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Manchmal ist das Glück nur einen Zufall und zwei Entscheidungen entfernt! Klara ist 49, stolz auf ihr erfolgreiches, kleines Hotel auf der Nordseeinsel Wangerooge und mit Ralph verheiratet. Sie wusste schon immer genau, was sie will, und hat gelernt sich durchzusetzen. Klara hat alles unter Kontrolle – bis auf ihre Vergangenheit, in der ein dunkles Geheimnis lauert, das sie sogar vor ihrem Mann geheim hält, und das ihr Glück bedroht. Ally ist 16, lebt in einer Wohngruppe im schottischen Edinburgh und hat keinen Plan, keine Perspektive und keine Träume. Vor lauter Schüchternheit bekommt sie kaum den Mund auf. Ihr größtes Talent ist es, sich quasi unsichtbar zu machen, und dadurch gerät sie auf die schiefe Bahn. Durch einen verflixten Zufall landet Ally auf Wangerooge und könnte sich keinen schlimmeren Ort vorstellen. Im Laufe eines Sommers aber kann viel passieren und auf einmal scheinen für beide das Glück und auch die Liebe zum Greifen nah. Aber schafft Klara es, sich ihrer Vergangenheit zu stellen und dem Leben zu vertrauen? Und was will Ally? Lernt sie, endlich für sich selbst einzustehen?
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Seitenzahl: 534
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Marie Wendland
Roman
Texte: © Copyright by Marie Wendland
Umschlag: © Copyright by Marie Wendland
Verlag: Marie Wendland
c/o AutorenServices.de
Birkenallee 24
36037 Fulda
Druck: epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Der Text enthält Verweise auf folgende Werke:
Lucy Maud Montgomery, Anne auf Green Gables, 2. Auflage, Arena Taschenbuch 2001
Lucy Maud Montgomery, Anne auf Green Gables – Auf dem Weg ins Glück, 7. Auflage, Arena Taschenbuch 2006
Lucy Maud Montgomery, Anne auf Green Gables – Schicksalhafte Jahre, 4. Auflage, Arena Taschenbuch 2002
Lynne Gessner, Das Mädchen aus dem Indianerladen, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1976
Antoine de Saint-Exupéry, Der kleine Prinz, 7. Auflage, Karl Rauch Verlag, Düsseldorf 1999
Joanne K. Rowling, Harry Potter und der Stein der Weisen, Carlsen Verlag, Hamburg 1998
Marie Wendland ist das Pseudonym einer Autorin aus dem schleswig-holsteinischen Lauenburg. Sie liebt das Wasser; die Elbe, an der ihre Heimatstadt liegt, genauso wie die nordischen Meere, sodass es sie so häufig wie möglich an die Nord- oder Ostsee zieht. Durch ihre Freude am Lesen ist sie zum Schreiben gekommen. Bei Ebbe geht das Meer nach Hause ist ihr erster Roman.
Für Oma, die das Lesen liebt
„Nein!“
Damit war es heraus und das Wort schien bedrohlich in der eingetretenen Stille nachzuhallen. Aber Klara hatte keine Zeit, sich vor sich selbst zu erschrecken. Das war nur der erste Schritt gewesen, jetzt musste es irgendwie weitergehen. Darüber hatte sie sich nur leider vorher keine Gedanken gemacht. Klara wusste nur, dass sie das hier nicht mehr wollte, dass sie nie mehr hinterherlaufen wollte, wenn sie es doch besser wusste. Also drehte sie sich langsam um und ging, ohne sich noch einmal umzusehen. Sie zögerte nicht und sie rannte nicht, auch wenn sie den Impuls dazu unterdrücken musste. Nein, Klara ging einfach, ein Schritt nach dem anderen, die Straße hinunter, aus dem Dorf heraus, sie ging immer weiter. Dabei liefen die letzten zwei Tage, die in der vergangenen halben Stunde ihren traurigen Höhepunkt gefunden hatten, wie ein Film in ihrem Kopf ab.
~
Gestern waren sie in Hamburg zu dieser Klassenreise auf die kleine Nordseeinsel aufgebrochen. Radfahren, Volleyball und eine Wattwanderung standen auf dem Programm. Dumm nur, dass einige der achtundzwanzig Siebtklässler schon viel zu erwachsen für diesen Kinderkram waren. Oder gerade noch nicht erwachsen genug, wie Klara sich im Stillen dachte. Gesagt hätte sie so etwas natürlich nie.
Das mulmige Gefühl im Magen, das sie schon Monate vor der Abreise begleitet hatte, bestätigte sich schon während der dreistündigen Busfahrt. Vorne neben dem Fahrer stand gerade Frau Blum, ihre Lehrerin für Deutsch und Kunst, mit einem Mikrofon in der Hand wie ein Reiseleiter und berichtete über ihr Ziel: Wangerooge, die östlichste der sieben bewohnten ostfriesischen Inseln, flächenmäßig das zweitkleinste dieser Eilande, 1804 zum Seebad ernannt. Klara hatte die meisten dieser Informationen bereits zu Hause in der Bibliothek nachgelesen. Zum einen wusste sie gerne, bevor sie einen Bus bestieg, wo sie ankommen würde, zum anderen war sie lieber vorbereitet, sollte sie im Unterricht danach gefragt werden. Ja, so war Klara nun einmal.
Trotzdem hörte sie Frau Blum geduldig zu, als jemand in der Sitzreihe neben ihr ihren Namen zischte. Unwillig drehte sie den Kopf: Bettina Waldschleger. Bettina gehörte zu diesen selbst ernannten Erwachsenen in der Klasse, die den erbärmlichen Zustand der Kindheit wie ein aus der Mode geratenes Shirt abgestreift hatten und somit den Übrigen natürlich haushoch überlegen waren. Zumindest in Bezug auf ihre schon sehr beachtliche Oberweite mochte das richtig sein. Klara dagegen war noch platt wie ein Brett, dafür einige Zentimeter größer als die meisten anderen Mädchen. Wie auch immer, Bettina hatte der gesamten Klasse klargemacht, wie schrecklich klug und schrecklich hübsch sie war. Dabei fand Klara sie insgeheim einfach nur schrecklich.
Jetzt säuselte Bettina süßlich lächelnd, aber mit einem teuflischen Funkeln in den Augen: „Selbst du bist eingeladen, Klara Strebermeier. Du wirst mich doch nicht enttäuschen und ablehnen, nicht wahr?“ Dabei drehte sie ein zusammengefaltetes Stück Papier zwischen den Fingern. Spelmeier, Strebermeier. Klara fiel zum gefühlt eintausendsten Mal auf, wie schlecht dieses Wortspiel mit ihrem Nachnamen doch war. Trotzdem versetzte es ihr, auch wie jedes Mal, einen Stich. Sie wollte nach dem Zettel greifen, doch Bettina zog ihn so weit auf ihre Seite zurück, dass Klara sich mit dem ganzen Oberkörper über den Gang beugen musste, um ihn zu erreichen. Natürlich bemerkte sie dabei den missbilligenden Blick von Frau Blum und hatte augenblicklich ein schlechtes Gewissen. Ja, so war Klara nun einmal.
Heute Abend in unserem Zimmer. Nach der Bettenkontrolle. Wer etwas Essbares hat, bringt es mit. Mehr stand da nicht auf dem unschuldig weißen Zettel, trotzdem reichte es, um bei Klara Übelkeit und Magenkrämpfe auszulösen. Warum sollte sie mitten in der Nacht in einem fremden Zimmer hocken? Sie wollte gar nicht wissen, was Bettina und ihr Gefolge da vorhatten. Außerdem wollte sie am nächsten Morgen nicht völlig übernächtigt sein. Außerdem… außerdem war das ganz einfach gegen die Regeln und damit tat man in Klaras Welt so etwas nicht. Bestimmt würden sie schon erwischt, wenn sie in ihren Nachthemden über die Flure huschten, wie peinlich.
Diese letzte Befürchtung würde sich allerdings nicht bewahrheiten, wie Klara in der Jugendherberge angekommen feststellte. Ob das eine Erleichterung war, wusste sie jedoch nicht, denn der nächtliche Weg in ein fremdes Zimmer blieb ihr nur deswegen erspart, da das hinterhältige Los sie in ein Zimmer mit Bettina und Co verfrachtet hatte. Da konnten die fünf Tage Klassenfahrt lang werden.
Im Endeffekt überstand Klara die nächtliche Zusammenkunft einschließlich Flaschendrehen genauso wie das Frühstück am darauffolgenden Morgen. Ja, auch das muss erwähnt werden, denn bei einer Bettina in der Klasse wurde selbst das Frühstück zum Spießrutenlauf. Zumindest wenn man wie Klara zwar noch keine Brüste, dafür aber die gleiche Menge Fettgewebe an anderen Stellen verteilt hatte. Danach brach die ganze Gesellschaft unter der Leitung von Frau Blum ins Inseldorf auf. Von der Jugendherberge aus, die im alten Westturm in den Dünen untergebracht war, bedeutete das eine kleine Wanderung. Dort angekommen folgte ein Besuch im Leuchtturmmuseum, bevor Frau Blum ihre Schäfchen in kleine Gruppen aufteilte, die das Dorf auf eigene Faust erkunden durften. Pünktlich um 15:00 Uhr würden alle wieder zum gemeinsamen Kuchenessen in der Jugendherberge erwartet.
