Slayers - Unsere wahre Lüge - Mira Lyn Kelly - E-Book

Slayers - Unsere wahre Lüge E-Book

Mira Lyn Kelly

0,0
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Er will nur das Beste für sie - doch er glaubt nicht daran, dass er das sein könnte

Rux Myers ist der Spaßvogel im Team der Slayers, der für gute Laune sorgt und sich von ernsten Beziehungen fernhält. Für seine beste Freundin Cammy, die sich als Single Mom durchschlägt, würde er alles tun. Alles, außer seine Gefühle für sie zuzulassen. Aber als Cammys Ex ihr das Leben schwer macht, gibt er sich kurzerhand als ihren Freund aus und küsst sie. Notgedrungen müssen sie danach ihre Fake Beziehung durchziehen. Was es für Rux von Tag zu Tag schwieriger macht, die Chemie zwischen ihnen zu ignorieren und seinem Vorsatz treu zu bleiben, ihre Freundschaft nicht zu gefährden.

Band 3 der SLAYERS-Hockey-Reihe


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 348

Veröffentlichungsjahr: 2023

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

Epilog

Danksagung

Die Autorin

Die Romane von Mira Lyn Kelly bei LYX

Leseprobe

Impressum

MIRA LYN KELLY

Slayers

UNSERE WAHRE LÜGE

Roman

Ins Deutsche übertragen von Michael Krug

Zu diesem Buch

Er will nur das Beste für sie – doch er glaubt nicht daran, dass er das sein könnte

Rux Myers ist der Spaßvogel im Team der Slayers, der für gute Laune sorgt und sich von ernsten Beziehungen fernhält. Für seine beste Freundin Cammy, die sich als Single-Mom durchschlägt, würde er alles tun. Alles, außer seine Gefühle für sie zuzulassen. Aber als Cammys Ex ihr das Leben schwer macht, gibt er sich kurzerhand als ihren Freund aus und küsst sie. Notgedrungen müssen sie danach ihre Fake-Beziehung durchziehen. Was es für Rux von Tag zu Tag schwieriger macht, die Chemie zwischen ihnen zu ignorieren und seinem Vorsatz treu zu bleiben, ihre Freundschaft nicht zu gefährden.

Für Lisa Kuhne

1

Cammy

»Hör zu, Cammy, du bist echt nett. Und total hübsch. Ich hab wirklich versucht, der Sache mit uns eine Chance zu geben«, sagt er. Dabei gähnt er und bemüht sich nicht mal, es zu verbergen. »Alleinerziehende Mütter verdienen schließlich Respekt. Aber es hat einfach nicht gefunkt bei mir.«

Tja, bei mir auch nicht.

Ich ziehe den Reißverschluss meines Anoraks zu, um mich gegen die beißende Januarluft zu schützen, während wir vor der Wagner Arena stehen. Gleichzeitig nicke ich, während die Fans um uns herumströmen. »Schon klar.«

Vor allem ist mir klar, dass ich mit den Eishockeytickets nicht so großzügig hätte sein sollen. Ich hätte es noch einen Monat in die Länge ziehen können, vielleicht sogar zwei. Aber er war so hartnäckig, hat geradezu darum gebettelt. Und ja, ich habe mich auch schuldig gefühlt, weil ich ihn benutze. Obwohl ich gewusst habe, dass er mich seinerseits wegen meiner Verbindungen zum Eishockeyteam der Slayers benutzt.

Warum bloß habe ich das je für eine gute Idee gehalten?

Ich bin eine Romantikerin. Und trotz meiner Fehlgriffe bei Männern – wobei der aktuelle keine Ausnahme bildet – glaube ich immer noch an immerwährendes Glück und Happy Ends.

Dieser Typ war von vornherein kein Kandidat dafür.

Er hat so einen Tick, immer mit dem Kopf zu zucken, was mich echt wahnsinnig macht. »Schaffst du’s allein nach Hause?«

Echt jetzt? Ich stoße ein Atemwölkchen aus und ringe mir ein höfliches Lächeln ab. »Sicher doch.«

Als Mitleid in seinen Augen aufleuchtet, würde ich mich gern ein kleines bisschen übergeben. »Kopf hoch.«

»Was für ein Scheiß!«, schimpft George an unserem Tisch hinten im Five Hole. »Wenn man mit jemandem Schluss machen will, dann tut man’s vor dem Spiel. Nicht danach. Niemals danach. Ist er heute Abend hier?« Sie reckt den Kopf und späht mit finsterer Miene in den vorderen Bereich der Bar. »Ich würde fast darauf wetten.«

»Ja, ist er.« Schnaubend pule ich an dem feuchten Etikett meiner Bierflasche herum. »Ein paar Freunde haben auf ihn gewartet, während er mich abserviert hat. Es war superpeinlich, fünf Meter hinter ihnen von der Arena zur Bar zu gehen.«

»Deshalb hab ich nie was mit Eishockeyfans angefangen«, meint Natalie, die abwesend den Ring mit dem fetten Diamanten an ihrem Finger dreht. »Es ist so schwer abzuschätzen, ob ein Kerl auf einen selbst steht oder nur auf den Bruder – oder in deinem Fall den Schwager.« Sie runzelt die Stirn. »Aber, warte mal – Julia hatte was vor, deshalb hat Greg seine Tickets für heute Abend verschenkt. George und ich hatten Vaughns Plätze. Welche hast du gehabt?«

»Die von Rux.«

Mit zusammengepressten Lippen verkneift sie sich ein Lachen und schüttelt den Kopf. »Oh Mann, der wird stinksauer sein.«

»Und ob«, pflichtet George ihr lachend bei, bevor sie mit ihrem Bier mit uns allen anstößt.

Dann landen sechs frische Flaschen auf dem Tisch, und Quinn O’Brian beugt sich zwischen ihnen hindurch. »Wer wird stinksauer sein, Georgeous?«

Die Mädels springen geradezu blitzartig auf. George wirft die Arme um Quinns Hals, und Natalie kichert, als Vaughn Vassar sie schwungvoll hochhebt. Rux braucht eine Minute länger, um sich durch die Gäste zu kämpfen. Er ist groß und breitschultrig, trägt einen dieser schicken maßgeschneiderten Anzüge wie immer nach den Spielen und hat das kastanienbraune Haar zurückgekämmt. Vor allem aber sticht er durch sein großspuriges Lächeln aus der Masse hervor. Dieser Kerl. Noch während er sich auf den Sitz neben mir plumpsen lässt, klopfen ihm Fans auf den Rücken.

