Professional Crush - Mira Lyn Kelly - E-Book

Professional Crush E-Book

Mira Lyn Kelly

0,0
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Julia und Greg sind beste Freunde seit der Highschool. Damals war sie das einzige Mädchen, das sich weigerte, mit ihm auszugehen. Greg hat inzwischen eine erfolgreicher Karriere in der National Hockey League hingelegt, während Julia eine aufstrebende Sport-Reporterin ist. Ein bisschen flirten gehörte immer dazu bei ihnen, doch als Greg sie beim zehnjährigen Klassentreffen auffordert, das Versprechen einzulösen, dass sie beim Abschluss in sein Jahrbuch geschrieben hatte, verschwimmen die Grenzen zwischen Freundschaft, Liebe und Leidenschaft. Greg ist fest entschlossen, Julia für sich zu gewinnen. Doch Julia hat eine eiserne Regel: Keine Dates mit Spielern!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 305

Veröffentlichungsjahr: 2021

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

Epilog

Danksagung

Die Autorin

Die Romane von Mira Lyn Kelly bei LYX

Leseprobe

Impressum

MIRA LYN KELLY

Professional Crush

Roman

Ins Deutsche übertragen von Michael Krug

Zu diesem Buch

Julia und Greg sind beste Freunde seit der Highschool. Damals war sie das einzige Mädchen, das sich weigerte, mit ihm auszugehen. Greg hat inzwischen eine erfolgreicher Karriere in der National Hockey League hingelegt, während Julia eine aufstrebende Sport-Reporterin ist. Ein bisschen flirten gehörte immer dazu bei ihnen, doch als Greg sie beim zehnjährigen Klassentreffen auffordert, das Versprechen einzulösen, dass sie beim Abschluss in sein Jahrbuch geschrieben hatte, verschwimmen die Grenzen zwischen Freundschaft, Liebe und Leidenschaft. Greg ist fest entschlossen, Julia für sich zu gewinnen. Doch Julia hat eine eiserne Regel: Keine Dates mit Spielern!

Für Zoe York

1

GREG

»Kein Würgereflex, sagst du?«

Das habe ich davon, dass ich zur Hauseinweihungsparty des Neuen gekommen bin. Die Saisonvorbereitung hat kaum begonnen, und schon habe ich das Interesse an den Puckhäschen verloren. Ich öffne den Verschluss der Wasserflasche, die ich aus dem Einbaukühlschrank geholt habe, und trinke einen ausgiebigen Schluck. Wäre ich nur zu Hause geblieben und hätte mir die neuesten Folgen von The Walking Dead angesehen.

Die rundum künstliche Wasserstoffblondine lehnt sich an mich und drückt den Busen gegen meinen Arm.

»M-hm.« Sie zupft einen Kaugummi zwischen den Lippen hervor, dehnt ihn und wickelt ihn um den Finger, bevor sie mit einem verheißungsvollen Lächeln und klimpernden Wimpern zu mir aufschaut. »Ich könnte es dir zeigen.«

Und nur für den Fall, dass mir irgendwie entgehen könnte, was sie meint, fasst sie nach meinem Schritt.

Ich weiche außer Reichweite zurück und bedenke Gierhand mit einem Blick, der vermittelt, dass ich sowohl überrascht als auch geschmeichelt bin von ihrem unglaublich aufmerksamen Angebot. Obendrauf packe ich jenes Zwinkern und jenes Lächeln, die mich beide schon sowohl in Schwierigkeiten gebracht als auch davor bewahrt haben, so lange ich denken kann. Und ich lege eine Absage in den Blick. Aber eine nette.

Ich bin kein Arsch. Mich interessiert bloß kein Häschen, mit dem mein rechter Flügelspieler letzte Woche heimlich etwas hatte. Obwohl die Kleine durchaus ganz süß ist.

Gierhand tingelt davon, um beim Nächsten einen Versuch zu starten. Mein Mannschaftskamerad Ruxton Meyers schlendert zu mir herüber, den Blick auf ihren wippenden Hintern geheftet.

»Ehrlich, ich will gar nicht wissen, wo die schon überall gewesen ist.« Er fährt sich mit einem vernarbten Knöchel über den Mund.

»Dann willst du wohl auch nicht wissen, dass Wsewolod bei ihr keinen Gummi benutzt hat, oder?«, verrate ich ihm mit einem fiesen Grinsen.

Rux’ Kopf wirbelt zu mir herum.

»Ich glaub, mein Lümmel hat sich gerade in den Körper zurückgezogen und die Jungs mitgeschleift.«

Ich lache. »Ist wahrscheinlich der sicherste Ort für sie.«

Wsewolod ist neunzehn Jahre alt, ein anständiger Kerl und ein verdammt guter Eishockeyspieler, aber er hat noch weniger Ahnung von Frauen und von Selbstschutz als ich in dem Alter. Ich habe versucht, ihn zu warnen, so wie die älteren Jungs damals versucht haben, mich zu warnen. Aber das muss er wohl selbst herausfinden. Ich hoffe nur, es gelingt ihm, bevor ihm entweder das beste Stück abfällt oder irgendein Häschen mit einem knappen Rock versehentlich von ihm schwanger wird, um sein Bankkonto anzuzapfen.

»Was ist denn da los?«, fragt Rux, abgelenkt von den Rufen aus dem vorderen Zimmer. »Baxter, Mann. Er hat Football eingeschaltet.«

Football? »Et tu, Wsew?«

Dann erhasche ich einen besseren Blick auf den Bildschirm. Tatsächlich läuft gerade nicht das Spiel, sondern ein Interview an der Seitenlinie. Genauer gesagt ist die Reporterin im Blickpunkt. Er hat die Übertragung so angehalten, dass ihr Gesicht den Bildschirm ausfüllt.

