Bergkristall 311 - Heimatroman - Christina Heiden - E-Book

Bergkristall 311 - Heimatroman E-Book

Christina Heiden

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Beschreibung

Nach einem schlimmen Streit mit dem Vater verlässt der älteste Sohn und Hoferbe Andreas bei Nacht und Nebel sein Heimatdorf. Statt das elterliche Anwesen zu übernehmen, will er in der Stadt als Musiker Karriere machen. Auch seine Verlobte Fanny kann Andreas nicht halten, Glanz und Ruhm ziehen den jungen Trompeter magisch an.

Tatsächlich scheinen anfängliche Erfolge Andreas recht zu geben, aber dann geschieht etwas, das seinen Traum wie eine Seifenblase zerplatzen lässt. Zu spät erkennt er, dass er den größten Fehler seines Lebens gemacht hat ...

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EPUB

Seitenzahl: 107

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Weil er daheim ein Fremder war

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy/Bastei Verlag

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6459-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Weil er daheim ein Fremder war

Als sein Traum zerplatzte wie eine Seifenblase

Von Christina Heiden

Nach einem schlimmen Streit mit dem Vater verlässt der älteste Sohn und Hoferbe Andreas bei Nacht und Nebel sein Heimatdorf. Statt das elterliche Anwesen zu übernehmen, will er in der Stadt als Musiker Karriere machen. Auch seine Verlobte Fanny kann Andreas nicht halten, Glanz und Ruhm ziehen den jungen Trompeter magisch an.

Tatsächlich scheinen anfängliche Erfolge Andreas recht zu geben, aber dann geschieht etwas, das seinen Traum wie eine Seifenblase zerplatzen lässt. Zu spät erkennt er, dass er den größten Fehler seines Lebens gemacht hat …

Obwohl Andreas nur selten Post bekam, wartete er jeden Tag gespannt auf das gelbe Auto. Am Steuer saß das schönste Madel der Welt, das er über die Maßen liebte. Fanny hieß seine Herzenskönigin. Und täglich, außer am Sonntag, brachte sie dem Vater den „Landboten“.

Wenn ihnen das Glück hold war, dann reichte Fannys kurzer Aufenthalt auf dem Oberkofler-Hof wenigstens für ein langes Busserl. Da der Oberkofler-Andreas und die Elsner-Fanny seit einem halben Jahr verlobt waren, drückten Andreas’ Eltern schon mal ein Auge zu, obwohl der Oberkofler-Bauer ein Mann von strengen Grundsätzen war.

Einem jungen Paar waren seiner Meinung nach Intimitäten erst in der Ehe erlaubt. Alles andere prangerte der Pfarrer als Sünde an, das musste gebeichtet werden. Deshalb wurde der Xaver nicht müde, seinen Sohn vor eventuellen Grenzüberschreitungen zu warnen.

Auch an diesem Morgen hielt der kräftige Bursch mit den feurigen dunklen Augen nach seinem Madel Ausschau. Und da klapperte auch schon das Fahrzeug auf den Hof. Mit großen Sätzen sprang Andreas auf Fanny zu, die soeben ausstieg – und nahm sie mit einem glückseligen Seufzer in die Arme.

„Die ganze Nacht konnt ich vor lauter Sehnsucht wieder net schlafen“, raunte er ihr ins Ohr und küsste ihren verlockenden Mund.

Fanny lachte leise. „Lass das bloß net den Vater hören“, ermahnte sie ihn und zwickte ihn verliebt in die Wange, „sonst setzt’s wieder eine Strafpredigt. Und beichten gehn musst auch.“

„Ich lass mir gar nix sagen von ihm“, behauptete Andreas, wobei er energisch das Kinn nach vorn schob. „Ich bin erwachsen und entscheid selbst, was ich tun darf und was net.“

„Nun schau net so finster drein!“, neckte Fanny ihren Liebsten und drückte ihm die Zeitung in die Hand. „Ich hab’s heute eilig, weil ich spät dran bin. Grüß deine Eltern. Wir sehen uns am Sonntag nach der Messe.“

„Und dann verdrücken wir uns und machen einen langen Spaziergang, hm? Nur wir zwei. Dabei holen wir alle Busserln nach, die wir in dieser Woche versäumt haben.“

Sie schaute ihm tief in die Augen. „Hab nix dagegen, Andreas“, hauchte sie. „Wie viele sind’s denn?“

„Tausendzweihundertvierundzwanzig“, erklärte er bestimmt, ohne nachzurechnen.