Er legt seinen starken Arm um mich und grinst mich breit an. »Hast du’s gesehen?«

»War ein cooler Konter.« Tatsächlich war die Aktion unglaublich. Gleichstand bis siebenunddreißig Sekunden vor Ende des letzten Drittels, und dann hat er den Siegtreffer erzielt.

Er zieht mich fest an sich und drückt mir einen kurzen Kuss aufs Haar. Dann sieht er sich um. »Wo ist … Wie heißt er noch mal?«

»Meinst du den Kurzzeitlover?«, fragt George nach, während sie es sich auf dem Schoß ihres Mannes bequem macht. »Wahrscheinlich schaut er sich gerade ein Selfie von deinen Sitzen aus an und holt sich dabei einen runter.«

Diese Mädels sind einfach die Besten.

Rux lehnt sich mit einem zufriedenen Lächeln zurück. »Hast du ihn endlich abserviert?«

Ich verschlucke mich an meinem Bier.

Diesmal meldet sich Nat zu Wort. »Nicht ganz.«

Sein Lächeln verpufft.

Durch die Musik und die nach dem Sieg der Mannschaft aufgekratzten Gäste ist es im Five Hole ziemlich laut. Trotzdem könnte ich schwören, dass ich höre, wie Rux mit den Zähnen knirscht, als Nat ihn darüber aufklärt, wie es abgelaufen ist. Seit ich im inneren Kreis des Teams als kleine Adoptivschwester gelte, neigt Rux dazu, mich überfürsorglich beschützen zu wollen. Und ich habe noch nie einen so bedrohlichen Ausdruck in seinem Gesicht gesehen wie jetzt. Trotzdem bin ich mir ziemlich sicher, dass ich ihn nicht an die Regel erinnern muss, die besagt, dass meine Ex-Freunde nicht vermöbelt werden.

»Kopf hoch?«, stößt er knurrend hervor. »Soll das ein verdammter Scherz sein?«

Ich lehne mich an ihn, um mich von ihm drücken zu lassen. »Ja, oder? Als müsste ich am Boden zerstört darüber sein, ihn zu verlieren. Ich bitte dich! Und offen gestanden, kann ich ihm nicht mal verübeln, dass er bis nach dem Spiel gewartet hat – immerhin reden wir von Tickets für ein Match der Slayers.«

Widerwillig geben mir alle am Tisch recht.

»Eigentlich hab ich ja nur zugesagt, mit ihm auszugehen, weil er mich ungefähr zwei Stunden, nachdem ich erfahren hatte, dass Jeremy zurück nach Chicago zieht, um ein Date gebeten hat. Ich wollte nicht Single sein, wenn Jeremy hier ankommt. Und jetzt, nicht mal einen Monat später … stehe ich wieder allein da.«

Rux schüttelt den Kopf. »Was juckt’s dich, ob Jeremy denkt, dass du mit jemandem zusammen bist? Der Arsch hat dich schwanger sitzen gelassen, als du achtzehn warst.«

Stimmt schon, es sollte mir egal sein. Nach all den Jahren wünschte ich, es wäre so. Aber es war schon brutal, wie er mich verlassen hat.

»Ich wollte ihm wohl vor Augen führen, dass ich auch ohne ihn gut zurechtkomme.« Und dass ich nicht mehr auf ihn warte.

»Sonnenschein, du kommst besser als gut zurecht. Und was soll’s, dass du nicht viele Dates hast …?«

»Ich bin halt wählerisch.« Vorsichtig. Geduldig. Gott, bin ich geduldig gewesen.

»Ja, das bist du. Außerdem bist du ’ne tolle, verdammt heiße Mutter mit einem unglaublichen Kind, einer Schwester, die alles für dich tun würde, und treuen Freunden, die dich lieben. Hinzu kommt, dass du super in deinem Job bist und von zu Hause aus arbeiten kannst, du immer die besten Snacks im Kühlschrank hast und auf Abruf Slayers-Tickets kriegen kannst. Süße, du bist voll der Hammer.«

Als ich spüre, wie ich ein wenig melancholisch werde, rette ich mich in Humor. »Deine Plätze sind echt mega.«

Dank Julia bin ich mit Football aufgewachsen, aber seit sie in die Eishockeywelt eingeheiratet hat, fühle ich mich erleuchtet.

»Schon, oder?« Rux dreht mich an der Schulter so herum, dass wir uns gegenübersitzen und ich in seine dunkelbraunen Augen blicke. In diesem Moment scheint es nur noch ihn und mich zu geben. »Weiß Jeremy, mit wem du zusammen warst?«

»Nein.« Er hat nicht mal danach gefragt.

Und das ist völlig in Ordnung. Ich habe ja nicht erwartet, dass Jeremy Levenson mir die Tür einrennen und mich verspätet um eine zweite Chance anflehen würde. Dafür hatte er sieben Jahre Zeit, und er hat es nie getan. Und wenn er wirklich zurückgekommen ist, um in der Nähe unseres Sohns zu sein, will ich das ohnehin nicht durch irgendwas verkomplizieren.

Ein Nicken. Rux schaut an mir vorbei. Sein Blick wird stahlhart, und ich könnte schwören, dass seine Brust mit dem nächsten Atemzug auf die doppelte Größe anwächst. Seine ohnehin bereits Furcht einflößenden Schultern wirken mit einem Mal noch breiter. Als ich seinem frostigen Blick folge, sehe ich den Kurzzeitlover, der wenige Meter entfernt steht und Rux mit dem Gesichtsausdruck eines Fangirls anhimmelt.

»Hi, Rux. Tolles Spiel heute Abend … Darf ich dich auf ein Bier einladen?«

Das kann jetzt nicht wirklich wahr sein.

Ich drehe mich zurück zu Rux und rechne damit, dass jeden Moment die Nähte seines Anzugs platzen. Aber statt zum Hulk zu werden … lächelt er. Gewissermaßen. Es ist nicht Rux’ echtes Lächeln. Das ist nämlich so ansteckend, dass mein Sohn jedes Mal unwillkürlich kichert, wenn er es sieht. Aber das hier ist etwas anderes. Etwas Gefährliches.

Er nickt dem Kerl zu, den er mit ziemlicher Sicherheit am liebsten in seine Einzelteile zerlegen würde. »Hör mal, danke, dass du den Weg für mich frei gemacht hast.«

Den Weg frei gemacht? Was …

Im nächsten Moment drückt er den Mund zu einem so unerwarteten Kuss auf meinen, dass ich in tausend Jahren nicht damit gerechnet hätte. Der Kuss lässt mich in seiner Umarmung erstarren, während er mich zwei, drei … dreizehn Herzschläge lang nach hinten neigt. Als sich Rux schließlich von mir löst, schaut er an mir vorbei zu dem Kerl, der mit gerötetem Gesicht und offenem Mund einfach dasteht. Dann stößt er knurrend hervor: »Zieh Leine.«

Widerspruchslos gehorcht der Kerl.

