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Beste Feinde sind manchmal genau die Richtigen
Laurel hat ein Problem. Der Sohn ihres Chefs will einfach nicht einsehen, dass sie kein Interesse an ihm hat. Daher bleibt ihr nur eins: Sie muss einen Fake Boyfriend an Land ziehen! Doch der Einzige, der ihr dafür einfällt, ist Jack, der beste Freund ihres Bruders, der ihr schon seit ihrer Kindheit gewaltig auf die Nerven geht. Jack willigt ein, aber unter der Bedingung, dass sie die Farce zwei Monate lang aufrechterhalten, damit er einen wichtigen Business-Deal unter Dach und Fach bringen kann. Eigentlich die perfekte Kombination, besteht hier doch keinerlei Gefahr, dass Jack aus Versehen Gefühle für sie entwickeln könnte. Doch sie hat die Rechnung ohne das heiße Prickeln zwischen ihnen gemacht, das mit jedem ihrer Fake Dates an Intensität zunimmt ...
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Seitenzahl: 263
Veröffentlichungsjahr: 2022
Titel
Zu diesem Buch
Widmung
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Danksagung
Die Autorin
Die Romane von Mira Lyn Kelly bei LYX
Leseprobe
Impressum
MIRA LYN KELLY
Bad Boy Crush
Roman
Ins Deutsche übertragen von Michael Krug
Beste Feinde sind manchmal genau die Richtigen
Laurel hat ein Problem. Der Sohn ihres Chefs will einfach nicht einsehen, dass sie kein Interesse an ihm hat. Daher bleibt ihr nur eins: Sie muss einen Fake Boyfriend an Land ziehen! Doch der Einzige, der ihr dafür einfällt, ist Jack, der beste Freund ihres Bruders, der ihr schon seit ihrer Kindheit gewaltig auf die Nerven geht. Jack willigt ein, aber unter der Bedingung, dass sie die Farce zwei Monate lang aufrechterhalten, damit er einen wichtigen Business-Deal unter Dach und Fach bringen kann. Eigentlich die perfekte Kombination, besteht hier doch keinerlei Gefahr, dass Jack aus Versehen Gefühle für sie entwickeln könnte. Doch sie hat die Rechnung ohne das heiße Prickeln zwischen ihnen gemacht, das mit jedem ihrer Fake Dates an Intensität zunimmt …
Für Helene Cuji
Das habe ich jetzt vom Lügen.
»Äh … du willst ihn kennenlernen?« Unwillkürlich schnappe ich nach Luft und spähe zu Clarence Grossman. Er ist der Sohn meines Chefs. Seit der »C-Man«, wie er sich gern nennt, vor zwei Monaten aus San José hierher versetzt worden ist, entziehe ich mich seinen plumpen Annäherungsversuchen mit vagen Hinweisen auf einen festen Freund, den ich nicht habe.
»Warum nicht?« Er wirkt selbstgefällig, als wisse er, dass er mich kalt erwischt hat. »Ich meine, was für ein Zufall, dass wir beide vorhaben, die gleiche Bar zu besuchen.«
Eine warme Brise wirbelt ein paar dünne Strähnen seines Haars durcheinander und verleiht ihm kurz das Aussehen einer Zeichentrickfigur, die einen Stromschlag kriegt. Nur bin ich diejenige, der Panik wie ein Stromschlag durch die Adern rast.
Obwohl der »C-Man« nicht schlau genug ist, sich von seinem bescheuerten Spitznamen zu trennen, ist er mir auf die Schliche gekommen. Und ich bin direkt in seine Falle getappt, als er mich gefragt hat, ob ich heute Abend etwas vorhabe.
Bei der Antwort habe ich nicht gezögert. Sie lautet immer: Ja, ein Date.
Aber dann wollte er wissen, was wir unternehmen, und ich bin mit dem Erstbesten herausgeplatzt, das mir eingefallen ist. Belfast. Die Bar, in der ich vergangene Woche mit meiner besten Freundin Margo war. Und siehe da, rein zufällig trifft sich der C-Man auch dort mit Freunden.
Lügner.
Obwohl ich in meinem Glashaus eigentlich nicht mit Steinen werfen sollte.
Er beobachtet mich aufmerksam. »Außer es gibt irgendeinen Grund, warum du nicht willst, dass ich ihn kennenlerne.«
Einen Grund? Zum Beispiel, dass der feste Freund nicht existiert? Ja, das scheint mir ein guter Grund zu sein. Aber nachdem ich ihm die Lüge seit Wochen aufgetischt habe, stecke ich zu tief drin, um sie aufzugeben. Ich stehe bei der Personalvermittlungsfirma, bei der ich seit sechs Jahren arbeite, kurz vor der Beförderung zur Datenbankmanagerin. Und auch wenn Clarence im Grunde harmlos ist, kann ich keinerlei Drama im Zusammenhang mit meinem Namen gebrauchen.