Lachend entwand sie sich seinen Armen, schwang sich wieder hinters Steuer und fuhr davon. Er winkte ihr verliebt nach. Ein Prachtmadel, die Fanny! Er konnte sich glücklich schätzen, dass sie ihn erhört hatte. An Bewerbern fehlte es ihr weiß Gott nicht.

Fanny Elsner war das charmanteste Postfräulein in der ganzen Umgebung. In den frühen Morgenstunden trug sie die Briefe im Dorf aus, ab zehn öffnete sie den Schalter im kleinen Postamt, das leider in der letzten Zeit immer wieder wegen einer möglichen Schließung ins Gerede kam.

Die Leute aus Thannrain wehrten sich nach Kräften dagegen. Denn das kleine Postamt war nicht nur ein Ort, wo man Briefmarken kaufen konnte. Dort war auch ein Kommunikationszentrum entstanden. Darum plädierten alle Dorfbewohner für die Erhaltung des Postbüros und planten schon eine Unterschriftensammlung.

„Was stehst denn in der Gegend rum und stiehlst dem lieben Herrgott die Zeit? Hast nix zu tun?“, dröhnte die gewaltige Stimme des Vaters hinter ihm.

Andreas wandte sich um und drückte seinem Vater die Zeitung in die Hand. Anschließend ging er betont langsam zum Kuhstall hinüber, ohne den Vater einer Antwort zu würdigen.

Für einen kurzen Augenblick sah es so aus, als wolle der Oberkofler-Xaver seinem Sohn noch eine Beschimpfung nachbrüllen. Aber der Bauer schien sich eines Besseren zu besinnen. Er brummte nur etwas Unverständliches vor sich hin, was nicht einmal den Hund aus der Ruhe brachte, und stapfte mit der Zeitung unterm Arm ins Haus zurück.

Andreas aber verschwand im Stall. Er warf sich ins Heu und vertiefte sich erst einmal in den neuesten Comic. Das autoritäre Gehabe des Vaters ging ihm fürchterlich auf die Nerven. Und manchmal musste er ganz schön an sich halten, dem Vater keinen Widerpart zu bieten.

Immer häufiger in der letzten Zeit redete der Oberkofler vom Austrag. Einerseits wünschte sich Andreas, dass der Vater sich vom Hof zurückzog. Andererseits verspürte er selbst wenig Lust, den Platz des Altbauern einzunehmen.

Obwohl Andreas sich in der glücklichen Lage befand, Hoferbe zu sein, schaute er nicht sonderlich erfreut in die Zukunft. Die Bewirtschaftung eines so großen Hofes bedeutete harte Arbeit das ganze Jahr über, kaum Freizeit, selten Urlaub. Und so stellte er sich sein Leben nicht vor.

Manchmal träumte er davon, in der ganzen Welt herumzufahren und auch die entferntesten Länder kennenzulernen. Natürlich zusammen mit der geliebten Fanny. Aber wenn er aus seinen Träumereien erwachte, wusste er, dass er niemals so viel Geld haben würde, sich solche Reisen leisten zu können.

Also doch auf dem Hof bleiben? Fanny heiraten, mit ihr Kinder haben und eines Tages selbst wieder den Hof an den Nachkommen übergeben? So war es Brauch bei den Bauern, so ging der Hof von einer Generation weiter auf die nachfolgende.

Als Andreas ein Geräusch vor der Stalltür hörte, sprang er auf und versteckte das Comic-Heft im Stroh. Aber es war nicht, wie gefürchtet, der Vater, sondern seine Schwester Regina, die ihm einen misstrauischen Blick zuwarf.

„Hast schon wieder gefaulenzt?“, erkundigte sie sich giftig.

„Was geht’s dich an?“, gab Andreas zurück.

Die Regina schlug in ihrer Art vollkommen dem Vater nach. Und manchmal hatte Andreas den Eindruck, dass sein Vater den Hof am liebsten der jüngeren Tochter übergeben hätte und nicht seinem rechtmäßigen Erben.