Am Tisch ist Stille eingetreten, und ich habe immer noch nicht geblinzelt.

George bricht das Schweigen, indem sie mit großen Augen halb flüstert, halb quiekt: »Rux ist dein Rebound Lover!«

Schließlich sprudelt aus mir heraus: »Rux, du hast mich grade geküsst!«

Er zwinkert. »Gern geschehen.«

Rux

»Ruxton Meyers, du bist so was von tot.« Blaue Augen in der Farbe eines klaren Sommerhimmels verengen sich zu zornigen Schlitzen, als mich meine beste Freundin finster anstarrt. Zuerst finde ich es noch irgendwie niedlich, doch dann stemmt sie die geballten Fäuste in die Hüfte, und mir wird klar, dass die Lage ernst ist.

»Oha. Du bist ja stinksauer.« Und wie. Das habe ich schon öfter erlebt, aber nur selten war ich der Grund dafür.

»Äh, ja?« Sie schaut in dem verwaisten Gang in beide Richtungen. Dabei wippen die blonden Locken um ihr Gesicht herum. »Was hast du nach der Nummer denn erwartet? Du hast mich geküsst!«

Auf die Gefahr hin, die Lage zu verschlimmern, zucke ich mit den Schultern und antworte ehrlich. »Eigentlich habe ich eher Dank erwartet.«

Jedenfalls habe ich sicher nicht damit gerechnet, dass mich Cammy Wesley am Ohr packen, in den hinteren Gang des Five Hole schleifen und mir dort ihren spitzen Finger in die Brust rammen würde. Noch dazu so kräftig, dass davon sicher ein größerer blauer Fleck zurückbleibt als von meinem Zusammenstoß mit der Bande beim Spiel heute Abend.

Einen Moment lang schaut sie finster zu mir auf, dann verzieht sie das Gesicht und stupst mich erneut. Und trotz der schummrigen Gangbeleuchtung erkenne ich, dass sich ihre Wangen rosig verfärben. Nein, tatsächlich hochrot.

Oh Scheiße.

Sie wird mich nie wieder an ihren Kühlschrank lassen. Matty wird mit Football statt mit Eishockey aufwachsen. Was habe ich getan?

»Du hast eben gesagt, Jeremy soll denken, du wärst mit jemandem zusammen«, setze ich zu einer Rechtfertigung an. »Dann ist dieser Vollidiot angetanzt, und ich dachte mir, ich schlage zwei Fliegen mit einer Klappe. Ich hab diesem Kurzzeitlover gezeigt, wohin er sich sein grenzdebiles ›Kopf hoch‹ stecken kann, und gleichzeitig das Gerücht in Umlauf gebracht, mit wem du zusammen bist.«

Durch den Ausfall von Greg Baxter sind die letzten Spiele hart gewesen. Man beobachtet uns mit Argusaugen. Und da ich in letzter Minute den Sieg gerettet habe, bekomme ich heute Abend einiges an Aufmerksamkeit.

Im Lokal wimmelt es von schnappschussfreudigen Fans und wahrscheinlich auch Vertretern der Presse. Irgendjemand wird den Kuss festgehalten haben, und bis morgen weiß garantiert alle Welt davon.

Problem gelöst.

Sie wirft die Hände hoch. »Und wie soll ich nicht verzweifelt, ach was, nicht total erbärmlich rüberkommen, wenn der Kurzzeitlover in einer Woche irgendwo sieht, wie du einem Puck-Bunny die Zunge in den Hals steckst?«

Ich hebe einen Finger. Sie legt erwartungsvoll den Kopf schief. Ich sollte wohl besser überzeugend sein.

»Zunächst mal, wann hast du mich zuletzt mit der Zunge im Hals von irgendjemandem erwischt?«

Tatsächlich lege ich schon seit Längerem eine Bunny-Pause ein.

Sie verschränkt die Arme vor der Brust. Langsam. »Äh, genau in dieser Bar. An der Wand da.«

Richtig. Und ich weiß genau, was sie meint. Denn als ich mich damals zurückgezogen und nach Luft geschnappt habe, konnte ich sie auf der anderen Seite der Bar sehen – und es hat sich nicht gut angefühlt. Nicht zuletzt deshalb war es das letzte Mal. »Das war vor Monaten.«

Sie verdreht die Augen. Aber ich habe recht.

»Und zweitens – wen juckt’s, was der Penner denkt?«

»Mich nicht. Jedenfalls nicht wirklich.« Sie verliert etwas Wind aus den Segeln und lässt die Schultern hängen. »Aber … verbreiten deine Ex-Freundinnen etwa keine Behauptungen, die du lieber widerlegen als bestätigen würdest?«

Die Frage überrumpelt mich. Ich vergrabe die Hände in den Taschen meiner Anzughose und räuspere mich. »Du weißt ja, dass ich nicht für ein beschauliches Vorstadtleben mit Frau und Kindern geschaffen bin. Beziehungen sind nicht mein Ding. Aber die wenigen Frauen, mit denen ich was Ernstes hatte … treffen mit ihren Aussagen über mich ziemlich genau den Nagel auf den Kopf.«

»Und was sagen die?«

»Dass ich impulsiv bin. Verantwortungslos. Unzuverlässig und chaotisch.« Für den Anfang. Auf den Rest … will ich lieber nicht eingehen.

Cammy sieht aus, als wollte sie widersprechen. Sie ist so liebenswert und sieht immer nur das Gute in Menschen.

Aber zwischen uns herrscht hemmungslose Ehrlichkeit, also beschönige ich nichts. »Sie haben recht damit.«

Nach einem Atemzug schüttelt sie den Kopf. »Also, das will ich nicht beurteilen, aber …«

»Aber du willst nicht, dass der Kurzzeitlover recht mit seiner Meinung über dich hat«, schlage ich vor. Denn auch wenn Cammy alle Hürden wacker meistert, die das Leben ihr in den Weg stellt, und nie aufgibt, sie ist auch verletzlich.

»Spielt keine Rolle«, murmelt sie.

Von wegen.

»Cammy, sieh mich an.« Ihre großen blauen Augen schauen auf und blicken in meine. Sie traurig zu sehen, ist unerträglich für mich. Ich würde mit nacktem Bauch über Glasscherben robben, um diesen niedergeschlagenen Ausdruck aus ihrem Gesicht zu vertreiben. »Hey, es tut mir leid. Ich wollte nur, dass du dich besser fühlst.«

Tatsächlich will ich sie vor Typen beschützen, die sie nicht verdienen.