»Aber nein.« Ich schüttle den Kopf und winke ab, als wäre ich völlig unbesorgt. Wir werden hingehen und ein paar Minuten warten. Dann werde ich so tun, als müsste mich mein Freund, der aus der Gegend der Niagarafälle stammt, versetzen und auf ein anderes Mal vertrösten. Oder vielleicht habe ich Glück und treffe einen der Kumpel meines Bruders, der so ritterlich ist, fünf Minuten die Rolle meines festen Freunds zu spielen. Eigentlich reicht dafür jeder, den ich namentlich kenne. »Das wird spitze. Ich bin sicher, er freut sich, wenn er endlich ein Gesicht zu dem Namen bekommt.«
Das Belfast ist die Lieblingsbar von halb Chicago und bereits gut besucht. Aber nach zwei Dritteln des Wegs durch den Hauptraum habe ich immer noch kein bekanntes Gesicht entdeckt. Wie kann das sein?
»Lass mich raten«, meldet sich Clarence zu Wort. Er klingt ein bisschen zu selbstgefällig und entschieden zu nah. »Er ist nicht hier.«
Mein Blick schnellt suchend von Gesicht zu Gesicht, während sich mir der Magen umdreht. Er weiß Bescheid. Und wenn ich noch so standhaft leugne, es wird nichts helfen. Es sei denn, ich entdecke einen Kerl, der …
Klick.
Ich erkenne jemanden und reagiere in Gedanken mit: Oh nein. Nein. Nicht ausgerechnet er. Jeder außer ihm.
Aber er ist es eindeutig.
Ich erkenne die kerzengerade Nase, die wie gemeißelt wirkenden Wangenknochen und die kantige Kieferpartie. Und diesen Mund. So weiche, volle Lippen sollten eigentlich nicht in ein so maskulines Gesicht wie seines passen, und doch haben sie meine Freundinnen und Klassenkameradinnen schon in der siebten Klasse zum Schwärmen gebracht.
Die ausdrucksstarken Züge wirken schmaler als damals in der Highschool, und so ungern ich es zugebe, es steht ihm gut.
Jack Hastings. Geißel meines Daseins. Es musste ja ausgerechnet er sein. Und natürlich ist er Single. Das weiß ich. Obwohl ich selbst ihn seit der Highschool nicht mehr gesehen habe, ist mein Bruder regelmäßig in Kontakt mit ihm und hat es letzte Woche beim Abendessen erwähnt.
Stahlgraue Augen heften den Blick auf mich, und mir rutscht ein leiser Fluch heraus, den meine Eltern als ordinär bezeichnen würden.
Clarence sagt hinter mir irgendetwas, aber ich werfe nur unwillkürlich einen letzten verzweifelten Blick durch die Bar. Jeder, wirklich jeder andere wäre mir recht. Aber nein, es bleibt nur Jack oder niemand.
Der Typ kann mich nicht leiden. Es spricht noch genauso aus seinen Augen wie schon damals, als wir gerade mal sechs Jahre alt waren. Aber ich weiß aus Erfahrung, wie gut er es verbergen kann. So gut, dass ich einmal für kurze Zeit dachte, es wäre anders.
Ich durchquere die Bar und lächle breiter, bis ich wohl beinah wie eine Irre wirken muss. Er sitzt mit Hank und Abby Wagner, Greg Baxter und Julia Wesley beisammen. Wir sind alle zusammen in Bearings zur Schule gegangen, und ich bin erleichtert. Denn trotz ihrer unerklärlichen Sympathie für Jack sind sie tolle Menschen. Außerdem wird ihr Promistatus dabei helfen, Clarence abzulenken. Er wirkt total geflasht, als wir auf ihren Tisch zusteuern.
»Hi, Leute«, singe ich förmlich und winke allen kurz zu, während ich mich Jack nähere. Seine offensichtliche Verwirrung wäre unbezahlbar, wenn der Sinn der Scharade nicht darin bestünde, meinem Kollegen eine Beziehung zu verkaufen, die es nicht gibt.
Als ich ihn erreiche, stelle ich mich dicht zu ihm und dann noch näher, schlinge ihm meinen Arm um seine breiten Schultern. »Jack, Süßer, ich habe dich erst gar nicht gesehen.« Gleichzeitig werfe ich ihm einen flehenden Blick zu und deute unauffällig hinter mich. »Erinnerst du dich noch an Clarence von der Arbeit, von dem ich dir erzählt habe?«
Jack ist einer der klügsten Typen, die ich kenne. Aber bei der ausdruckslosen Miene, die ich von ihm ernte, würde ich seine Denkmaschinerie am liebsten mit einem Schlag auf den Hinterkopf in Gang zu bringen. Stattdessen werfe ich ihm einen bedeutungsschwangeren Blick zu und bete, dass er mir einen Knochen zuwirft. »Er dachte schon, ich hätte dich erfunden!«
Endlich leuchtet Begreifen in seinen Augen auf, und das schiefe Grinsen, das er aufsetzt, sollte mich wahrscheinlich beunruhigen. Jack hat noch nie eine Gelegenheit sausen gelassen, mich zu quälen. Ich umgekehrt auch nicht. Aber er ist ein guter Freund meines Bruders Law. Also warte ich mit angehaltenem Atem ab, was er als Nächstes tut.
