Bernd Rassmussen - Johannes Weinand - E-Book
NEUHEIT

Bernd Rassmussen E-Book

Johannes weinand

0,0

Beschreibung

Den Verbrechern gelingt es, die medizinische Zukunft, in dem Bereich Gensynthese, Sub-Klonierung, Variantenbibliotheken, DNA-Kloning zu beschleunigen und das Designer-Baby zu kreieren. Bernd bekommt Informationen, dass bei einer Tagung der führenden Profiler, die in Montreal stattfinden soll, diese umgebracht werden sollen. Dabei geht es im Besonderen um Bernd Rassmussen und vier weitere Profiler. Es stellt sich heraus, dass die Verbrecher in die Zukunft planen und die, die zu einem Profiling fähig sind, das zukünftige Verbrechen zu erkennen, zwingend umgebracht werden müssen. Der Anschlag wird vereitelt und Bernd gliedert die vier Profiler in sein Team ein und bringt sie in ein Safe House. Damit beginnt die Jagd auf den Deutschen, der als einziger weiß, wo die Profiler geblieben sind. Unter Einsatz seines Lebens und dank der guten Arbeit seines Teams, werden die Jäger zu Gejagten.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 609

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Johannes Weinand

Rassmussen Band 4

Der Kopf des Drachen

Johannes Weinand

Der Kopf des Drachen

Thriller

Rassmussen Band 4

Impressum

Rechtsinhaber/Autor: Weinand Johannes, [email protected]

Covergestaltung: Constanze Kramer Constanze Kramer, coverboutique.de

Bildnachweise:©Shawn M. Kent, ©peerasak, ©Дмитрий Василега – stock.adobe.com ©dell640, ©kiuikson – depositphotos.com 

Lektorat: Inga Heininger

© 2024 Johannes Weinand

ISBN Softcover: 978-3-384-30134-5

ISBN-E-Book: 978-3-384-30135-2

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Bibliographische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiographie, detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de

Inhalt

Cover

Halbe Titelseite

Titelblatt

Urheberrechte

Le Mount Stephan Hotel, Montreal

Flughafen Frankfurt

Flensburg

Frankfurt Ost

Zentrale Flensburg

Militärflugplatz Betheny, Reims

Vandieres

Chateau de Vic sur Aisne

Drei Jahre zuvor

Zentrale der Sondereinheit in Flensburg

Oslo

Oxford

Oslo

Eine Woche später in Flensburg

Moskau

Eine Schwangerschaft

48 Stunden später

4 Tage später

Entführung

Ein Team

Die Entführung

Die Spur

Eine kleine Unterhaltung

Der andere Tag

Puschkin

Arthur Boudin

Puschkin, die Jagd.

Arthur Boudin, Teil 2

Der Kopf des Drachen 1.Tag

Kommandozentrale Puschkin, derselbe Tag, abends

Paris, derselbe Tag, abends

Der Kopf des Drachen, erster Tag, abends

Paris, einen Tag später

Der Kopf des Drachen, 2. Tag

Der Kopf des Drachen, 3. Tag

Paris, 4.Tag

Der Kopf des Drachen 4. Tag

Puschkin 5. Tag

Puschkin 6. Tag

Karelien

Madrid

Ein Tag später

1700 Uhr, der Einsatz beginnt

Die Nacht

4 Wochen später, Indien

San Franzisco

Epilog

Bernd Rassmussen

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Le Mount Stephan Hotel, Montreal

Epilog

Bernd Rassmussen

Cover

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

41

42

43

44

45

46

47

48

49

50

51

52

53

54

55

56

57

58

59

60

61

62

63

64

65

66

67

68

69

70

71

72

73

74

75

76

77

78

79

80

81

82

83

84

85

86

87

88

89

90

91

92

93

94

95

96

97

98

99

100

101

102

103

104

105

106

107

108

109

110

111

112

113

114

115

116

117

118

119

120

121

122

123

124

125

126

127

128

129

130

131

132

133

134

135

136

137

138

139

140

141

142

143

144

145

146

147

148

149

150

151

152

153

154

155

156

157

158

159

160

161

162

163

164

165

166

167

168

169

170

171

172

173

174

175

176

177

178

179

180

181

182

183

184

185

186

187

188

189

190

191

192

193

194

195

196

197

198

199

200

201

202

203

204

205

206

207

208

209

210

211

212

213

214

215

216

217

218

219

220

221

222

223

224

225

226

227

228

229

230

231

232

233

234

235

236

237

238

239

240

241

242

243

244

245

246

247

248

249

250

251

252

253

254

255

256

257

258

259

260

261

262

263

264

265

266

267

268

269

270

271

272

273

274

275

276

277

278

279

280

281

282

283

284

285

286

287

288

289

290

291

292

293

294

295

296

297

298

299

300

301

302

303

304

305

306

307

308

309

310

311

312

313

314

315

316

317

318

319

320

321

322

323

324

325

326

327

328

329

330

331

332

333

334

335

336

337

338

339

340

341

342

343

344

345

346

347

348

349

350

351

352

353

354

355

356

357

358

359

360

361

362

363

364

365

366

367

368

369

370

371

372

373

374

375

376

377

378

379

380

381

382

383

384

385

386

387

388

389

390

391

392

393

394

395

396

397

398

399

400

401

402

403

404

405

406

407

408

409

410

411

412

413

414

415

416

417

418

419

420

421

422

423

424

425

426

427

428

429

430

431

432

433

434

435

436

437

438

439

440

441

442

443

444

445

446

447

448

449

450

451

452

453

454

455

456

457

458

459

460

461

462

463

464

465

466

467

468

469

470

471

472

473

474

475

476

477

478

479

480

481

482

483

484

485

486

487

488

489

490

491

492

493

494

495

496

497

498

499

500

501

502

503

504

505

506

507

508

509

510

511

512

513

514

515

516

517

518

519

520

521

522

523

524

525

526

527

528

529

530

531

532

533

534

535

536

537

538

539

540

541

542

543

544

545

546

547

Le Mount Stephan Hotel, Montreal

Es war ein durchaus angenehmer Flug, den der Profiler aus Deutschland, Bernd Rassmussen, hinter sich gebracht hatte.

Die Reise, die über Frankfurt führte, mit einem Zwischenstopp in Paris, war ohne weitere Schwierigkeiten verlaufen. Wie es bei solchen Langstreckenflügen üblich, hatte Bernd die 1. Klasse gebucht. So stand er jetzt ausgeruht vor dem Gepäckband und wartete auf seinen kleinen Reisekoffer, den seine Freundin ihm liebevoll gepackt hatte. So sollte er die Zeit auf dem internationalen Kongress für freie und angestellte Profiler gut gekleidet bestehen können.

Er hatte das Glück, dass seine Freundin Pauline Chen immer für die angemessene Kleidung sorgte. Dabei vergaß sie nie, der unauffälligen Note seiner Kleidung einen Punkt aufzusetzen, der gleich wieder als Hingucker durchging. Eine der Gaben, die er besonders an der jungen Frau schätzte.

So war es auch diesmal. Obwohl er einen 9 Stunden Flug hinter sich hatte, sah er aus, wie aus dem Ei gepellt. Dabei passte die neue, an der Grenze des extravaganten konditionierte Lederjacke perfekt zu seinem unauffälligen Äußeren. Pauline unterließ es auch nicht, ihm Verhaltensmaßregeln mitzugeben, die ihn unauffällig auffällig werden ließen. Die Verhaltensmaßregeln gegenüber einer hübschen oder hässlichen Zollbeamtin, oder einem einfachen oder arroganten Zollbeamten, gehörten genauso dazu, wie das gezielt selbstsichere oder unsichere Auftreten gegenüber anderen. Es war wie immer, wie ein Spiel, was die beiden spielten.

Für den Profiler war es zu einem Spiel geworden, diese Ratschläge auszuprobieren, und er zog den Hut vor der Findigkeit seiner Partnerin. Denn Pauline hatte ihn mit ihren Ratschlägen noch nicht enttäuscht.

Diese International Profiler Connection IPC, wurde das erste Mal und dann alle 2 Jahre von der IPA International Profiler Assoziation durchgeführt.

Für Bernd Rassmussen war es auch das erste Mal, dass er an solch einem Treffen von Spezialisten, die weltweit tätig waren, teilnahm. Sein Chef Georg Bauer, der Staatssekretär des Innenministeriums in Schleswig-Holstein, war nicht nur Vorgesetzter, sondern auch ein enger Freund. Er war der einzige Vorgesetzte des Teams um Bernd Rassmussen. Er hatte die Einladung für den Profiler bekommen. Aber wenn der Flensburger ehrlich zu sich selbst war, hatte er keine Lust zu solchen Veranstaltungen. Es war mehr die Stadt Montreal, die ihn reizte.

