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Wenn Weihnachten vor der Tür steht, ist es Zeit, einander zu vergeben … Das ganze Jahr über kann man seiner Familie recht gut aus dem Weg gehen, doch spätestens im Advent ist Schluss damit. Weihnachten ist ein Familienfest, ob man es will oder nicht. Sophia will es eher nicht. Denn Omas kalorienreiche Plätzchen, die kitschige Deko und der vorweihnachtliche Trubel passen einfach nicht zu ihrem Leben als Werbetexterin. Beim Kaffeetrinken am 1. Advent lässt Sophia daher alle spüren, dass sie eigentlich viel lieber woanders wäre. Ihre kleine Nichte Annabell nimmt sich das besonders zu Herzen. Als Sophia kurz vor Heiligabend plötzlich ganz alleine dasteht, wird ihr jedoch bewusst, wie sehr sie ihre Familie verletzt hat. Und dass sie der kleinen Annabell unbedingt zeigen muss, was an Weihnachten wirklich zählt! Warmherzig, winterlich, wundervoll – eine rührende Geschichte zur schönsten Zeit des Jahres
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Bevor es Weihnachten wird
Kerstin Hohlfeld, geboren 1965 in Magdeburg, studierte von 1985 bis 1991 Theologie in Naumburg und Berlin. Danach gründete sie eine Familie und verlegte sich aufs Schreiben. Sie hat bereits mehrere Romane veröffentlicht.
Das große Kaffeetrinken am 1. Advent hat bei Familie Sommer Tradition. Doch dieses Jahr steht Sophia nicht der Sinn danach. Sie hat alle Hände voll zu tun, seitdem sie in einer renommierten Werbeagentur eine bundesweite Kampagne für gesunde Ernährung leitet. Omas kalorienreiche Plätzchen, die Ausgelassenheit und der Trubel im Hause Sommer passen einfach nicht zu dem Leben, das sie sich aufgebaut hat. Und das lässt Sophia beim Adventskaffee auch alle spüren. Ihre kleine Nichte Annabell ist darüber ganz besonders traurig. Und plötzlich wird es still in Sophias Leben. Viel zu still. Selbst ihr Freund Lukas hat auffällig viel zu tun in letzter Zeit. Sophia beginnt nachzudenken und erkennt, dass sie auf die zugehen muss, die sie vor den Kopf gestoßen hat. Wird Weihnachten doch noch zum Fest der Liebe und Versöhnung?
Kerstin Hohlfeld
Roman
Ullstein
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Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch1. Auflage Oktober 2018© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018Umschlaggestaltung: bürosüd° GmbH, MünchenTitelabbildung: © www.buerosued.deAutorenfoto: © privatE-Book-Konvertierung powered by pepyrus.comISBN 978-3-8437-1800-4
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Die Autorin / Das Buch
Titelseite
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
Kapitel 1
Über Nacht war Festtagsstimmung aufgekommen in Berlin mit allem, was dazugehörte − die Schaufenster der Läden bunt geschmückt, funkelnde Lichterketten, wo das Auge hinsah, glitzernde Tannenbäume und Weihnachtsmärkte, die nach Glühwein und gebrannten Mandeln dufteten. Ein paar Tage vor dem ersten Advent schmückte sich die Stadt, um schneidender Kälte unter einem winterlich grauen Himmel so viel Glanz wie möglich entgegenzusetzen.
Sophia eilte hinter ihren Kollegen her, die eine Viertelstunde vor ihr in die Mittagspause aufgebrochen waren. Sie hatte noch ein Telefonat zu Ende bringen müssen. Meller, der wichtigste Ansprechpartner des Auftraggebers, für den ihre Agentur gerade arbeitete, war ein sehr anspruchsvoller Mensch. Und er warf gerne im letzten Augenblick seine eigene Meinung über den Haufen. Sophia hatte ihre liebe Not, ihn bei Laune zu halten. So mancher unliebsame Anruf landete bei ihr, denn sie leitete seit ein paar Monaten das Team der Kreativen. Eine Aufgabe, die sie mit Stolz erfüllte, aber auch für eine gewisse Anspannung sorgte. Jetzt, kurz vor Abschluss der Kampagne, fühlte sie sich manchmal einfach nur noch geschafft. Und müde.