Es versteht sich schon fast von selbst, dass Klara sich erneut in einer Gruppe mit Bettina wiederfand. Zum Glück war wenigstens auch Gaby mit von der Partie, die zu Hause in der gleichen Straße wohnte und somit seit der ersten Klasse Klaras Schulwegfreundin war. Mit drei weiteren Mädchen trabten sie daraufhin einer gelangweilten Bettina hinterher, die dem verträumten Inseldorf erwartungsgemäß wenig abgewinnen konnte. Wenn sie doch bloß die neueste Bravo hätten, um sich abzulenken… Leider hatte der Kiosk, den sie in der kleinen Einkaufsstraße schnell gefunden hatte, inzwischen Mittagspause. Bis 15:00 Uhr. Vollkommen logisch also, dass sie nicht um 15:00 Uhr im Westturm Kuchen essen würden, wenn sie jetzt warteten, bis der Laden wieder öffnete. Für Bettina war das jedoch weniger logisch oder besser gesagt war es ihr völlig egal. Wen interessierte schon die Anweisung der Lehrerin? Klara interessierte sich dafür, sehr sogar. Es würde fürchterlichen Ärger geben, wenn sie nicht pünktlich zurück wären. Außerdem, und das war vielleicht sogar noch schlimmer, würde Frau Blum sich sorgen, dass ihnen etwas passiert war.
„Wir sollten lieber zurückgehen“, begann Klara zaghaft, doch Bettina brachte sie mit einem verächtlichen Schnauben zum Schweigen.
„Gaby, überleg doch mal. Lass uns einfach gehen“, wandte sie sich noch einmal leise an die Freundin. Gaby schwankte sichtlich zwischen ihrer Freundin und dem, was sie insgeheim auch für richtig hielt, und Bettina und ihrem Gefolge, das endlich bereit schien, sie aufzunehmen.
„Bitte, Gaby!“ Klaras strahlend blaue Augen hatten einen flehenden Ausdruck angenommen und schimmerten bereits feucht. Aber Gaby schüttelte nur entschuldigend den Kopf und ließ sich neben die anderen auf den Kantstein sinken.
Klara fühlte sich plötzlich, als würde sie im stürmischen Meer ertrinken. In ihrem Kopf hämmerte es und ihre Beine waren wie gelähmt. So viel zum Thema Freundschaft!
„Siehst du“, triumphierte Bettina hämisch, „niemand interessiert sich für den ollen Kuchen und die olle Blum. Wir hängen hier lieber noch ab.“
Und dann auf einmal war es heraus: „Nein!“ Klara würde hier nicht noch weiter abhängen! Plötzlich funktionierten auch ihre Beine wieder und sie drehte sich um und ging.
~
Sie hatte noch nicht ganz realisiert, was sie da eben getan hatte (sich Bettina Waldschleger widersetzt!), als sie merkte, wie weit sie schon gegangen war. Hinter ihr lagen das Dorf und ein kleines Wäldchen, vor ihr erstreckte sich die Heidelandschaft. Zu ihrer Linken konnte sie den Deich erkennen, auf dem sie vorhin ins Dorf gelaufen waren, aber direkt vor ihr erhob sich der Westturm zwischen den Dünen. Sie konnte also genauso gut diesen Weg weitergehen, um dorthin zurückzukommen. Rechts von sich hörte sie ein rhythmisches Rauschen und wusste, dass dort hinter der hohen Dünenkette das offene Meer liegen musste. Unglaublich, dass sie schon seit fast vierundzwanzig Stunden hier war, ohne den Strand gesehen zu haben. Ein Weg aus Holzplanken führte wenige Meter vor ihr über die Düne und nach einem prüfenden Blick auf die Uhr folgte sie diesem.
Oben angekommen eröffnete sich ihr ein atemberaubender Blick auf den breiten Strand, der durch eine Reihe weißer Schaumkronen vom tiefblauen Meer getrennt war. Bis zum Horizont war da nichts außer diesem Blau und darüber der ebenfalls strahlend blaue Himmel. Überwältigt von dieser Weite hockte Klara sich auf die Planken, die von der Sonne ganz warm waren. Sie musste den Kopf nur ein kleines Stück drehen, dann konnte sie das Meer, die Insel und das Watt auf der anderen Seite des Deichs mit einem Blick erfassen.
Klara versuchte die Gedanken, die in ihrem Kopf verrücktspielten, zu ordnen, aber es wollte nicht gelingen. Hier oben schien alles ganz klar und einfach. Hier das Wasser, dort das Land, klar voneinander abgegrenzt. Wenn doch alles so einfach wäre. Sie richtete den Blick wieder auf den Horizont und atmete tief die salzige Luft ein. Der frische Wind kühlte ihr erhitztes Gesicht und wirbelte ihre honigblonden Haare herum. Mit einem Mal löste sich der zähe Nebel in ihrem Kopf, der es ihr unmöglich gemacht hatte zu denken, und sie wurde ganz ruhig. Es war so einfach. Hier das Wasser, dort das Land, hier richtig, dort falsch. Sie wusste, was für sie richtig war und sie hatte es schon immer gewusst. Also würde sie ab jetzt auch danach handeln. Aber was würden die anderen sagen? Wie würden sie sie behandeln? In diesem Moment machte ihr das keine Angst mehr. Jahrelang hatte sie versucht, sich anzupassen, nicht aufzufallen, und was hatte es ihr genützt? Gar nichts. Sie war trotzdem nur Klara Strebermeier und eine echte Freundin hatte es ihr auch nicht eingebracht. Der Gedanke an Gaby, wie sie sich in Bettinas Gefolge einreihte, tat immer noch weh. Also Schluss mit all dem. Ab heute gab es nur noch Klara Spelmeier und die stand zu sich selbst.
„Vielen Dank, hier Ihre Tickets. Möchten Sie noch einen Audio-Guide dazu buchen?“, fragte die Dame hinter der Glasscheibe des Schalters möglichst freundlich und in möglichst akzentfreiem Englisch. Tagesformabhängig fiel ihr das eine oder das andere schwerer.
Heute drängelten sich mal wieder besonders viele Touristen aus aller Welt auf dem Vorplatz des Edinburgh Castles. Alle waren vorwiegend kurz angebunden und gehetzt, um möglichst schnell dem kalten Nieselregen zu entkommen, der heute die ganze Stadt einhüllte. Da war eine Schlossbesichtigung doch die ideale Beschäftigung, um diesen Regentag sinnvoll zu nutzen. Besonders wenn man Athlet im touristischen Triathlon war und eine Stadt in kultureller, kulinarischer und architektonischer Sicht in unter einem Wochenende zu bezwingen versuchte. Eigentlich eine Verschwendung der 17 Pfund pro Ticket, dachte die Dame hinter der Glasscheibe, während sie kurz dem amerikanischen Pärchen nachblickte, das sich eilig in das erstbeste Gebäude des Schlosskomplexes schob. War doch die Aussicht vom Edinburgh Castle, das auf seinem Felsen über der Stadt thronte, mindestens ebenso viel wert, wie einen kurzen Blick auf die hier lagernden schottischen Kronjuwelen zu erhaschen. Heute war diese Aussicht aber leider nur zu erahnen. Hinter dem Nebelschleier hätte sich ebenso gut der brasilianische Dschungel, die sibirische Tundra oder ein galaktisches Portal in ein anderes Sonnensystem verbergen können. Das wäre doch mal eine echte Attraktion, überlegte unsere freundliche Ticketverkäuferin und wandte sich den nächsten Kunden zu, Koreaner ihrem geschulten Blick nach.
Im Hintergrund strömten ebenso viele Menschen schon wieder aus dem Schloss heraus, wie immer noch in einer kompliziert gewundenen Schlange auf Einlass warteten. Wie Wasser in einem Kanal strömten sie die Royal Mile, die touristische Schlagader der Old Town hinab, die von verrußten, mittelalterlichen Häusern eng umschlossen wurde. Wer den Besuch im Castle schon abgehakt hatte, konnte jetzt in Souvenirshops mit einer schier endlosen Auswahl an Schals mit Schottenkaro oder bei Bier und Burger in einem gemütlichen Pub typisch schottische Lebensart tanken. Manche wagten sich aber auch aus dem Schutz der Vordächer heraus und durch die Princes Gardens, die in dem natürlichen Graben, der die Old von der New Town trennte, angelegt waren. Auf der anderen Seite angekommen wurden sie dafür von der breiten Princes Street belohnt, an der namhafte Markenstores mit schicken Glasfronten wie aufgereiht nebeneinander lagen.
Hatte das trübe Wetter, das zu allem Überfluss schon in die zweite Woche ging, also durchaus das Potential hart arbeitenden Edinburghern die Laune zu verderben, tat es dem touristischen Erlebnis kaum einen Abbruch. Viele Besucher schienen den stetigen Nieselregen sogar als festen Bestandteil ihres Wochenendprogramms zu betrachten - typisch schottisch eben.
Einige besonders Hartgesottene spazierten sogar auf dem Calton Hill, der die Royal Mile und die parallellaufende Princes Street am östlichen Ende begrenzte und quasi auf Augenhöhe mit dem Edinburgh Castle lag. Gut in grellbunte Wetterjacken verpackt fotografierten sie in zügiger Abfolge den schmalen Turm des Nelson Monuments, das National Monument, das dem griechischen Pantheon nachempfunden war, und dieses dritte Monument, das auf jeder zweiten Postkarte der Stadt zu sehen war. Dieses runde mit den Säulen, dessen Namen sich irgendwie keiner merken konnte. Dann versuchten sie noch, durch die grauen Schwaden den Firth of Forth am Horizont auszumachen, und bewunderten pflichtschuldig den fantastischen Blick auf die Stadt. Danach konnten sie sich endlich auf den Rückweg machen, um zum nächsten Programmpunkt überzugehen. Am besten dem mit Bier und Burger.