Tatsächlich lässt er mich nicht lange zappeln, schlingt seinen Arm um meine Taille und drückt mich fest an sich. Dazu wirft er mir einen zuckersüßen Blick zu, über den ich unwillkürlich lachen muss.
Dafür stehe ich tief in seiner Schuld, was er mich nie vergessen lassen wird. Aber mir Clarence vom Hals zu halten, ohne seine Eltern oder die Personalabteilung einbeziehen zu müssen, ist mir das mehr als wert.
»Schatz, warum hast du mir nicht gesagt, dass ich ihn endlich kennenlernen würde?« Jack streckt die Hand aus und wartet darauf, dass Clarence die Aufmerksamkeit von Julia löst, die derzeit eine der angesagtesten Sportreporterinnen im ganzen Land ist. Außerdem ist sie mit Greg verlobt, dem Center und Star der Slayers, dem neuesten Eishockeyteam von Chicago. Und neben Hank nimmt sich Elon Musk wie ein gewöhnliches Mitglied der Geek-Liga aus.
Ich schätze, es dauert noch dreißig Sekunden, bis Clarence alle bittet, sein Hemd zu signieren. Danach wird er sich zurückziehen und uns unsere Privatsphäre lassen. Und schon bin ich ihn los. Ich werde mich bei meinen alten Klassenkameraden entschuldigen und dringend benötigten Abstand zwischen meine Hüfte und Jacks Oberschenkel bringen. So schwer es mir fallen wird, ich werde irgendwas Nettes zu ihm sagen, und …
»Clarence, nimm dir einen Stuhl, Mann.« Jacks Arm verwandelt sich um meine Taille in Stahl, als ich den Körper versteife. Was zum …
Jack zwinkert mir zu. »Setz dich zu uns.«
Oh, ich werde ihn so was von umbringen.
* * *
Eigentlich sollte mich die unverhohlene Mordlust in Laurel Matthews’ Augen nicht so diebisch freuen, aber na ja, irgendwie ist es zwischen uns immer so gewesen. Ich habe sie ewig nicht mehr gesehen, aber dieser eine Blick, als sie hereingekommen ist, war mir Bestätigung genug, dass sich auch nach zehn Jahren nichts geändert hat.
Außer vielleicht, dass sie noch hübscher ist als mit achtzehn … mit sechzehn, zwölf … sechs Jahren. Natürlich habe ich Fotos von ihr in Laws Wohnung und auf seinem Instagram-Konto gesehen. Aber in natura ist es noch offensichtlicher. Nicht, dass ich empfänglich für ihr Aussehen wäre.
Scheiße, nein.
Sie könnte sich aus ihrer knappen Sommerbluse und dem kurzen Rock schälen und nur in dem pfirsichfarbenen Spitzen-BH vor mir stehen, den ich flüchtig sehen konnte, als sie sich zu mir gestellt hat, und es würde mich nicht erregen. Denn unter all der glatten Haut und den weichen Kurven verbirgt sich eine stachelige Hülle, die mir schon seit der sechsten Klasse unter die Haut geht.
Scheiße. Ich bemerke immer noch den an ihrer Schulter hervorlugenden Spitzenstoff. Na schön, sie erregt mich doch. Aber rein körperlich.
»Jack, Schatz«, beginnt sie und durchbohrt mich mit einem bedrohlichen Blick. »Clarence trifft sich mit Freunden. Wir sollten ihn …«
Die Nervensäge, mit der sie die Bar betreten hat, räuspert sich. »Also, eigentlich seh ich meine Freunde noch nirgendwo.«
Allzu genau kann er sich nicht umgesehen haben, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass er den Blick nur ein einziges Mal von Laurel gelöst hat. Und da sind ihm fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als er auf Julias Vorbau gestarrt hat. Hätte er mitbekommen, dass ihr Verlobter kurz davorstand, ihm für sein taktloses Verhalten eine zu verpassen, er hätte seine Ausrede, um zu verschwinden, wohl nicht so bereitwillig aufgegeben.
Aber immerhin bietet sich mir so die Gelegenheit, Laurel zu quälen. Das letzte Mal ist zu lange her, und es ist schon fast zu einfach.
»Spitze! Siehst du, Schatz, es ist alles gut.«
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Laurel der Atem stockt. Prompt zücke ich mein Handy und schieße ein Foto. Ihre Augen treten hervor, als sie sich mir langsam für einen vernichtenden Blick zudreht, also ziehe ich sie zu mir und lege noch ein Selfie obendrauf. Was will sie schon dagegen tun?
»Oh Scheiße!«, entfährt es mir, als Schmerzen in meinem Oberschenkel explodieren. Ein kurzer Blick bestätigt, dass Laurel den Knöchel in den Druckpunkt bohrt, den sie schon immer so geschickt finden konnte.
»Oooh, Schatz«, säuselt sie und sieht mich mit vermeintlich mitfühlender Miene an. »Meldet sich deine alte LARP-Verletzung?«
Hank hüstelt in die Hand und versucht damit, sein Lachen zu kaschieren. Arsch.
Abby streicht sich das dunkle Haar aus dem Gesicht und wirft Hank einen Blick zu, der meine Gedanken widerspiegelt: Was zum Geier ist LARP?