***

Am frühen Nachmittag traf Fanny in der kleinen Fremdenpension ein, die ihre Mutter bewirtschaftete. Zwar warf die Zimmervermietung keinen Riesengewinn ab, aber Berthilde Elsner hatte von Jugend auf gelernt, mit wenig zurechtzukommen. Diese Anspruchslosigkeit war auch Fanny zu eigen.

Sie konnte sich zwar wie ein kleines Madel freuen, wenn sie ein Geschenk bekam, Neid und Missgunst jedoch waren ihr bis heute fremd geblieben. Sie gönnte den anderen von Herzen ihren Reichtum, denn sie wusste, dass Geld allein nicht glücklich macht.

„Gut, dass du schon kommst. Kannst mir gleich helfen, die zwei Zimmer im Erdgeschoß herzurichten. Morgen kommen neue Gäste. Zwei Ehepaare aus Frankfurt.“

Flink ging Fanny ihrer Mutter zur Hand und erzählte dabei die neuesten Geschichten aus dem Dorf. Dass die Göllner-Annemarie noch in diesem Herbst den Wanner-Peter heiraten würde, dass bald ein neuer Lehrer ins Schulhaus kam und dass dem Bacher-Bauern in diesem Jahr schon die dritte Kuh auf der Weide verendet sei. Er habe die Gendarmen eingeschaltet. Ein Verbrechen wäre nicht auszuschließen.

„Die Tiere hat bestimmt die Alma auf dem Gewissen“, meinte Berthilde leichthin und schüttelte das Federbett auf. „Sie hat den bösen Blick.“

„Mama!“ In gespielter Verzweiflung schaute Fanny zur Decke. „Du mit deinem Aberglauben!“

„Wenn’s aber wahr ist! Schon ihre Großmutter war eine Hexe.“ Berthilde ließ sich in ihrer Meinung nicht beirren.

„Hexen gibt’s nur im Märchen, Mama“, widersprach das hübsche Madel mit dem langen Blondhaar, das jetzt am Hinterkopf aufgesteckt war. „Die Alma besitzt keine Zauberkräfte, dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Weißt du nicht, dass unzählige unglückliche Frauen im Mittelalter umgebracht wurden, nur weil man sie für Hexen hielt? Zum Glück leben wir heut. Da kann so was net mehr passieren.“

Berthilde schwieg. In der Diskussion war ihr die Tochter überlegen. Das Kind las in jeder freien Minute dicke Bücher und war auf diese Weise sehr gescheit geworden. Einerseits war die Pensionswirtin stolz auf ihre kluge Tochter, andererseits ärgerte sie sich oft, dass sich die Fanny nichts mehr sagen ließ.

Seufzend trug sie den großen Korb mit der gebrauchten Wäsche hinaus. Sofort war Fanny neben ihr.

„Gib her, Mama, das ist viel zu schwer für dich. Soll ich das gleich in die Waschmaschine stecken?“

„Geh, sei so lieb“, bat Berthilde und strich dem Madel über das goldene Haar. „Wenn du nur net so aufsässig wärst. Ein Madel darf net alles besser wissen, sonst kriegt’s keinen Mann.“

Fanny lachte laut auf und warf den Kopf in den Nacken. Einen Kommentar zu Mutters Standpauke ersparte sie sich.

Die schaute ihrem Kind wohlwollend nach. Eigentlich ist die Fanny recht wohlgeraten, dachte Berthilde voller Stolz. Erst mit sechsunddreißig war die Elsner-Berthilde schwanger geworden, zu einem Zeitpunkt, als sie schon längst alle Hoffnung aufgegeben hatte. Lange hatte ihr Glück nicht angehalten. Wenige Monate nach Fannys Geburt war Berthildes Mann durch einen Unfall ums Leben gekommen. Seitdem schlug sie sich mit dem Kind allein durchs Leben.

Aber die Fanny würde ihren Weg schon gehen, worüber sich Berthilde täglich freute. Seit ihr Kind mit dem feschen Andreas verlobt war, machte sich Berthilde keine Sorgen mehr. Nächstes Jahr wollten die beiden heiraten und gemeinsam den schönen Oberkofler-Hof bewirtschaften. Dann brauchte sich vielleicht auch Berthilde nicht mehr so abzurackern, um über die Runden zu kommen.