Wie immer erkenne ich den Vierundzwanzig-Karat-Glanz ihres Haars, die vollen Lippen, die tausend schmutzige Highschool-Fantasien auslösen, und die Augen mit dem Schlafzimmerblick, in denen immer irgendein geheimer Witz zu funkeln scheint. Julia Wesley. Das coolste Mädchen an der Bearings High und eine der wenigen, die den gesunden Menschenverstand hatte, mich abzuweisen.

Dem Umstand ist es zu verdanken, dass wir zehn Jahre später immer noch befreundet sind. Gut genug, dass ich mein Handy zücke und ein Foto von Wsewolod schieße, wie er auf ihre Lippen zeigt.

Der kleine Perversling.

Das wird ihr gefallen.

Ich: Er schwört, dass er sich gar nicht wirklich die Spiele anschaut … er holt sich nur zu den Interviews einen runter.

Es dauert keine zehn Sekunden, bis ihre Nachricht erscheint.

Julia: Du Arsch! Ist das Wsew? Gott, jetzt brauch ich eine Dusche.

Ich grinse. Natürlich weiß sie, wer er ist. Auf Football ist sie zwar spezialisiert, aber Jules kennt sich insgesamt mit Sport aus und hört mehr Klatsch aus den Umkleideräumen als ich. Die Abscheu über ihre Aufnahme in seinen Wichsvorlagenkatalog basiert also auf Informationen, die der Durchschnittsmensch nicht hat.

Ich: Ja, du solltest unbedingt duschen. Schick mir ein Foto.

Diesmal dauert es nur fünf Sekunden.

Julia: In deinen Träumen.

Ich: Darin schon mehr als einmal.

Es mag ein paar Jahre her sein, trotzdem meine ich es ernst. Wir sind vielleicht nur Freunde der platonischen Sorte, aber Julia Wesley ist unheimlich heiß. Immer gut für ein bisschen Kopfkino – weniger wegen ihres Hammerkörpers, mehr wegen ihres Munds und vor allem, was dort herauskommt. Die Frau ist rattenscharf, weiß mehr über Sport als irgendjemand sonst, den ich kenne, und dann ihr Selbstvertrauen. Verdammt. Ich rücke meinen Schritt zurecht und schicke einen stummen Tadel an den Burschen da unten. Das haben wir schon durchgekaut. Er sollte es besser wissen.

Trotzdem richtet er sich auf, und ich kann es ihm nicht verübeln.

Ich: Bereit für das Klassentreffen nächste Woche? Und mehr?

Ich stelle mir vor, wie sie den Kopf schüttelt und sich eine blonde Strähne von den Augen bläst. Vielleicht dazu etwas brummt. Sie ist beruflich bei einem Spiel, deshalb kommen keine versauten Kommentare.

Schade.

Eine geschlagene Minute verstreicht.

Julia: Für das Klassentreffen – ja. Mehr? Das kannst du nicht ernsthaft glauben.

Tu ich nicht, aber das werde ich ihr auf keinen Fall sagen. Dafür habe ich entschieden zu viel Spaß. Stattdessen schicke ich ihr die Aufnahme, die ich vor zwei Wochen aus meinem Jahrbuch abfotografiert habe. Von einer Seite hinten, wo in meiner Sauklaue ein »Vertrag« geschrieben steht:

Sofern wir dann beide noch Single sind, bin ich, Julia Wesley, damit einverstanden, dass Greg Baxter mich bei unserem zehnjährigen Klassentreffen küsst.

Darunter ist ihre geschwungene Unterschrift mit ein paar Herzchen.

Julia: Ja, was das angeht … Ich glaube, bis dahin bin ich verlobt. Und äh … ein echt schmerzhaftes Fieberbläschen bahnt sich an. Kribbelt jetzt schon. Irgendwas stimmt da eindeutig nicht.

Lügnerin. Grinsend rufe ich eine Shopping-App auf und bestelle ihr eine Tube Heilsalbe für Lieferung am nächsten Tag. Ich liebe es.

Ich: Bis nächste Woche.

JULIA

»Komm schon, Julia. Lass mich dich nach dem Spiel ausführen. Was sagst du?«

Mit strahlender Miene schaue ich zu Mike Rylan auf. Er schenkt mir ein Grinsen, bei dem sich ein Grübchen zeigt und das ihm zusammen mit seiner umwerfenden Kombination aus dunkler Haut und hellen Augen schon genauso viele Werbeverträge eingebracht hat wie sein Wurfarm. Er ist ja süß und aufrichtig nett, einer der Spieler, die ich im Vorfeld eines Matchabends am liebsten anspreche, aber … »Du weißt, dass ich nicht mit Footballspielern ausgehe.«

Oder irgendwelchen anderen Profisportlern, was das betrifft.

»Du brichst mir das Herz«, sagt Mike und legt theatralisch die Hand auf seine Brustpanzerung.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass um das Stadion herum eine Reihe verfügbarer Frauen eine Schlange bildet, um ihn zu trösten.

Mein Kameramann Eddie zeigt mit den Fingern einen Countdown an.

Drei, zwei, eins … Auf Sendung.

Ich drehe mein Lächeln der Kamera und den Millionen Zuschauern dahinter zu.

»Mike, wie war die Stimmung im Umkleideraum vor dem heutigen Spiel?«

Fünf Fragen später läuft Mike zurück zu seiner Mannschaft, und Eddie senkt die Kamera.

»Weißt du, wie viele Frauen für einen zweiten Blick von dem Kerl glatt töten würden? Und du lässt ihn allein in diesem Jahr zum dritten Mal abblitzen?«

Ich lache zwar, aber ich nehme meine Karriere und meine Regel ernst, niemanden aus dem Minenfeld der Profisportbranche zu daten. Unwillkürlich muss ich an dieses Wochenende und an Greg Baxters Drohung denken, das unbedachte Versprechen einzufordern, das ich vor zehn Jahren abgegeben habe.