»Live-Action-Rollenspiele, Abs«, erklärt er seiner Frau und beugt sich zu ihr. »Weißt du, äh … dabei verkleidet sich Jack wie jemand aus dem Mittelalter« – seine Stimme kippt beinah vor unterdrücktem Gelächter – »und tobt sich aus.«
Klar. Natürlich.
Laurel zwinkert mir zu. Dabei verzieht sie einen Mundwinkel zu einem fiesen – und irgendwie auch sexy – Grinsen. Dann wendet sie sich mit ernsterer Miene an Clarence und fügt hinzu: »Ihm ist ein Missgeschick mit einer Lanze passiert. Jack hat den Hofnarren gespielt und ist in den Weg geraten.«
Greg ist gerade dabei, sein Bier auszutrinken, und prustet prompt die Hälfte zurück in das Glas. Na toll.
Julia beugt sich zu Laurel und streckt mit bewunderndem Gesichtsausdruck die Hand nach ihrer aus. »Wir müssen uns wirklich öfter treffen.«
Verräter. Alle miteinander.
Mich überrascht nicht, dass Hank als Erster wieder zur Vernunft kommt. Er klopft mit den Knöcheln auf die Tischplatte zwischen uns und steht auf. »Für Abby und mich wird’s Zeit zu gehen. Wir haben morgen Besprechungen wegen der Adoption. Greg, Julia? Bleibt ihr noch?«
Julia setzt zum Nicken an, aber Greg zieht sie bereits vom Stuhl. »Ne, wir verdrücken uns auch. Jules, du kannst ein anderes Mal mit den verliebten Turteltäubchen plaudern.«
Laurel schmiegt sich näher an mich, winkt zum Abschied und verspricht den Frauen, sich demnächst mit ihnen zum Mittagessen zu verabreden. Aber heute Nacht gehört sie mir. Und die Sache mit dem LARP wird sie noch teuer zu stehen kommen.
Von wegen Hofnarr.
»Er ist so ein unglaublicher Arsch.«
Am nächsten Tag laufe ich in der Mittagspause im Büro meiner besten Freundin auf und ab. Dabei mache ich meinem Ärger der letzten achtzehn Stunden Luft. Allerdings hätte ich wissen müssen, dass die Frau dabei nicht auf meiner Seite sein würde.
»Er ist heiß«, entscheidet Margo, während sie das Display ihres Handys mit dem Foto von Jack Hastings betrachtet, das sie in einem alten Zeitschriftenartikel gefunden hat. Dann schaut sie mit Wimpern zu mir auf, die noch dichter sind als ihr wilder Schopf ebenholzschwarzer Haare, und schnalzt mit der Zunge. »Verboten heiß.«
Ich bleibe stehen und glotze sie an. »Hast du eigentlich gehört, was ich grad gesagt habe?«
Grinsend tippt sie mit einem Fingernagel auf das Display. »Hast du seinen grüblerischen Ausdruck gesehen? Diese düstere Miene?«
Sie tippt erneut, und ich verdrehe die Augen. Trotzdem gehe ich zu ihrem Schreibtisch und sehe mir die Aufnahme von Jack mit seinem finsteren Blick im grellen Sonnenschein an. Seine Frisur ist gepflegt, sein Anzug makellos geschneidert. Eine Hand steckt in der Hosentasche, die andere ruht auf der Brust. Es ist ein Schnappschuss von ihm im Gespräch mit einem anderen Mann. Allerdings sieht Jack darauf mehr wie ein Dressman aus als der Immobilienmogul der dritten Generation, der er ist.
»Na schön, der finstere Blick ist schon irgendwie heiß.« Nicht, dass je Zweifel daran bestanden hätten. Jacks Attraktivität steht auf einer Stufe mit David Gandy. Und er wäre nicht müde, darauf hinzuweisen.
Aber die ernste Miene entspricht ihm eigentlich so gar nicht. Ja, er ist ein totaler Idiot, aber ich kann an einer Hand abzählen, wie oft ich ihn so düster erlebt habe.
Vor meinem geistigen Auge gehört das unbeschwerte Dauergrinsen zu dem Mann so untrennbar wie sein umwerfender Anzug.
Margo legt das Handy beiseite und lehnt sich auf dem Stuhl zurück. »Du solltest einen Versuch mit ihm wagen.«
Blinzelnd wünsche ich mir, ich könnte so tun, als hätte ich sie falsch verstanden.
»Oh, jetzt sieh mich nicht so an. Er ist brandheiß, und wenn Law immer noch mit ihm befreundet ist, kann er nicht so übel sein. Außerdem brauchst du einen Mann mit Rückgrat.«
»Rückgrat? Margo, ich hab dir von ihm erzählt. Jack ist ein Kerl der übelsten Sorte. Den Großteil seines Lebens hat er sich bei jeder Gelegenheit größte Mühe gegeben, mich zu quälen.« Und ich habe mich angestrengt, ihn noch schlimmer leiden zu lassen.