Verdammt, ich will sie vor allem beschützen. Schon seit drei Jahren. Seit der Nacht unserer ersten Begegnung, in der ich mit Greg zu ihr gefahren bin, um Julia abzuholen. Cammy war zu Hause. Damals war sie zweiundzwanzig Jahre alt, mit dem kleinen Matty am Rockzipfel. Sie hat sich so für Julia gefreut und dieses strahlende, wunderschöne Lächeln ausgepackt, als wir mit ihrer Schwester ausgegangen sind, während sie zu Hause geblieben ist. Dennoch konnte ich dabei auch die Sehnsucht und den Neid in ihren Augen sehen. Aber beides war verschwunden, kaum dass sie auf ihren kleinen Jungen hinabgeblickt hatte.

Sie ist so eine gute Mutter und gibt sich immer so viel Mühe.

Anfangs wollte ich ihr nur helfen und ihr gelegentlich eine Pause verschaffen. Also habe ich mich auf aussichtslose Wetten mit Julia eingelassen und als Einsatz angeboten, hin und wieder den Babysitter zu spielen. Wenn Cammy an solchen freien Abenden nach Hause gekommen ist, haben wir uns noch ein wenig unterhalten, bevor ich ging. Und jedes Mal haben wir ein bisschen mehr geredet. Ziemlich bald ging es nicht mehr nur ums Babysitten und darum, ihr helfen zu wollen. Zwischen uns ist eine unkomplizierte Freundschaft entstanden, wie sie nicht viele Menschen haben.

Sie schüttelt den Kopf und stößt einen dieser langen Atemzüge aus, die normalerweise bedeuten, dass sie einen Anflug von Zorn hinter sich lässt.

»Ich weiß. Und ich danke dir.« Als sie die Mundwinkel hebt, fühle ich mich, als sähe ich die Sonne nach einem Monat Regen. »Hast du sein Gesicht gesehen?«

»Vom Kurzzeitlover? Scheiße, ja. Ich glaub, seine Kinnlade ist so wuchtig auf den Boden geknallt, dass die Zähne geklappert haben.«

»Rux?«

»Sonnenschein.«

Sie verdreht zwar die Augen, aber ich weiß, dass sie darauf steht, von mir so genannt zu werden. Und es passt perfekt zu ihr.

»Nächste Woche keine Bunnys.«

Als Draufgabe werde ich erneut leicht in die Brust gestupst. Ich fange ihren Finger mit der Hand ab und ziehe Cammy in eine Umarmung, die sich nach allem Guten auf der Welt anfühlt. »Kein Problem.«

2

Cammy

»Komm schon, du musst mir davon erzählen«, bettelt Julia am nächsten Morgen, die Arme so flehentlich über den Küchentisch gestreckt, wie ich meine Schwester noch nie erlebt habe.

Eigentlich wollte ich noch ein paar Stunden arbeiten, bevor Matty nach Hause kommt. Doch sobald sie von dem Kuss gehört hat, lässt sie sich nicht mehr abwimmeln – aber das will ich auch gar nicht. Julia und ich reden über alles, und es fehlt mir entsetzlich, sie ständig um mich zu haben.

Aber Gott sei Dank gibt es flexible Arbeitszeiten.

»War’s schön? Oder widerlich? Hat er dir dabei das halbe Gesicht abgeleckt? Oder war’s eher so ein Filmkuss mit verkniffenen Lippen? Rux ist so der Showman, ich würden wetten, es war einer, bei denen man die Lippen geschlossen lässt und nur das Gesicht bewegt.«

Ich sollte antworten. Nachdem ich jahrelang Julias Liebesleben miterlebt und Einzelheiten aus ihr herausgekitzelt habe, die nur eine kleine Schwester zu verlangen wagt, wäre das nur fair. Aber sie ist auch nie auf Anhieb damit herausgerückt und hat mich immer eine Weile zappeln lassen. Da ist es nur fair, wenn ich dieses Spiel nun auch spiele.

Also täusche ich vor, gewissenhaft das Formular für den Schulausflug vor mir zu lesen. Mein Stift wandert über die Seite – später werde ich es wirklich lesen müssen, vielleicht wird noch eine Aufsichtsperson gebraucht. Unschuldig blinzelnd schaue ich über den Tisch, den wir uns früher geteilt haben.

Sie kneift ihre Augen zu Schlitzen zusammen. Die Frau bringt täglich Profisportler dazu, aus dem Nähkästchen zu plaudern – eigentlich eine übermächtige Gegnerin. Aber sie ist auch meine Schwester, und in einer Willensschlacht gegen sie gehe ich nicht sang- und klanglos unter. Das wäre eine Beleidigung für uns beide.

Schließlich knickt sie ein. »Cammy!«

Also spanne ich sie nicht länger auf die Folger. »Okay! Okay, okay, okay. Entspann dich. Ich erzähl’s dir ja.«

Sie stützt sich auf die Ellbogen und trommelt ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch.

Ich beuge mich vor. »Es war schön.«

»Schön?« Mit einem Hüsteln lehnt sie sich zurück.

»Ich weiß, es wäre spektakulärer, wenn’s in die eine oder andere Richtung extrem gewesen wäre. Aber die Wahrheit ist, dass Rux weder grottenschlecht noch außergewöhnlich küsst.«

»Zunge?«

»Komm schon.«

»Ja, was weiß denn ich? Mund offen oder geschlossen?«

»Leicht geöffnet. Er hat mich mitten im Luftschnappen überrumpelt. Ich hab nicht damit gerechnet.« Ich fuchtle mit den Händen herum wie Kermit aus der Muppet Show. »Und auf einmal war er da!«

Julia gibt einen ihrer unverbindlichen Laute von sich, und ich nicke.

»Siehst du, da haben wir’s. Ist ja nicht so, als würde er stinken oder sabbern.«

»Nein, Rux riecht immer gut«, bestätigt sie und zerrupft die Schale einer Orange, als wollte sie daraus Konfetti machen.

»Tut er wirklich.« Ich greife über den Tisch, klatsche ihre Hände weg, schäle die Orange mit geübten Handgriffen und gebe sie ihr zurück.

Sie ist beeindruckt. Und zu Recht. Aber die Ehrfurcht vor meinen Orangenschälkünsten währt vielleicht drei Sekunden. Immer noch sieht Julia mich an. Eigentlich starrt sie eher ein Loch in mich.