Prompt hatte Sophia heute Morgen verschlafen und war deshalb notdürftig geschminkt und ohne Frühstück aus dem Haus gestürmt. Sie hatte die Pause kaum erwarten können. Der Italiener, bei dem sie und ihre Kollegen gern ihren Lunch einnahmen, bot seine Speisen mittags als Büfett an. Sie liebte italienisches Essen wegen seiner Frische und Vielfalt. Schon bei dem Gedanken an den Duft von gebratenen Scampi lief Sophia das Wasser im Munde zusammen.
»Hiiiier, Sophia!« Melissa, die alle nur Mel nannten, winkte.
Ihre Kollegen hatten einen Tisch am Fenster mit Blick auf den Gendarmenmarkt besetzt und aßen bereits.
»Bestellt ihr mir ein Wasser mit, wenn der Kellner kommt?«, bat Sophia. »Ich hole mir rasch mein Essen.«
Wenig später nahm sie neben Mel Platz und wünschte ihren Kollegen einen guten Appetit.
»Dir auch«, sagte Mel mit einem Nicken in Richtung von Sophias üppiger Mahlzeit. »Aber den hast du ja bereits, wie man sieht.«
Die anderen drei lachten. Am lautesten wieherte Andrea, die gerade unter Einbeziehung der halben Agentur eine Diät durchzog, wie jeden Mittag ein paar Salatblätter auf ihrem Teller hin und her schob – ohne Öl natürlich − und dabei so tat, als wäre sie satt, während sie das Essen der anderen mit Blicken verschlang.
»Ich hab nicht gefrühstückt«, nuschelte Sophia und spürte, dass sie errötete.
»Frühstück, was ist das?«, fragte Mel. Und wieder lachten alle.
Sophia blieb der erste Bissen im Hals stecken.
»Nun hau schon rein!«, sagte ihr Kollege Michael, zückte sein Handy und fotografierte sie. »Ich melde dich schon mal zum nächsten internationalen Wettessen an.«
»Was soll das?«, fauchte Sophia. Sie war sauer. »Das ist nicht mehr lustig!«
»Ist ja schon gut. Reg dich nicht auf!« Michael grinste und zuckte gelangweilt die Schultern. »Ich muss los. Guten Appetit allerseits.« Einen letzten spöttischen Blick auf Sophias mit Gemüse, Fisch und Meeresfrüchten beladene Platte konnte er sich jedoch nicht verkneifen. Auf seinem Teller lag ein nur halb aufgegessenes Steak.
Die Frage, ob er wohl ebenfalls Diät hielt, schoss Sophia durch den Kopf. Sie legte die Gabel nieder.
»Ich verzieh mich auch«, sagte der zweite Kollege am Tisch.
Die drei Frauen blieben allein.
Sophia nahm ihr Besteck wieder auf, pickte am Gemüse herum und zerschnitt einen Tintenfischring umständlich in vier Teile. In ihrem Magen saß plötzlich ein Kloß. Dabei hatte sie sich so auf die Mittagspause gefreut.
»In zwei Wochen ist Weihnachtsfeier«, nahm Andrea einmal mehr ihr aktuelles Lieblingsthema auf. »Wetten, dass ich bis dahin locker in die 38 passe?«
»Und ich in die 34!«, legte Mel nach.
»Du bist auch auf Diät?«, fragte Sophia überrascht. Ihre Kollegin war nun wirklich gertenschlank.
»Und du Süße machst es andersherum«, erwiderte Mel. »Wetten, du wirst es bis Größe 40 gebracht haben, wenn du so weiterisst?«
Sie lachte, offensichtlich zufrieden mit ihrem Scherz, der Sophia endgültig die Kehle zuschnürte. Sie hasste Anspielungen auf ihre Figur. Gab es kein anderes Thema, über das sie sich unterhalten konnten? Zumal sie heute Morgen bei einem kritischen Blick in den Spiegel bereits gesehen hatte, dass eine ihrer Blusen am Bauch ein wenig spannte. Ihr eilig herbeigerufener Freund Lukas wollte ihren Eindruck zwar nicht bestätigen, aber Sophia beschied ihm, eine rosarote Brille aufzuhaben, und grämte sich. Eigentlich wäre es gar nicht so schlecht, ab und zu mal das Frühstück wegzulassen. Aber das Mittagessen auch noch?