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Hätte jedoch einer von ihnen das National Monument etwas eingehender betrachtet, das sich in seiner tonnenschweren Nutzlosigkeit (man konnte es tatsächlich noch nicht einmal betreten) düster vom grauen Himmel abhob, wäre ihm jemand aufgefallen, der es irritierenderweise nicht so eilig hatte, dem Wetter zu entkommen: Zwischen den Säulen und durch den Querträger mehr schlecht als recht von der durchdringenden Nässe geschützt saß ein Mädchen.
Zuerst fielen ihre rostroten Haare auf, die ihr lockig über den Rücken fielen. Der Rest des Mädchens verschwand fast in einem dunkelblauen Hoodie mit der Aufschrift „University of Edinburgh“. Dabei erschien ihr jeder Gedanke an ein Studium an dieser Universität genauso unrealistisch, wie den feuchten Sweatstoff auszufüllen. Beides war ihr mindestens drei Nummern zu groß. Aber eigentlich hatte sie solche Gedanken auch nie. Sie hatte mal gehört, die Zukunft sei ein Buch, dessen Seiten ein jeder selbst beschreiben konnte. Nur leider hatte sie immer das Gefühl, dass jemand in ihrem Buch schon herumgekritzelt hatte. Und das auch noch auf Chinesisch, sodass sie keine Ahnung hatte, was der Witzbold sich dabei gedacht hatte. Aber auch darüber machte sie sich eigentlich keine Gedanken. Ihr Leben war eben so, wie es war. Meistens funktionierte dieser Ansatz ganz gut. Klar, manchmal war das Leben auch einfach scheiße, aber das hatte ja wohl schließlich jeder mal, oder? Also nicht irritieren lassen und einfach weitermachen, schließlich lässt sich ja alles trainieren: Wenig Hoffnungen, keine Träume, keine großen Pläne. Dann war das Leben ok, nicht mehr und nicht weniger. Und so machte dieses rothaarige Mädchen eben das, was sie so machte. Wie zum Beispiel an einem kühlen Aprilsonntag auf dem National Monument zu sitzen und zu warten.
Heute wartete sie für ihren Geschmack aber schon entschieden zu lange. Sie war ja schließlich nicht zum Spaß hier und außerdem wurde ihr langsam kalt. Entnervt kickte sie mit ihrem Turnschuh eine gebrauchte Spritze beiseite. Ja, diese Souvenirs übersahen die Touristen immer, dabei war doch bekannt, was auf dem Calton Hill nachts so abging. Sie hatte dieses nächtliche Treiben schon des Öfteren miterlebt, trotzdem würde sie selbst nie etwas nehmen. Nur falls das jetzt jemand denken sollte.
Das Mädchen zog die Kapuze über den Kopf und duckte sich, als eine Familie mit zwei nörgelnden Kindern ziemlich dicht an ihrem Platz vorbeiging. Auf diese Leute wartete sie bestimmt nicht. Sie atmete auf, als alle vier an ihr vorbei waren, ohne sie zu bemerken. Vielleicht hatten sie sie auch gesehen, nahmen aber einfach keine Notiz von ihr. Nicht aufzufallen war fast wie unsichtbar zu sein, hatte sie festgestellt. Und das war eine Gabe.
Jetzt näherte sich ihr wieder eine Gestalt, aber dieses Mal erkannte sie schon von weitem ihre Kontaktperson. Na endlich!
„Hey, Swirrel!“, tönte der junge Mann schon, bevor er auf fünf Meter herangekommen war.
„Schrei noch lauter, Josh“, entgegnete die Angeredete mit gedämpfter Stimme und blickte dabei möglichst unbeteiligt in die andere Richtung. Man nannte sie Swirrel, Eichhörnchen, wegen ihrer roten Haare, die sie wie auch heute meist zu einem dicken Zopf band. Sie hasste diesen Spitznamen, denn er erinnerte sie ständig daran, dass ihre Haare rot waren wie eine Signalflagge. Außerdem waren die roten Eichhörnchen in Großbritannien vom Aussterben bedroht, na herzlichen Dank auch! Trotzdem war Swirrel ihr immer noch lieber als ihr richtiger Name, irgendwie anonymer.
„Stell dich nicht so an, hier is‘ doch kein Schwein.“ Josh steckte sich eine Zigarette an und blies bläuliche Kringel in den Regen.
„Jetzt sag‘ schon, was du zu sagen hast“, versetzte Swirrel entnervt, „ich hab‘ schließlich nicht den ganzen Tag Zeit.“
„Oh, die Dame hat noch Verpflichtungen“, sagte Josh gedehnt und lachte, wobei er ein grunzendes Geräusch von sich gab. Der Typ ist wie ein ganzer Bauernhof, dachte Swirrel wieder einmal, lacht wie ein Schwein, hat ein Gesicht wie eine Ratte und ist doof wie ein Schaf. Wobei das jedem Schaf gegenüber eine Beleidigung war. Sie nannte ihn insgeheim deswegen auch „Unsere kleine Farm“. Das war einer ihrer Tricks sich Dinge einzuprägen, sie dachte sich passende Spitznamen dafür aus. Vielleicht wäre sie sogar auf die Sache mit Swirrel selbst gekommen. Zum Glück brauchte sie aber noch keine Eselsbrücke um sich zu merken, wer sie selbst war.
Als Josh aufgehört hatte zu lachen, baute er sich wichtig vor ihr auf: „Heute Abend steigt das Ding. 23:00 Uhr. Bushaltestelle am Theater. Crispy wird da sein. Kannst du dir das merken?“
Swirrel schnaubte. Natürlich konnte sie sich das merken. Sie war nur ehrlich überrascht, dass Josh das auch hinbekommen hatte. Sichtlich zufrieden mit dieser Leistung, blies er jetzt weitere Kringel in die Luft. Als er sich wieder umdrehte, war der Platz auf dem National Monument leer. Das Mädchen war verschwunden.
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Swirrel grinste, als sie die Stufen vom Calton Hill hinuntereilte und unten angekommen über einen alten Friedhof huschte. Wie einfach war es doch, Josh unbemerkt stehen zu lassen. Jetzt musste sie nur noch schnell zurück in die Wohngruppe, sonst verpasste sie das Abendessen. Und das würde auffallen und Auffallen war das letzte, was sie wollte. Aber auch der Rückweg war einfach. Es war Sonntag, die Stadt war voll, da konnte sie einfach so in der Menge verschwinden. Außerdem war es ja schließlich nicht verboten, sonntagabends durch die Innenstadt zu spazieren. Sie nahm hier und da eine Abkürzung durch einen Hinterhof, dann hatte sie schon Tollcross erreicht. Dieser Stadtteil war bei weitem nicht so historisch wie die Old Town, so pompös wie die New Town oder so idyllisch wie das beschauliche Stockbridge. Dafür galt Tollcross inzwischen als in.
Swirrel bog um die letzte Ecke, dann verlangsamte sie ihre Schritte, strich sich die losen Strähnen aus dem Gesicht und ging gelassen weiter, als wäre sie nur mal kurz beim Kiosk gewesen. Das Haus, in dem ihre Wohngruppe untergebracht war, war ein schmuckloses, zweigeschossiges Gebäude, das niemandem auffiel und das von außen nicht preisgab, was sich drinnen befand. Das gefiel Swirrel irgendwie. Sie schloss lautlos die Tür auf und wollte schnell in ihrem Zimmer verschwinden, um den nassen Pulli loszuwerden. Sie hatte die Tür im ersten Stock schon fast erreicht, da hörte sie eine vertraute Stimme hinter sich: Laurel Todd, 32 Jahre alt, Sozialarbeiterin und ihre Betreuerin hier in der Wohngruppe.
„Ally?“ Sie hasste es, wenn jemand sie beim Namen rief. Das war, als würde plötzlich ein Scheinwerfer auf sie gerichtet werden. Sie ignorierte die Stimme und ging weiter, aber Laurel ließ sich nicht abschütteln. „Allison Christie, ich rede mit dir!“ Das waren jetzt mindestens zwei fette Scheinwerfer.
Unwillig drehte sie sich um und setzte ein möglichst unschuldiges Lächeln auf. „Hallo Laurel, hab‘ dich gar nicht gehört.“
Laurel überging höflich, dass das äußert unglaubwürdig war und fuhr unbeirrt fort: „Bin ich froh, dass ich dich gefunden habe, ich suche dich schon den ganzen Nachmittag. Wo warst du denn?“
„In der Stadt“, antwortete Ally ausweichend und wollte weitergehen, aber Laurel ließ nicht locker.
„Und wo hast du so abgehangen? Los, sag‘ mal, vielleicht kannst du mir ja noch ein paar coole Spots verraten“, fragte sie aufgesetzt lässig.
Ally verdrehte die Augen. „Hier und da, war nur ein bisschen an der frischen Luft.“
Laurel änderte blitzschnell die Strategie, setzte ihr strenges Erwachsenengesicht auf und versuchte es noch einmal: „Allison Christie, du bist noch nicht volljährig und ich habe die Verantwortung für dich. Du sagst mir jetzt auf der Stelle, wo du heute warst!“ Ally schwieg, was zeigte, wie wenig respekteinflößend Laurel war. Bei niemandem sonst hätte Ally sich das getraut.