Seine Tante Kunigunde hatte sich mit dem Staatssekretär abgesprochen und ihn bei dem Kongress angemeldet. Als Chefin der anerkanntesten Sicherheitsfirma der Welt war sie interessiert daran, dass ihr Neffe die beste Ausbildung bekam, die nötig war. Er sollte später einmal der Vision folgen, ihre Sicherheitsfirma zu einer weltweit besten agierenden Detekteien, nach dem Vorbild Pinkertons, aufzubauen.

Die Verbindungen, die ihr Pauline Chen ermöglichte, indem sie eine Verbindung zu ihrer Organisation schaffte, hatte sie und ihre Agentur einen gewaltigen Schritt nach vorne gebracht, ihre Vision zu verwirklichen. Ihr war aber auch klar, dass dieses schmale Band des Vertrauens, das zwischen ihr und Pauline entstanden war, sehr brüchig war. Obwohl Pauline im Netz der Schatten genannt wurde, war die junge Frau immer noch abhängig von Anderen.

Taktische Spielchen konnte sie mit der jungen Frau nicht treiben. Es ging nur über den einen Weg und das war die Ehrlichkeit und das Vertrauen. Es war eine Verbindung, die immer wieder bestätigt werden musste. Würde sie einmal das Vertrauen brechen, bekäme ihre Vision Risse, deshalb behandelte sie Pauline wie ein rohes Ei. Für sie, eine gestandene Frau, war das eine ganz neue Erfahrung.

So befand sich Bernd immer noch wartend am Gepäcktransportband des internationalen Flughafens Pierre Elliott Trudeau von Montreal und beschäftigte sich mit einem seiner liebsten Hobbys, der Beobachtung und Beurteilung von Menschen.

Diese Gabe, die ihm mit in die Wiege gelegt worden war, gehörte zu ihm, wie die Nase zu seinem Gesicht. Es war ein Hobby, das er in seiner Vielfältigkeit bis zur Perfektion beherrschte. Dabei machte er sich schon keine Gedanken mehr darüber, was er sah, sondern richtete sich über die Signale aus, die die Probanden ihm sendeten. Für ihn als Profiler war es reines Training, und wenn er sich langweilte, trainierte er eben und es konnte sein, dass er oft trainierte.

Das leise Klingeln und Vibrieren, das er aus seiner extravaganten Lederjacke hörte, ließ ihn aus seinen Trainingseinheiten hochschrecken und zum I-Phone greifen. Er konnte sich schon denken, wer ihn hier in Montreal anrief, und so lief ein leises Grinsen über seine Lippen, als er die Verbindung herstellte.

„Hallo, mein Schatz, hat es dich mal wieder in den Überwachungsmodus verschlagen?“

„Ja sicher, mein Liebster. Ich muss doch wissen, dass du nicht anderen Frauen nachschaust. Dreh dich einmal um und winke zum Eingang. Ich habe dich voll im Blick, es entgeht mir nichts.“

Bernd lachte und winkte müde zum Eingang. Die Leute, die neben ihm standen, schauten ihn verwirrt an, als sie in dieselbe Richtung schauten und niemanden zurückwinken sahen.

Bernd, der wusste, dass Pauline ihn nicht ohne Grund anrief, fragte ohne Umschweife: „Du rufst doch nicht ohne Grund an. Was ist los?“

„Einmal die gute Nachricht. Karl ist wieder zurück und top fit. Er sitzt schon wieder im Büro. Die zweite Nachricht, sie ist von unserem gemeinsamen Freund aus Kiel, Dr. Bauer. Er hat einen neuen Auftrag für uns, es geht um ausufernde Sub-Klonierung, kundenspezifische Zell-Klonierung und noch mehr. Eben alles, was man mit CRISPR verändern kann und gegen bestehende Menschenrechte verstößt. Es ist die beginnende Bio-Revolution, die sich breitmacht und Möglichkeiten aufzeigt, die die normale Evolution in den Schatten stellt. Dann hat Bruno Faller sich gemeldet. Du weißt ja, dass er wieder in Nigeria ist und an einem Impfstoff gegen Ebola arbeitet. Er schreibt: „Hallo Bernd, alter Freund, nachdem ich meine neue Spezialität entdeckt habe, macht es mir Spaß, das Weltgeschehen zwischen den Zeilen verfolgen zu dürfen. Ich möchte euch warnen, es sind Mächte am Werk, die die Bio-Revolution nach vorne treiben, ohne auf die Spezies Mensch Rücksicht zu nehmen. Das größte Problem sehen die riesigen Konzerne darin, dass Männer wie du, ihnen auf die Schliche kommen könnten. Deshalb ist ein Mordauftrag an alle führenden Profiler herausgegangen, die in der Lage sind, zukunftsorientiertes Profiling zu denken. Dabei ist auch dein Name gefallen. Ich habe noch nicht herausgefunden, wer die Auftraggeber sind, aber ich weiß, dass die ersten des Verbandes der IPA in Montreal sterben sollen. Pass auf dich auf, mein Junge. Wenn ich mehr weiß, werde ich Pauline über eine sichere Leitung informieren.“

„Ich finde, das hört sich doch besorgniserregend an, und es passt genau zu dem neuen Auftrag von Georg Bauer. Ich weiß, dass ich dich von dem Treffen nicht mehr abhalten kann, Schatz, deshalb sei vorsichtig. Ich habe Verbindungen nach Montreal, wenn du willst, stelle ich dir ein paar Schatten zur Verfügung.“

Bernd hatte aufmerksam zugehört, ohne seine Freundin zu unterbrechen. Der Geschmack in seinem Mund war fahl geworden, was ihm immer passierte, wenn eine neue Herausforderung an ihn herangetragen wurde. Für ihn war es nichts Neues, in Gefahr zu sein. Aber er erfasste, ohne weitere Informationen zu haben, dass sie es mit einer neuen Art von Verbrechen und Aufklärung zu tun hatten. Es ging nicht unbedingt darum, Verbrechen aufzuklären, sondern Verbrechen der Zukunft zu erkennen, um sie zu verhindern.

Gedankenversunken hatte er es verpasst, seinen Koffer vom Laufband zu heben, was ihm genug Zeit gab, seiner Freundin zu antworten.

„Sammle so viele Informationen zusammen, wie du bekommen kannst. Wir brauchen Konzernnamen und Einzelnamen. Dränge Benno nicht zu weiteren Informationen, er wird sich melden, wenn er etwas im Netz sieht. Es scheint, dass Dr. Bauer seinen Auftrag von Stellen hat, die vielleicht in das Problem involviert sind, oder Konkurrenten. Du kennst unser Spektrum zu denken. Mit Georg Bauer spreche ich, wenn ich wieder zu Hause bin. Dein Angebot einer Bewachung nehme ich gerne an, aber so unauffällig wie möglich. Ich liebe dich.“

„Wird alles erledigt. Pass auf dich auf.“

Die Verbindung wurde unterbrochen, und Bernd stand noch einen Moment wie paralysiert am Förderband, als er im letzten Moment seinen Koffer vom Band fischte und sich in Richtung Ausgang bewegte. Lächelnd ging er auf eine junge Zollbeamtin zu, legte ihr den Pass vor und ließ sich begutachten. Die Begutachtung fiel wohl positiv auf, denn sie fragte mit einem entwaffnenden Lächeln: „Was ist der Grund Ihres Besuches, Sir?“

„Wir haben eine Tagung des IPA, Vertiefung der französischen Sprache und natürlich etwas Sightseeing. Montreal soll wunderschön sein.“

Mit einem gewinnenden Lächeln antwortete die junge Zollbeamtin: „Dann möchte ich Sie davon nicht abhalten.“

„Danke, Madam.“

Bernd war gerade im Begriff weiterzugehen, als er von einem baumlangen Schwarzen angehalten wurde, der hinter der jungen Frau stand. Der ihn zwar freundlich, aber auch sehr konsequent fragte: „Was ist die IPA?“ Dabei sah Bernd nicht, wie er hinter der abgedunkelten Sonnenbrille fixiert wurde.

Bernd stellte seinen Koffer wieder ab, den er schon in der Hand hatte und erwiderte lächelnd: „International Profil Assoziation.“

„Dann wünsche ich Ihnen eine erfolgreiche Tagung, Mr. Rassmussen.“

„Sie kennen meinen Namen?“

Der Schwarze deutete auf den Scanner und lachte: „Gelesen.“

„Danke, Sir.“

Bernd wandte sich grinsend ab und sah nicht mehr, wie der Zöllner einige Worte in sein Schultermikro sprach und dem deutschen Profiler noch lange nachsah.

Keiner bemerkte die instinktive katzenhafte Gewandtheit, die der Profiler immer dann annahm, wenn er eine Gefahr spürte. Nach außen unauffällig, sicherte er seinen Weg mit Blicken, der ihn zum Taxi bringen sollte. Dann passierte Bernd den Eingang des Flughafengebäudes und wurde von der lauwarmen Sommerluft Montreals empfangen, die sich noch von der Sonne verstärkt, an den asphaltierten Flächen aufgewärmt hatte. Der Wind, der vom Sankt–Lorenz-Strom kommend, den Flugplatz querte, sorgte für frischen Sauerstoff und drückte den Geruch von Kerosin in die Atmosphäre.