Aber er kann nicht glauben, ich würde ihn wirklich küssen.

Er scherzt nur. Er scherzt immer.

Es muss so sein.

Und ich habe eine Regel.

Nicht falsch verstehen, Greg ist ein brandheißer Typ. Das dichte dunkle Haar trägt er lang genug, dass es sich an den Enden leicht wellt. Dazu kommen ein muskulöser Körper und lange Wimpern um die strahlendsten blauen Augen, die ich je gesehen habe. Würde keine Überwindung kosten, ihn zu küssen. Aber es wäre schräg.

Wir sind Freunde. Richtige Freunde. Und so etwas nehme ich nicht auf die leichte Schulter.

Und selbst wenn es anders wäre, ich habe schon zu viele aussichtsreiche Karrieren durch Beziehungen mit den falschen Männern entgleisen gesehen. In meiner Branche ist der Ruf alles. Nur ein Fehler ist nötig, der Hauch eines Gerüchts, und schon ist alle Glaubwürdigkeit beim Teufel. Das wird mir auf keinen Fall passieren. Ich habe zu lange und zu hart gearbeitet, um mir die Karriere von irgendeinem Kerl versauen zu lassen.

Kein Herumgeknutsche mit Greg.

Obwohl ich mir ohnehin sicher bin, dass er es nicht ernst meint. Größtenteils sicher.

2

GREG

Als ich beim Klassentreffen ankomme, lauert eine Handvoll Reporter hinter einer Absperrung aus Metall, die der Sicherheitsdienst aufgestellt hat. Ich bleibe stehen, schüttle Hände, lächle für ein paar Fotos und lache, als ich gefragt werde, ob ich gern noch mal an der Highschool wäre und etwas anders machen würde.

»Nein, einmal hat gereicht.«

Eine sichere Antwort, aber nicht mal ansatzweise die Wahrheit. Es gibt Unzähliges, das ich gern nicht verpasst hätte – Opfer, die ich für den Sport gebracht habe. Auf dem Niveau, auf dem ich ihn während der Highschool betrieben habe, musste ich dafür auf so ziemlich alles andere verzichten. Das soll nicht heißen, dass ich ändern würde, was ich mittlerweile erreicht habe – auf keinen Fall. Aber wenn ich mit dem Wissen, dass ich dort landen würde, wo ich heute bin, in die Vergangenheit zurückkehren könnte? Ja, dann würde ich es tun, ohne zu zögern.

Julia ist wahrscheinlich der einzige Mensch, dem gegenüber ich das je zugegeben habe. Und die Einzige, die es wirklich verstanden hat.

Ich lächle für ein paar weitere Fotos, bevor ich die Stufen zu den Eingangstüren hinaufsteige.

Es ist gar nicht so lange her, dass ich an der Bearings High war. Ich habe zwar nie im Eishockeyteam der Schule gespielt, trotzdem habe ich gute Erinnerungen an meine Zeit hier. Deshalb erschien es mir logisch, das Programm zu unterstützen, und durch die Gänge des weitläufigen Gebäudes aus Ziegelstein zu schlendern ist mir nicht so fremd wie manchen anderen. Dennoch fühlt es sich eigenartig an, die Eingangstür als Erwachsener aufzuschieben und durch die von Spinden gesäumten Flure zu gehen. Auf rationaler Ebene weiß ich, dass ich nicht um die Ecke biegen und Julia lachend bei unseren Spinden vorfinden werde. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass diese honigbraunen Augen demnächst wieder in meine blicken werden.

Aber heute Abend ist es anders. Ich weiß, dass ich sie sehen werde, nur wird sie nicht am Ende der South Hall abhängen.

Als ich die Sporthalle erreiche, müssen wohl mehrere Hundert Handys gezückt sein. Und nein, nicht meinetwegen. Auch wenn mein Ego voll ausgewachsen ist, bin ich nicht so eingebildet zu glauben, all die Leute wären hier, um mich zu sehen. Beim Klassentreffen bin ich nur ein gewöhnlicher Absolvent, der sich auf ein Wiedersehen mit Freunden freut, die ich seit dem Abschluss nicht mehr gesehen habe.

Nur ein gewöhnlicher Typ, der sich auf ein Wiedersehen mit Julia freut.

Die übrigens gerade am Tisch mit den Namensschildern steht, umringt von geschätzt der Hälfte der Football-Auswahlmannschaft unseres Jahrgangs, die sie gecoacht hat. Lachend frage ich mich, ob sie es nicht weiter geschafft hat, bevor sie von den Jungs umschwärmt wurde. Woraus ich ihnen keinen Vorwurf machen kann – ich habe sie vor gerade mal dreieinhalb Sekunden gesichtet und verspüre schon den Drang, mich ihr zu nähern. Um sie lächeln zu sehen. Um sie zum Lachen zu bringen.

Diesmal versucht Julia nicht, ihr Aussehen herunterzuspielen wie am Spielfeld oder bei den wenigen von ihrem Sender veranstalteten Partys, bei denen sich unsere Wege im Verlauf der Jahre gekreuzt haben. Sie sieht mehr wie sie selbst aus. So habe ich sie schon lange nicht mehr gesehen. Das blonde Haar trägt sie offen und ein wenig wild. Wie brechende Wellen ergießt es sich über ihre Schultern. Ihr blaues Kleid hat ein eng anliegendes, spitzenbesetztes Oberteil und erstreckt sich kokett bis knapp über die Knie. Ihre Augen wirken sinnlich, und ihr Mund … Verdammt, für diesen Mund hatte ich schon immer eine Schwäche. Dieser üppige Mund setzt mir schon gefährlich unanständige Ideen in den Kopf, seit ich damals nach Bearings gezogen bin, um in Reichweite eines Teams der obersten Liga zu sein. Und heute Abend glänzt dieser Mund mit rosa Lippenstift und hat das Lächeln aufgesetzt, das zu sehen mir so gefehlt hat.