„Du hast doch nicht wieder gestohlen?“, flüsterte Laurel jetzt übertrieben leise dafür, dass die beiden nach wie vor alleine im Flur waren.
„Ich habe noch nie gestohlen“, entgegnete Ally und das war die Wahrheit.
Ja, Ally schlich sich häufig fort und stromerte durch die Stadt, auch an Orte, die für ein junges Mädchen gemeinhin wenig typisch und auch wenig geeignet waren. Ja, Ally verkehrte mit Leuten, die man gut und gerne kleinkriminell nennen konnte. Neben ihrer Gabe, nicht aufzufallen, war sie klein und flink, hatte eine schnelle Auffassungsgabe und ein gutes Gedächtnis. Zudem kannte sie die Stadt inzwischen besser als ihre Westentasche. All das machte Ally zum perfekten Spitzel. Und so erfuhr so manche zwielichtige Gestalt regelmäßig von ihr, wer mit offenem Fenster schlief, unter welchem Blumentopf der Haustürschlüssel versteckt war oder welcher Hotelgast die neueste Fotoausstattung im Gepäck hatte. Dass diese Betätigung auch nicht gerade ehrenhaft war, war Ally dabei egal. Sie stahl ja nie selbst. Und außerdem achtete sie penibel darauf, dass niemand auf Grund ihrer Informationen verletzt wurde, dann passte das schon. Naja, jeder zog seine moralischen Grenzen eben anders.
Laurel zuckte die Schultern. Ally war sich nicht sicher, inwieweit sie ihr glaubte. Dass Laurel ihre Streifzüge durch die Stadt so oder so nicht guthieß, war aber ohnehin klar. Ihre Betreuerin wollte, dass Ally das tat, was Jugendliche in ihrem Alter normalerweise taten: Mit ihren Mitbewohnern in der Küche sitzen und quatschen, mit den Klassenkameraden beim Imbiss abhängen, mit der besten Freundin shoppen gehen. Blöd nur, dass Ally eigentlich keine Freunde hatte. Was hätten die auch mit jemandem anfangen sollen, der kaum einen zusammenhängenden Satz herausbrachte, wenn mehr als zwei Leute dabeistanden. Aber sie fühlte sich in Gesellschaft einfach unwohl, denn Gesellschaft hieß, dass sie unweigerlich beachtet wurde. Allein die Vorstellung, in einer Boutique eine Jeans zu probieren und sich den Ratschlägen der Verkäuferin erwehren zu müssen oder auf die plumpen Flirtversuche ihrer Mitschüler einzugehen, war ihr ein Graus. Nicht dass sie all das nicht ausprobiert hätte, es führte aber leider nur zu dem Ergebnis, dass Ally regelmäßig im Boden versinken wollte. Laurel das klar zu machen, hatte sie bereits mehrfach versucht und inzwischen aufgegeben. Trotzdem ließ die Nervensäge sie einfach nicht in Ruhe.
Deswegen wunderte es Ally auch nicht, dass Laurel sie, jetzt wieder auf die kumpelhafte Tour, fragte, ob sie nicht zusammen zu Abend essen wollten, „um mal wieder zu quatschen“. Ally wollte das natürlich keinesfalls, denn quatschen hieß bei Laurel verhören, sie nickte aber schicksalsergeben.
Dabei war es auch nicht so, dass sie Laurel nicht ausstehen konnte. Sie traute ihr sogar und das war mehr, als Ally über jeden anderen Menschen sagen konnte. Aber Laurel war trotzdem eine nervige Klette. Was Ally daran besonders störte, war, dass die Sozialarbeiterin es dabei zwar ehrlich gut meinte, das aber vornehmlich aus beruflichem Ehrgeiz und weltanschaulichen Idealen. Allison Christie war eines ihrer Projekte, deswegen begegnete Ally ihr ebenso „auf Arbeitsebene“. Irgendwann würde sie nicht mehr hier wohnen und dann würde Laurel neue Projekte haben, deswegen lohnte es einfach nicht, irgendwelche Gefühle zu investieren. Das gehörte auch zu Allys Regeln, damit das Leben irgendwie ok war und es auch bleiben würde.
Dabei musste sie zugeben, dass Laurel ihren Job gut machte, besser als alle anderen Betreuer, die sie im Laufe der Jahre kennengelernt hatte. Ihr Beruf war ganz klar ihre Berufung und fügte sich nahtlos in ihre sonstige Lebenseinstellung ein: Laurel kämpfte für eine bessere Welt! Wenn sie nicht in der Wohngruppe arbeitete, war sie Vorstandsmitglied eines interkulturellen Vereins und schrieb Petitionen gegen die Verschmutzung der Meere durch Plastikabfälle. Sie selbst benutzte natürlich keinerlei derartige Verpackungen, sondern trug stets einen abbaubaren Jutebeutel bei sich. Gleiches galt für ihren Becher aus Bambus, aus dem sie ihren Bio-Tee schlürfte. Laurel ernährte sich ausschließlich vegan und verzichtete auch bei ihrer Kleidung auf jegliche tierische Materialien. Dagegen hatte Ally auch überhaupt nichts einzuwenden, aber warum mussten ihre Klamotten denn auch sonst so „öko“ aussehen? Wahrscheinlich weil genau das Laurel gefiel und so vervollständigte diese ihr Selbst mit einer lila Haarsträhne im kurzen Pixicut, unzähligen Festival-Bändern ums Handgelenk und einer kleinen afrikanischen Gottheit aus Holz, die stets in ihrem linken Ohrläppchen baumelte. Es war also nicht schwer zu erraten, warum Ally ihr den Spitznamen „die Engagierte“ gegeben hatte. „Mutter Theresa“ hatte auch zur Auswahl gestanden, aber die war in Allys Vorstellung nicht auf so eine verbissene Weise heilig.
~
Wenig später war Ally, endlich in einem trockenen Shirt, auf dem Weg in die große Gemeinschaftsküche, die sich in einem Anbau hinter dem Haus befand. Der Raum war dank mehrerer bodentiefer Fenster hell und in freundlichem Gelb gestrichen. Ein langer Holztisch mit verschiedenen Stühlen dominierte die Küche. Einige der zwölf Jugendlichen zwischen vierzehn und achtzehn Jahren, die hier in der Wohngruppe lebten, waren bereits versammelt. Manche halfen Susan, der zweiten Sozialarbeiterin in Vollzeit, beim Kochen, andere waren in ihre Smartphones vertieft.
Keiner von ihnen sah auf, als Ally eintrat. Schnell ließ sie sich auf den Stuhl gegenüber von Laurel sinken, die ihr völlig überflüssigerweise zugewinkt hatte. Als ob man sich hier in dieser Küche verfehlen könnte. Tapfer machte sie mit Laurel Smalltalk, bis das Essen auf dem Tisch stand. Kaum hatte sie aber den ersten Bissen auf der Gabel, stellte Laurel die Frage, die sie scheinbar schon den ganzen Tag auf der Zunge hatte: „Und? Jetzt erzähl‘ doch mal. Wie soll es jetzt bei dir weitergehen?“
Ich esse jetzt, dann gehe ich schlafen und um 23:00 Uhr treffe ich Crispy am Theater, dachte Ally, aber das wollte und durfte Laurel natürlich nicht wissen. Also antwortete sie nur vage: „Mal schauen.“
„Jetzt komm‘, Ally, das kann doch nicht dein Ernst sein“, ereiferte Laurel sich, „du bist sechzehn Jahre alt, da kann man doch erwarten, dass du dir wenigstens ein paar Gedanken für die Zukunft machst!“ Ally seufzte schwer. Nein, darüber wollte sie doch nicht nachdenken, geschweige denn mit Laurel darüber diskutieren. Brachte doch sowieso nichts.
Laurel seufzte ebenfalls. Wenn sie sich Ally so ansah, war es aber auch wirklich schwer zu glauben, dass das Mädchen bereits sechszehn war: Ally klein und elfenhaft zierlich, dazu kam das blasse Puppengesicht mit den Sommersprossen und den großen braunen Augen. Der ernsthafte Blick in diesen Augen war das einzige, was Laurel stets aufs Neue dazu brachte, dieses Mädchen nicht abzuschreiben. „Gut, dann überlegen wir jetzt mal gemeinsam. Im Sommer machst du deinen ersten Schulabschluss, du könntest danach weiter zur Schule gehen.“
Diese Möglichkeit war Ally natürlich bekannt, aber wollte sie das? Das bedeutete eine neue Klasse und eine neue Klasse bedeutete zum einen neue Mitschüler. Einige davon würden sie vielleicht einfach nur kennen lernen wollen, andere waren aber bestimmt nur darauf aus, ein neues Opfer für ihre Hänseleien zu finden. Und eine Rothaarige, die wie dreizehn aussah, im Heim lebte und den Mund nicht aufbekam, war doch die Idealbesetzung für diese Rolle, nicht wahr? Zum anderen bedeutete eine neue Klasse neue Lehrer. Mindestens die Hälfte von denen würde beim Verlesen der Namensliste bei ihr hängen bleiben: „Ally Christie? Du heißt ja wie diese Schauspielerin!“ Nein, das war Kristie Alley, so viel hatte Ally nach zahlreichen Vorfällen dieser Art schon herausgefunden, auch wenn sie sich nicht erinnern konnte, jemals einen Film mit dieser Dame gesehen zu haben. Aber allein die Ähnlichkeit der Namen führte dazu, dass Ally mehr Aufmerksamkeit zu Teil wurde, als ihr lieb war. Weiter zur Schule zu gehen, erschien ihr also nicht die beste Idee zu sein.