Bernd fühlte sich auf Anhieb wohl und nahm sich vor, Montreal noch einmal mit seiner Freundin Pauline zu besuchen. Aber die Konzentration hatte ihn sofort wieder gefangen, und so stieg er in das Taxi ein, das als erstes in einer langen Schlage stand.

„Le Mount Stephan Hotel, bitte. “

Der Fahrer, ein typischer Franzose, zwischen 50 und 60 Jahre alt, klein und kompakt mit einem Barett auf dem Kopf, war sehr schweigsam, was Bernd verwunderte und ihn noch vorsichtiger werden ließ. Er saß auf der Rückbank, als sein I-Phone wieder klingelte. Sofort stellte er die Verbindung her.

„Ja, Pauline.“

„Ich nehme an, dass du im Taxi sitzt. Wenn du aussteigst, fotografier einmal die Nummer und schick sie mir rüber. Ab dem Hotel bist du unter ständiger Überwachung.“

„Ich nehme an, dass erst etwas passieren wird, wenn alle Profiler zusammen sind. Sorge bitte für eine lückenlose Satellitenüberwachung des Hotels und auch 2 Straßenzüge um das Hotel herum. Sobald ich da bin, werde ich mich mit dem Vorsitzenden in Verbindung setzen, der soll dann weitere Maßnahmen ergreifen.“

„Ich werde sehen, was wir an Satelliten zur Verfügung haben. In deinem Hotelzimmer liegt unter dem Kopfkissen eine Glock. Wenn du die Stadt verlässt, wirst du sie am Flughafen, in der Herrentoilette, in den Mülleimer werfen. Sorge bitte dafür, dass du immer in den Ecken stehst und von mindestens zwei Seiten gedeckt bist. Aber das sage ich ja keinem Anfänger.“

„Was sollte ich ohne dich machen?“

„Pass du auf dich auf. Wir haben hier volle Besetzung und passen auf dich auf.“

Die Verbindung wurde unterbrochen. Bernd hatte leise gesprochen und während des Gespräches den Fahrer beobachtet, der zwar aufmerksam war, aber nach außen den Eindruck erweckte, sich nur auf die Straße und den Verkehr zu konzentrieren. Dem jungen Profiler aus Deutschland war klar, dass er bereits unter Beobachtung stand.

Der Verkehr war nicht so dicht, und der Fahrer bewältigte die Strecke von 12 Kilometern in 45 Minuten. Als sie vor dem Hotel Le Mount Stephan angekommen waren, bewunderte er die zeitgenössische Fassade. Dahinter verbarg sich ein modernes Hotelhochhaus, das mit allen Annehmlichkeiten eines First-Class-Hotels ausgestattet war.

Der Fahrer sprang aus dem Taxi und wollte Bernd die Tür öffnen, aber dieser hatte schon die Initiative ergriffen und war ausgestiegen. Wieder nach allen Seiten sichernd, sah er sofort, wo die Schwachpunkte waren. Bei einem Anschlag mit einem Gewehr, hatte man praktisch keine Möglichkeit, sich zu verteidigen. Er nahm sich vor, den Tagungsraum heute noch zu sichten.

Er bezahlte den Taxifahrer, gab ihm ein gutes Trinkgeld, nahm seinen Koffer und ging die Freitreppe hinauf. Ihm gefiel der Baustil, und er war gespannt, wie es von Innen aussah. Der rote Teppich, der ihn bis zum Eingang führte, endete vor einem älteren Herren in Livree, der ihn freundlich begrüßte und ihm dann die Tür aufhielt. Bernd trat ein und wurde fast von der üppigen Einrichtung, die sich dem zeitgenössischen Stil der Außenfassade anpasste, erschlagen. Fast alles in dunklem Holz gehalten, strahlte es eine Ruhe aus, die den Besucher automatisch leise sprechen ließ.

Mit wenigen Blicken hatte er den großen Raum gescannt, und trat in seiner ruhigen Art an die Rezeption, die gerade ein anderer Gast verließ. Genau wie man es aus Klischee eines alten Filmes kannte, stand ein älterer Herr hinter dem Tresen, der in einem sehr teuren Anzug gekleidet war. Neben ihm befand sich seine Assistentin. Beide strahlten Ruhe und Übersicht aus. Sie schauten ihn erwartungsvoll an, und als er eine imaginäre Grenze überschritten hatte, begrüßten sie ihn freundlich.

„Guten Tag, Sir. Willkommen im Le Mount Stephan Hotel. Wir hoffen, Sie hatten eine angenehme Anreise.“

„Vielen Dank. Mein Name ist Rassmussen, es wurde ein Zimmer für mich gebucht.“

„Ja, Bernd Rassmussen aus Deutschland?“

Bernd nickte nur und unterschrieb die Anmeldung, die ihm gereicht wurde.

„Sie sind zur Tagung der IPA hier?“

„Ja. Sind alle Teilnehmer, die zur Tagung eingeladen wurden, schon eingetroffen?“

„Ja, Sir. Die Damen und Herren warteten nur noch auf Sie.“

„Ich dachte, das Programm fängt erst morgen an.“

„Das ja, Sir. Mister Snider, der Vorsitzende der IPA lädt zu einem gemeinsamen Dinner ein, das um 17.30 Uhr beginnen soll.“

„Ist das auch im Tagungsraum?“

„Nein, Sir. Der Tagungsraum ist im Obergeschoss des hinteren Gebäudes, mit einem wunderbaren Blick über einen großen Teil der Stadt.

„Wo findet das Dinner statt?“

Der Empfangschef zeigte in eine bestimmte Richtung und sagte: „Dort, Sir. Es ist extra für die IPA hergerichtet worden.“

„Wunderbar, dann werde ich mich um 17.30 Uhr dort einfinden.“

„Die Leitung des Hotels ist glücklich, die IPA in ihrem Haus begrüßen zu dürfen. Wenn Sie irgendwelche Wünsche haben, lassen Sie uns es wissen, wir werden sie umgehend erfüllen“

Nach dem Austausch von Höflichkeiten übergab der Rezeptionschef die Schlüsselkarte und bemerkte noch: „Eines unserer schönsten Appartements, mit einer wunderbaren Aussicht. Der Boy bringt Sie hoch.“

Bernd nickte noch einmal dankend und folgte einem jungen Mann, der als Page in einer dezenten Uniform steckte. Als sie zusammen im Aufzug standen und nach oben fuhren, steckte Bernd dem jungen Mann 20 kanadische Dollar zu.

„Sagt Ihnen die IPA etwas?“

„Ja, Sir. Die Tagung findet morgen statt.“

„Ich brauche die Tagungsliste und die Zimmernummern der Teilnehmer.“

Der junge Mann schaute Bernd zweifelnd an und blickte kurz auf den 20 Dollar Schein.

Bernd hatte verstanden, lächelte und sagte: „Dann gibt es noch einmal das Doppelte.“

Ein Strahlen ging über das Gesicht des Pagen, er nickte und sagte: „Ich werde dafür sorgen, Sir. Wenn Sie noch etwas brauchen, fragen Sie einfach nach Morice.“

„Ok, Morice. Haben noch mehr Teilnehmer nach den Zimmernummern gefragt?“

„Ja, Sir. 4 der Tagungsteilnehmer.“

Bernd gab ihm noch einen 20 Dollarschein, den der junge Mann schnell in seiner Hosentasche verschwinden ließ.

„Unterstreich mir die Namen auf der Liste.“

„Ja, Sir.“

Der Aufzug war angekommen, und mit einem satten Schmatzen öffnete sich die Tür.

Morice ließ Bernd den Vortritt und bemerkte nur: „Rechts bitte, Sir. Es ist die 10. Etage. Über uns sind die Tagungsräume. Hier ist es.“

Morice zauberte aus seiner fein gebügelten, kurzen Jackentasche eine elektronische Karte hervor und öffnete die Tür.

„Für Sie wurde eine Suite gebucht, Sir.“

Bernd war schon einiges gewohnt, aber diese Suite war etwas Besonderes. Allein der Ausblick auf den Sankt-Lorenz-Strom war atemberaubend. Der Boy ließ Bernd einen Moment Zeit, um den Anblick zu genießen, bevor er ihn fragte: „Zufrieden, Sir?“

Bernd lächelte Morice an und sagte: „Keine Einwände, sehr exklusive.“

„Dann kümmere ich mich jetzt um die anderen Wünsche. Es wird nur einen Moment dauern, Sir.“

„Danke, Morice.“

Leise schloss der junge Mann die Tür. Bernd nahm sein I-Phone und wählte die Nummer von Pauline, die sich umgehend meldete.