»Wenigstens gibt er sich bei irgendetwas Mühe. Die Typen, die du dir regelmäßig aussuchst, würden sich ja nicht mal für ’nen Blowjob aus dem Fenster lehnen.«
Lieber Himmel. »Die Männer, mit denen ich ausgehe, sind respektvoll. Höflich.«
»Öde. Passiv.« Sie wirft mir einen pointierten Blick zu. »Lasch.«
Ich lache prustend. »Wie kommst du überhaupt auf so was?«
Kopfschüttelnd stößt sie sich vom Schreibtisch ab und stellt sich am Fenster zu mir. Sie verschränkt die Arme vor der Brust und trommelt sich mit den Fingern auf den Oberarm. »Du hast recht. Ich kann gar nicht sagen, ob sie lasch waren oder nicht … Weil du seit zwei Jahren mit Typen ausgehst, die dich nicht zu Hause abholen, sondern direkt im Restaurant treffen, dich dort selbst zahlen lassen und es nie weiter als bis zu deinem BH schaffen. Wenn überhaupt so weit.«
Das stimmt. Und wenn wir ehrlich sein wollen, sind es sogar eher drei Jahre. Wollen wir aber nicht. Statt mich darauf einzulassen, betrachte ich demonstrativ meine Fingernägel. »Wie du meinst. Jedenfalls werd ich mit Jack überhaupt nichts wagen.«
»Warum nicht? Du musst einfach Stellung beziehen. Mit der richtigen Stellung könnt ihr eure Differenzen vielleicht ausräumen.« Ein verruchter Schimmer tritt in ihre Augen, als sie Zeige- und Mittelfinger einer Hand spreizt und den Zeigefinger der anderen Hand dazwischenschiebt. Der Anblick erinnert mich so an ein Hashtag, dass ich wohl nie wieder einen verwenden kann, ohne mir pervers vorzukommen.
»Oh Gott, bitte hör auf.«
Dann dreht sie die Hände so, dass sich das gespreizte V oben befindet, der ausgestreckte Zeigefinger der anderen Hand unten.
Na toll. Jetzt stöhnt und keucht sie auch noch dazu.
Augenzwinkernd nickt sie mir zu. »Umgekehrte Reiterstellung.«
Eigentlich hatte ich gehofft, ich wäre zu reif, um darüber zu lachen, aber es bricht unkontrollierbar aus mir hervor. »Das reicht!« Verzweifelt packe ich ihre Finger. »Margo, sofern Law seinen Freifahrtschein für Chicagos weibliche Bevölkerung nicht an den Nagel hängt und heiratet, sehe ich Jack wahrscheinlich nie wieder.«
Mit funkelnden Augen lächelt sie. »Bist du dir sicher? Ich meine, er scheint drauf zu stehen, dich an den Zöpfchen zu ziehen.«
* * *
»Konzentrier dich gefälligst«, raunt mir Harry Bajorek zu, als er kräftig mit dem Klopfer an die massive Tür des großen Hauses im Gold-Coast-Viertel hämmert. Hinter dem Buntglasfenster rührt sich etwas. Harry rückt seine Krawatte zurecht und wirft mir einen mürrischen Blick zu, der so typisch für ihn ist, dass ich unwillkürlich lachen muss. Der alte Bursche ist ein unverbesserlicher Griesgram. Außerdem ist er mein Patenonkel und Anwalt. Und er hat recht.
Ich bin zerstreut.
Laurel Matthews hatte schon immer ein Händchen dafür, mir mehr Aufmerksamkeit zu entreißen, als ich ihr eigentlich zugestehen will. Und verdammt, sogar nach zehn Jahren geht sie mir immer noch unter die Haut.
»Alles gut.«
»Sei besser als gut, Hastings. Wenn dieser Deal wieder platzt, dann war es das.«
Ich knirsche mit den Zähnen.
Wir werden nicht das erste Mal mit der berüchtigten Edith Humphries in den Ring steigen. Auch nicht das zweite oder dritte Mal. Nein, die Schreckschraube wedelt uns bereits zum vierten Mal mit der Devenport-Immobilie vor der Nase herum, auf die seit dreißig Jahren jeder Bauträger in Chicago scharf ist. Mein Vater will sie haben. Vielleicht, weil das eines der letzten Geschäfte war, an denen er mit seinem Vater gearbeitet hat, bevor Gramps gestorben ist. Mit Sicherheit weiß ich nur, dass mein Vater kurz vor dem Ruhestand steht und ich ihm davor noch diesen Wunsch erfüllen will.
Die Tür wird von einer stämmigen älteren Frau mit mitleidiger Miene geöffnet. Sie führt uns durch das reich verzierte Haus zu Mrs Humphries’ Arbeitszimmer.
Die Wände sind silbern und grau mit Damast tapeziert. Das Herzstück des Raums bildet einer dieser imposanten Schreibtische aus Mahagoni, deren einziger Zweck darin besteht, davor Platz nehmende Besucher einzuschüchtern.