Laurel schien ihr Schweigen auch so zu deuten und fuhr fort: „Die andere Möglichkeit ist natürlich eine Ausbildung. Da gibt es ja diverse Möglichkeiten. Was meinst du, was dir liegen könnte?“ Das war die falsche Frage, dachte Ally und stocherte lustlos in ihren Nudeln herum. Egal, was ihr vielleicht lag (wobei sie im Moment keine Idee hatte, was das sein mochte), entscheidend war doch, ob sie es auch konnte. Allein die Vorstellung ein Bewerbungsgespräch durchzustehen verursachte ihr Bauchschmerzen. Und sollte sie dann wider Erwarten doch jemand einstellen, würde sie sogar mit Kunden sprechen müssen und zusätzlich zur Schule gehen. Also auch keine gute Idee.
Da war es doch besser, sie würde sich irgendeinen Job suchen, bei dem sie nur in irgendeinem Lager Pakete packen musste und niemanden interessierte. Ally konnte sich Laurels Reaktion auf einen solchen Vorschlag aber nur zu gut vorstellen, also sagte sie nur: „Ich überleg‘ mal, ok?“ Dann entschuldigte sie sich unter einem Vorwand und verschwand auf ihr Zimmer. Der Nudelteller auf ihrem Platz war noch fast voll.
Klara Klassen, geborene Spelmeier, war immer noch eine schöne Frau. Das hielt sogar ihrem kritischen Blick in den Spiegel und der gnadenlosen Badezimmerbeleuchtung stand. Vielleicht war sie jetzt mit 49 Jahren sogar noch schöner als mit Anfang zwanzig. Ihr honigblondes Haar fiel seidig und ohne eine einzige graue Strähne über ihre Schultern. Ihre Augen strahlten immer noch in unzähligen Blauschattierungen, als hätten sie das ganze Meer in sich aufgesogen. Trotz der frühen Jahreszeit war ihr Gesicht durch die viele Zeit an der frischen Nordseeluft schon leicht gebräunt und auf der Nase zeichneten sich zarte Sommersprossen ab. Diese fielen aber kaum jemandem auf, denn außer ihrem Mann kamen nur wenige Klara jemals nah genug. Ihr stolzer Blick hielt andere auf Distanz. Mit den Jahren war aus dem Stolz, den sie sich als Teenager mühsam antrainiert hatte, echter Stolz auf das Erreichte geworden und genau dieses Selbstbewusstsein machte Klara heute so anziehend.
Sie warf einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel, dann zog sie eine praktische Fleecejacke über ihre schlanken Arme und eilte aus dem Bad. Als sie im Wohnzimmer des hellen Apartments, das in schlichtem, aber hochwertigem skandinavischen Stil eingerichtet war, nach ihrem Handy suchte, fiel ihr Blick auf das gerahmte Foto, das dort auf der Anrichte stand:
Sie selbst in einem luftigen, geblümten Sommerkleid, aus vollem Herzen lachend. Neben ihr stand ein braun gebrannter Mann mit einem spitzbübischen Grinsen, in dessen dunkles Haar sich bereits größere Mengen Grau mischten. Ralph. Niemand sonst konnte sie so zum Lachen bringen wie er, bei niemanden sonst konnte sie sich so fallen lassen. An dem Abend im letzten Sommer, an dem dieses Bild aufgenommen worden war, war er ganz spontan mit ihr zum Jahrmarkt ans Festland gefahren, in dem kleinen offenen Motorboot eines Freundes. Bei jeder Welle, die das Boot nahm, war Wasser aufgespritzt und Klara hatte jedes Mal gequietscht. In Harlesiel angekommen waren sie komplett nass und hatten an einem der Marktstände ihr Sommerkleid mit den pinken Blümchen und ein Shirt mit Sesamstraßen-Aufdruck für Ralph kaufen müssen. Klara hatte sich kaputtgelacht, als sie ihn damit gesehen hatte. Sie waren sogar mit dem Riesenrad gefahren, hatten sich dabei einen Liebesapfel geteilt und Klara hatte sich gefühlt wie ein verliebter Teenager. Dabei war sie eigentlich froh, dass sie dieses Alter hinter sich hatte. Damals hatte es Ralph noch nicht in ihrem Leben gegeben und wer weiß, wo sie heute ohne ihn wäre. In den vergangenen Jahren hatte sich alles zum Guten gewendet. Alles, außer dieser einen Sache, die nie wieder gut werden konnte. Klara erinnerte sich selbst daran, dass sie mit ihrem Leben, so wie es heute war, sehr zufrieden sein konnte.
Als sie das Apartment verließ und durch die noch menschenleeren Gänge und vorbei an der Rezeption Richtung Terrasse ging, fiel ihr dieser Gedanke leicht. Alles war nicht nur blitzsauber, sondern auch geschmackvoll und mit viel Liebe zum Detail eingerichtet. Klara hatte Stunden auf Märkten und in kleinen Boutiquen verbracht, um die Lampenschirme, Spiegel, Kerzenhalter und Zuckerdosen zusammenzutragen. Jetzt bildeten alle Teile zusammen mit den schlichten Holzmöbeln und hellen Stoffen ein harmonisches Ganzes. Ja, hier konnten die Gäste sich wohlfühlen.
Die Liebe zu Hotels begleitete Klara bereits seit ihrer Kindheit. Deswegen hatte sie nach dem Abitur zum großen Entsetzen ihrer Familie und Lehrer eine Ausbildung im Hotelgewerbe begonnen. Wie konnte sie nur? Bei ihren Abschlussnoten hätte sie Medizin oder Jura studieren können. Aber das Gefühl, sich in frisch gestärkte Bettwäsche fallen zu lassen, oder der Anblick eines liebevoll arrangierten Frühstücksbuffets, konnten ihr ein Lächeln ins Gesicht zaubern, egal wie mies der Tag auch gewesen sein mochte. Dieses Lächeln auch anderen zu entlocken, empfand sie als fast ebenso edle und sinnvolle Aufgabe, wie Kranke zu heilen oder Angeklagte zu verteidigen. Diese Leidenschaft, ihr Ehrgeiz und ihr Intellekt hatten dazu geführt, dass sie schnell in der Branche fußfasste. Sie verstand ein Hotel als das komplexe und empfindliche System, das es eben war und das nur funktionierte, wenn alle Rädchen abgestimmt ineinandergriffen. Das bedurfte einem perfekten Plan und dessen disziplinierter Umsetzung und dafür war Klara genau die Richtige. Zudem waren die Gäste schon seit ihrem ersten Arbeitstag an regelmäßig dem Charme ihrer blauen Augen, ihres Lächelns und ihrer fein gedrechselten Sätze erlegen.
Aber so höflich und charmant sie den Gästen gegenüber war, so unnachgiebig und herrisch konnte sie ihre Kollegen und später ihre Mitarbeiter behandeln. Wenn Klara wusste, wie etwas funktionieren musste (und sie wusste es in den allermeisten Fällen tatsächlich), dann sagte sie es auch. Das hatte sie sich schließlich geschworen und sie hielt sich daran. Auch wenn es ihr anfangs so schwergefallen war, dass sie sich manche Stunde weinend auf dem Schulklo verstecken musste, war es ihr irgendwann wirklich vollkommen gleichgültig geworden, was andere über sie dachten. Ja, wer nicht angreifbar sein will, wird eben hart. Dass diese Einstellung sie irgendwann in die Selbstständigkeit führen würde, hatte Ralph ihr schon prophezeit, lange bevor Klara selbst diese Idee gehabt hatte. Heute wusste sie, dass es der richtige Schritt gewesen war. Als Chefin war sie zwar gefürchtet, aber geachtet, als Angestellte aber war sie mit wachsender Erfahrung immer häufiger angeeckt.
Auch war es die richtige Entscheidung gewesen, auf diese Insel, die ihr an jenem schicksalhaften Nachmittag damals im Oktober quasi das Leben gerettet hatte, zurückzukehren. Dass es dazu gekommen war, kam Klara manchmal wie ein kleines Wunder vor. Dabei wusste sie natürlich, dass es so etwas wie Wunder rational betrachtet überhaupt nicht gab. Trotzdem erinnerte sie sich immer gerne an den Tag vor inzwischen elf Jahren zurück, an dem sie dieses Haus, das heute ihr Hotel war, entdeckt hatte. Der weniger rationale Teil von ihr, der klein, aber hartnäckig war, hatte sofort gewusst, dass das vernachlässigte Gebäude einmal ihr Hotel werden würde.
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Es war damals eine besonders stressige Zeit gewesen, was für Klara immer bedeutete, dass sie früher oder später Meerweh bekam. Unzählige Orte an der Nord- und Ostsee hatte sie mit Ralph in den Jahren zuvor bereits erkundet: Egal ob Rügen, Sylt, Büsum oder Norderney, Hauptsache der Wind wehte und der Horizont war endlos. Aus irgendeinem Grund war Klara aber ausgerechnet in diesem Jahr Wangerooge wieder eingefallen.