„Ja, mein Schatz.“

„Ich bin jetzt in der Suite und bekomme gleich eine Liste der Teilnehmer. Es sind insgesamt 70, ich weiß aber noch nicht, wie viele im Le Mount gebucht haben.“

„Gib mir die Liste durch, wenn du sie hast.“

„Vier der Teilnehmer in diesem Haus haben nach den Zimmernummern der anderen gefragt, auch diese Namen bekomme ich.“

„Gut, hast du die Waffe gefunden?“

„Einen kleinen Moment.“

Bernd ging ins Schlafzimmer, schaute unter dem Kopfkissen nach und sah die Glock mit einem Schulterhalfter und Ersatzmagazin. Daneben lag ein winziger Ohrstöpsel.

„Ich habe alles gefunden. Wozu brauche ich die Ohrstöpsel?“

„Mit dem Ohrstöpsel bist du immer online. Er ist mit einem Mikro kombiniert. Meine Jungs in Montreal haben dich so in den nächsten drei Tagen voll auf dem Schirm. Das Zimmer ist sauber, keine Mikros oder Kameras.“

„Die Tagungsräume sind im obersten Stockwerk und drumherum Hochhäuser. Für einen Scharfschützen eine lächerliche Distanz, und es ist natürlich mitten in der City. Derjenige kann ohne Probleme verschwinden.“

„Wieviel Zeit hast du noch, bis du zum Dinner gehen kannst?“

Bernd schaute auf die Uhr: „Es sind noch 2,5 Stunden.“

„Gut. Ich habe noch eine schlechte Nachricht. Der Satellit steht uns nur 12 Stunden zur Verfügung, davon 6 Stunden in der Zeit, in der euer Meeting ist.“

„Dann müssen wir improvisieren. Hast du schon einmal darüber nachgedacht, dass sie uns beim Dinner auslöschen könnten?“

„Du meinst mit Gas oder Sprengstoff?“

„War nur so eine Idee von mir. Es gibt an den drei Tagen nicht so viele Möglichkeiten, uns auf einmal, alle aus dem Weg zu räumen.“

„Da ist etwas dran. Wie machen wir es?“

„Ich melde es der Polizei.“

Pauline zögerte einen Augenblick: „Nein, du bleibst aus dem Blickfeld aller, du bist nur ein einfacher Profiler. Ich regele das von hier aus, und du beobachtest deine Kollegen.“

„Wenn ich wüsste, wer sie sind.“

„Wenn ich die Liste habe, lasse ich dir eine Datei mit allen wesentlichen Merkmalen zukommen.“

In dem Moment klopfte es. Bernd unterbrach das Gespräch mit seiner Freundin und sagte: „Ja, bitte.“

Die Tür öffnete sich vorsichtig, und Bernd sah das breite Grinsen von Morice, der mit zwei Blättern in der Hand wedelte.

„Komm rein, Morice.“

Vorsichtig schloss Morice die Tür und gab Bernd die beiden bedruckten Schriftstücke. Bernd warf einen kurzen Blick darauf und war erstaunt über die detailhaften Angaben der einzelnen Personen.

„Gute Arbeit, Morice.“

Bernd griff in seine Hosentasche, gab Morice die vereinbarte Summe und legte noch ein fettes Trinkgeld drauf. Er mochte diesen Jungen, der ihm mit seiner aufgeweckten Art half, einige Hürden zu überwinden, die immer auftraten, wenn man ein fremdes Land besuchte.

Morice bedankte sich artig und drehte sich schon um, um zu gehen, als Bernd noch etwas einfiel.

„Morice, du bist doch das Auge und Ohr des Hotels. Ist dir in der letzten Zeit irgendetwas ungewöhnliches aufgefallen?“

„Was meinen Sie mit ungewöhnlich, Sir?“

„Wir Profiler haben heute Abend ein Dinner, in einem der unteren Räume, hast du davon gehört?“

„Ja, Sir. Die Räume wurden extra für sie von Handwerkern hergerichtet. Das war vor 2 Tagen. Unser Chef legte Wert darauf, dass alles funktioniert, wenn Sie Ihre Tagung haben. Außerdem war es ein Vorschlag von Mr. Snider.“

„Ist das üblich?“

„Nein, Sir. Das Hotel ist gerade erst gebaut worden, es funktioniert alles. Es war ein ausdrücklicher Wunsch von Mr. Snider.“

Bernd gab Morice noch einen Schein und fragte ihn: „Sag mal, Morice, du sagtes, dass vier meiner Kollegen nach den Zimmernummern der anderen gefragt haben. Haben sie sie bekommen?“

„Nur Mister Snider, der hat aber auch direkt an der Rezeption gefragt. Die anderen waren nicht so großzügig wie Sie.“

„Morice, das Gespräch hat nie stattgefunden. Solange ich hier bin, arbeitest du für mich. Am Ende wirst du noch einmal großzügig entlohnt.“

„Danke, Sir. Die Namen der Profiler, die mich wegen der Zimmernummern angesprochen hatten, habe ich unterstrichen. Und die Firma, die den Dinner-Raum gecheckt hat, brauchen Sie die?“

Erstaunt schaute Bernd ihn an: „Die hast du natürlich auch?“

Morice nickte heftig.

„Es ist eine stadtbekannte Servicefirma und heißt Lefebvre Service.“

„Wie kommt es, dass du dir den Namen so leicht gemerkt hast?“

„Ich musste helfen, das Werkzeug hereinzutragen und die Herren waren sehr unfreundlich.“

„Danke erst einmal, Morice. Halte Augen und Ohren offen.“

„Sir, wenn ich fragen darf, worum geht es?“

„Es geht allein um Menschenleben und das in diesem Haus.“

„Mein Mund ist verschlossen, Sir.“

„Danke, Morice. Jetzt geh, bevor man dich vermisst.“

Leise verließ der Boy die Suite, und Bernd machte sich daran, die Seiten, die Morice im gebracht hatte, zu fotografieren. Danach schickte er sie zu Pauline, als auf einmal das I-Phone klingelte. Bernd stellte die Verbindung her.

„Hallo, Pauline, ich hätte dich angerufen. Die Informationen müssten bei dir schon angekommen sein.“

„Kommen gerade an, Bernd. Ich werde sie sofort bearbeiten.“

„Der Raum, in dem wir unser Dinner einnehmen, ist ein paar Tage vorher präpariert worden. Es war eine Firma mit Namen Lefebvre Service. Alle weiteren Infos habe ich dir auf den Zettel geschrieben.“

„Ich habe noch eine Bitte, ich möchte, dass du dir einen Chip implantieren lässt, der dich jederzeit auffindbar macht. Ich will nicht, dass du in den weiten Wäldern Canadas verschwindest.“

„Wenn ich wieder in Deutschland bin. Ich glaube, das ist jetzt zu viel Aufwand.“

Pauline kannte ihren Freund und bedrängte ihn nicht weiter.

„Gut, wenn du das so siehst. Ich werde jetzt einen anonymen Anruf bei der Montrealer Polizei tätigen. Mal sehen, ob sie etwas finden.“

„Und ich werde mich einen Moment ausruhen.“

„Schiebe die Vorhänge zu den Hochhäuser zu. Man kann nie wissen.“

„Schon geschehen, halte mich auf dem Laufenden.“

Es dauerte keine 5 Minuten, als Bernd die Feuerwehr hörte, die sich gepaart mit Polizeisirenen vor dem Hotel versammelten und den Block um das Hotel abriegelte. Mehr zu sich selbst sagte er dann: „Mit ausruhen wird das wohl nichts.“

Er versteckte die Waffe im Tresor und wartete auf die kommenden Instruktionen. Es dauerte auch nicht lange, als es dezent an der Tür klopfte. Bernd öffnete und sah das grinsende Gesicht von Morice, der anscheinend mit einem wachen Verstand gesegnet war.

„Mr. Rassmussen, alle müssen sofort das Hotel verlassen, es ist eine Bombendrohung eingegangen. Da haben wir eine klare Direktive.“

Bernd fragte den jungen Mann: „Woher weißt du, dass es eine Bombendrohung war?“

„Das wurde mir von der Direktion gesagt. Ich glaube aber eher, dass es mit dem Raum zusammenhängt, der überarbeitet worden ist.“

Bernd klopfte dem jungen Mann auf die Schulter und meinte lapidar: „Das sehe ich auch so, Morice, das sehe ich auch so.“

„Ich muss jetzt noch den anderen Gästen Bescheid sagen, Sie melden sich bitte unten bei der Rezeption, damit sie die Anzahl der Gäste überprüfen können und die Anzahl derer, die das Hotel verlassen haben abstreichen können.“

Bernd schloss die Tür der Suite und machte sich auf den Weg zum Fahrstuhl, der es aber nicht mehr schaffte, den Weg bis in den 11. Stock zu nehmen. Er schaute sich um und sah den Treppenaufgang, den er dann auch in Anspruch nahm. Nur wenige benutzten das Treppenhaus, der Rest der Gäste wartete lieber auf einen der Fahrstühle, die sich ins nächste Stockwerk durchkämpfen mussten.