»Was ist?«

Sie legt den Kopf schief. »Rux.«

»Nein.« Ich weiß, worauf sie hinauswill. Darauf gibt es nur eine Erwiderung. Einfach nur Nein. Sie hält den Blick unbeirrt auf mich gerichtet, und ich stoße ungeduldig den Atem aus. »Julia, mir ist schon klar, wie bezaubernd es wäre, wenn ich mit dem Flügelmann deines Göttergatten zusammenkäme. Aber so lieb mir Rux auch ist – und das ist er, sehr sogar –, wir bewegen uns ausschließlich in der Freundschaftszone.«

»M-hm.«

»Ernsthaft?«

Sie kommt mir mit diesem kaum merklichen Schulterzucken, das sie schon an der Highschool perfektioniert hat, und wartet. Also anscheinend ja. Ernsthaft.

»Na schön. Dann erklär ich’s dir noch mal im Detail. Rux ist unglaublich. Loyal und witzig. Gut aussehend. Und er mag mich vielleicht fast so sehr wie mein Kind.«

»Rux ist der Beste.«

»Ja, oder?« Ich seufze darüber, wie glücklich ich mich schätzen kann, ihn in meinem Leben zu haben.

»Und vielleicht geht ihm irgendwann für fünf Sekunden ein Licht auf, dass eine Ehe auch schön sein kann – und macht zehn Sekunden später irgendein Puck-Bunny zu einer sehr glücklichen Sportlerehefrau. Aber nicht mich.«

»Er ist erfolgreich, lebenslustig, emotional aufgeschlossen, er mag dein Kind, und mal ehrlich, er ist nicht bloß gut aussehend, sondern verdammt heiß. Nicht wie Greg, eher ein bisschen auf die wilde Art.«

»Ja, siehst du, und genau da haben wir das Problem. Ich will es nicht wild. Ich will Stabilität. Zuverlässigkeit.«

Julia richtet einen Blick auf mich, der besagt, ich soll sie nicht veralbern. »Du willst es nicht wild?«

Verdammt, sie versteht ihr Handwerk wirklich. Denn unwillkürlich muss ich daran denken, was alles unter wild fallen könnte, und ich spüre, wie sich eine leichte Wärme in mir ausbreitet. »Wild will ich es höchstens bei einem Date mit Bob.« Wer gibt sich nicht gern hin und wieder einer guten Fantasie hin?

Schnaubend verdreht sie die Augen. »Bob, dein batteriebetriebener Lover? Du musst echt aufhören, das als Dates zu bezeichnen, Cammy. Das macht mich traurig.«

Könnte mir auch passieren, wenn ich zu viel darüber nachdenken würde. Aber das tue ich nicht. Ich denke stattdessen an alles im Leben, wofür ich unglaublich dankbar bin. Matty. Meine Schwester. Rux, der definitiv unter ein bisschen wild fällt – und der deshalb als platonischer Freund so viel besser ist.

»Wie du meinst. Ich will damit nur sagen, dass ›wild‹ nur für Fantasien taugt. Aber langfristig suche ich etwas anderes.« Und wir beide wissen, dass ich auf etwas Langfristiges aus bin. Auf mein persönliches lebenslanges Glück. »Ich will einen netten Kerl, der auch etwas Dauerhaftes möchte und auf den Matty und ich zählen können. Einen Mann, der vielleicht schon ein bisschen müde ist.«

»Wie bitte?« Kopfschüttelnd lacht sie.

»Mich interessiert kein Mann, der für den Rest seiner Karriere so ungefähr alle zwei Stunden über eine Verlockung stolpert – sei es eine andere Mannschaft, eine schönere Frau oder auch nur das nächste Abenteuer. Ich will einen, der seine Abenteuer schon hatte und nun vielleicht lieber zu Hause ist.«

»Der lieber zu Hause ist? Du kommst ungefähr alle zwei Wochen mal raus.« Sie sieht sich um in dem Apartment, das wir früher zusammen bewohnt haben. »Ist ja echt gemütlich hier, aber Cammy, mal ehrlich, hast du’s nicht allmählich satt, immer zu Hause zu hocken?«

Ich winke ab. »Na schön, dann eben einen, der manchmal lieber zu Hause ist. Du weißt schon, was ich meine. Ja, ich will mich so verlieben, dass es mich umhaut. Ich will Herzklopfen, will am ganzen Leib das Verlangen nach Nähe spüren … nach mehr.« Ich beiße mir auf die Unterlippe und stütze den Kopf auf die Hand. »Aber vor allem will ich einen Mann, der sich darin verliebt, Bestandteil unserer Familie zu sein. Wild mag nach aufregendem Spaß klingen … aber ich will dauerhaftes Glück. Matty soll die Stabilität und Geborgenheit bekommen, die du und ich nie hatten, während wir mit Ma und ihrer langen Reihe von Versagern aufgewachsen sind.«

Stöhnend schüttelt Julia den Kopf. »Bill.«

»Tim.«

»Sal.«

»Pfui Teufel, Sal.«

Unsere Blicke begegnen sich, und wir sagen gleichzeitig: »Harry!«

Julia legt die Hand flach auf die Tischplatte und atmet tief durch. »Cammy, wir könnten bis morgen früh Mamas lausige Lover aufzählen. Aber diese Typen waren nicht das eigentliche Problem.«

»Ich weiß«, gebe ich leise zu. Es war alles andere als neu, trotzdem nie leicht auszusprechen.

Unsere Mutter war so in der Tragödie ihres Liebeslebens gefangen, im Kreislauf ihrer schlechten Entscheidungen und der Idioten, für die sie alles geopfert hat, um sie nicht zu verlieren, dass für uns nicht viel übrig geblieben ist. Ohne Julia … Ich will gar nicht daran denken, was ohne sie aus mir geworden wäre.

Das will ich nicht für meinen Sohn.

»Cammy, du hast Matty schon alles gegeben, was wir nie hatten. Du stellst ihn bei jeder Entscheidung, die du triffst, an die erste Stelle. Du liebst ihn mit jeder Faser deines Wesens. Darüber hinaus hast du für ihn ein Netz aus Familie und Freunden gespannt, auf die er sich verlassen kann. Der Kleine hat Stabilität und Geborgenheit in Hülle und Fülle.«

Und ich will nicht, dass er das je verliert. Schon gar nicht, weil ich mich in einen Mann verliebe, der nicht dasselbe will, und mag er noch so umwerfend sein.