»So ein Quatsch!« Sie tat so, als ob Mels beißender Spott sie nicht verletzte, lachte und schob ihren vollen Teller beiseite. Wenn sie jetzt Schwäche zeigte, würden die Hänseleien ihrer Kollegen blitzschnell zum Selbstläufer werden. Erst neulich hatte eine Mitarbeiterin aus ihrem Team gekündigt. Und als Grund dafür Mobbing angegeben. Sophia warf einen Blick hinüber zu Mel und Andrea. Die beiden waren lieb wie Kätzchen. Wenn sie jemanden mochten. Nahmen sie jedoch eine Person aufs Korn, hatte diese nicht mehr allzu viel zu lachen. An dem Abgang ihrer Kollegin jedenfalls waren sie nicht ganz unschuldig. Sophia hatte sich herausgehalten. Seit sie zum ersten Mal eine Kampagne leitete, sah sie kaum noch von ihrer Arbeit auf. Diese Verantwortung war weiß Gott Herausforderung genug. Waren Mel und Andrea gerade auf der Suche nach einem neuen Opfer? Aber nicht mit ihr!
»Wir beide Größe 34, Andrea die 38«, sagte sie zu allem entschlossen. »Die Wette gilt.«
»Um was wetten wir?«, fragte Andrea.
»Der Verlierer muss bei der Weihnachtsfeier vor dem Chef auf dem Tisch tanzen«, schlug Mel vor. »Und zwar gleich nach dem Essen, also wenn alle noch nüchtern sind.«
»Du hast Ideen!« Sophia wurde schon jetzt mulmig bei dem Gedanken. Sie schüttelte den Kopf. Agenturchef Schneemann würde an dieser Art Scherz keinerlei Vergnügen finden. Sie durfte in diesem Wettstreit auf keinen Fall Letzte werden.
Andrea kicherte. »Abgemacht! Ich verliere sowieso nicht.«
»Ich auch nicht.« Mel hob ihr Wasserglas und zwinkerte Sophia zu. »Kneifst du jetzt doch? Machst dich lieber bei Schneemann lieb Kind?«
»Hab ich das nötig?« Sophia gab sich selbstbewusst. »Natürlich werde ich gewinnen.«
Die drei Frauen stießen mit ihren Wassergläsern an. »Auf die Challenge!«
»Auf die Challenge!«
»14 Tage für zwei Kleidergrößen! Für jede von uns.«
Der süßliche Duft, der über dem Weihnachtsmarkt auf dem Gendarmenmarkt lag, raubte Sophia fast den Verstand, als sie das Restaurant verließen. Ihr Magen schmerzte leicht. Der Espresso, den sie bestellt hatte, um wenigstens etwas im Bauch zu haben, nachdem der Kellner ihr kaum berührtes Essen abgeräumt hatte, war keine gute Idee gewesen.
Die drei versprachen einander, sich gegenseitig mit den besten Tipps für eine schnelle Gewichtsabnahme zu versorgen. »Das soll ja auch ein Spaß für uns sein«, sagte Mel. »Und nicht nur hammerharte Konkurrenz.« Es klang scheinheilig.
»Ja, ein Spaß«, echote Andrea, die ihren Kollegen gern nach dem Mund redete.
Als Sophia Stunden später in der S-Bahn saß, fragte sie sich, warum sie sich auf diese absurde Challenge eingelassen hatte. Zwei Kleidergrößen in 14 Tagen, das war kaum möglich und nur durch größtmöglichen Verzicht zu erreichen. Das bedeutete, dass sie ab sofort kaum etwas essen durfte. Und ihr leerer Magen quälte sie jetzt schon. Sollte sie Mel und Andrea morgen sagen, dass sie es sich anders überlegt hätte? Vernünftiger wäre es. Sie betrachtete ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe. Eindeutig, nicht nur ihr Bauch, auch ihr Gesicht war runder geworden. Die anderen hatten recht, sie war dabei zuzunehmen. Es war wie jedes Jahr zur Weihnachtszeit, wo an jeder Ecke süße Verführungen lauerten, an denen sie nicht vorbeikam. Zum Heulen!