In der Rezeption angekommen, nahm er die koordinierte Abwicklung mit Wohlwollen wahr. Neben dem Treppenaufgang stand ein uniformierter Polizist, der ihn gleich weiter zur Rezeption schickte, die ihn registrierten und sich tausendmal für die Unannehmlichkeiten entschuldigten, um ihn dann aus dem Haus zu schicken. In einiger Entfernung des Hotels war Absperrband gezogen, dahinter befanden sich die Hotelgäste und das Personal.

Bernd, der sich der Situation bewusst war und wusste, was für ein Stress jetzt bei der Polizei und der Feuerwehr ablief, nahm sich vor die Situation zu entschärfen. Er pfiff nach einem Taxi und ließ sich zur nächsten Polizei-Wache fahren. Während der Fahrt telefonierte er mit seinem alten Freund Sergio Chessa vom FBI.

„Hallo Sergio, hier ist Bernd.“

„Hey Bernd. Wo bist du jetzt?“

„In Montreal, wir haben hier eine Tagung der Profiler aus aller Welt.“

Dann erzählte Bernd seinem Freund die ganze Geschichte von Anfang an. Er bat ihn, bei der Polizei in Montreal anzurufen, weil er die Situation entschärfen wollte und es für die Beamten eine schnellere Aufklärung gäbe.

„Kein Problem, Bernd. Ich habe Freunde in Montreal. Du wartest aber im Taxi, bis du abgeholt wirst oder bis ich dich zurückrufe.“

Das Taxi war mittlerweile bei der Polizei-Wache angekommen, und Bernd bat den Fahrer einen Moment zu warten. 5 Minuten später rief Sergio zurück und sagte: „Alles klar, Bernd. Ich habe die Jungs angerufen, du wirst gleich abgeholt.“

„Danke, Sergio, ich informiere dich. Grüß deine Frau und die Kinder von mir.“

„Mach ich und mach keinen Unsinn, deine Fälle sind immer sehr aufwendig.“

Bernd lachte, unterbrach das Gespräch und bezahlte den Taxifahrer. Dann stieg er aus und wartete an der Treppe zur Polizei-Wache. Es dauerte einen Moment, als eine kleine, im Hosenanzug gekleidete junge Frau auf den Profiler zukam und ihn sofort mit Namen ansprach: „Mr. Rassmussen aus Deutschland?“

„Ja, das bin ich.“

Sie gab ihm die Hand und stellte sich vor: „Ich bin Milva Bianchi. Unser gemeinsamer Freund Sergio hat mich angerufen und mit Glück hatten Sie die richtige Wache. Was kann ich für Sie tun?“

Bernd gefiel die offene Art der jungen Frau und sagte: „Es ist etwas kompliziert, sollen wir das nicht drinnen besprechen?“

„Natürlich, kommen Sie bitte mit.“

Es war ein Polizei-Revier, wie sie sich fast überall auf der Welt glichen. Nachdem sie die Sicherheitsschleuse passiert hatten, führte Milva den Profiler in ein geräumiges und modern eingerichtetes Büro und bot Bernd einen Platz in der Besucherecke an. Er setzte sich und schaute die junge Polizistin auffordernd an.

„Mr. Rassmussen, Sergio hatte ein paar Andeutungen gemacht, wie kann ich weiterhelfen?“

„Donna Bianchi.“

Milva lächelte ein gewinnendes Lächeln und sagte: „Signorina, Mr. Rassmussen, aber sagen Sie Milva zu mir, das mag ich lieber.“

„Ich bin Bernd. Sie haben das mit der Bombendrohung im Le Mount Stephan Hotel bestimmt gehört, was ja keine Bombendrohung war, sondern eine Information meines Büros aus Deutschland.“

„Der Fall untersteht mir zufällig. Sie haben recht, es war eine Information, die ziemlich konkret klang. Bernd, ich bin ein guter Zuhörer, legen Sie einfach los.“

So begann Bernd die Geschichte zu erzählen und endete schließlich auf dem Polizeirevier in Montreal. Eine kleine Pause trat ein, in der die Kanadierin überlegte.

„Zwei Sachen habe ich da. Das mit dem Informanten habe ich nicht verstanden, und es ist noch nichts gefunden worden.“

„Was hat Ihnen Sergio erzählt?“

„Das Sie merkwürdig sind, aber in 99% der Fälle recht haben.“

„Hat er Ihnen dann auch erzählt, dass der Schutz meiner Informanten und meiner Leute absolute Priorität hat?“

„Das hat er.“

„Ich möchte Ihnen nur sagen, dass die Möglichkeiten, über die ich verfüge, absolut abgefahren sind.“

Milva lächelte und sagte: „Sergio hatte so etwas angedeutet. Da will ich auch nicht weiter in Sie eindringen. Aber wir haben noch nichts gefunden. Also, was sollen wir machen?“

„Erlauben Sie mir einen Anruf?“

„Bitte, Bernd.“

Bernd wählte Paulines Nummer, die auch sofort die Verbindung herstellte und loslegte: „Na, mein Schatz, in Schwierigkeiten? Wolltest du der Montrealer Polizei Arbeit ersparen? Bernd, du bist zu gutmütig.“

Bernd hob die Augenbrauen und die Schultern und sagte schuldbewusst: „Wenn mich einer kennt, dann bist du es. Wie weit bist du?“

„Wir haben einiges herausgefunden, du brauchst der jungen Frau auch nicht übersetzen, ihr Vater ist Deutscher, sag ihr, sie möchte einmal in die Kamera lächeln.“

„Ich stelle auf laut, dann brauchst du nicht alles zweimal zu erzählen.“

Bernd legte sein I-Phone auf den Tisch und sagte zu Milva: „Hören Sie einfach zu, es ist meine Freundin und meine Assistentin Pauline.“

Bernd hatte auf die deutsche Sprache gewechselt und Milva schaute ihn erstaunt an, da wurde er aber schon von Pauline unterbrochen.

„Hallo, Milva, ich bin ganz einfach Pauline. Denke nicht darüber nach, was ich mache, wenn wir das hier besprochen haben, bin ich wieder aus dem System der Montrealer Polizei heraus. Schalte mal bitte deinen Computer ein.“

Milva war sprachlos, folgte aber der Anweisung und schaltete den Dienstcomputer ein. Es dauerte einen kleinen Moment, bis er hochgefahren war, in der Zeit sprach die junge Asiatin weiter: „Bernd hat mir einige Informationen zukommen lassen, die ich überprüft habe. Darunter auch die der Firma Lefebvre Service. Sie arbeitet zwar in Montreal, aber hat nie den Auftrag des Hotels bekommen, den Dining-Room zu restaurieren. Die Order ging zwar heraus, wurde aber abgefangen. Das Hotel hat ein ziemlich gutes Kamera-System, ich habe mich da reingehackt und das gefunden.“

Auf Milvas Computer erschien ein kleines Video, die die Arbeiter zeigte, wie sie ihr Werkzeug in den Dining-Room schleppten und direkt mit der Reparatur begannen. Da der Dining-Room keine eigene Kamera hatte, kamen die Aufnahmen von Seiten der Rezeption. Man sah, wie die Arbeiter schmale Leisten auspackten. Danach wurde die Tür geschlossen.

„Da es genug Fotos vom Dining-Room gibt, kann man sehen, dass es Leisten sind, die zur Umrandung des Kamins gehören. Auf dem Kaminsims steht eine alte Uhr, darin würde ich den Timer verstecken, der den Zünder aktiviert.“

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, griff Milva zum Sprechfunk: „Hier ist Milva Bianchi, wie weit seid ihr?“

„In dem angegebenen Raum wurde nichts gefunden, Chef.“

„Ist das Bombenkommando noch da?“

„Die packen gerade ein.“

„Gib mir Jack.“

Es raschelte, dann war Jack dran: „Hallo, meine kleine Blume aus Italien, wie sieht es heute Abend mit einem Essen aus?“

„Lass den Quatsch, Jack. Schmeiß alle aus dem Raum, nur du und ein Mann.“

Jack war Profi, und an dem Tonfall hörte er die Ernsthaftigkeit des Befehls sofort aus dem Tonfall seiner Freundin heraus. Den Sendeknopf gedrückt haltend, hörten die Anwesenden die kurzen Befehle.

„Der Raum ist leer, Milva. Was jetzt?“

„Es ist besser, wenn ich dich einmal verbinde.“

„Brauchst du nicht, Milva, ich bin schon in seiner Kopfkamera, ihr könnt jetzt alles mitverfolgen. Hallo Jack, hörst du mich jetzt?“

„Verdammt, wer ist das, Milva? Woher kennt sie die Frequenzen.“

„Jack, das kannst du später versuchen herauszufinden, jetzt machen wir beide erst einmal unsere Arbeit und dann lädst du heute Abend Milva zum Essen ein. Ich sehe, dass du ledig bist, das Mädel ist ein gute Partie. Das Essen geht auf meine Rechnung, ich gebe euch das Restaurant noch durch. Auf dem Kaminsims ist eine alte Uhr. Lass sie so stehen, wie sie steht, öffne sie und versuche, ob du etwas mit dem Handspiegel sehen kannst, dabei gehst du schön in alle Ecken.“

Jacks Kollege hatte ihm schon eine kleine Leiter zur Uhr gestellt, so kam Jack bequem an den Zeitmesser. Er öffnete sie vorsichtig und steckte eine lange dünne, bewegliche Stange durch die schmale Öffnung. Dazu erklärte er: „Da ist eine kleine Hochleistungskamera dran, die mit unserem Bildschirm verbunden ist.“

„Wissen wir alles, Jack. Wir haben die Bilder auf dem Schirm. Bingo, du siehst da oben in der Ecke, da ist er, ein Fernzünder. Geh mal etwas näher heran.“

Jack ging etwas näher ran.

