung, das es unseren Kunden erlaubt, die neueste Technik und beste Fachkenntnis zu nutzen, ohne selbst in ihre Infrastruktur investieren zu müssen.“

Ihr scharfer, analytischer Verstand beeindruckte Kazim, passte aber irgendwie überhaupt nicht zu der eher warmen, sanften Seite ihres Charakters, mit der Sara ihn immer wieder verblüffte. Für einen so jungen Menschen war sie ungewöhnlich weise, und wenn sie ihn dann noch mit kleinen Beweisen ihres Humors überraschte, musste Kazim zugeben, dass er verzaubert war.

Im Sonnenlicht, das jetzt am späten Nachmittag durch die Fensterfront hereindrang, leuchtete ihr Haar wie Gold. Kazim fragte sich unwillkürlich, wie es sich wohl anfühlen mochte, wenn er es berühren würde, um ihren Kopf nach hinten zu beugen und sie zu küssen.

Hastig verscheuchte er den Gedanken. Er würde sich niemals mit einer Angestellten einlassen, weil er es sich nicht erlaubte, seine Macht in dieser Weise auszunützen. Er hatte keine seiner Assistentinnen geküsst, obwohl die meisten von ihnen alles darangesetzt hatten, ihn dazu zu bringen. Aber einer Frau, die sich einem Mann im Büro an den Hals warf, könnte er niemals Respekt oder gar Liebe entgegenbringen.

Er verstand außerdem nicht, was es an ihm war, das die Frauen so sehr anzog. So hinreißend sah er auch nicht aus, dass er jede Frau verzaubern könnte. Sein Körper war eher muskulös und kräftig von seiner Arbeit mit den Pferden und ganz und gar nicht elegant und geschmeidig, wie Frauen es seiner Meinung nach sicher vorzogen.

Allerdings war da sein Reichtum. Er war schon immer wohlhabend gewesen, selbst bevor er eine kleine Bohrfirma gekauft hatte und sie in die florierende Dienstleistungsfirma für die Ölbranche verwandelt hatte, die sie heute war. Öl hatte schon lange, bevor er geboren wurde, seine Familie und sein Land bereichert. War das der Grund für die unwiderstehliche Anziehungskraft, die er auf Frauen ausübte?

Aber es war ihm eigentlich egal. Saras Vorgängerinnen hatten alle freiwillig die Firma verlassen, und Kazim hatte keiner eine Träne nachgeweint. Allerdings hatte auch keine von ihnen Saras Talent besessen. Schon jetzt erledigte sie Aufgaben, die über den Bereich hinausgingen, für den sie eigentlich eingestellt worden war. Sara zu verlieren würde ihm sehr viel ausmachen. Für ihn stand fest, dass er alles tun würde, damit sie blieb.

Er würde morgen mit Sara zum neuesten Bohrfeld seiner Firma fliegen. Die Reise würde ihr Verständnis für ihre Arbeit erweitern und sie auf ein größeres Aufgabengebiet vorbereiten.

Der Gegenstand seiner Überlegungen ging in diesem Moment durch den Konferenzraum zur Tafel und zeichnete eine Formel auf, um die einer der Kunden sie gebeten hatte. Wie von selbst wanderte Kazims Blick zu ihren Hüften und zu der Rundung ihres festen Pos, als sie sich streckte, um die obere Hälfte der Tafel zu erreichen.

Plötzlich begann sein Körper verräterisch zu reagieren, und Kazim löste seine Krawatte, die ihm auf einmal viel zu eng vorkam.

Sara ließ ihren Stift fallen, und als sie sich vorbeugte, um ihn aufzuheben, schmiegte sich ihr Rock noch enger an ihre Schenkel und ihren Po. Kazim schluckte mühsam, räusperte sich und machte sich hastig Notizen, die in Wirklichkeit keinen Sinn ergaben, aber ihm wenigstens einen Vorwand verschafften, den Blick von Sara abzuwenden. Irgendwie musste er seine heftige Reaktion auf sie unterdrücken.

Es war unmöglich, dass sie in einem so knappen Rock zur Arbeit kam. Er würde Jill Took bitten, sich darüber mit Sara zu unterhalten.