Ich will nicht arschig klingen, aber die Wirkung wäre erheblich nachdrücklicher, wenn jemand anders als diese kleine, fröhlich grinsende Greisin dahinter säße. Mrs Humphries sieht keinen Tag älter als zweiundneunzig aus. Durch ihre schlichte weiße Bluse kann ich Knochen erkennen. Um den Hals trägt sie eine faustgroße Brosche. Eine saphirbesetzte Spange hält sich wackelig an schneeweißem, lichtem Haar. Offen gestanden sieht sie so aus, als würde sie schwer damit zu kämpfen haben, das antike Wählscheibentelefon neben ihr zu bedienen.
Wegen dieser »Schreckschraube« hat mein Vater, in jeder Hinsicht eine beeindruckende Persönlichkeit, vor fünfzehn Jahren Kopfstände gemacht und hinter der verschlossenen Tür seines Arbeitszimmers genervt ins Telefon gebrüllt?
»Nur herein, nur herein, meine Herren. Lassen Sie sich mal ansehen«, trällert sie und schwenkt einen mit glitzerndem Schmuck beladenen Arm. »Na, sieh mal einer an. Jackson Hastings ist erwachsen geworden!«
Sie atmet tief durch und faltet die Hände vor sich. »Dein Vater hat mir Bilder von dir als Kleinkind gezeigt, als wir mit den Verhandlungen über Devenport begonnen haben. Bezaubernd.« Mit funkelnden Augen strahlt sie mich an. »Ein Blick auf dieses Lächeln, und ich hab ihm gesagt, du würdest dir die Frauen mal mit einem Stock vom Leib halten müssen.« Sie winkt mich näher, steht mühsam auf, kommt mir entgegen, packt mich am Arm und zieht mich zu sich runter, damit sie mir ins Ohr flüstern kann. »Kein Ring, wie ich sehe. Also gelingt es dir wohl noch immer, was?«
Ich bin ein Profi.
Der verschmitzte Schimmer in ihren Augen hat vermutlich eine andere Bedeutung besessen, als sie in meinem Alter gewesen ist. Oder vielleicht hat er sich bei ihr auch erst in reifen Jahren eingestellt. Jedenfalls merke ich jetzt schon, dass ich sie mag.
Schmunzelnd schüttle ich den Kopf und führe sie zurück zu ihrem Stuhl. Als wir gerade zur Sache kommen wollen, fegt eine Frau mit gepflegtem Pagenkopf und einer für ihr Gesicht zu großen Brille herein. In der Hand trägt sie einen kleinen Transportkäfig für Haustiere.
»Entschuldige die Verspätung«, sagt sie kleinlaut, haucht Edith einen Kuss auf die Wange und flüstert: »Dr. Doris will Whiskers nächste Woche wiedersehen. Ist im Kalender eingetragen.«
Mit geschürzten Lippen nickt Edith und richtet die Aufmerksamkeit wieder auf uns. »Diabetes«, erklärt sie. Dann: »Jack, Cecile und du, ihr seid ungefähr gleich alt. Bist du meiner Nichte schon mal begegnet?«
»Ich glaube nicht.« Harry und ich sind bereits aufgestanden und haben die Hände zum Schütteln ausgestreckt. »Jack Hastings und Harry Bajorek. Freut mich, Sie kennenzulernen.«
Cecile errötet und nimmt neben ihre Tante Platz. Oder wohl eher ihrer Urgroßtante, die uns mit einem Blick beobachtet, den ich hoffentlich falsch deute. »Ihr beiden jungen Leute habt ja so viel gemeinsam.«
Ich kann praktisch hören, wie Harry innerlich stöhnt. Denn leider habe ich nichts falsch gedeutet. Mist. Ich will damit nicht angeben, aber mich will andauernd jemand mit einer Tochter, einer Enkelin, einer Nichte oder eine Cousine verkuppeln. So oft, dass es bei genauerer Betrachtung verdammt beunruhigend ist.
»Cecile hat den Abschluss als Jahrgangsbeste gemacht. Genau wie du, mein Lieber. Und sie ist auch eine richtige Sportskanone. Ich habe den Artikel gelesen, in dem man dich über die Triathlons interviewt hat, an denen du jedes Jahr teilnimmst – weißt du, meine Cecile hat dieses Jahr ihr erstes Rennen bestritten. Ich frage mich, ob du ihr vielleicht ein paar Tipps für die Zukunft geben kannst.«
Cecile rutscht unbehaglich auf ihrem Sitz herum und schaut überallhin, nur nicht zu mir, als sie nervös lacht. »Tante, er nimmt an den Rennen über die Olympiadistanz teil. Ich hab nicht mal den Volkstriathlon beendet.«
Super. Und mir entgeht keineswegs, dass nichts davon relevant für das Geschäft ist, für das wir eigentlich hier sind. »Fantastisch, dass Sie es versucht haben. Und es gibt immer ein nächstes Jahr.«
Ich gebe mich höflich und ermutigend, als wir uns kurz über die Strecke und die Menschenmassen unterhalten. Aber wenn hinter Ediths wieder erwachtem Interesse an dem Deal die Absicht steckt, mich mit ihrer Nichte zu verkuppeln, muss jede Hoffnung darauf im Keim erstickt werden, und zwar schnell. Wir müssen herausfinden, ob das Geschäft damit steht oder fällt – bevor wir Geld oder Ressourcen in Verhandlungen stecken.