„Jack, hast du so etwas schon einmal gesehen?“

„Nein, das ist modernste Technik. Das kann eigentlich nur Militär-Technik sein.“

„Gut, schieß mal ein paar Aufnahmen. Ich frage einmal ein paar Leute. Damit ihr keine Zeit vergeudet. Ihr nehmt euch jeweils eine Nadel und prüft den Härtegrad der Leisten. Der ganze Raum hat dieselben Leisten, ihr holt euch also eine Probe von der anderen Seite. Ist es Sprengstoff, merkt ihr es, sind es Gaskanülen, merkt ihr es auch. Ich melde mich jetzt mal kurz ab.“

Milva hatte konzentriert zugehört und schaute den Deutschen prüfend an.

„Bernd, erkläre mir das bitte.“

„Das ist kompliziert.“

„Sind sie in deinem Team alle so?“

„Ja, es ist ein besonderes Team. Ich bin Profiler und das in einer Sondereinheit.“

„Und wieviel Gesetze hat Pauline jetzt in diesem kurzen Zeitraum schon gebrochen.“

„Was wäre, wenn ihr heute Abend die Leichen von 70 namhaften Profilern aus dem Hotel schaffen müsstet? Ich glaube, der Zweck heiligt die Mittel.“

„Dann käme ich heute Abend bestimmt nicht zu meinem Essen.“

„Höchstwahrscheinlich nicht. Ich wäre dir verbunden, wenn das alles hier vorbei ist, uns nicht zu erwähnen. Es macht sich immer schlecht, wenn andere Dienste in einem fremden Land herumwurschteln. Außerdem gibt es uns nicht.“

„Und was soll ich schreiben?“

„Besprich das heute Abend mit Jack beim Abendessen. Du hast die Geschichte gehört, wenn jemand so viel Aufwand betreibt, dann ist etwas Dickes dahinter. Jack soll seinen Kollegen nicht vergessen.“

„Ich möchte jetzt wirklich nicht in deiner Haut stecken, Bernd Rassmussen.“

Sie hörten ein leises Rauschen, und Pauline meldete sich wieder in ihrer bekannten lockeren Art, und sie fing sofort an zu sprechen.

„So, Kinder, seid ihr noch alle da?“

„Pauline“, kam die ermahnende Antwort ihres Freundes.

„Ist ja schon gut, mein Schatz. Ich habe mal im Pentagon nachgefragt. Es ist aus der Hexenküche des NSA. Ein Doppelzünder, zuerst Gas, dann Sempex. Entfernst du den Zünder, geht das Dingen hoch. Es wird in der Reihenfolge abgebaut, wie es aufgebaut worden ist. Zuerst die Gaskartuschen, dann das Sempex, dann der Zünder. Hast du das gehört, Jack? Habt ihr die Nadelprobe gemacht?“

„Ja, liebe Unbekannte. Das Sempex ist so angelegt, dass der Raum wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt. Pauline, hast du ein Zeitlimit von Gas zur Sprengung.“

„5 Minuten. Es ist nur einer der Sempexstangen über Funk mit dem Zünder verbunden, genauso wie die Gaskartuschen. Sie sind alle der Reihe nach geschaltet.“

„Also muss es zwei Transponder geben, die das Signal des Zünders empfangen.“

„Richtig, Jack. Trennst du den Transponder vom Objekt, ist er auch entschärft. Aber man muss den Transponder finden.“

„Bill, markiere die Gaskartuschen mit rot, den Sprengstoff mit grün.“

Von hinten hörten sie nur ein dünnes: „Ok.“

„Wieviel habt ihr gefunden, Jack?“

„Jeweils 10 Kartuschen und 10-mal Sempex.“

„Da wollte wohl einer den ganzen Stadtteil auslöschen. Wie findet ihr den Transponder?“

„Tragbares Röntgengerät.“

„Ok, dann ist das jetzt deine Show.“

„Danke, Pauline, wenn du mal hier in der Gegend bist, du hast einen gut bei uns.“

„Nicht dafür, Jack. Bernd, ich gehe wieder aus dem Polizei-Netz heraus.“

„Ok, Schatz. “

„By, Milva.“

„Pauline.“

Im selben Moment erschien die Adresse eines chinesischen Restaurants auf dem Bildschirm.

„Oha, deine Freundin lässt sich aber nicht lumpen, die beste Adresse in der Stadt.“

„Sie hatte schon immer einen guten Geschmack.“

Jetzt schaute Milva den Profiler anzüglich an und erwähnte so nebenbei: „Da ist was dran.“

„Ich nehme an, dass du in den nächsten Tagen Informationen über die drei Attentäter bekommen wirst, eben mit allem Drum und Dran. Damit wirst du gut arbeiten können.“

„Ok, Bernd, ich will noch einmal zum Tatort. Kann ich dich mitnehmen?“

„Ich fahre mit dem Taxi, es ist besser, dass man uns nicht in Verbindung bringt und ich kenne meine Kollegen, die hören die Flöhe husten und es soll keine Verbindung entstehen.“

„Das hängt wohl mit dem Berufsbild zusammen“, lachte die junge Frau. Sie brachte ihn noch zum Eingang, wo schon ein Taxi wartete.

„Ist es immer so aufregend mit dir und deiner Crew.“

„Mal mehr, mal weniger. Du weißt doch, wie die Gangster heute organisiert sind. Wir gehören einer Sondereinheit an, und nehmen uns gewisse Freiheiten heraus. Denn uns gibt es eigentlich gar nicht.“

Bernd stieg in das Taxi ein und ließ sich zu einem Einkaufscenter bringen, das in der Nähe seines Hotels lag. Dann schlenderte er langsam zu seinem Hotel zurück. Es standen nur noch einige Gäste hinter der Absperrung und einige wenige Schaulustige. Bernd gesellte sich gelangweilt dazu und beobachtete das Treiben, als sein Telefon leise klingelte.

„Pauline, mein Schatz. Ich stehe gerade vor dem Hotel und schau mir alles an.“

„Sie sind so gut wie durch. Hat alles bestens funktioniert. Wir haben alle 70 Teilnehmer durchgearbeitet, es bleiben noch 5 Personen über die interessant sind. Mit dir sind es dann 6 Personen. Ich schicke dir gleich die Dossiers der einzelnen Leute rüber auf dein Handy.“

„Ok, mach das. Ich glaube nicht, dass heute Abend unser gemeinsames Dinner stattfindet, ich werde mir etwas in der Stadt suchen.“

„Nimm den Chinesen, den ich für Milva ausgesucht habe, schnapp dir die anderen 5 Probanden und habt eine nette Unterhaltung. Ich reservier dir einen Tisch, außerdem seid ihr da sicher, es ist Familie.“

„Mal sehen, ob ich die anderen 5 dazu überreden kann.“

„Lass einfach deinen Charme spielen, aber sei bitte vorsichtig, die anderen drei Damen kann man als sehr attraktiv bezeichnen.“

„Du schickst mich in die Höhle des Löwen, bist du meiner überdrüssig?“

Es war ein Ritual, das die beiden vollzogen, dass schon einen gewissen Automatismus hatte.

„Nur ein Test, mein Schatz“, damit unterbrach Pauline die Verbindung.

Bernd nahm sein I-Phone und checkte die Mails. Die frische Mail von Pauline war die Oberste. Bernd öffnete sie und sah sich die anderen 5 Profiler an, dann verglich er die Bilder mit den Anwesenden und wurde in 4 Fällen fündig. Kurz las er das Profil derjenigen durch und stellte einige Parallelen zu sich selbst fest. Den einzigen, den er nicht finden konnte, war Robert Paul Snider, der Organisator dieser Tagung.

Zuerst wandte er sich an Betty Broer, eine Mulattin aus Florida. Er ging die paar Schritte zu ihr, schaute sie an und zeigte ihr das Bild auf dem I-Phone: „Hallo, Mrs. Broer, das sind Sie doch? Ich bin Bernd Rassmussen aus Deutschland.“

Sie drehte sich, mit hochgezogenen Augenbrauen, etwas zu ihm herum und bemerkte nur: „Finden Sie, dass es der richtige Augenblick ist Frauen anzubaggern?“

Bernd lachte sein sympathischstes Lachen und antwortete: „Bestimmt nicht, Mrs. Broer.“

Dann erklärte er ihr die Situation oberflächlich und deutete auf den Russen Pjotr Kusuczow, die englische Halbindianerin Dakota Jones und die Französin Jeanne Batiste. Die Amerikanerin hörte zu und verstand sofort, dann teilten sie sich und gingen zu den Anderen. Ein kurzes aufklärendes Gespräch zeigte, dass die anderen 4 Tagungsteilnehmer in ihren Gedankengängen schon fast so weit waren, wie der deutsche Profiler, nur dass ihnen die wesentliche Details noch fehlten.