Als ich mich einen Schritt in ihre Richtung bewege, habe ich plötzlich ein Dutzend Kerle vor mir, und jemand schüttelt mir so begeistert die Hand, als hätte ich ihm gerade einen Scheck über eine Million Dollar überreicht.

»Baxter, Mann – tolles Spiel gestern Abend!«

»Danke«, antworte ich und versuche, die Gesichter einzuordnen. Aus einem Dutzend werden zwei, und ein Chor von Stimmen umgibt mich.

Nach Spielen und bei Fanveranstaltungen bin ich das gewohnt. Aber hier ist es anders, weil ich weiß, dass ich mit diesen Leuten zur Schule gegangen bin. Schlimmer noch: Während anscheinend alle mich kennen, kann ich gerade mal drei Gesichter aus der Menge zuordnen.

JULIA

Greg Baxters Gesichtsausdruck ist unbezahlbar, aber was hat er denn erwartet? Er ist der Lokalmatador, der Star-Center des Eishockeyteams der Chicago Slayers – das für Furore gesorgt hat, als er letztes Jahr unter Vertrag genommen wurde. Greg hätte mit Bodyguards auftauchen und sich in Stacheldraht wickeln sollen.

Mir ergeht es nicht viel besser, aber ich bin schon seit Jahren wieder in Chicago. Ich bin zu Hochzeiten und Babypartys eingeladen worden. Einmal bin ich nach Hause gekommen, und meine kleine Schwester hatte die Hälfte ihrer alten Highschool-Klasse in unserer Wohnung empfangen. Mich umgibt kein so geheimnisvolles Flair. Und wenngleich wir beide landesweit bekannt sind, ist der größte Unterschied heute Abend zwischen meinem Publikum und seinem, dass diese Jungs für mich in der Highschool wie eine Familie waren. Und Greg … Na ja, er hatte damals nicht die Zeit, solche Beziehungen zu knüpfen.

Er hebt den Kopf, und unsere Blicke begegnen sich. Er verzieht dabei die Lippen und lässt die Zähne aufblitzen, und obwohl es nur kurz anhält, genügt es, um mich zum Lachen zu bringen, als ich mich wieder meinen Leuten zuwende. Unwillkürlich frage ich mich, wie weit er den Scherz zwischen uns ausreizen will. Zum Glück sieht es so aus, als hätte ich noch etwas Zeit, bevor ich es herausfinden muss.

»Leute, so gern ich den ganzen Abend über Spiele aus ruhmreichen Zeiten plaudern würde, ich sehe da ein paar Leute, die ich gern begrüßen würde. Wir reden ein bisschen später weiter, okay?« Die Männer um mich herum sind zwar groß, aber nichts im Vergleich zu den Jungs, mit denen ich im Zuge meiner Karriere Umgang hatte. Mühelos bahne ich mir einen Weg durch die Menge zu ein paar Freundinnen von früher, die mir kichernd mit ihren Drinks zuwinken.

Fünfundvierzig Minuten später stehe ich in der Schlange an der Bar, als ich spüre, wie sich die Haut an meinen Armen und im Nacken erwärmt.

»Hoffentlich hast du deinen Lippenstift mit Kirschgeschmack dabei.«

Diese tiefe, grollende Stimme würde ich überall erkennen. Ich drehe mich um und schenke Greg ein kesses Grinsen. »Warum? Hast du ’ne Frau für mich zum Küssen? Meinst du, das könnte mir gefallen?«

Greg gibt einen erstickten Laut von sich, seine Augen werden glasig, und seine fein geschnittenen Lippen verziehen sich.

»Du stellst es dir wirklich gerade vor!« Ich schnappe nach Luft, haue ihm gegen die Schulter und muss der Versuchung widerstehen, sie erneut zu berühren, als ich merke, wie kräftig sie ist.

Er hebt zwischen uns die Hände. »Du hast damit angefangen, Jules. Was glaubst du wohl, wohin meine Gedanken abdriften, wenn du mir so ein Bild von dir und Candy hinwirfst?«

»Candy?«

Greg grinst. »Ich bin ein respektvoller Mensch. Sogar spärlich bekleidete, meiner Fantasie entsprungene Frauen, die auf Lippenstift mit Kirschgeschmack stehen, bekommen einen Namen.«

Ich verdrehe die Augen, aber ich hätte es wissen müssen. So ist Greg nun mal. Ein überdrehter, unverschämter Bad Boy. Greg Baxter.

Er wippt auf die Fersen zurück, verschränkt die Arme vor der breiten Brust und mustert mich von oben bis unten. Es ist kein anzüglicher Blick, sondern der eines alten Freunds, der sich über ein Wiedersehen freut. Das weiß ich, weil ich ihn auf dieselbe Weise mustere. Es ist komisch, aber obwohl ich ihn vor weniger als einem Jahr persönlich gesehen habe, erstaunt mich, wie groß er tatsächlich ist. Und breiter, als er im Fernsehen wirkt. Und dann sein Haar – es steht in allen möglichen Winkeln ab, ein kunstvolles Durcheinander, für das man vermutlich keine fünfzehn Sekunden braucht, um es zu perfektionieren. In seinem marineblauen Anzug mit Krawatte sieht er verboten gut aus. Trotzdem wünscht sich ein Teil von mir, er trüge abgewetzte Jeans und eines dieser Hockey-T-Shirts, die nie groß genug für den Körper darin zu sein scheinen.

Nach einem tiefen Atemzug grinst er und zieht mich in eine Umarmung, durch die dieses Klassentreffen schlagartig alles erfüllt, was ich mir erhofft habe.