Ich drehe den Kopf und bedenke Cecile mit einem geübten prüfenden Blick. »Moment. Cecile Phines? Ich könnte schwören, dass ich den Namen kenne.« Natürlich kenne ich ihn. Weil ich Nachforschungen über Edith Humphries und alle potenziellen Akteure bei dem Deal angestellt habe. Aus einem anderen Zweig der Familie gibt es noch einen Neffen namens Donald Anderson, der eine Vorgeschichte als Investor hat, deshalb dachte ich eher, er könnte heute hier sitzen. Aber nein. Edith hat eigenen Pläne.
Wahrscheinlich könnte ich mich auf tausend verschiedene Arten aus der Affäre ziehen. Aber nur eine lässt mich noch breiter lächeln, als ich frage: »Sagen Sie, kennen Sie nicht meine feste Freundin Laurel Matthews?«
Bimmel, bimmel, bimmel.
Das kann doch nicht sein. Das Display meines Telefons zeigt Jacks Namen an, und mein Blut gerät in Wallung.
»Hast du dich etwa in mein Handy programmiert?«, rufe ich, als ich in der Lobby meines Wohngebäudes rangehe.
»Dir auch ein herzliches Hallo, meine Schöne.« Seine tiefe, weiche Stimme hört sich an, als würde er lächeln. »Vielleicht solltest du vorsichtiger mit deinem Telefon umgehen. Und auf jeden Fall solltest du dein Kennwort ändern. Ehrlich, du benutzt schon seit der Highschool dasselbe.«
Ich schnaube vor Empörung, als ich vorwärtsstürme, den Schlüssel in meinen Briefkasten stecke und ihn wuchtiger als nötig herumdrehe. »Du hast vielleicht Nerven!«
Er lacht, ein so vertrauter, tiefer und voller Laut. So nervig. »Wie meinst du das?«
Ich schließe die Augen und bete um Geduld. Als sie ausbleibt, poltere ich drauflos. »Wo soll ich bei dem ganzen Scheiß, den du gestern Abend abgezogen hast, überhaupt anfangen?«
Ich schließe den Briefkasten wieder und sehe meinen Poststapel durch. Die Kabel-TV-Firma will mich als Kundin zurück und der Laden, aus dem mein Nachttisch stammt, hat Lampen im Sonderangebot.
»Mit dem Scheiß,Laurel, war ich dein strahlender Ritter.« Im Hintergrund höre ich das Zischen und Quietschen eines Busses. Eine Hupe. Er muss gerade im Auto unterwegs sein. »Und übrigens: Gern geschehen.«
Ich blinzle. Vielleicht habe ich ihn falsch verstanden. Muss so sein. »Gern geschehen?«
»Ja. Immerhin hab ich dir den Hintern gerettet. Nach mehr als einem Jahrzehnt ohne ein Wort kommst du in meine Bar, stürmst auf meine Freunde und mich zu, störst unseren Abend und bettelst mich geradezu an, so zu tun, als würde ich dich besser als jeder sonst in der Stadt kennen. Ich war es Law schuldig, mein Bestes zu geben.«
»Du hast meinem Kollegen erzählt, ich wäre inkontinent!«
Als das tiefe Grollen von Jacks Gelächter ertönt, geht mir durch den Kopf, was für Glück er hat, dass er gerade nicht vor mir steht.
»Ich hab ihm aber auch gesagt, dass du’s in den Griff bekommen hast. Und soweit ich mich erinnere, war das nicht gelogen.«
»Einmal!«, brülle ich ins Telefon und zerknülle die Post in der Faust. »Es war einmal, und ich war damals acht, du Grützkopf!«
»Wow, wie originell. Und wie alt bist du, dass du mich immer noch mit dem albernen Wort von damals beschimpfst? Außerdem hast du ihm gesagt, ich könnte nicht schwimmen.«
Ich öffne den Mund, dann schließe ich ihn wieder, begnüge mich mit einem zufriedenen Lächeln. Wusste ich doch, dass ihn das auf die Palme bringen würde.
»Hör mal, Laurel, du hast jemanden gebraucht, der dich rettet. Ich hab mein Bestes gegeben.«
»Das war dein Bestes?«
Wieder kann ich sein Grinsen durch das Telefon förmlich spüren. »Für dich und aus dem Stegreif? Ja.«
Wenigstens ist er ehrlich. Ich gehe zu den Aufzügen und drücke den Rufknopf. Nachdem ich mir den ganzen Tag lang anhören musste, wie der C-Man über Jack geschwärmt hat, habe ich echt die Nase voll. Ich will mich nur noch mit einem Glas Chardonnay und einem heißen Bad entspannen.
»Elle, halten wir fest: Du schuldest mir was. Und wie sich herausgestellt hat, brauche ich einen Gefallen.«
Ich brauche wohl eher zwei Gläser. »Und was?«
Über die Leitung dringt das Geräusch einer Autotür, die zugeworfen wird. Dann: »Warte mit dem Aufzug.«
Stirnrunzelnd und recht verständnislos glotze ich auf das Telefon in meiner Hand, bis sich die Eingangstür zur Lobby hinter mir zischend öffnet. Jack spaziert mit zerzaustem Haar und schief sitzender Krawatte herein, ein Look, der vermutlich ansprechend für Frauen wäre, die ihn nicht so gut kennen wie ich.