Ein paar Wochen später hatten die Klassens dann an einem windigen Freitag im November auf dem Oberdeck der Fähre gestanden. Als Klara die eckige Kontur des Westturms, die schemenhaft aus dem herbstgrauen Dunst auftauchte, nach fünfundzwanzig Jahren wiedersah, verspürte sie ein merkwürdiges Kribbeln in der Magengegend. Sie musste wirklich total überspannt sein! Gut, dass jetzt ein herrlich faules, verlängertes Wochenende vor den beiden lag. Am nächsten Tag schlenderten sie nach einem ausgiebigen Frühstück zunächst durch die kleine Einkaufsstraße, bevor sie zu einem ausgedehnten Streifzug über die Insel aufbrachen. Der Himmel war immer noch grau, die Heide vertrocknet und die Möwen schrien klagend, aber Klara merkte schon nach wenigen Metern, wie die Weite der Nordsee mit ihrer rauen Schönheit ihre Kraftreserven auffüllte. Sie folgten den rot gepflasterten Fußwegen immer weiter, bis sie das westliche Ende der Insel erreicht hatten. Hier war die Dünenkette zur Seeseite hin mit Beton, Asphalt und Schutt befestigt, um die Nordsee daran zu hindern, sich die Insel bei Sturmfluten Stück für Stück zurückzuholen. Stand man auf dieser Befestigung, die die Insulaner Deckwerk nannten, konnte man bei klarer Sicht westlich die Nachbarinsel Spiekeroog ausmachen, drehte man sich um 180°, hatte man einen guten Überblick über die Insel selbst. Neben dem Westturm aus dunklem Backstein und dem rot-weiß geringelten neuen Leuchtturm gab es im Inselwesten nur wenige Gebäude. Keine weiß getünchten Villen, die an Wangerooges Vergangenheit als mondänes Seebad erinnerten, oder schnuckelige Einfamilienhäuser standen hier, sondern praktische Bauten, die gemacht waren, um dem rauen Klima zu trotzen.
Klaras Blick wanderte langsam weiter Richtung Anleger, da sah sie es zum ersten Mal: Etwas abseits der anderen Gebäude, duckte sich ein Haus aus rotem Backstein in die Dünen. Ohne dass sie es hätte benennen können, hatte dieses Haus etwas an sich, dass sie wie magisch anzog. „Komm‘, Schatz, das schauen wir uns mal an!“ Sie gingen auf dem Deckwerk weiter, bis sie einen verschlungenen Dünenpfad erreichten, der direkt auf das Haus zuführte. Klara zögerte.
„Was ist denn?“, fragte Ralph. „Du wolltest es dir ansehen, also gehen wir hin.“
„Vielleicht ist das Privatgelände“, überlegte die brave Klara und sah sich so unbehaglich um, als würde sie einen Banküberfall planen.
„Steht hier ein Schild? Nö! Dann also los.“ Damit zog Ralph sie am Ärmel und schon nach wenigen Minuten hatten sie das Haus erreicht. Der Bau war länglich und schlicht und das Dach weit nach unten gezogen. Das Besondere aber waren die Fenster, die in einem leuchtenden Meerblau gestrichen waren. Hier und da blätterte die Farbe ab.
„Ich denke, hier wohnt keiner mehr“, meinte da auch Ralph und ging ungeniert um das Haus herum. Klara folgte ihm und sah, dass sich nach hinten heraus ein rechtwinkliger Anbau an das Haupthaus anschloss. Dieser wiederum reichte bis zu einem großen Holzschuppen heran, den sie für eine Scheune gehalten hätte, würde sie nicht wissen, dass es auf der Insel keine Landwirtschaft gab. Alles wirkte alt und vernachlässigt, man spürte aber noch deutlich die liebevolle Hand, die dieses Fleckchen Erde einst geschaffen haben musste. Sie gingen noch ein Stück weiter und entdeckten an der Hausseite, die zur Straße gerichtet war, ein rotes Schild mit weißer Schrift: Zu verkaufen. Ralph deutete darauf und zog vielsagend die Augenbrauen hoch.
„Quatsch!“ Klara schüttelte energisch den Kopf, ging aber noch einmal zum Haus zurück. Durch eine verstaubte Scheibe sah sie drinnen etwas, das nach einem Verkaufstresen aussah, sowie ein Gewirr aus Stühlen und einigen Tischen. „Du, ich glaube, das war mal ein Café“, überlegte sie und konnte nicht vermeiden, dass ihre Stimme aufgeregt klang. Ralph hatte bereits sein Handy gezückt und begann zu tippen. „Was machst du?“, fragte Klara skeptisch.
Ralph grinste. „Ich ruf‘ den Makler an.“ Er deutete auf die Telefonnummer auf dem roten Schild.
„Das ist verrückt!“
„Warum?“ Ralph zuckte die Schultern. „Nur mal gucken kostet ja nichts.“ Dachte Klara später an dieses Moment zurück, beschlich sie jedoch der Verdacht, dass Ralph von Anfang an die Chance gewittert hatte, sie endlich in die Selbstständigkeit zu schubsen.
Der Makler wohnte nicht weit von Harlesiel entfernt und wollte sich tatsächlich schon am nächsten Tag mit ihnen für eine Hausbesichtigung treffen. „Hab‘ ich noch nicht lange im Angebot“, erklärte er, als er umständlich die von der Feuchtigkeit verzogene Tür aufschloss, „stand aber lange leer, bevor sich die Erben jetzt zum Verkauf entschlossen haben.“
Fast ehrfürchtig betrat Klara das Haus und sah sich um. „Leider ist der Zustand nicht mehr der beste“, murmelte der Makler in ihrem Rücken, der das Haus heute anscheinend zum ersten Mal sah. „Dafür ist der Preis aber auch fair, obwohl das Grundstück allein schon ein Vermögen wert wäre.“ Mit seiner ersten Aussage hatte er dabei zweifellos Recht: Das wenige Mobiliar war alt und abgenutzt, die Wände fleckig und die Fenster zugig. Jedoch waren die Zimmer schön geschnitten und das Haus war von innen geräumiger, als es von draußen erschien.
Klaras Fantasie lief auf Hochtouren und in ihrem Kopf explodierten die Bilder. „Hier unten müsste wieder ein Café rein und draußen hat man dann eine herrliche Sonnenterrasse in den Dünen. Und in den Anbau kommen Gästezimmer.“ Der Makler führte sie jetzt durch einen Flur ins erste Obergeschoss und Klara erstarrte. „Und hier würden wir wohnen“, flüsterte sie und griff nach Ralphs Hand. In der Tat war das Zimmer, in dem sie gerade standen, außergewöhnlich: Mehrere Dachfenster ließen den Raum selbst an diesem trüben Novembertag hell erscheinen. In die Dachschräge war Richtung Westen ein großer Giebel mit einem halbrunden Fenster eingelassen, das den Blick auf die Dünen freigab. Vor allem aber konnte man von hier aus das Meer sehen, das in diesem Moment ruhig und einladend da lag, als würde es auf sie warten.
Als die beiden am Ende des Tages in einem gemütlichen Insellokal aufs Abendessen warteten, sprudelte Klara immer noch vor Ideen. Alles rein hypothetisch versteht sich.
„Soso, wollen Sie hier also ein Haus kaufen“, fragte der Wirt, als der die Getränke brachte, ohne anstandshalber wenigstens so zu tun, als hätte er nicht mitgehört.
„Das war nur so ein Gedanke, wahrscheinlich eher nicht“, schränkte Klara gleich ein, aber Ralph nutzte die Gelegenheit und erkundigte sich, ob der Mann etwas über das leerstehende Haus am Westturm wusste.
„Soso, ihr meint Idas Haus“, erwiderte dieser, als würde das alles erklären.
„Wer ist Ida?“, fragte jetzt auch Klara neugierig nach.
„Wer war Ida, ist wohl eher die Frage. Ida Paulsen, sie hat viele Jahre in dem Haus gewohnt und hatte auch lange so’n kleinen Kiosk da.“ Klara fiel ein, dass sie während der Klassenfahrt damals dort Erdbeermilch gekauft hatten. Es hatte aber auch Spülmittel, Dosentomaten und Zahnpasta dort gegeben. „Anfang der Achtziger ist ihr der Laden dann zu viel geworden“, fuhr der Wirt fort, „da war sie aber schon weit über siebzig. Ist dann aber noch bis zu ihrem Tod in dem Haus geblieben. 2000 war das, da erinner‘ ich mich noch genau dran.“
Idas Haus. Ein freudiger Schauer lief Klara über den Rücken. Das Haus hatte also wirklich eine Seele.
„Es gab auch ein kleines Café in Idas Haus, oder?“, erkundigte sie sich, als der Wirt wenig später die gebratenen Schollen (die wirklich vorzüglich waren) servierte.
„Joa, kann schon sein, dass die alte Ida da mal Kaffee verkauft hat“, brummte er. „Heute ist sowas dann ja immer gleich ein Café und es gibt Cappuccino und so’n Gedöns.“ Er verschwand, um einen anderen Tisch zu bedienen, tauchte aber wenig später wieder auf.
„Soso, Hamburger seid ihr also und wollt Idas Haus kaufen“, stellte er noch einmal fest und sah sie argwöhnisch an. „Wollt ihr dann bestimmt abreißen und so schicke Apartments bauen lassen.“
„Nein!“, rief Klara aus tiefstem Herzen. „Das Haus muss stehen bleiben. Ich würde gerne ein kleines Hotel daraus machen. Mit einem Café natürlich“, fügte sie fast schüchtern hinzu.