»Ist toll, dich wiederzusehen.«

Ich schließe die Augen und genieße das Gefühl seiner großen Arme um mich, begleitet von einem sauberen, holzigen Duft, der sich seit der Highschool irgendwie nicht verändert hat. »Gleichfalls, Baxter.«

Er lässt mich los und bringt einen Schritt Abstand zwischen uns, behält jedoch eine raue Handfläche an meinem Arm.

»Wann hörst du endlich auf, dich mit diesen Football-Weicheiern abzugeben, und fängst an, über richtigen Sport zu berichten?«

Ich lache über den alten Witz zwischen uns und deute mit dem Kopf auf einige freie Plätze an einem Tisch in der Nähe. Ich könnte Greg nach dem jüngsten Spiel fragen. Oder danach, wie es seiner Rippe nach der Verletzung im letzten Jahr geht. Aber die Antworten darauf liegen in meinem Büro beim Sender und entsprechen nicht dem, was ich wirklich wissen will.

»Wie ist es, wieder in Chicago zu leben – mal abgesehen vom Eishockey?«

Seine Augenwinkel kräuseln sich, als er mich näher zu sich zieht und mich drückt.

»Die erste Frage an mich heute Abend ohne Bezug zur Liga, und sie kommt ausgerechnet von einer Sportreporterin.«

»Dachte ich mir fast.«

»Du hast immer ein Gespür für so was.« Er zieht einen Stuhl für mich heraus. Wir setzen uns und lächeln uns einen Moment lang gegenseitig an. Dann antwortet er: »Es ist schön. Das Leben in der Innenstadt gefällt mir. Und obwohl ich den Großteil der Zeit mit der Mannschaft verbringe, ist es toll, nahe genug zu sein, um Natalie jederzeit besuchen zu können.«

Der Gedanke an Gregs Schwester zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht. Er hat sie früher immer Knochenbrecherin genannt, als wäre sie eine kleine Vollstreckerin auf dem Eis. Aber wenn es um Jungs ging, die Interesse an ihr hatten, war er der Vollstrecker. »Sie spielt nicht mehr, oder?«

»Nein, hat sich am College das Knie ruiniert. Du weißt, dass sie den Abschluss in Wisconsin gemacht hat, oder? Aber jetzt verbringt sie Zeit auf dem Eis nur noch damit, ein U12-Mädchenteam zu trainieren. Und liebt es.«

Wir unterhalten uns über seine Eltern, die zurückgezogen sind, als er von den Slayers gekauft wurde, und darüber, dass ich mit meiner Schwester Cammy und meinem vierjährigen Neffen zusammenwohne. Anschließend darüber, Jack Hastings als Vermieter zu haben und dass unser ehemaliger Schulfreund den Typen, der in Hank Wagners alte Wohnung eingezogen ist, für einen Trottel hält. Greg erkundigt sich nach meiner Mutter, und ich überlege, wie ich das Thema wechseln kann, damit ich ihm nicht Florida erklären muss und was mich ihr neuester Fehler – Chuck – kostet. An der Stelle verstummt die Musik, und Tabby Jennison betritt die Bühne im vorderen Bereich der Turnhalle. Greg setzt ein breites Grinsen auf. Ich würde wetten, dass er gerade daran denkt, wie sie bei Tucker Lawrys Party zu viel getrunken hat und ich ihr eine halbe Stunde lang auf der Toilette die Haare halten musste, bevor er sie nach Hause fahren konnte. Es war eine von vielleicht drei Partys, die Greg während der gesamten Highschool besuchte, und er verbrachte sie damit, ein betrunkenes Mädchen nach Hause zu fahren, als ihr damaliger fester Freund es nicht tun wollte.

Als Greg die große Hand über den Tisch streckt und meinen Cosmopolitan von mir wegschiebt, weiß ich, dass ich recht habe. Wie üblich ertappe ich mich dabei, leise über die unausgesprochenen Scherze zwischen uns zu lachen. Mein Lächeln wird breiter, denn dieser Mann bewirkt das bei mir. Hat er schon immer. Ich habe nicht auf Tabbys Worte geachtet, aber plötzlich wird das Licht in der Turnhalle gedämpft. Spots schwenken über die Menge, bis sie auf uns landen und innehalten.

Anscheinend eine Vorstellungsrunde. Zusammen mit Greg winke ich und rechne damit, dass die Spots zu jemand anderem weiterschwenken. Tun sie allerdings nicht. Tabbys Augen funkeln, als sie meinem Blick begegnen.

»Vor etwa einer Woche habe ich diese Nachricht von Julias kleiner Schwester Cammy bekommen, zusammen mit einem abfotografierten Schuldschein, der hinten in Greg Baxters Jahrbuch steht.«

3

GREG

Julia verschluckt sich an ihrem Drink, und mein Rücken versteift sich. Scheiße.

Ja, ich habe sie mit dem Kuss aufgezogen, den sie mir schuldet, hätte es aber nie öffentlich getan. Wenn man sich den Lebensunterhalt so wie wir in der Öffentlichkeit verdient, ist Privatsphäre ein kostbares Gut. Aber verdammt, selbst vor zehn Jahren habe ich niemandem davon erzählt.

Tabby erklärt den Schuldschein und wirkt dabei rundum begeistert, während in der Turnhalle um uns herum Gelächter und Jubel ausbricht.

So etwas kann man nur auf eine Weise begegnen: frontal.

Ich lehne mich zu Julia, die blitzschnell reagiert hat und lacht, weil sie keine Spielverderberin ist. Nur weiß ich, dass sie innerlich wahrscheinlich total ausflippt. Sie geht weder mit Sportlern noch irgendjemandem mit Verbindungen zu den Medien aus. Julia achtet darauf, ihre Glaubwürdigkeit zu schützen, worüber sich Kerle selten den Kopf zerbrechen müssen. Und diese Geschichte von damals, als wir noch halbe Kinder waren, ist bestimmt nichts, was sie im Internet verbreitet sehen will.