Mein Telefon piept, und ich lächle. »Matty schreibt, dass er in ungefähr zehn Minuten da ist.«

Meine Schwester lehnt sich zurück. »Die beiden, meinst du wohl, oder? Hoffst du auf Jeremy, weil er jetzt zurück ist? Dass er nach seinem Abenteuer … vielleicht ein bisschen müde ist?«

»Was? Nein! Auf keinen Fall. Nicht mal ein bisschen.«

Als ich fertig bin, legt sie den Kopf schief. »Wie sieht er inzwischen eigentlich aus?«

Jeremy war achtzehn Jahre alt, als meine Schwester ihn zuletzt gesehen hat. Ein halbes Kind. Seitdem hat er geheiratet, sich scheiden lassen und ist um die Welt gereist.

»Er sieht aus wie … Jeremy. Nur wie ein erwachsener Jeremy.« Es ist sieben Jahre her.

Sie lässt die Schultern hängen. Missbilligend runzelt sie die Stirn.

Ich greife nach meinem Tee. »Was hättest du denn gern gehört?«

»Keine Ahnung. Ich hab wohl gehofft, er hätte ’ne Glatze gekriegt oder sich richtig schlechte Ohrplugs einsetzen lassen. Ein Buckel auf dem Rücken wäre auch nicht schlecht – gutartig natürlich, aber inoperabel.«

Ich schnalze mit der Zunge und lächle. »Süß, dass du dir das für mich wünschst.«

»Ich will immer nur das Beste für dich.« Sie senkt die Stimme auf ein Flüstern. »Und das Beste wäre, wenn Jeremy äußerlich so mies und egoistisch rüberkommt, wie er innerlich ist.«

Es hat schon Gelegenheiten gegeben, da hätte ich dieser Einschätzung des Mannes zugestimmt, der mir die Ewigkeit versprochen und mich dann schwanger und allein zurückgelassen hat. Gelegenheiten, bei denen ich ihn am liebsten mit jedem der Menschheit bekannten Schimpfwort bedacht hätte. Tatsächlich fast genauso viele Gelegenheiten wie Nächte, in denen ich mich in den Schlaf geweint und mir vorgestellt habe, wie es wäre, wenn er zurückkäme. Zu mir. Zu uns.

Aber jetzt, da er – wegen Matty – zurück ist, weiß ich nicht recht, was ich denken soll.

»Tja, leider oder vielleicht auch zum Glück – ich weiß es nicht – sieht er ziemlich unverändert aus. Auf unaufdringliche Weise gut aussehend. Fit, aber natürlich nicht wie Rux oder Greg. Er hat immer noch dichtes blondes Haar. Die Nase ist nach wie vor gerade. Die Augen …«

»Aufhören! Das reicht.« Julia schenkt mir einen unwilligen Blick. »Wenn du ihn so beschreibst, kommt’s mir hoch, weil ich in deiner Stimme dieselbe blinde Bewunderung höre wie damals an der Highschool. Und die hat der Typ nicht verdient. Wenn ich dich also frage, wie er aussieht, reicht mir ›ganz gut‹ als Antwort vollauf. Und wenn du dich dabei ertappst, an sein dichtes Haar zu denken, dann denk lieber an jemanden mit noch dichterem Haar.« Sie fängt an, mit den Fingern zu schnippen. »Schnell, raus mit einem Namen. Wer hat dichtes Haar?«

»Rux hat schönes, dichtes Haar.« Natürlich sehe ich ihn nicht mit romantischen Augen. Aber sein Haar ist wirklich ziemlich aufsehenerregend. Es hat einen warmen Braunton, aus dem die Sonne einen Hauch von Rot hervorkitzelt, und er trägt es ein bisschen länger. Es sieht immer so aus, als hätte er sich gerade aus dem Bett gerollt. Aber auf gute Weise. Ein bisschen wild.

Julias Grinsen ist zurück. »So gefällt mir das schon besser. Also, wie sieht Jeremy inzwischen aus?«

Ich verdrehe heftig die Augen. Trotzdem liefere ich ihr, was sie will. »Ganz gut.«

»Immer noch fit?«

Oh Mann. »Denke schon.« Und dann, weil sie meine Schwester ist und Neckereien zu unseren Liebessprachen gehören, fächle ich mir mit der Hand Luft ins Gesicht und mache so große Augen, wie ich kann. »Aber nicht wie Rux. Denn ihm kann keiner das Wasser reichen.« Ich streue ein Seufzen ein. »Weit über 1,80 groß, muskelbepackt. Und erst sein Gesicht! Fein geschnittene Züge mit gerade genug Ecken und Kanten … lecker. Aber das Beste an ihm …«

Julia verschränkt die Hände unter dem Kinn, die Augen freudig strahlend. »Spuck’s aus.«

Es klopft an der Tür. Ich richte mich auf und halte nur kurz inne, um zu erwidern: »Er ist an mir genauso wenig interessiert wie ich an ihm.«

Eine Minute später saust mein kleiner Junge durch die Tür herein und in meine Arme. Grinsend und atemlos erzählt er mir von der Übernachtung bei seinem Vater. Als er mich erneut fest drückt, kann ich wieder ruhig atmen.

Als ich zur Tür schaue, wo Jeremy steht und unsicher wirkt, ob er reinkommen soll, ereilt mich eine Erkenntnis. Aus allem, was ich über diesen Mann denke, mir von ihm erhofft und gewünscht habe, sticht vor allem tiefe Dankbarkeit dafür hervor, dass er mir diesen Jungen geschenkt hat.

Deshalb warne ich ihn. »Du solltest besser flüchten. Julia ist hier.«

Rux

»Hi, Kumpel. Komm nur rein«, sagt Greg Baxter und wischt sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, als ich aus dem Aufzug heraus in sein Wohnzimmer eintrete.

Sein Apartment ist spitze. Er hat es, weil er mit Jack Hastings, dem Besitzer des Gebäudes, zur Schule gegangen ist. Ich würde mein linkes Ei für eine solche Bleibe geben – okay, vielleicht eher das rechte. Nein, doch das linke. Ich fass mir in den Schritt. Pfeif auf die Bude, ihr bleibt beide, wo ihr seid.

Baxter strampelt gerade wie besessen auf dem Heimtrainer, den er seit Kurzem im Wohnzimmer hat. Ich persönlich würde das Ding vor dem Panoramafenster mit Blick auf den Fluss und die Stadt aufstellen. Aber so gut Greg und ich uns verstehen, wir sind aus völlig unterschiedlichem Holz geschnitzt. Er hat den Heimtrainer auf den Fernseher ausgerichtet und sieht sich die wöchentliche Sendung seiner Frau an.

