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Verzweifelt sucht Jan van Draalen seine Tochter. Sie ist wie vom Erdboden verschwunden. Inspektor Böhler greift zu einer List, um die Kleine zu finden.
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Beatrice - wohin führt Dein Weg
Das St. Niklasheim erwies sich als Fehlanzeige. Der Heimleiter Herr Müller schüttelte bedauernd den Kopf: „Sie irren sich Herr van Draalen. Ein Mädchen dieses Namens ist nicht bei uns. Ich kann Ihnen gerne die Unterlagen zeigen.“
„Seltsam meine Frau hat mit einem Herrn Groscher vereinbart, dass wir unsere Tochter jederzeit besuchen können.“
„Dann haben Sie sicher den Namen des Kinderheimes verwechselt“, sagte der Mann eine Spur freundlicher.
„Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass Herr Groscher mit seinen Gepflogenheiten bricht.“
„Wie meinen Sie das“, mischte sich der Inspektor in das Gespräch. „Na ja bei Neuankömmlingen ist unser Chef gegen jeden Besuch. Auch wenn es sich um die Eltern handelt. Er möchte, dass sich die Kinder erst eingewöhnen. Nach einigen Wochen erlaubt er auch Besuche.“
Jan schaute den Heimleiter einen Augenblick entsetzt an, dann hatte er sich wieder in der Gewalt und meinte höflich: „Ja, ja das ist mir bekannt. Es handelt sich ja eigentlich nicht um einen regulären Besuch, sondern um Meikes Rollstuhl. Die Pfleger hatten versäumt, ihn mitzunehmen.“
„Ach Ihre Tochter ist behindert? Dann kann ich Ihnen weiterhelfen. Sie müssen ins St. Wolfgangsheim, dort sind die kranken Kinder untergebracht.“
„Sehr schön, dann kommen Sie gleich mit uns“, mischte sich der Inspektor ein.
„Das ist leider nicht möglich. Sie finden das Heim ganz leicht.“
„Sie sollen uns nicht ins St. Wolfgangsheim begleiten, sondern zur Wache. Ich habe eine Menge Fragen an Sie. Außerdem wird dieses so genannte Kinderheim geschlossen.“ Herr Müller wurde blass. Anscheinend wusste er genau warum. Ohne ein Wort des Widerspruchs folgte er den Männern auf die Straße.
Inspektor Böhler winkte und aus der Reihe parkender Autos scherte ein Polizeiwagen aus und blieb vor den Wartenden stehen. „Herr Müller, Sie fahren mit den Herren zur Wache. Sobald wir das Mädchen gefunden haben komme ich zu Ihnen. Sie haben Zeit darüber nachzudenken, was sinnvoller ist. Auszusagen, um die eigene Haut zu retten, oder für Ihren Chef ein paar Jährchen hinter Gitter zu verbringen.“
Der Heimleiter nickte und stieg in den Fond des Wagens.
„So das wäre geregelt. Bitte einsteigen, es geht zum nächsten Haus.“
„Sie haben das alles schon geplant“, wollte Henry wissen. „Denken Sie ich mache meine Arbeit erst seit gestern“, gab der Beamte spöttisch zur Antwort. „So habe ich das nicht gemeint“, brummte der Anwalt verärgert.
Herr Böhler lachte schallend. „Ach wissen Sie, mich haben schon ganz andere Leute unterschätzt. Hin und wieder sehr hinderlich, doch meistens ist das mein Vorteil.“
Jan studierte die Hausnummern und rief: „Halt hier müsste es sein.“ Vor Ihnen lag ein hässliches graues, lang gestrecktes Gebäude. „Du lieber Himmel, in einem so heruntergekommenen Haus kann doch kein Kind leben“, murmelte Bert Dellert erschrocken.
Die Vorstellung, dass seine kleine fröhliche Meike sich in diesem entsetzlichen Haus befand, brachte Jan fast um den Verstand. „Herr van Draalen, wir gehen vor wie besprochen“, drangen die Worte des Inspektors in seine düsteren Gedanken. Er nickte und drückte auf die Pfortenklingel.
„Was wünschen Sie?“
„Ich möchte Herrn Groscher sprechen. Mein Name ist van Draalen. Ich bringe den Rollstuhl meiner Tochter.“
„Einen Moment Herr van Draalen. Herr Groscher kommt sofort.“ Es dauerte nicht lange, dann öffnete ein elegant gekleideter Mann eine kleine Pforte. „Sie sind Herr van Draalen?“
Jan nickte und schob Meikes Rollstuhl vor sich her durch die schmale Öffnung. „Das ist sehr nett, dass Sie sich selber bemühen. Geben Sie her, ich sorge dafür, dass Ihre Tochter den Stuhl sofort bekommt.“
„Ich will Meike besuchen. Wie geht es ihr?“
„Es geht ihr sehr gut, sie schläft. Es wäre allerdings nicht sinnvoll, Sie zu Ihrer Tochter zu führen. Nach ein paar Wochen, wenn sie sich eingewöhnt hat, ist gegen einen Besuch nichts einzuwenden. Das habe ich doch alles Ihrer Frau gesagt.“
Jan gab dem Rollstuhl in Richtung des Mannes einen kräftigen Stoß. Der elegante Heimbesitzer war darauf nicht gefasst und er taumelte überrascht einige Schritte zurück, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Das genügte, um dem Inspektor, Bert und Henry den Weg freizumachen. Herr Böhler hielt das kleine Türchen auf und plötzlich strömten Uniformierte in den Innenhof. „Was soll das! Ist das ein Überfall?“
„Nein Herr Groscher, nur eine Hausdurchsuchung. Sie sind vorläufig festgenommen.“ Handschellen schnappten zu und unter wüsten Beschimpfungen wurde der Mann abgeführt. „Er fragt nicht einmal warum er verhaftet wurde“, wunderte sich Rechtsanwalt Henry Bayer.