»Vertraust du mir?«, frage ich und bin ihr nah genug, dass sie es trotz des Lärms der Menge hört.

Sie nickt zwar so verhalten, dass man es kaum bemerkt, dennoch fährt es mir direkt in die Brust.

Vertrauen hat bei mir einen hohen Stellenwert.

Ich stehe auf und bedeute der Menge, mir einen Moment Zeit zu geben. Dann ergreife ich Julias Hand, lasse mein schelmischstes Grinsen aufblitzen und ziehe sie vom Sitz hoch.

Sie lacht zwar immer noch, aber ihr Blick lässt mich wissen, dass sie mir den Hintern aufreißen wird, wenn ich es versaue.

Was ich nicht werde.

Ich ziehe sie näher, gestalte es zur Show, dann noch näher. Allerdings nicht ganz an meinen Körper, obwohl ich verdammt überzeugt davon bin, dass es sich großartig anfühlen würde. Dann bringe ich diesen Move von Fred Astaire, so schnell, dass sie nur mitmachen und noch ausgelassener lachen kann. Dann senke ich sie rücklings über meinen Arm nach unten.

Mit vor Schreck weit aufgerissen, honigfarbenen Augen umklammert sie mein Revers. Aber schon in der nächsten Sekunde entspannt sie sich, lässt mich merken, dass sie weiß, wie sicher ich sie halte.

Um uns herum lachen und johlen die erwachsenen Versionen der Jugendlichen, mit denen wir die Schule besucht haben. Alle warten darauf, dass ich Julia küsse. Und ich will es gerade tun, als ich bemerke, wie ihr Blick auf meinen Mund schnellt und ihr leicht der Atem stockt. Es ist flugs wieder vorbei, aber ich habe es gesehen.

Und jener Blick fährt mir wie ein Blitz ins Nervensystem, denn es war keiner, der besagt hat: Bitte nicht, alles, nur nicht diese Lippen auf meinen. Es war ein zwar kurzer, aber eindeutig heißer Blick. In dem sogar Neugier gelegen hat.

Zu Julias Glück verdanke ich meine Karriere nicht zuletzt der Gabe, Schläge einzustecken, die mich bis ins Mark erschüttern, und trotzdem einen kühlen Kopf zu bewahren. Obwohl sich mein Bauch und zu viele andere Körperteile auf diese eine heiße Sekunde fixieren und von mir verlangen, ihren Mund so zu erobern, wie ich es schon immer wollte, reiße ich mich daher zusammen und grinse dem Publikum entgegen.

»Jetzt küss sie endlich«, feuert mich ein Typ an, der aussieht, als könnte er den Jungen verschlungen haben, der in Chemie neben mir gesessen hat.

»Soll ich wirklich?« Ich wende mich wieder Julia zu, schaue ihr in die Augen und ersuche sie stumm um noch mehr Vertrauen. »Soll ich?«

Sie ist zurück im Augenblick, schnaubt gelangweilt und liefert mir, worum ich sie bitte.

»Tu dir keinen Zwang an, du Hengst.«

Hengst. Okay, Julia.

Ich senke sie weiter ab, um den Griff ihrer Hand an meiner Jacke zu spüren und zu beobachten, wie sich ihre Augen erneut weiten. Dann drücke ich ihr einen geräuschvollen Schmatz auf die Wange, nah genug an ihrem Ohr, dass die Kameras zweifellos nur ihr zu einer Grimasse verzogenes Gesicht erfassen.

Die Buhrufe und das Gelächter sind voll im Gang, als ich Jules die Wange für den obligatorischen Erwiderungskuss hinhalte, dann sind wir fertig. Wir lachen beide, als ich sie wieder nach oben ziehe und etwas Abstand zwischen uns bringe.

Ihr Blick heftet sich auf meinen, und ich kann die Erleichterung in ihren Augen sehen.

Niemand wird etwas in diesen Gag hineininterpretieren.

Ich würde mich gern weiter mit ihr unterhalten, aber der Zug ist abgefahren. Als sich Leute zwischen uns drängen und zwanzig verschiedene Unterhaltungen auf einmal losbrechen, spielen wir mit.

JULIA

Ich bin nicht enttäuscht. Auf keinen Fall.

Der Kuss war genau, wie ich ihn gebraucht habe – lustig, unbeschwert, ohne jede Andeutung, dass Greg und ich mehr als alte Freunde sein könnten. Zugegeben, da war diese eine verrückte Sekunde, in der ich bei einem Blick in Gregs Augen ein bisschen berauscht wurde. Aber das war im Nu wieder vorbei. Und solang niemand davon weiß, muss ich mir nicht den Kopf darüber zerbrechen.

Wir nehmen die verdienten Hänseleien hin und lachen mit alten Klassenkameraden, sowohl mit den besser als auch mit den weniger bekannten. Wir haben einfach Spaß.

Greg sucht durch die zunehmend dichtere Menge meinen Blick. »Hey, sehen wir uns später noch?«

»Unbedingt.«

Nach einer Stunde habe ich mehrere weitere Freundinnen und Freunde von früher wiedergesehen und grinse noch über Missy Evers’ Unfug, als ich aus der Damentoilette trete.

»He, Jules, warte mal.«

Erschrocken schaue ich auf und erblicke Greg. Er stößt sich von der gegenüberliegenden Wand ab, wo er auf mich gewartet hat.

Ich lächle. »Ich dachte schon, ich kriege heute Abend gar keine Gelegenheit mehr, dich noch mal zu sehen.«

Wäre nicht das erste Mal. Wir waren schon zusammen bei dienstlichen Veranstaltungen, bei denen wir den ganzen Abend nicht mehr als fünf Minuten miteinander verbringen konnten.