Sie hatte ihr ganzes Leben so hart gearbeitet, dass sie sich jetzt, mit bald sechzig Jahren, immer öfter nach Ruhe und Erholung sehnte. Der Rücken schmerzte und die Füße auch. Der Arzt in der Kreisstadt hatte vor zwei Jahren kaputte Bandscheiben diagnostiziert und zu einer Operation geraten, was für Berthilde allerdings nicht infrage kam.

Am frühen Abend bereitete Fanny einen leichten Imbiss zu. Mutter und Tochter aßen gemeinsam.

„Auf den Andreas wartet auch noch eine Überraschung“, erzählte Fanny, die als Kommunikationszentrale natürlich über alles, was im Dorf geschah, informiert war. „Er weiß es nur noch net. Ich will’s ihm auch erst sagen, wenn’s ganz hundertprozentig sicher ist. Der Bürgermeister für die Feuerwehrmusik ein Konzert in München vereinbart.“

„Da wird Andreas aber stolz sein!“, freute sich Berthilde. „Wirst du mitfahren?“

„Ich weiß es noch net“, erwiderte die Fanny von der Post. „Kommt drauf an, an welchem Wochentag das Gastspiel stattfindet.“

„Keiner bläst die Trompete so schön wie dein Andreas“, meinte Berthilde versonnen. „Du kannst stolz auf ihn sein.“

„Bin ich ja auch, Mama“, gab Fanny zurück. „Ich hab ihn so von Herzen lieb, dass ich mir gar net denken kann, einen anderen zu heiraten.“

„Lass dir bloß von deinem zukünftigen Schwiegervater nix gefallen“, riet Berthilde ihrer Tochter. „Der Oberkofler kann sehr jähzornig sein. Ich kenne ihn. Schon als Kind war er unberechenbar. Nicht geschenkt hätt ich ihn haben wollen.“

„Mach dir keine Sorgen, Mama. Ich komm schon zurecht. Und den Oberkofler-Xaver wickle ich um den Finger, wenn’s sein muss. Der ist gar net so bärbeißig, wie er tut. Man muss ihn nur zu nehmen wissen. Er hat einen weichen Kern.“

Berthilde war zwar anderer Meinung über den Oberkofler, sagte aber nur: „Hoffentlich hat der Andreas net den Charakter vom Vater geerbt. Manchmal machen sich die schlechten Eigenschaften erst später bemerkbar.“

Fanny lächelte wissend. Sie kannte ihren Andreas und wusste, dass er eine Seele von Mensch war. Rasch erledigte sie den Abwasch, dann zog sie sich in ihre Kammer zurück, um noch eine Weile vor dem Schlafengehen zu schmökern.

Den geliebten Burschen würde sie erst morgen wiedersehen.

***

Regina Oberkofler war schon doppelt so lange verlobt wie ihr Bruder. Andreas’ Schwester empfand zwar keine heiße Liebe für ihren Peter, der nächstes Jahr schon vierzig wurde, aber er war ein rechtschaffener Mann. Vor fünf Jahren war ihm die erste Frau an Leukämie gestorben. Nach einer Trauerzeit von einem Jahr hatte er angefangen, Regina den Hof zu machen.

Im Gegensatz zu ihrem Bruder schlug die ein Jahr jüngere Schwester ganz dem Vater nach, nicht nur in ihrem Wesen, sondern auch äußerlich. Die Oberkofler-Regina war ein großes Madel mit breiten Hüften und derben Händen. Wär sie ein Bursch gewesen, hätte man sie vierschrötig nennen können. Es gab nicht viel, was Bruder und Schwester sich zu sagen hatten, aber um die Eltern nicht zu betrüben, bemühten sich beide um ein höfliches Miteinander.

Regina wäre liebend gern Bäuerin geworden, aber der Hof stand nun mal dem Andreas zu. Und Peter, der in der nahen Kreisstadt ein winziges Eisenwarengeschäft betrieb, mit dem er sich gerade so über Wasser halten konnte, hatte zwar sein Leben lang Bauer sein wollen. Doch er besaß keinen Hof.