Inspektor Böhler lächelte grimmig: „Er braucht nicht zu fragen, er weiß genau warum. Sein Geschrei sollte nur von seiner Wut und Dummheit ablenken. Meine Herren folgen Sie mir. Wollen doch einmal hinter die Kulissen schauen.“
Jan hatte das Haus bereits betreten. Er konnte es kaum erwarten, seine kleine Tochter in die Arme zu nehmen. Sie marschierten durch lange triste Gänge. Jan überkam ein Frösteln. Wie konnten hier Kinder leben, dachte er voller Abscheu und Entsetzen. Herr Böhler legte eine Hand auf eine Klinke der vielen Türen. Sie gab nicht nach, die Türe war verschlossen.
„He was machen Sie da! Der Zutritt zu den Zimmern ist verboten. Können Sie nicht lesen?“ Die vier Männer drehten sich nach dem Sprecher um. Ein Pfleger stand vor Ihnen. Ein riesiger vierschrötiger Kerl. Der Inspektor maß den Mann von Kopf bis Fuß, dann schüttelte er den Kopf: „Sieh mal einer an, wen haben wir denn da? Ist das nicht ein alter Bekannter? Dich hier zu treffen, wundert mich aber sehr Knastcharly.“
„Herr Inspektor Böhler, was tun Sie denn hier? Ich habe nichts verbrochen, bin ganz sauber. Wie Sie sich überzeugen können, habe ich einen ehrlichen Beruf ergriffen. Was wollen Sie von mir? Sie sind doch wegen mir hier oder?“
„Eigentlich nicht Charly. Schließe diese Türe auf und alle die anderen. Ich vermute, dass alle verschlossen sind.“
„Das kann ich nicht tun. Mein Chef würde mich feuern.“
„Er kann dich nicht feuern. Er sitzt in Untersuchungshaft und so wie ich das hier sehe, wird er uns über einen längeren Zeitraum erhalten bleiben. Also los mache diese verdammte Türe auf oder...!“
„Nein denn wenn der Chef einige Zeit außer Haus ist, muss ich erst recht auf Ordnung schauen. Wissen Sie Herr Inspektor, ich bin so etwas wie die rechte Hand von Herrn Groscher. Er unternimmt nichts, ohne mich vorher um Rat zu fragen.“
„Das freut mich zu hören Charly. Du hast mir die Arbeit abgenommen. Ich verhafte dich wegen Körperverletzung und Entführung einer Minderjährigen. Bei deinen Vorstrafen, dürfte dir das entschieden mehr Jahre einbringen, als deinem sauberen Chef.“ Charly wechselte die Farbe wie ein Chamäleon.
„Woher wissen Sie das? Das können Sie nur von Groscher haben. Dieses Schwein hat mich verpfiffen. Ich habe doch nichts getan. Er hat uns zu dieser Frau mitgenommen und ich hörte, dass sie wollte, dass wir das kleine aufsässige Biest mitnehmen sollten. Das Kindermädchen ist unglücklich gestürzt, dafür kann ich nichts. Sie hat die Kleine wie eine Löwin verteidigt. Aber das darf doch eine Angestellte gar nicht tun.“
„Tja, aber das Kindermädchen liegt noch immer im Koma. Sollte sie sterben, bist du auch noch wegen Mordes dran. Dein Herr Groscher hat sich abgesichert.“
„Das zahle ich ihm heim. Ich werde Ihnen alles über diesen sauberen Mann erzählen. Dafür müssen Sie mir aber auch helfen Herr Inspektor.“
„Es genügt für das Erste, wenn du uns alle Türen ausschließt.“
„Wird gemacht Herr Inspektor.“ Eilfertig holte er einen Schlüsselbund aus seiner Hosentasche, lief von Zimmer zu Zimmer und öffnete die Türen. Der erste Raum den sie betraten, war genau so kahl und trist wie der Gang. Entsetzt blieben die Männer auf der Schwelle stehen. Jan zählte fünfzehn Betten, dicht an dicht gedrängt. Es gab weder Vorhänge noch Teppiche, weder Schränke noch Nachtkästchen. Von Bildern oder gar Blumen ganz zu schweigen. Inspektor Böhler, der in seinem Leben schon viel gesehen hatte, schaute erschüttert in die winzigen ausgemergelten Gesichtchen.
„Die Verbrecher in unseren Gefängnissen wohnen dagegen wie die Fürsten.“ Der durchdringende Geruch von Urin reizte die Nasenschleimhäute der vier Männer. „Mein Gott, wie kann man das Kindern nur antun“, rief Berthold Dellert empört. Es handelte sich ausnahmslos um Jungen, die teils apathisch in den schmutzig grauen Kissen lagen.
Rechtsanwalt Henry Bayer murmelte immer wieder: „Das darf es in unserem Jahrhundert nicht mehr geben, das ist ein Alptraum.“
„Charly wie viele Zimmer dieser Art gibt es in diesem unseligen Heim“, fuhr der Inspektor den Pfleger an.
„Auf diesem Gang sind es vier. Das hier ist das größte Zimmer. In den anderen Räumen sind nur sechs bis acht Kinder.“
„Wo sind die Mädchen untergebracht?“
„Im oberen Stockwerk Herr Böhler.“
„Deine Höflichkeit bringt dich der Freiheit auch nicht mehr näher“, brummte der so Angesprochene und folgte Jan, der mit langen Schritten auf die Treppe zusteuerte.
„Herr Böhler die Akten aus den Büroräumen sind konfisziert.“