Kopfschüttelnd nähert er sich mir. »Du hast doch nicht etwa gedacht, dass du mir so einfach davonkommst, oder?«

»Einfach?«

Ich blicke den von Spinden gesäumten Flur entlang und finde ihn menschenleer vor. Die Musik aus der Turnhalle dringt gedämpft zu uns. Abgesehen von quiekenden und kichernden Lauten aus einer anderen Halle sind wir allein.

Unsere Blicke begegnen sich, und wieder durchfährt mich dieses flüchtige Aufflackern einer Empfindung. Doch bevor ich darüber nachdenken kann, nimmt Greg mich an der Hand und zieht mich entschlossen vom Klassentreffen weg und zu den Türen, die zum Leichtathletikkomplex hinter der Schule führen.

»Greg!« Halb flüsternd und halb lachend leiste ich keinen Widerstand. Ich will sehen, was er vorhat.

Er schiebt die Ausgangstür auf und überprüft die Umgebung. »Hier draußen ist niemand. Der Sicherheitsdienst hat den Zugang nach hinten abgesperrt.«

Dann zieht er mich hinaus in die kühle Septembernacht. Der Himmel ist dunkelviolett. Die Felder und die Bäume jenseits der beleuchteten Laufbahn und des Parkplatzes zeichnen sich als schwarze Umrisse im schwindenden Licht ab.

»Greg! Was hast du vor?«

Er bleibt stehen und dreht sich zu mir um. Dicht vor mir ragt er über mir auf. Schatten verhüllen seine Augen. »Du weißt, was ich vorhabe.«

Mein Herz setzt einen Schlag aus. Okay, jetzt weiß ich es. Nur bin ich mir nicht sicher, was ich davon halten soll. »Wir haben uns geküsst. Vor einem Raum voller Zeugen.« Ich schlucke. »Meine Schuld ist beglichen.«

»Bitte«, stößt er abfällig hervor. »Das war nicht mal annähernd ein echter Kuss. Und selbst wenn, wäre es einer für die anderen gewesen. Ich will den Kuss, den du mir versprochen hast.« Er zieht eine dichte Augenbraue hoch. »Komm schon, Jules. Willst du nicht wissen, wie es wäre? Nur einmal?«

Mein Bauch fühlt sich wie bei einer Achterbahnfahrt an, denn das hier ist immer noch Greg. Mein Freund und Kumpel.

Mein unglaublich heißer, talentierter Freund, der auf eine verrückte Dummheit drängt, wie ich sie abseits dieser nur allzu verlockenden Umstände nie in Betracht ziehen würde. Aber wenn ich es je herausfinden will, ist das wohl meine Chance … eine Freikarte, die ich vielleicht nie wieder bekomme.

Und immerhin habe ich es wirklich versprochen, oder?

Sein Lächeln wird breiter, als er nickt. »Du willst es! Wusste ich’s doch.«

Er führt mich weiter und sieht sich noch einmal um, bevor er mich unter die Tribüne zieht.

Dort ist es ruhig, kühl und dunkler als im Freien, aber nicht zu dunkel, um etwas zu erkennen. Ein Ort, an dem Greg und ich noch nie gewesen sind. Zumindest nicht zusammen. Es fühlt sich intim und abgeschieden in dieser Zuflucht an. Es fühlt sich an, als wäre ich wieder an der Highschool und als gäbe es all die Gründe nicht, warum ich solche Situationen normalerweise vermeide. Es fühlt sich so an, als könnte ich mich ausnahmsweise dem Moment hingeben und einfach Spaß haben.

Wir stehen dicht an dicht. Näher, als ich sonst abseits der Kamera bei Männern stehe. Und der geringe Abstand zwischen uns ist mir überdeutlich bewusst. Er schrumpft weiter, als Greg mein Haar anfasst, eine Strähne zwischen den Fingern und dem Daumen reibt, bevor er sie hinter mein Ohr klemmt. Er hat noch nicht mal meine Haut berührt, dennoch läuft mir ein wohliger Schauer über den Nacken und die Arme, und die Luft fühlt sich plötzlich dünn an.

»Das ist schräg«, flüstere ich und schaue überallhin, nur nicht zu ihm.

»Willst du kneifen?«

»Ich bin kein Drückeberger.« Ich versuche zu vermitteln, wie völlig ungerührt mich die Sache lässt und dass ich sie nicht ernst nehme – aber meine brüchige Stimme verrät mich.

Greg lächelt. »Nervös?«

Sollte ich eigentlich nicht sein.

Immerhin ist es bloß ein Scherz.

Ein Jux. Eine Mutprobe.

Etwas, womit wir uns in den kommenden Jahren lachend gegenseitig aufziehen werden.

Also gehe ich so damit um.

Ich sehe Greg in die Augen. »Ja, ist mein erstes Mal. Also sei sanft.«

Greg schnaubt höhnisch und murmelt meinen Namen.

Ich lasse den Blick unverhohlen an seinem Körper hinabwandern. »Also. Nach zehn Jahren … immer noch so hart?«

Er weiß genau, worauf ich anspiele. Diesmal lacht er tief und volltönend, womit er uns zurück auf das vertraute Terrain bringt, nach dem ich gesucht habe.

Als er nicht antwortet, bohre ich weiter. »Wirst du auf deine alten Tage weich?«

Greg blickt auf mich herab und sieht mich unter seinen dichten Wimpern hervor an. »Bei dem Kuss lasse ich dich nicht vom Haken. Aber wenn du willst, kannst du vorher fühlen.«

Ich beiße mir auf die Unterlippe, als er das Hemd aus der Hose zieht. Er hebt den teuren Stoff hoch genug an, um den Waschbrettbauch freizulegen, den er mich anfassen ließ, nachdem er in unserem Abschlussjahr eine Wette bei einem Spiel der Bulls verloren hatte.