»Hättest mir sagen sollen, dass du radelst. Dann hätte ich mein Bike mitgebracht.« Ich kann beinah vor mir sehen, wie die draußen kampierenden Reporter, die auf irgendetwas über den Slayers-Kapitän Greg Baxter lauern, mich dabei beobachten, wie ich meinen riesigen Heimtrainer durch die Lobby schleppe. Es wäre immer noch besser als das große Nichts, das sie derzeit über seinen Zustand berichten können.

Greg zeigt mir lachend einen Vogel. Seine Beine halten inne, und er trinkt einen Schluck aus der Wasserflasche, die in der Halterung steckte.

Tut gut, den Mann lächeln zu sehen. Ich weiß nicht, ob ich das könnte, wäre ich mit meinem drohenden Karriereende konfrontiert.

»Wie geht’s der Schulter?«

»Ungefähr so, wie’s ihr laut den Ärzten gehen sollte.«

Das sind wohl gute Neuigkeiten. Noch besser wäre wohl, wenn Gregs Schulter der einzige Grund wäre, weshalb er nicht aufs Eis könnte. Aber während die Mannschaft den Medien das als Grund mitgeteilt hat, ist das größere Problem der Kopf meines Kumpels. Nachdem er schon in der letzten Saison etliche Spiele wegen einer Gehirnerschütterung ausgefallen ist, hat der Schlag, der ihn gegen die Bande befördert und seine Schulter lädiert hat, auch seinen Schädel erneut erwischt. Es ist nicht wie bei der ersten Gehirnerschütterung, aber durch den Umstand, dass er überhaupt Probleme damit hat, fragen sich alle im Team, ob er je zurückkommen wird.

Allerdings will er heute wohl kaum darauf eingehen, als er sich nach dem Spiel gestern Abend erkundigt.

»Hast du das Gefühl, dass es mit Vassar und O’Brian allmählich besser klappt?«

Ich zucke mit den Schultern, weil ich nicht wirklich zugeben will, dass es nicht so ist – wahrscheinlich aus demselben Grund, aus dem er nicht zugeben will, wie es um seine Karriere steht. Vielleicht ist es auch nicht dasselbe. Jedenfalls wäre es verdammt hart, dem Mann, mit dem ich den Großteil meiner Laufbahn zusammengespielt habe, ins Gesicht zu sagen, dass ich auch ohne ihn wunderbar zurechtkomme.

Und abgesehen von dem Wunder des vergangenen Abends ist dem auch nicht so.

Weder mit Vassar, noch mit O’Brian oder einer der anderen Paarungen, die der Coach schon ausprobiert hat.

»Hey, das wird schon noch.«

Das würde es, wenn er zurückkäme. Aber Baxter ist nicht nur der Kapitän der Mannschaft und auf dem Eis mein Partner. Er ist auch mein Freund. Und seine Sicherheit ist wichtiger als alles, was in irgendeinem Spiel passiert.

Er trinkt einen weiteren Schluck. »Wie geht’s den Jungs?«, fragt er danach.

»Es würde ihnen besser gehen, wenn ihr Kapitän zurück wäre.«

Kopfschüttelnd zeigt er mit der Flasche auf mich. »Sie haben ihren Kapitän. Vergiss, was auf deinem Trikot steht. Es ist nur deshalb noch nicht offiziell, weil …«

»Weil du ihr Kapitän bist«, falle ich ihm ins Wort. »Und das bleibst du auch, bis offiziell bekannt gegeben wird, dass du raus bist. Und so weit ist es noch lange nicht, richtig?«

Er nickt. Und obwohl das noch aus dem Satz heraussticht, löst sich die Anspannung in meiner Brust ein wenig. Ich weiß, dass ich als Nachfolger für den Posten des Mannschaftskapitäns vorgesehen bin. Nur zweifle ich daran, ob ich dafür so geeignet bin wie Greg. Ich bin wirklich gut darin, ihm den Rücken zu decken. Also stellvertretender Kapitän – jederzeit. Aber die Kapitänsbinde habe ich nie angestrebt. Mir liegt das Team zu sehr am Herzen, um das Risiko einzugehen, meine Kameraden zu enttäuschen.

»Aber lassen wir den Scheiß. Du solltest mal wieder mit den Jungs ausgehen. Sie vermissen dich.«

»Ja, vielleicht.« Er dreht sich wieder dem großen Bildschirm zu und trinkt einen ausgiebigen Schluck.

Ich gehe in seine Küche und schaue in den Kühlschrank, was für Köstlichkeiten er und Julia darin aufbewahren. Bei mir zu Hause wird der Kühlschrank von jemandem gefüllt, den ich beauftragt habe, aber es ist nie so spannend reinzuschauen, wie bei jemand anderem.

»Lass verdammt noch mal die Finger weg von dem Sandwich!«, brüllt Greg um die Ecke.

Mit einem gemurmelten Fluch lege ich den köstlich aussehenden Snack zurück und schließe die Tür. Mit ärgerlich leeren Händen kehre ich ins Wohnzimmer zurück und lasse mich auf die riesige Couch plumpsen.

»Alter, Cammy hat gesagt, du küsst beschissen.«

Ja, klar. »Haha. Lass dir was anderes einfallen. Was hat sie wirklich gesagt?«

Er hat ein fieses Funkeln in den Augen. Das gefällt mir wesentlich besser als der Ausdruck darin, wenn wir über den Sport sprechen, der uns durch unser gesamtes bisheriges Leben begleitet hat. »Dass dein Mund die totale Enttäuschung ist. Sie ist mit einem Filzstift zur Damentoilette im Five Hole und hat eine Ein-Stern-Bewertung an die Kabinenwand geschrieben.«

»Blödsinn.« Ich lege die Füße auf den Couchtisch. »Sie hat auf keinen Fall gesagt, dass ich schlecht küsse. Ich bin der Beste – hat deine Mutter auch gesagt.«

Greg stöhnt, bevor er den Kopf lachend in den Nacken legt. »Alter, was du für einen Schwachsinn redest.«

Ich lecke mir einen Finger, strecke ihn in die Luft und ahme knisternde Laute nach.

»Aber im Ernst, Mann, was hast du dir dabei gedacht, sie zu küssen?« Er sieht mir in die Augen. Gleich darauf lacht er erneut. »Verstehe. Wie üblich gar nichts.«

Die Geschichte meines Lebens.

3

Rux

»Wie zum Teufel kann das sein?«, rufe ich aus Cammys Küche. Ihr Kühlschrank ist immer prall gefüllt. Mit den besten Snacks. Selbst gemachten Snacks – und davon haufenweise.