Zögernd hob er wieder den Blick, während Sara freundlich die Formeln über einen Aspekt des Raffinierungsprozesses erklärte. Er musterte ihr Kostüm mit kritischem Auge und musste bei näherem Hinsehen zugeben, dass damit eigentlich alles in Ordnung war. Es war nicht zu eng, und der Rock reichte bis knapp über das Knie. Was Schnitt und Farbe anging, war es sogar recht konservativ.

Das Problem war nicht das Kostüm, sondern er.

3. KAPITEL

„Sechsundsiebzig Flaschen Bier, sechsundsiebzig Flaschen Bier …“ Sara verstummte.

„Sie haben es überlebt. Machen Sie die Augen auf.“ Kazims Worte drangen wie aus weiter Ferne in ihr Bewusstsein.

„Oh Gott.“ Ihr ganzer Körper war angespannt. Sie hatte die Augen zusammengekniffen, um die Wirklichkeit nicht wahrnehmen zu müssen.

„Wir sind jetzt über den Wolken. Es gibt keine Gefahr.“ Kazim sprach leise, sodass seine tiefe Stimme gerade eben über dem Lärm der Triebwerke zu hören war.

Vorsichtig öffnete Sara die Augen, doch das grelle Sonnenlicht ließ sie sie wieder leicht zusammenkneifen. Kazim sah sie besorgt an, und Sara merkte, dass sie seine beiden Hände umklammerte, aber sie konnte sich einfach nicht dazu bringen, ihn loszulassen, und das hatte diesmal keineswegs etwas mit Verlangen zu tun.

„Sehen Sie, ist doch nicht so schlimm, oder? Das Flugzeug fliegt ganz normal. Und von hier können Sie den Boden gar nicht sehen.“

„Oh Gott!“ Bei dem Gedanken an den Boden, der sich viele, viele Meilen unter ihnen befand, zog sich ihr Magen zusammen.

„Ihnen wird doch nicht übel werden?“

Ach,lieber Gott, lass mich bitte nicht so tief sinken. „Ich glaube nicht.“

„Gut.“

„Es tut mir so leid. Ich bin eine solcher …“ Feigling? Angsthase? Schwächling?

„Entschuldigen Sie sich doch nicht, Sara. Viele Menschen haben Angst vor dem Fliegen.“ Er drückte beruhigend ihre Hände.

Sara atmete mehrmals tief durch. Sie waren in der Luft. Du lieber Himmel!

„Sie sind noch nie geflogen?“, fragte Kazim.

Ihr wurde schon ganz anders unter seinem zärtlichen Blick. „Nein.“

„Ich dachte, die Amerikaner bewegen sich nur so fort.“

„Nun ja, nicht alle.“ Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass sie sich über den Wolken befanden. Wieder stieg Panik in ihr auf.

Kazim befreite eine seiner Hände aus ihrem Griff, und als Sara vor Angst zitterte, legte er einen Arm um ihre Schultern. Sara fand es angenehm beruhigend, seinen kräftigen Arm auf sich zu spüren, und lehnte sich an ihn. Vielleicht würde sie diesen Tag doch noch überleben.

„Ihre Familie ist nie irgendwo hingeflogen, um Urlaub zu machen?“

Sie lachte leise. „Nein. Wir haben kaum die Stadt verlassen. Unsere finanzielle Situation ließ es einfach nicht zu.“

„Sie waren arm?“

„Sehr arm.“

„Oh“, erwiderte er nur.

Er schien über diese neue Information nachzudenken. Würde er sie jetzt weniger schätzen? Bestimmt nicht. Schließlich war die Armut ihrer Familie ja nicht ihre Schuld. Aber Sara hatte nicht vor, je wieder arm zu sein, wenn sie es verhindern konnte.

„Sie stammen doch aus Wisconsin, nicht wahr? Wie sind Sie nach Nevada gekommen?“

„Auf dem altmodischen Weg über eine Straße.“

„Auf Ihrem Fahrrad?“ Kazim hob die Augenbrauen.