»Jack, w-was machst du hier?«
Er lässt sein Handy in der Innentasche seines Jacketts verschwinden und deutet mit dem Kopf zum offenen Fahrstuhl. Während ich noch zu baff bin, um mich zu rühren, legt er mir die Hand aufs Kreuz und schiebt mich in die wartende Kabine. Sein Parfüm steigt mir in die Nase. Ein anderes, als er es in der Highschool getragen hat. Teuer. Und verdammt … wirkungsvoll.
Er mustert mich knapp, dann nimmt er mir die Umhängetasche mit einem Blick von der Schulter, der mich davor warnt, sie mir zurückzuholen. »Ich brauch eine feste Freundin.«
Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Aus heiterem Himmel? Auf einmal?«
Er spielt mit mir. Es muss so sein.
»Ganz recht. Aus heiterem Himmel. Es gibt da eine Immobilie, die will mein Vater schon, seit ich auf der Welt bin, und jetzt eröffnet sich eine Gelegenheit dafür. Das Dumme ist nur, dass die Besitzerin anscheinend auch eine Gelegenheit für sich darin sieht.«
»Du meinst das ernst.«
»Ich bin ’ne gute Partie, Laurel. Da kommen die Leute nun mal auf Ideen.«
Oh Mann, dieses großspurige Grinsen!
Als ich ihn ansehe, würde ich ihm am liebsten ins Gesicht lachen. Aber verdammt, ich weiß noch gut, wie sich die Mädchen an der Highschool seinetwegen aufgeführt haben. Wie sich ihre Eltern aufgeführt haben. Wie sich meine Eltern aufgeführt haben. Es ist unmöglich, diese ausgeprägten Wangenknochen und feste Kieferpartie auszublenden. Oder den athletischen Körperbau. Hinzu kommt der generationsübergreifende Reichtum. Also ja, Jack ist eine verdammt gute Partie – wenn man so oberflächlich ist, nicht tiefer zu schauen.
In meiner Etage steigen wir aus, und ich zögere. Ich wohne in einem zwar neueren, aber nicht brandneuen Gebäude. Von der ersten Besichtigung an war ich verliebt in die gemütlichen Räumlichkeiten und schätze mich glücklich, hier zu wohnen. Nun kann ich nur zusehen, wie Jack den Teppich und die Flure in Augenschein nimmt, und ich frage mich unwillkürlich, ob er in Gedanken eine Liste mit sämtlichen Mängeln erstellt.
In meiner Wohnung setzt Jack seine stille Begutachtung fort. Sein intensiver Blick wandert über die von mir selbst in Salbei gestrichenen Wände, die Kaffee- und Beistelltische von IKEA sowie die abgewetzte Ledercouch und den Sessel, die ich einem Freund gebraucht abgekauft habe. Das Apartment ist sauber und modern, reicht aber nicht an die Häuser heran, in denen wir aufgewachsen sind. Auch nicht an Laws Eigentumswohnung in Streeterville. Oder an das protzige Haus, das sich Jack gebaut hat – ich habe eine Fotostrecke davon in einer Illustrierten im Wartezimmer beim Zahnarzt gesehen.
Aber diese Bude gehört mir. Wie alles, seit ich achtzehn geworden bin, habe ich sie mir mit harter Arbeit und eigenen Ersparnissen gekauft, und ich bin stolz darauf. Was Jack Hastings von meinem Zuhause hält, juckt mich kein bisschen.
Je schneller ich herausfinde, was er braucht, desto schneller kann ich ihn rauswerfen.
»Also, wovon genau redest du, Jack?«, frage ich aus der Küche, wo ich mir Chardonnay aus dem Kühlschrank hole. Als Jack vom Fenster, wohin er geschlendert ist, zu mir schaut, strecke ich ihm widerwillig die Flasche entgegen.
Er schüttelt den Kopf. »Zwei Monate werden reichen.«
Um ein Haar hätte ich die Flasche fallen gelassen. »Wie bitte?«
»Zwei Monate. So lange wird es voraussichtlich dauern, bis der Deal unter Dach und Fach ist.« Er kommt auf mich zu, eine Hand in der Hosentasche, die andere locker an der Seite. »Entspann dich, Laurel. Ich rede nicht davon, zusammenzuziehen. Nur von ein paar gesellschaftlichen Auftritten. Größtenteils zum Abendessen. Genug, damit keine Hoffnungen auf einen Zusammenschluss aufkommen, der mit Sicherheit nie stattfinden wird.«
Während ich den Wein einschenke, schüttle ich den Kopf. »Jack, ich gehe nicht zwei Monate mit dir aus.« Ich kann es kaum noch ertragen, wie er die Hälfte des Sauerstoffs in meiner Wohnung aufsaugt, und dabei ist er noch keine zehn Minuten hier.