„Ich glaube nicht, dass heute noch ein Dinner stattfindet. Was halten sie davon, wenn wir heute Abend zusammen essen gehen und ich erkläre ihnen die weiteren Details?“

Zustimmendes Nicken war die Antwort.

„Gut, dann treffen wir uns heute Abend um 19.00 Uhr in der Lobby. Ein Tisch ist schon bestellt. Ich versuche, Mr. Snider noch aufzutreiben.“

Mittlerweile war die Absperrung aufgehoben worden, und die Gäste strömten wieder in ihr Hotel. An der Rezeption empfing sie der Chef des Hauses, der sich für die ganzen Unannehmlichkeiten ausgiebig entschuldigte und den Tagungsteilnehmern mitteilte, dass das Dinner ausfiel. Bernd, der nicht mehr zuhörte, sah Milva aus dem Dining-Room kommen. Mit einem kleinen Sidestep stand er neben ihr: „Treffen wir uns heute Abend beim Chinesen, ich bringe ein paar interessante Leute mit?“

„Profiler.“

„Ja.“

„Das lasse ich mir nicht entgehen. Jack stört doch nicht dabei?“

„Ganz und gar nicht.“

„Wir haben den ganzen Raum noch einmal abgescannt und nichts mehr gefunden. Ich möchte Ihnen noch einmal danken.“

„Sorgen Sie bitte dafür, dass die Presse von unserem Treffen keinen Wind bekommt.“

Milva nickte nur bejahend, und Bernd wandte sich zum Aufzug. Dakota Jones und Jeanne Batiste standen schon drin und schauten Bernd auffordernd an. Der nur verstehend nickte. So sorgten die beiden dafür, dass sich die Tür nicht schloss. Mit einem kurzen Sprint erreichte er den Aufzug.

„Welches Stockwerk?“

„Elf, bitte.“

Sie hatten sich darauf geeinigt, dass sich alle mit dem Vornamen ansprachen, und Dakota schaute Bernd mit ihren dunklen Augen an und sprach schon fast in einem gutturalen Tonfall: „Elf, da sind doch die Suiten. Zahlt dein Büro das?“

Bernd lachte: „Selbstzahler, oder besser gesagt, jemand anderes zahlt für mich. Es ist etwas komplizierter. Wenn wir uns näher kennen lernen, werdet ihr es verstehen.“

„Bei dir ist alles etwas komplizierter. Du bist nicht im Internet zu finden, nirgends eine Notiz. Man hört nur, was der Polizeiweltfunk über deine Fälle erzählt, danach bist du eine Legende.“

„Legenden sind älter“, lachte Bernd leichthin: „Ich werde euch das heute Abend erklären. Es ist eben etwas komplizierter, dadurch aber auch sicherer.“

Dakota ließ ihre weißen Zähne blitzen und meinte leichthin: „Ich nehme an, dass du heute Abend von uns ins Kreuzverhör genommen wirst.“

„Das kann durchaus passieren.“

Sie trennten sich im Stockwerk sieben, und Bernd fuhr weiter nach elf und ging in seine Suite. Er setzte sich in einen der Sessel und dachte über den vergangenen Tag nach, als es leise klopfte. Bernd öffnete vorsichtig die Tür, und Morice schlüpfte herein.

„Morice, was kann ich für dich tun?“

Der Profiler merkte sofort, dass der junge Mann aufgewühlt war und nicht wusste, wie er es sagen sollte.

„Komm, setz dich. Was ist passiert?“

„Ich wurde von einem der drei Männer angesprochen, die vor ein paar Tagen den Raum restauriert hatten. Er hatte mich wohl wiedererkannt. Dann fragte er ganz unbeteiligt, was passiert sei. Ich habe ihm gesagt, dass die Polizei einen anonymen Anruf bekommen hatte, ich aber nicht mehr wusste, da ich nur der Boy des Hotels bin. Mehr war nicht.“

Bernd kramte sein I-Phone hervor und zeigte Morice drei Personen.

„War es einer von denen?“

„Der zweite, Sir.“

Bernd gab ihm ein weiteres Trinkgeld und sagte: „Morice, das hast du genau richtig gemacht. Wir beide müssen nur schweigen, dann wird auch nichts passieren. Das sind sehr gefährliche Männer.“

„Ja, Sir.“

„Wo wohnst du?“

„Hier im Hotel, Sir. Meinem Papa gehört das Hotel, ich mache eine Lehre von der Pike auf.“

„Das ist gut, Morice. Solange die Profiler hier im Hotel sind und tagen, bleibst du auch hier im Hotel. Schieb meinetwegen Sonderschichten, aber gehe nicht raus aus dem Hotel.“

„Ja, Sir.“

„Gut, verschwinde jetzt und denke daran, ich bin nur ein Gast.“

Bernd entließ Morice aus der Tür, dann schaute er auf die Uhr und sah, dass er sich beeilen musste.

Er machte sich frisch, zog sich leger an, legte die Waffe an, was gar nicht seine Art war und betrachtete sich im Spiegel. Durchaus zufrieden, grunzte er zu seinem Spiegelbild: „Das Spiel kann beginnen.“

Es war wieder das Gefühl, das wie ein Schauer durch seinen Körper lief und so viel gefäßerweiternde Stoffe freisetzte, die ihn befähigten, andere Denkstrukturen anzunehmen, die ihm bisweilen irrationale Ergebnisse einbrachten.

Der Aufzug war frei, und so kam er schnell in das Foyer. An der Reception bestellte er ein Taxi für 5 Personen und erkundigte sich noch einmal nach Robert Paul Snider. Der sich zwar per Telefon gemeldet hatte, aber noch nicht erschienen war.

Nach und nach trudelten die 4 Profiler ein. Als sie alle beisammen waren, gingen sie gemeinsam zum wartenden Taxi. Bernd taxierte die drei atemberaubenden Schönheiten und Jeanne Batiste, die den anerkennenden Blick wahrnahm, fragte nur: „Zufrieden mit dem, was du siehst?“

„Perfekt.“

Dann wandte er sich an den Russen und fragte: „Pjotr, hast du in deiner Heimat die Möglichkeit, während der Dienstzeit mit drei so hübschen Kolleginnen auszugehen?“

Pjotr zwinkerte ihm zu und sagte nur: „Ich genieße es.“

Bernd gab dem Fahrer die Adresse. Die Fahrt führte durch die Stadt, an der neugotischen Kathedrale Notre-Dame vorbei, über die Kopfsteinpflaster der Altstadt zum Berg Mont Royal.

Auf halber Höhe des Berges war ein eingefriedetes Areal, auf das der Fahrer einbog. Es war hell genug, so dass die fünf die gepflegte Anlage sehen konnten. Das Restaurant war im chinesischen Stil so in den Berg gebaut, dass die Gäste einen direkten Blick auf den Sankt-Lorenz-Strom hatten.

Bernd bezahlte den Taxifahrer, und am Eingang wurden sie schon in Empfang genommen. Die ältere Frau wandte sich gleich an den deutschen Profiler: „Herr Rassmussen, vielen Dank, dass Sie mit Ihren Gästen unser bescheidenes Haus besuchen. Fräulein Chen hat alles für ihre kleine Gesellschaft arrangiert. Zwei Ihrer Gäste warten bereits auf Sie, bitte folgen Sie mir.“

Bernd bedankte sich auf Mandarin und wurde mit einem strahlenden Lächeln der alten Frau belohnt.

„Sie sprechen Mandarin, Mr. Rassmussen?“

„Nur ein wenig.“

„Ihre Freundin sagte, dass Sie immer den Bescheidenen machen, wir sollen vorsichtig sein.“

„Kennen Sie Pauline persönlich?“

„Ich habe sie mehrmals in China-Town gesprochen. Eine willensstarke junge Frau.“

„Sie sagen es.“

Beide lachten, weil Bernd einen etwas leidenden Ausdruck im Gesicht bekam. Mittlerweile waren sie zwei Stockwerke höher gekommen, und mit jedem Stockwerk verringerte sich die Anzahl der Tische. Während des Gespräches hatte Bernd seine Umgebung beobachtet und ihm fiel ein alter Mann auf, der allein an einem kleinen Tisch saß und einen kunstvollen Gehstock in der Hand hielt, den ein Drachenkopf zierte. Sofort dachte er an den Chinesen in London, der genauso wie dieser unbeobachtet beobachtete. Bernd nickte ihm zu und nahm ein kurzes Heben der Augenlider wahr.