Sie lachte wieder. Das Lachen und seine tröstliche Umarmung halfen ihr, ihre Angst unter Kontrolle zu halten. „Nein, ich fuhr einen Wagen. Einen alten Schrotthaufen, der sofort den Geist aufgab, als ich hier ankam. Deswegen fahre ich ja jetzt ein Fahrrad.“

Er lächelte. „Aber Sie werden sich einen neuen Wagen kaufen, oder?“

„Irgendwann schon.“

Sobald ich meine Schulden abbezahlt habe. Aber das brauchte Kazim nicht unbedingt zu wissen. Ihre persönlichen Probleme gingen niemanden etwas an.

„Sie haben wieder ein wenig Farbe im Gesicht“, sagte er leise. Seine tiefe Stimme war so herrlich beruhigend, dass Sara sich erst allmählich bewusst wurde, dass sie so eng nebeneinandersaßen, als wären sie ein Paar.

Kazims breite Brust presste sich an ihre Schulter, und Sara spürte jeden seiner Atemzüge. Auf einmal fiel ihr das Atmen schwer, und sie schluckte nervös. Sie war sicher, dass sie ganz rot geworden war, und wandte hastig den Blick von ihm ab. Je mehr ihre Angst verschwand, desto mehr wurde sie von einem ganz anderen Gefühl ersetzt – Verlangen.

Kazims Hand lag auf ihrer Taille, dicht unter ihrer rechten Brust, und Sara glaubte jeden einzelnen seiner Finger auf ihrer Haut zu spüren. Auf einmal kam es ihr vor, als würde sie in Flammen stehen, und ihre Brustspitzen richteten sich auf. Und sie war sich plötzlich auch seines Dufts sehr bewusst – ein erdiger, männlicher Geruch, der ihre Erregung noch verstärkte.

Vor ihrem inneren Auge erschienen gewagte Bilder, die ihr die Röte in die Wangen trieben. Ihr größter Wunsch war in diesem Moment, von diesem Mann überall berührt und geliebt zu werden. Aber er war ihr Boss!

Ihre Haut kribbelte vor Erregung, aber ihr Verstand sagte ihr gleichzeitig, dass Kazims Umarmung nur eine freundliche Geste des Mitleids war. Wenn er wüsste, was in ihren Gedanken vorging oder in ihrem Körper, würde er sie voller Entsetzen von sich stoßen.

Aber sie konnte nichts gegen den Wunsch tun, er möge sie noch eine ganze Weile so halten. Sie wollte das Gefühl, in seinen Armen zu liegen, noch genießen, so lange es ging, obwohl die Faszination, die dieser Mann auf sie ausübte, sie noch zur Verzweiflung bringen würde. Sara konnte es nicht vor sich selbst leugnen – er war die Qual ihrer wachen Stunden und der Trost ihrer einsamen Nächte.

Sie träumte von ihm nicht nur im Schlaf, sondern auch in ihren Tagträumen. Die intimen Fantasien halfen ihr am Ende eines langen Arbeitstages, den sie immer irgendwie in Kazims Nähe verbrachte, die erotische Spannung, die sich in ihr aufgebaut hatte, loszuwerden.

Aber so nah wie jetzt war sie ihm noch nie gekommen.

Impulsiv sah sie zu ihm auf, und ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie den Ausdruck in seinen Augen sah.

Er begehrte sie auch. Und er wusste genau, was in ihr vorging.

Sara räusperte sich und strich ihre Bluse glatt. Kazim griff nach dem „Wall Street Journal“ und öffnete sie mit viel unnötigem Geraschel.

Er fummelte an seiner Krawatte und fuhr sich mit einer Hand durch das Haar. Dann krempelte er die Ärmel hoch und vertiefte sich wieder, offensichtlich mit großem Interesse, in die Zeitung.

Sarah lehnte sich unbehaglich zurück. Aber seltsamerweise hatte sie jetzt keine Angst mehr. Im Vergleich zu den intensiven, verrückten Empfindungen, die sie in Kazims Armen überkommen hatten, war Angst nur ein ganz armseliges Gefühl.

Sie räusperte sich. „Ich weiß gar nicht mehr, wo ich meine Aktentasche gelassen habe.“

Er sah sie besorgt an und wies auf den Boden. Die Tasche stand vor ihren Füßen.