„Soso, ein kleines Hotel willst du daraus machen“, echote der Wirt und rieb sich den Schnurrbart. „Stell‘ dir dat man nicht so einfach vor, Deern. Da brauchst du mehr als so’n bisschen schaumige Milch. Die Touris müssen da erst mal hinkommen, in den Westen. Und wir Insulaner sind schon so’n spezielles Völkchen. Und im Winter kann‘s schon mal ungemütlich und einsam werden. Und wenn ich erst an das Haus denke…oh, oh.“ Er schüttelte sorgenvoll den Kopf und brachte ihnen unaufgefordert zwei Schnaps. „Hier, könnt ihr wohl brauchen. Aber Respekt, wenn ihr’s wirklich versuchen wollt.“
Zuerst musste Klara sich ein Schmunzeln verkneifen. Der Mann war anscheinend nicht nur reichlich konservativ, sondern hielt sie augenscheinlich auch für ein unbedarftes, kleines Blondchen aus der Großstadt, obwohl er kaum zehn Jahre älter war als sie. Dann sickerte aber langsam die Erkenntnis durch, dass er mit allem Recht hatte, und ihre Begeisterung verpuffte.
„Lass‘ uns darauf trinken“, sagte Ralph da aber und hob das kleine Glas.
„Worauf?“, erwiderte Klara gereizt.
„Darauf, dass wir ernsthaft darüber nachdenken werden.“
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Ja, sie dachten darüber nach und nicht nur das: Konten wurden geprüft und Banken konsultiert, während Klara einen ersten Businessplan ausarbeitete. Ohne wäre das ganze Unterfangen natürlich ein Himmelfahrtskommando geworden, was sie um jeden Preis vermeiden wollte. Nicht nur, dass sie existenzielle Angst vor einer Pleite hatte, ihr war es auch schlichtweg ein Graus mit diesen naiven Aussteigern in einen Topf geworfen zu werfen, die ohne Geld, ohne Plan und ohne Sprachkenntnisse in irgendein exotisches Land auswanderten und dann später in einer Reality Show wieder auftauchten.
Wenige Tage vor Ende des Jahres 2007 war dann tatsächlich der Kaufvertrag unterzeichnet, ohne dass die Klassens es schon richtig begreifen konnten. Neben dem durchdachten Businessplan hatte dabei vor allem Klaras seltsames Gefühl, dass Idas Haus sie brauchte, den Ausschlag gegeben. Was sie aber selbstverständlich niemals zugegeben hätte. Dann war aber alles ganz schnell gegangen: Die Eigentumswohnung in Hamburg wurde verkauft und stattdessen mieteten sie ein kleines Apartment, in dem Ralph unter der Woche wohnen würde. Dass er nämlich weiterhin mit seinem gut bezahlten Job als Unternehmensberater von Hamburg aus für einen gefüllten Kühlschrank sorgen würde, war wesentlicher Bestandteil ihrer Finanzierung. Klara war somit die meiste Zeit auf sich allein gestellt, als sie im März auf die Insel zogen.
Idas Haus hatte ihr einen im wahrsten Sinne des Wortes frostigen Empfang bereitet und es hatte Tage und etliche Diskussionen mit der veralteten Heizung gekostet, die klamme, abgestandene Luft aus dem Haus zu vertreiben. Schnell war klar, dass Klara ihre Ansprüche an die Renovierung würde zurückschrauben müssen, um überhaupt erst einmal die notwendigen Sanierungsarbeiten bezahlen zu können. Das aus der Not heraus geborene Weniger-ist-mehr-Konzept, wie Ralph es getauft hatte, zog sich bis heute durchs ganze Hotel. Warum neue Café-Bestuhlung kaufen, wenn man die alte doch mit etwas Beize und Zeit (ok, viel Zeit!) aufbereiten konnte? Warum in einheitliche Dekoartikel investieren, wenn gebrauchte Einzelstücke doch viel mehr Charme hatten? Warum meterweise Wände mit schweren Stofftapeten beziehen, wenn schlichtes Weiß die Einrichtung doch viel besser zur Geltung brachte? Dieser Ansatz hätte wohl leicht in einer Geschmacksverirrung à la Dauerbaustelle trifft Tante Ernas Wohnzimmer enden können, aber glücklicherweise hatte Klara auch hier gewusst, was sie tat. Vielleicht, dachte sie manches Mal, wäre es Ida so auch viel lieber gewesen. Durch die vielen Stunden, die sie allein mit dem Haus verbrachte, hatte sie inzwischen das Gefühl, die ehemalige Besitzerin zu kennen, auch wenn sie von ihr noch nicht einmal ein Foto gesehen hatte.
Was neben Klaras Händchen für Inneneinrichtung einen weiteren Segen für Idas Haus bedeutete, war die Beliebtheit, die die alte Frau auf der Insel genossen hatte. Vielen Insulanern nötigte das eine gewisse Anerkennung dafür ab, dass diese Hamburger ihr Haus erhalten wollten (Ralph vermutete ihren brummigen Wirt hinter der rasanten Verbreitung dieser Nachricht). Ohne die großzügige Hilfe der ansässigen Handwerker wäre das Hotel niemals bis zur geplanten Eröffnung im Mai fertig geworden.
Dann war da aber noch die Sache mit dem Namen gewesen. Eigentlich war das typische Vorgehen dabei kinderleicht, wie Klara schnell festgestellt hatte. Zuerst wählte man eine passende Bezeichnung für das Gebäude, wie Villa (auf der Insel gerade sehr beliebt), Schlösschen, Haus oder Residenz. Im nächsten Schritt entschied man sich für einen möglichst maritimen Begriff, der idealerweise auch noch mit Lage des Objekts harmonierte. Hoch im Kurs standen hierbei Düne, Strand, Heckenrose, Watt oder Leuchtturm. Dann musste man nur doch beide Begriffe kombinieren und schon waren idyllische Domizile wie das „Gästehaus Dünenblick“, die „Strandresidenz“ oder die „Villa am alten Leuchtturm“ geboren, die allesamt einen perfekten Urlaub am Meer versprachen. Klara experimentierte hin und her und kreierte etliche Namen, die sowohl passend als auch klangvoll waren. Leider waren sie aber auch allesamt leer und oberflächlich. Einfach seelenlos. Die beste und gleichzeitig einfachste Idee kam ihr erst wenige Tage vor der Eröffnung, sodass sie bereits Albträume gehabt hatte, ein namenloses Hotel anbieten zu müssen. Sie stand gerade im kleinen Inselsupermarkt und versuchte der Verkäuferin zu erklären, wohin ihre umfangreichen Einkäufe geliefert werden sollten: „Straße zum Westen 40, bitte.“
„Hm? Welches Haus soll das denn sein?“
„Das kleine Backsteinhaus mit den blauen Fenstern“, versuchte Klara zu erklären.
„Hm?“
„Idas Haus!“ Damit war alles klar gewesen und ihr war es wie Schuppen von den Augen gefallen: Idas Haus würde immer Idas Haus sein, genauso wie sie immer Klara sein würde und keine Heike, Marion oder Petra. Aber hätte Ida das auch so gesehen? Wieder einmal merkte Klara, wie wenig sie über diese Frau wusste, egal wie nah sie sich ihr manchmal fühlte. In ihrer Unschlüssigkeit war sie über die Insel spaziert und wie zufällig auf dem kleinen Inselfriedhof gelandet, auf dem sie zuvor ein mit Heide bedecktes Grab entdeckt hatte: In dankbarer Erinnerung an Ida Paulsen. 6. September 1904 - 17. Februar 2000. Nur wer vergessen wird, ist tot, du aber wirst leben. Gerade als Klara die Inschrift las, fiel ein Sonnenstrahl durch die Wolkendecke und brachte die weißen Lettern zum Leuchten. Ach, zum Teufel mit allen Pro-und-Contra-Listen! Es würde ihr, Klara Klassen, eine Ehre sein, dass die Erinnerung in Idas Haus weiterleben konnte.
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Klara war so in ihre Gedanken versunken, dass sie fast über die ältere Dame stolperte, die gerade aus Zimmer 8 kam. „Guten Morgen, Frau Meister! Haben Sie gut geschlafen?“
„Vorzüglich, Frau Klassen, vorzüglich“, entgegnete diese, „die Stille hier ist einfach einmalig! Und in dieser herrlich duftenden Bettwäsche zu schlafen, da fühlt man sich ja fast wie eine Prinzessin.“ Frau Meister kicherte leise vor sich hin und Klara beglückwünschte sich innerlich kurz selbst. Ja, genauso sollten sich ihre Gäste fühlen!
„Jetzt muss ich aber weiter, meine liebe Frau Klassen. Mein Helmut wartet auf seine Zeitung.“ Sie schickte sich an, den Gang hinunter zu trippeln, als Klara sie freundlich zurückhielt:
„Da werden Sie jetzt noch kein Glück haben. Heute ist noch kein Schiff gekommen, wir haben Niedrigwasser.“
„Ja, wir sind ja auf einer Insel …“, Frau Meister kicherte erneut, dieses Mal jedoch etwas hilflos. Ihre Morgenroutine war aus dem Takt geraten!
„Bei uns laufen die Uhren etwas anders, da haben Sie Recht. Aber machen Sie sich keine Sorgen“, beruhigte Klara sie, „sobald die Zeitungen angekommen sind, bringe ich Ihnen eine aufs Zimmer. Genießen Sie doch in der Zwischenzeit den Sonnenaufgang. Es ist doch ein herrlicher Morgen!“
Frau Meister wirkte ehrlich überrascht von diesem Vorschlag, einfach untätig der Sonne beim Aufgehen zuzusehen, aber nach kurzem Zögern wandte sie sich doch der Eingangstür zu. Sie war ja schließlich im Urlaub!