Jetzt kamen sie in das dritte Stockwerk des Restaurants, das mit vier Tischen ausgestattet war. Zwei Tische auf jeder Seite der Treppe. Der Ausblick auf den Sankt-Lorenz-Strom war phänomenal.

Bernd, der direkt hinter der älteren Chinesin ging, sah, dass Milva und Jack schon da waren.

„Mr. Rassmussen, Pauline hat gebeten, dass das Stockwerk für Sie allein reserviert bleibt. Sie können also ohne Einschränkung Ihre Besprechung durchführen. Es stehen Ihnen alle technischen Mittel zur Verfügung.

„Vielen Dank. Ich nehme an, dass Pauline schon für alles gesorgt hat?“

„Das hat sie, bis ins Detail.“

Dakota Jones stieß den Deutschen an, der neben ihr stand: „Du sprichst Mandarin?“

„Du auch?“

Die spontane Frage brachte Dakota Jones etwas aus dem Konzept, dann lachte sie aber: „Aus der Frage ergab sich die Antwort.“

Mittlerweile waren sie an den Tisch getreten, und Bernd stellte Milva und Jack den Profilern vor. Die Bedienung brachte ein Begrüßungsgetränk und verschwand dann wieder lautlos.

Bernd nahm das Heft in die Hand und begrüßte jeden Einzelnen und stellte die Fachgebiete eines jeden vor. Die Gesichter der Beteiligten wurden immer länger, aber keiner stellte eine Zwischenfrage, was Bernd besonders gefiel.

„So, jetzt kennt jeder jeden und seine Spezialgebiete. Als einziger fehlt noch Mr. Snider, den wir auch nicht erreichen konnten. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten. Wir essen zuerst, und dann geht es weiter, oder wir bringen das Wesentliche jetzt auf den Tisch. Es ist Ihre Entscheidung.“

Einhellig waren sie der Ansicht, zuerst den Arbeitsteil hinter sich zu bringen.

„Milva, ich bitte dich, einmal das wiederzugeben, was wir heute zusammen besprochen haben, damit die Anderen informiert sind.“

Milva, erzählte in ihrer temperamentvollen Art, was passierte, als Bernd in ihre Revier kam. Lückenlos berichtete sie über jede Minute. Als sie fertig war, brachte die Bedienung eine Kleinigkeit chinesisches Finger-Food und neue Getränke. Dann begann Bernd zu berichten, von dem Punkt an, wo er auf dem Montrealer Airport stand. Lückenlos erzählte er alles, nur bei seinem Informanten Benno Faller hielt er sich bedeckt. So kam auch die Frage, als er fertig war, diesmal von Jeanne Batiste: „Wie kommt man an solche Informationen? Das ist ungewöhnlich.“

Dakota Jones lachte ihr übermütiges Lachen, das im Gegensatz zu ihren kalt kalkulierbaren Augen stand, aber trotzdem ehrlich war.

„Passt auf, jetzt kommt es, jetzt sagt er“, sie änderte ihre Stimmlage: „Es ist alles etwas kompliziert.“

Wenn noch jemand Zweifel hatte, war das Eis gebrochen. Bernd ließ sie lachen. Nachdem es sich etwas gelegt hatte, gab er eine kurze Erklärung ab.

„Also, es ist wirklich etwas kompliziert. Wenn ich euch sagen würde, wie er das macht, könnte ich auch gleich seinen Namen sagen. Nur so weit, derjenige oder diejenige hat eine besondere Gabe, ich würde es als einmalig auf der Welt bezeichnen. Das wir noch leben, ist sein oder ihr Verdienst.“

In dem Moment klingelte das I-Phone von Bernd. Ein kurzer Blick, und er wusste, dass es seine Freundin war. Er stellte die Verbindung her und fragte: „Pauline?“

„Hallo, mein Schatz, Neuigkeiten. Geh mal an die Rückwand, auf Brusthöhe ist eine Schiebetür, die machst du auf, dahinter ist ein Computer, den schaltest du ein. Den Rest mache ich.“

Bernd ging an die Rückwand und öffnete die versteckte Schiebetür, dann schaltete er den Computer ein und kurze Zeit später erschien Pauline Chen auf dem Monitor. So wie es ihre Art war, begrüßte sie die kleine Gesellschaft: „Hallo, Mädels, Jack, Pjotr, ich bin Pauline Chen, die Partnerin von Bernd. Kommen wir gleich zur Sache, damit euer Essen nicht kalt wird. Wir haben Informationen, dass der Anschlag, der heute im Hotel stattfinden sollte, allen Profilern galt, aber im Besonderen euch fünf. Weil ihr die Einzigen seid, die auch in der Lage sind, kommende Verbrechen zu Profilen. Das bedeutet, eine Einsatztruppe aus euch wäre in der Lage, geplante Verbrechen zu vereiteln. Für den Computer müsste dafür aber noch ein Algorithmus entwickelt werden, der die nötigen Infos spezifiziert. Wenn dieser Fall abgeschlossen ist, werden wir uns gemeinsam dem Problem stellen.“

Hier unterbrach Bernd seine Freundin: „Was ist mit Snider?“

Pauline lächelte: „Tja, Snider ist ein Problem für sich. Snider ist nicht wie ihr, in einer staatlichen Festanstellung, sondern freier Profiler. Wir haben ihn überprüft. Snider hat keinen außergewöhnlichen Fall gelöst, keinen Fall, mit dem ein Verbrechen verhindert werden konnte. Aber er hat einen guten Webdesigner, der ihn hochstilisiert hat und das in verschiedenen Stufen, bis dann die Polizei auf ihn aufmerksam wurde und ihn engagiert hat. Wir sind uns auch nicht ganz sicher, ob nicht einige Fälle getürkt waren. Eins ist aber sicher, er hat viele Freunde bei der Polizei. Irgendwann hat er dann die IPA gegründet, deren Vorsitz er eingenommen hat.“

Betty Broer, die sich bis jetzt bedeckt gehalten hatte, fragte: „Was ist mit dem Geldfluss bei Snider und bei der IPA?“

„Ich habe die Frage von dir erwartet, Betty. Für die anderen, Betty Broer ist unser Spezialist in Geldfragen. Viele ihrer Fälle löst sie alleine über den Geldfluss. Um deine Frage zu beantworten, Sniders Einnahmen sind nicht unerheblich, aber der Geldfluss ist noch nicht nachvollziehbar, genauso wie bei der IPA. Da war die Zeit bis jetzt zu kurz, aber uns ist über den bisherigen Schriftverkehr aufgefallen, dass er eine sehr starke Verbindung zu Biotech-Firmen hat, die sich mit Gen-Technik, Zellklonisierung, Gensynthese und, und, und beschäftigen. Eben eine Technik der Zukunft.

Dakota Jones hob die Hand.

„Dakota, bitte.“

„Pauline, noch einmal zu dem Anschlag. Snider wäre auch in dem Raum gewesen, also wäre er auch umgekommen.“

„Ich weiß, dass es ein Schwachpunkt in meiner Analyse ist. Aber fragen wir einmal ganz einfach. Wäre er? Ihr wisst selbst, wieviel Mittel und Möglichkeiten es gibt, dem aus dem Weg zu gehen.“

„Das ist wohl wahr“, erwiderte Dakota.

„Jeanne, du hattest eine Frage?“

„Ja, was war das für ein Gas?“

Milva, die interessiert zuhörte, fühlte sich angesprochen: „Das haben wir in ein Militärdepot nach Toronto geschickt. Wir haben hier keine Möglichkeiten der Analyse.“

„Ich wette 1000 Dollar, es wird nie in Toronto ankommen.“

„Warum das denn nicht, Pauline?“

„Anhand der Spurenelemente des Gases können wir feststellen, wer es hergestellt hat. Aber sehr wahrscheinlich ist es aus einem Militärdepot, und da wird man es wieder hin verfrachten.“

Milva hatte ihr Handy schon gezückt und telefonierte. Die Anderen konnten sich denken, mit wem sie telefonierte und warteten. Als Milva fertig war, legte sie das Handy konsterniert auf den Tisch und sagte: „Der Transporter wurde außerhalb Montreals überfallen und der Inhalt gestohlen. Die beiden Insassen wurden getötet.“

„Dann hast du einen Maulwurf bei dir im Revier, Milva. Oder jemand hat unbewusst Informationen ausgeplaudert. Es ist nicht mehr versuchter Mord, sondern Mord.“

Die kleine Gruppe war nachdenklich geworden, und Pauline ließ ihnen die Zeit.

„Wir waren aber noch nicht fertig. Wir haben natürlich auch die IPA gesichtet und mussten feststellen, dass es über euch fünf spezielle Dossiers gibt, die aber bei weitem nicht vollständig sind.“

„Woher weißt du, dass sie nicht vollständig sind, Pauline?“

„Weil ich die vollständigen Dossiers habe. Außer Bernd haben alle andere Namen und Geburtsdaten, die Kindheit ist nicht vollständig, wie auch die Fälle wurden nicht klar dokumentiert. Es wurde da ziemlich schlampig gearbeitet, wenn man das so sagen kann.“