„Danke.“ Sara beugte sich vor, angeblich um darin etwas zu suchen, aber in Wirklichkeit, um ihr Erröten zu verbergen. Sie holte einen Bericht heraus, den sie durchlesen wollte, und gab vor, sich ganz darauf zu konzentrieren.

Schließlich warf sie Kazim einen verstohlenen Blick zu. Er las mit ausdrucksloser Miene seine Zeitung, und auch Sara versuchte, sich in den Bericht zu vertiefen, doch sie verstand kein einziges Wort.

„Es tut mir leid“, stieß sie unwillkürlich hervor. Es tut mir so leid, dass ich nicht anders kann, als dich zu begehren, obwohl ich weiß, dass du mich verabscheuen würdest, wenn du es wüsstest.

„Was tut Ihnen leid?“ Er sah nicht einmal von seiner Zeitung auf.

„Dass ich ein solcher Angsthase bin. Ich hatte wirklich keine Ahnung, dass ich so reagieren würde. Aber ich muss zugeben, dass ich Angst habe vor dem Fliegen.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. Es war demütigend, einzugestehen, wie wenig sie sich im Griff hatte.

„Das macht nichts“, sagte er nur knapp und sah sie immer noch nicht an. Er schlug eine andere Seite auf und schien einen Moment darin vertieft zu sein, aber dann blickte er doch auf. „Sie müssen sich nicht dafür schämen, dass Sie Angst haben.“

Seine Miene wurde sanfter, und Sara schluckte mühsam, weil ganz seltsame Gefühle sie zu überwältigen drohten. Angst, Scham und verbotenes Verlangen ergaben eine explosive Mischung, wie sie sie noch nie erlebt hatte.

Die arme Sara! Kazim sah ihr deutlich an, wie sehr sie litt. Sie hatte keinen Augenblick gezögert, ihn zu begleiten, und hatte ihre Ängste mit keinem Wort erwähnt, bis sie zu stark für sie geworden waren. Ihr offensichtliches Entsetzen erfüllte Kazim mit einem so überwältigenden Drang, sie zu beschützen, dass es ihn erschreckte. Und das machte ihm weitaus mehr Sorge als die erotischen Fantasien, die ihn gelegentlich in ihrer Gegenwart überfielen.

Er hatte seine Heimat und seinen grausamen Vater verlassen, um sich ein eigenes Leben aufzubauen, das frei von Bindungen und Verpflichtungen sein sollte. Er brauchte niemanden, und keiner sollte ihn brauchen. Aber dann sah er die Angst in Saras hellen jadegrünen Augen und konnte einfach nicht still dabeisitzen und mit ansehen, wie sie litt. Und sie in den Armen zu halten war eine Freude, die alles übertraf, was er je erlebt hatte. Bei seiner Berührung entspannte sie sich. Das Zittern ließ nach, und ihre Haut fühlte sich warm unter seinen Händen an. Sie schmiegte sich an ihn und schien seine Berührung zu genießen.

In diesem Moment war das Verlangen in ihm erwacht, ihr sehr viel mehr zu bieten als nur Trost und sehr viel mehr zu wollen als nur das schöne Gefühl, ihre Angst lindern zu können.

Er wollte ihren weichen Körper spüren, er wollte mit den Händen über ihre verführerischen Rundungen gleiten und ihr dieselbe Freude schenken, die ihn jedes Mal überkam, wenn sie ihn so lieb anlächelte.

Und sie würde ihn nicht abweisen, das spürte er. Allein diese Tatsache sollte sein Verlangen sofort ersticken.

„Ich wette, Sie waren noch ein Kind, als Sie das erste Mal in ein Flugzeug stiegen.“ Ihre Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und zwang ihn, sich wieder auf die Zeitung zu konzentrieren, die er vorgab zu lesen.

„Ja. Mit elf.“ Er wagte es nicht, sie anzusehen. Ihre Augen hatten eine so starke Wirkung auf ihn, dass er nicht sicher war, ob er ihr widerstehen würde.