Ich hatte schon Hunger, bevor ich von zu Hause aufgebrochen bin, wollte ihn mir aber für den guten Kram hier aufsparen. Cupcakes. Zucchinibrot. Riesige Chocolate Chip Cookies, von denen sie sonst immer eine Tüte im Gefrierfach aufbewahrt.

Aber heute – gähnende Leere.

»Wo sind die Snacks?«

Sie erscheint an der Tür und stemmt die Faust in die Hüfte.

»Suchst du ernsthaft nach Essen?«, sprudelt es empört aus ihr heraus. »Wir gehen buchstäblich jetzt gleich zum Abendessen los.«

Ich bin immer hungrig, und ihr Kühlschrank ist sonst jedes Mal voll. Ich zeige hinein.

»Wo ist das Essen?«

Ihr zugleich geduldiger und belustigter Blick verblasst. Ein Hauch von Besorgnis tritt in ihre Augen.

»Matty war sich nicht sicher, ob sein Dad heute Abend etwas zu Essen für ihn zu Hause haben würde. Ich hab ihm zwar gesagt, dass er sich darauf verlassen kann, aber er hat sich trotzdem die Strandkühlbox mit der halben Küche gefüllt.«

Ich schließe den Kühlschrank. Mir ist der Appetit vergangen.

Cammy macht gute Miene zum bösen Spiel und lässt diesen Penner in Mattys Leben. Aber ich weiß, dass es sie jedes Mal fast umbringt, ihr Kind zu ihm zu lassen. Sie hätte Jeremy auch sagen können, er solle sich verpissen, als er in Chicago aufgekreuzt ist. Hat sie jedoch nicht. Da sie selbst ohne Vater aufgewachsen ist, will sie für ihren Sohn etwas anderes. Und weil sie ein so verdammt großes Herz besitzt, will sie dafür sorgen, dass Jeremy eine zweite Chance bei Matty bekommt.

In meinen Augen ist jemand, der seine schwangere Verlobte verlässt, weil er sich vor der Verantwortung scheut, ein waschechtes Arschloch und verdient keine weitere Chance auf das Geschenk, das er weggeworfen hat. Aber so ätzend es ist, ich habe dabei nichts zu sagen. Also versuche ich einfach, bestmöglich für meine Freundin da zu sein.

Das hat sie verdient.

»Fürchtet Matty, sein Dad könnte ihm wieder Tomaten-Hummus und Cracker vorsetzen?« Ja, ich habe gehört, wie es letztes Mal gelaufen ist.

»Scheint so«, räumt sie mit einem sanften Lächeln ein, aber die Besorgnis bleibt.

»Der Junge kommt ganz nach dir. Blitzgescheit. Er war sich nicht sicher, ob die Botschaft bei seinem Vater angekommen ist, also hat er beschlossen, ihm zu zeigen, wie man es macht.« Und obwohl sie es weiß, spüre ich, dass es nicht schaden kann, wenn sie es von mir hört, also füge ich hinzu: »Er wird eine gute Zeit haben.«

Cammy atmet etwas tiefer als sonst ein und schenkt mir ein Lächeln, das nicht ganz so strahlend ist wie üblich. Und ich danke Gott, dass sie mir den Kuss nicht übel nimmt. Denn ich erkenne in ihren Augen, dass sie gerade eine Umarmung gebrauchen könnte.

Also ziehe ich sie an mich und atme tief den Vanilleduft ihres Shampoos ein, den ich so mag. Sie legt die Arme um meine Taille und entspannt sich an mir.

»Danke, Rux. Das habe ich gebraucht.«

Ich vielleicht auch. Das war noch so eine Eigenart von Cammy – sie gibt mir Dinge, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie brauche. Kleinigkeiten, die Balsam für etwas in mir sind, das ich bestmöglich zu vergessen versuche – weil es zu spät dafür ist, es zu reparieren.

Ich bin mit etlichen Unzulänglichkeiten geschlagen und würde mich meiner ärgsten Feindin nicht als Ehemann wünschen. Aber als Cammys platonischer Freund bin ich unschlagbar und werde sie nie im Stich lassen.

Ich streiche mit der Hand über ihren Rücken, betrachte die üppigen blonden Locken an meinem Shirt.

»Und ich brauche Futter, Sonnenschein. Was hältst du davon, wenn wir jetzt losgehen und einen Happen essen?«

Sie lacht an meiner Brust. Und verdammt, wenn das mal nicht das beste Gefühl der Welt ist.

»Ja, lass uns aufbrechen.«

Ich überlasse Cammy die Wahl des Restaurants. So landen wir in einem heruntergekommenen Nudellokal, in dem wir schon öfter waren. Dort nimmt man keine Reservierungen entgegen und gibt einen Dreck darauf, ob ich für die Slayers spiele. Deshalb müssen wir jedes Mal eingepfercht in der Nische an der Tür warten wie alle anderen– aber die Küche ist es allemal wert.

Wir essen, reden, scherzen. Sie zeigt mir das Schnittmuster für die Lego-Masters-Schürze, um die Matty sie gebeten hat. Wir feilschen darüber, was wir uns heute Abend ansehen werden. Ich bin für Oak Island – Fluch und Legende, sie will Blacklist. Es ist mir völlig unbegreiflich, weil ich weiß, wie viele schnulzige Liebesromane sie auf ihrem Handy hat. Aber beim Fernsehen steht sie total auf Action und Spannung. Oder Rockumentarys.

Natürlich werden wir uns höchstwahrscheinlich ansehen, was sie will, trotzdem macht es Spaß, darüber zu verhandeln.

Als ich das restliche Thai-Basilikum-Hühnchen verputzt habe, das Cammy nicht aufessen konnte, und die Rechnung bezahlt ist, freue ich mich über das Lächeln im Gesicht meiner Freundin. Wir kehren zur Eingangsnische zurück und schlängeln uns durch die Wartenden zu unseren Mänteln, die neben der Tür hängen. Ich helfe ihr hinein, und sie wickelt sich kunstvoll in den blauen Schal, den ich ihr zu Weihnachten geschenkt habe, während ich in meine Jacke schlüpfe.

Plötzlich spüre ich ihre Hand in meiner. Überrascht schaue ich sie an. Wir haben zwar grundsätzlich keine Berührungsängste und umarmen uns gern, aber Händchenhalten ist eigentlich nicht unser Ding. Dann jedoch drücken diese zarten Finger so fest zu, dass mir Zweifel kommen, ob ich beim Spiel morgen den Schläger werde halten können.

»Verdammt, Cam, was …?«

»Mach’s noch mal«, flüstert sie eindringlich mit einem etwas gruseligen Lächeln.