Vielleicht spielen mir auch nur die Schatten der Nacht Streiche, aber das glaube ich nicht. Die straffen Muskelstränge scheinen nur noch praller als mit achtzehn Jahren geworden zu sein.

Er nimmt meine Hand und drückt sie gegen die warme Haut. Mit einem leisen, spitzen Aufschrei ziehe ich die Hand jäh zurück.

Mit ungläubig großen Augen blicke ich in seine belustigte Miene, dann zurück auf seinen steinharten Bauch, zu dem meine Finger zurückgekehrt sind, wo sie zaghaft den Vertiefungen zwischen den Muskeln folgen.

»Großer Gott, Greg, machst du im Schlaf Crunches?«

Ich setze dazu an, in die Hocke zu gehen, bin genauso fasziniert wie damals an der Highschool, denn …

Große Hände schieben sich unter meine Achseln und ziehen mich wieder hoch. »Die Show ist vorbei, Jules.«

»Warte, nur noch einmal …«

»Nein.« Er drückt mich gegen die Stütze, an der ich zuvor gelehnt habe, und hält mich fest, als würde er wollen, dass ich dort bleibe. »Genug herumgealbert.«

Als ich die Augenbraue hochziehe, rollt er die Schultern.

»Mach dich bereit für eine weltverändernde Erfahrung, nach der du keinen anderen mehr wollen wirst. Oder dafür, es zumindest vorzutäuschen, um mein zerbrechliches Ego zu schonen.«

Diesmal bin ich es, die höhnisch schnaubt. Gregs Ego ist auf Augenhöhe mit dem Sears Tower.

Seine Hände heben sich zu meinem Gesicht. Seine Berührung ist sanft, aber eher zweckmäßig als verführerisch, als er meinen Kopf leicht neigt. Davor war ich nervös, aber jetzt … fühlt es sich nach uns an.

»Darf ich weiter deine Bauchmuskeln anfassen?«

Eine Furche erscheint zwischen seine Brauen. »Nein.«

Verdammt.

Er wirft mir einen letzten Blick zu, und für den Bruchteil einer Sekunde bin ich mir nicht sicher, ob er es wirklich durchziehen wird.

Dann jedoch verzieht sich sein Mundwinkel kaum merklich, und er beugt sich vor. »Mach dich auf was gefasst, Jules.«

4

GREG

Keine Ahnung, was in mich gefahren ist, dass ich mich wie ein eingebildeter Arsch aufführe.

Mach dich auf was gefasst.

Genau. Als müsste Julia nach einem Kuss von mir ihr gesamtes Leben neu bewerten. Höchst unwahrscheinlich.

Aber vielleicht genügt die Prahlerei, um sie davon abzulenken, dass ich vor lauter Verlangen, meinen Mund auf ihren zu drücken, praktisch vibriere. Ich muss sie einfach schmecken. Nur einmal.

Es war alles so lange Spaß gewesen, bis ich sie zurückgeneigt habe und ihr Blick sanft und sehnsüchtig wurde, als er sich auf meinen Mund gerichtet hat.

Ein Blick, kaum eine Sekunde lang, und plötzlich ist dieser Kuss etwas Entscheidendes geworden.

Ich bin Julia nah genug, dass sich unsere Brustkörbe bei entsprechender Atmung berühren würden. Nur, um es klarzustellen – das wäre verdammt schön. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es die beste Idee wäre, diese von Spitzenmaterial bedeckten Wölbungen an meiner Brust reiben zu lassen. Statt den Abstand zu verringern, bewahre ich also diese wenigen kostbaren Zentimeter zwischen uns.

Ich lege die Hände auf ihre Wangen und betrachte ihren Mund so wie sie in der Turnhalle meinen. Nur statt mich mit dem Bruchteil einer Sekunde zu begnügen, sehe ich mich daran satt.

Zehn Jahre habe ich auf diesen Kuss gewartet. Und irgendetwas sagt mir, dass ich selbst mit weiteren zehn Jahren nie wieder so nah dran sein werde, ihn zu bekommen.

»Greg«, flüstert sie. In ihrer Stimme schwingt wieder diese Nervosität mit, die ich immer dann darin höre, wenn sie kurz davor ist, etwas Unverschämtes von sich zu geben.

Aber ich will keinen weiteren Scherz. Ich will die Stimmung nicht auflockern.

Ich will wissen, wie dieser Kuss schmeckt, der mich seit zehn Jahren verlockt. Also nehme ich ihn mir.

Er fällt süß und zart aus, denn ich will keinen Moment davon überstürzen. Julias Mund wird meinen Erwartungen gerecht. Ein Kuss mit geschlossenem Mund und dem verdammten Abstand zwischen uns sollte sich eigentlich jugendfrei anfühlen. Tut er aber nicht. Wie ihre geschmeidigen Lippen unter meinen nachgeben, steht auf einer Stufe mit den schamlosesten Fantasien, die ich je hatte.

Gott, es fühlt sich an, als würde Strom durch meine Adern fließen.

Als stünde meine Haut in Flammen.

Als wollte ich mehr.

Ich sollte nicht drängen, denn verdammt, ich will nicht, dass es endet. Wir haben nicht über Grenzen gesprochen, haben kein Zeitlimit festgelegt oder geklärt, wie weit es gehen darf. Aber wenn das der einzige Kuss ist, den ich je von Julia bekommen werde … dann will ich, dass es ein richtiger Kuss wird. Hemmungslos. Ein Kuss für die Ewigkeit.

Ich versinke darin. Ihre Lippen teilen sich unter meinen mit einem erschrockenen kleinen Atemzug, der mich härter trifft als hundert Kilo, die mir mit dreißig Stundenkilometern auf dem Eis entgegenrasen.