Zufrieden mit sich setzte Klara ihren Weg zur Hintertür fort und stand kurz darauf auf der hinteren Terrasse. Diese war auf zwei Seiten von den Gebäuden des Hotelkomplexes umschlossen, auf den anderen Seiten grenzte sie direkt an die mit Hagebutten und Strandhafer bewachsene Düne. Klara überquerte die Terrasse, die noch im morgendlichen Schatten lag, und folgte dem verschlungenen Dünenweg, der inzwischen mit Holzplanken befestigt war und durch dichtes Gebüsch fast vollständig verborgen von Idas Haus zum Strand führte. Nach wenigen Metern hatte sie den höchsten Punkt der Düne erreicht und vor ihr erstreckte sich das offene Meer. Die Brandung rollte unablässig gegen den grauen Wall des Deckwerks, was Klara heute sah, war aber vollkommen harmlos. Es war ein ruhiger Morgen. Der Wind, der ihr die Haare ins Gesicht trieb, war nur leicht und die Sonne strahlte zwischen lockeren Wolken hindurch. Noch war es kühl, aber Klara war sicher, dass ihnen ein milder Tag bevorstand, der viele Spaziergänger und Radfahrer ins Café führen würde.
Sie blieb ganz ruhig stehen und betrachtete das Zusammenspiel von Meer, Strand und Himmel. Klara kam jeden Morgen hierher und jedes Mal war sie gefangen von der Schönheit des Meeres. Egal, ob im Winter oder Sommer, bei Sturm oder strahlendem Sonnenschein, Klara liebte das Meer mit all seinen Gesichtern.
Nach wenigen Minuten wandte sie sich um, um zum Hotel zurückzukehren. Von ihrem Platz oben auf der Düne hatte sie den gesamten Gebäudekomplex im Blick, auch wenn sie jetzt blinzeln musste, um gegen die noch tief stehende Sonne etwas zu erkennen. Vieles hatte sich in den vergangenen Jahren verändert: In der ersten Saison war sie mit nur drei Gästezimmern und Cafébetrieb gestartet. Zum Glück war ihr Konzept aufgegangen und das Geschäft lief gut an. Über die Jahre konnte sie so die bestehenden Gebäude komplett ausbauen und sogar einen zweiten Flügel anbauen. Im ursprünglichen Haus befand sich heute weiterhin das Café und Bistro, das auch den Hotelgästen als Frühstücksraum diente. Im ersten Stock hatten Ralph und Klara ihre eigene Wohnung eingerichtet, genauso wie Klara es sich erträumt hatte. Der Anbau war um eine Etage aufgestockt worden und beherbergte die inzwischen zwölf Hotelzimmer. Der Holzbau war isoliert worden und diente als Saal für Feierlichkeiten. In den neu geschaffenen Zimmern darüber brachte Klara ihre Saisonkräfte unter. Der zweite Flügel war in einer Linie mit dem Haupthaus angebaut, sodass zwischen diesem und dem Hoteltrakt eine zweite Terrasse mit Grillplatz und kleinem Spielplatz entstanden war, die den Hausgästen vorbehalten war. In diesem Neubau waren sechs Ferienwohnungen eingerichtet worden, in denen Klara inzwischen viele Stammgäste begrüßen durfte. Bei allen Baumaßnahmen war Klara der ursprünglichen, schlichten Backsteinoptik treu geblieben, sodass sich das Hotel heute harmonisch in die raue Nordseelandschaft einfügte. Dieser Verzicht auf große Glasfronten, drei und mehr Stockwerke oder kastenförmige Bauwerke, die das Grundstück bis auf den letzten Zentimeter ausfüllten, hatten Klara zudem endgültig die Anerkennung der Insulaner eingebracht. Ein nicht zu vernachlässigender Fakt, wenn man auf so einer kleinen Insel heimisch werden wollte. Über das kleine Detail, das Klara stets am wichtigsten gewesen war, schüttelten aber dennoch viele den Kopf: Jedes neue Fenster musste meerblau sein.
Inzwischen waren zehn Jahre vergangen, seit sie das erste Mal mit Ralph auf dem Deckwerk gestanden hatte. In diesem Sommer würde das Hotel „Idas Haus“ Jubiläum feiern. Dieser Gedanke erfüllte Klara mit tiefer Genugtuung. Wer kämpft, konnte alles schaffen. Und was einen dabei nicht umbrachte, machte eindeutig stärker.
22:30 Uhr. Wie jedes Mal war Ally wach, bevor der Wecker ihres Handys klingelte. Sie stellte den Alarm aus, stand leise auf und zog sich im Dunkeln zügig an. Über ihren inzwischen wieder trockenen Hoodie zog sie ihre dicke Winterjacke. Die Nacht würde nicht nur empfindlich kalt, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach auch genauso nass werden wie der Nachmittag. Sie verstaute Handy und Schlüssel in den Jackentaschen, dann öffnete sie vorsichtig die Tür und schlich durch den Flur Richtung Haustür. Bei jedem ihrer nächtlichen Ausflüge war dieses erste Stück des Weges das heikelste. Heute hatte zu allem Überfluss Laurel die Nachtschicht und verbrachte die Nacht in der Wohngruppe. Und diese lauschte garantiert auf jedes kleinste Geräusch, aus Angst jemand könnte sich wegschleichen. Wie kam sie bloß auf so eine abwegige Idee? Ally grinste still vor sich hin. Als sie an Laurels Zimmertür vorbeikam, hörte sie aber von Drinnen nur monotones Schnarchen und hätte am liebsten laut losgelacht. Sie riss sich aber zusammen und ging vorsichtig weiter. Eine weitere Begegnung mit Laurel wollte sie heute um jeden Preis vermeiden!
Als sie endlich auf dem Bürgersteig stand, atmete sie auf. Geschafft. Wieder einmal. Ally blickte sich kurz prüfend um, dann schlug sie zielstrebig den Weg Richtung Festival Theatre ein. Die aufziehende Nacht hatte die Stadt verändert. Der stete Strom aus Touristen mit Kameras um den Hals war versiegt. Stattdessen teilten sich dahineilende Pärchen auf dem Weg zurück ins Hotelzimmer, aufgebrezelte Partygänger und dunkle Gestalten, die stets eine Straßenseite für sich alleine hatten, die Straßen. Von allen unbeachtet kam Ally schnell voran und erreichte pünktlich die vereinbarte Bushaltestelle. Sie lehnte sich scheinbar unbeteiligt an eine Mauer und zog das Smartphone aus der Tasche, als würde sie auf den Bus warten. Es musste auf die Minute genau 23:00 Uhr sein, als ein großer Schatten neben ihr auftauchte. Crispy war da. Obwohl das bestimmt nicht sein richtiger Name war, hatte Ally auch ihn mit einem Spitznamen bedacht. „Kastenbrot“. Damit waren sowohl sein Äußeres als auch sein Charakter vollumfänglich beschrieben. Wenigstens war er pünktlicher als sein Kumpel mit dem Rattengesicht und bewegte sich trotz seiner Statur überraschend schnell und gewandt.
Nachdem die beiden einige belanglose Worte gewechselt hatten, schlenderten sie wie ziellos auf das Theater zu. Wie geplant war die Vorstellung gerade zu Ende und das Foyer und der Platz davor füllten sich mit Menschen. Crispy blieb im Schatten einiger Müllcontainer stehen und nickte Ally zu: „Los geht’s, Swirrel, dein Auftritt!“ Oh ja, ihr großer Auftritt… Diesen Teil ihrer Verabredungen hasste Ally. Aber es half ja nichts, genau dafür war sie hier. Also strich sie sich die Haare ordentlich aus dem Gesicht, steckte den roten Zopf in den Kragen und ging auf das hell erleuchtete Foyer zu. Als Crispy das nächste Mal hinsah, war Ally bereits in der Menge verschwunden. Vor allen Augen und doch irgendwie unsichtbar schlängelte sie sich durch die Leute. Sie war doch einfach nur ein Mädchen, das gerade aus dem Theater kam und nach ihrer Begleitung Ausschau hielt. Wer würde beim Blick in ihr unschuldiges Puppengesicht schon etwas anderes vermuten. Die meisten Theaterbesucher nahmen aber ihre Umwelt ohnehin nicht wahr, sie waren noch zu gefangen in der fantastischen Welt, in die die Aufführung sie entführt hatte. Auf jeden Fall würde sich morgen niemand mehr an das Mädchen erinnern, das ihnen auf dem Weg nach draußen begegnet war.
Ally aber nahm jedes Detail in sich auf. Systematisch scannte ihr Blick jeden, der ihr entgegenkam. Dieses Pärchen hier war zu alt, dieser Herr hatte die falsche Nase. Also weitergehen. Sie musste nicht lange suchen, dann hatte sie die gefunden, wegen derer sie heute hier waren. Das Pärchen war Anfang dreißig und gut gekleidet. Er war hochgewachsen, hatte einen Seitenscheitel und trug eine schwarze Brille. Sie war mindestens zwei Köpfe kleiner als ihr Freund, blond und heute Abend auffallend hübsch zurechtgemacht. Kein Wunder, dachte Ally, dass der Typ verrückt nach ihr war.
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