„Sind Sie mit Ihren Eltern in Urlaub gefahren?“

Urlaub? Gab es diesen Begriff in seiner Heimat überhaupt? „Nein.“

„Sondern?“

Kazim sah schließlich doch auf, und das Lächeln, das um ihre Lippen lag, schien ihn aufzufordern, sie hier und jetzt an sich zu ziehen und zu küssen. Er zwang sich dazu, seine Aufmerksamkeit auf das Gespräch zu lenken, aber die Erinnerungen, die ihre Frage wachrief, nahm ihm jede Freude. „Ich verließ Oman, meine Heimat, zum ersten Mal, als man mich auf ein Internat in England schickte.“

An jenem Tag hatte er alle Menschen, die er liebte, verlassen müssen und war allein und voller Angst in ein fremdes, kaltes Land gekommen, wo niemand seine Sprache sprach und keiner die Bräuche seiner Heimat kannte. Es wurde eine Reise, von der er nie wieder richtig zurückkehren sollte.

„Hatten Sie Angst?“

„Ja. Aber nicht in der Art, wie Sie annehmen. Der Flug gefiel mir. Kleine Jungs haben Spaß an großen Maschinen.“ Er zwang sich zu einem Lächeln.

„Warum haben Ihre Eltern Sie in ein Internat gesteckt?“

Eine Frage. Sicherlich nicht, um ihm eine ausgezeichnete Bildung zu ermöglichen, obwohl er die natürlich genossen hatte. Nicht um ihn mit der westlichen Kultur vertraut zu machen, obwohl auch das mit der Zeit geschehen war. Er war weggeschickt worden, weil sein Vater seine Mutter hatte bestrafen wollen. Um ihr zu zeigen, dass er Macht über sie hatte, hatte er ihr das Lieblingskind entrissen und es in ein fernes Land verbannt.

Noch jetzt schwelte die Wut in ihm wie ein zerstörerisches Feuer, wenn er daran dachte, wie seine Mutter in Tränen aufgelöst mit ansehen musste, wie ihr schreiender Sohn von den Schergen seines Vaters fortgezerrt wurde. Kazim hatte sie nie wiedergesehen. Ihre Gesundheit war schon damals angegriffen gewesen, und nachdem man ihn fortgeschickt hatte, wurde sie schwächer und schwächer, bis sie plötzlich starb.

„Sie glaubten, es würde mich zu einem Mann machen.“

Sein Vater hatte Kazims enge Beziehung zu seiner Mutter nicht gebilligt und ihn ständig beschimpft, weil er als kleiner Junge gern zu ihr ins Bett geschlüpft war, wenn er Albträume hatte und nicht schlafen konnte, und weil er ihr überallhin folgte und mit ihr und ihren Damen lachte und scherzte und ihren sanften Humor und ihre zärtlichen Liebkosungen genoss.

Keiner meiner Söhne versteckt sich hinter den Röcken einer Frau! Diese Worte seines Vaters würde er nie vergessen.

„Es muss sehr schwer gewesen sein für Sie, Ihr Zuhause in einem so zarten Alter zu verlassen“, bemerkte Sara mit leicht zittriger Stimme.

Kazim wurde bewusst, dass sie auf einen Ausdruck in seinem Gesicht reagiert haben musste. Er schwankte zwischen Verlegenheit und dem Drang, sich ihr anzuvertrauen. „Ja. Ich sprach nur wenig Englisch. Und ich war bisher kaum in der nächstgelegenen Stadt gewesen, geschweige denn in einem fremden Land und noch dazu allein. Ich hatte jeden Tag meines Lebens mit meiner Familie verbracht, und plötzlich wurde ich allem entrissen, was mir vertraut war. Überall um mich gab es nur fremde Menschen, eine fremde Sprache, fremdes Essen und das englische Wetter. Die heiße Sonne meiner Heimat fehlte mir fast so sehr wie meine Familie.“

„Ja, ich habe gehört, dass das Wetter in England ziemlich gewöhnungsbedürftig ist.“ Sie lächelte zögernd.

„Meine Pferde waren genauso überrascht wie ich. Sie konnten nicht verstehen, warum es plötzlich keine Sonne mehr gab und ständig Wasser vom Himmel fiel. Aber sie genossen wenigstens das üppige grüne Gras.“