Fresssack! Fresssack!, hallte es plötzlich in ihrem Kopf.
Oma stand mit einer großen Tüte Streuselschnecken in der Ladentür, als Sophia an ihr vorbei zur Schule lief. »Die kannst du mit deinen Freundinnen teilen!«
Sophia klatschte fröhlich in die Hände. »Die werden sich aber freuen! Danke, Omi!«
Hüpfend machte sie sich auf den Weg. Der Schulranzen tanzte auf ihrem Rücken. In der großen Pause könnte sie Johanna und ihre anderen Freundinnen zu einem kleinen Picknick unter dem Kastanienbaum einladen.
»Was hast du da?«
Julia und Isabella standen am Eingang zum Klassenraum und ließen sie nicht durch.
»Nichts«, sagte Sophia und presste die Papiertüte an sich.
Die beiden lachten. Es klang nicht freundlich. Sophia blieb auf der Hut, während sie sich hilfesuchend nach ihren Freundinnen umsah. Die Finger, die plötzlich von hinten nach der Tüte griffen, hatte sie nicht kommen sehen. Nils war zwei Köpfe größer als sie. Und er tat alles, was Julia ihm sagte. Ein leichtes Nicken von ihr genügte, und er riss Sophia die Tüte aus der Hand.
»Streuselschnecken!«, strahlte er und nahm sich eine. Dann reichte er sie an die Mädchen weiter.
»Gib sie zurück!«, rief Sophia. »Das sind meine.«
»Das sind meine«, äffte Isabella sie nach. »Willst du die alleine auffressen? Kein Wunder, dass du so fett bist.«
»Nein, ich …« Sophia traten Tränen in die Augen, als sie sah, wie die drei vier der Streuselschnecken aßen und die letzte anschließend wie einen Frisbee lachend durch die Klasse warfen.
»Heulsuse!«
»Fresssack!«
»Moppelpoppel!«
Erst die Ankunft ihrer Freundinnen erlöste Sophia aus ihrem Martyrium. »Die sind blöd«, sagte Johanna und legte einen Arm um sie. »Mach dir nichts draus.«
»Mach ich auch nicht«, erwiderte Sophia.
Trotzdem stand die Neunjährige am Abend in ihrem Zimmer vor dem Spiegel und betrachtete sich unglücklich. Isabella hatte recht. Sie war dick. Ihr Sommerkleid spannte über dem Bauch und die Shorts vom letzten Jahr passten nicht mehr, wie sie entsetzt feststellen musste.
»Du bist doch nicht dick, du bist ganz einfach gewachsen«, sagte Mama, die dazukam, als sie mit Gewalt versuchte, den Reißverschluss der Hose nach oben zu ziehen. »Mein großes Mädchen wächst mir bald über den Kopf.«
»Ich will nicht dick sein!«, schluchzte Sophia.
»Aber das bist du nicht«, erklärte Mutter. »Du bist neun und du wächst noch. Was länger wird, wird auch ein bisschen breiter, das ist ganz normal.«
Die Worte waren lieb gemeint, überzeugten Sophia jedoch nicht. Julia und Isabella waren die hübschesten Mädchen in der Klasse, jeder fand sie gut, jeder wollte mit ihnen befreundet sein. Wen sie in ihren Kreis aufnahmen, der gehörte zu den beliebtesten Kindern der Schule. Sophia wollte genauso bewundert werden wie die beiden. Doch dazu musste sie dünn sein, sonst hätte sie nie eine Chance, von ihnen akzeptiert zu werden.
Oma rief zum Abendessen. Es gab Kartoffelsalat und Würstchen, eins von Sophias Lieblingsessen. Ihre jüngere Schwester Laura stürmte aus ihrem Zimmer in die Küche. »Komm, Sophia! Wir wollen essen!«
»Hab Bauchschmerzen! Kann nichts essen!«
Mutter musterte sie prüfend.
»Wirklich!«, beharrte Sophia.
Am nächsten Tag warf sie ihr Pausenbrot in den Müll.
Niemand würde sie jemals wieder Fresssack nennen.
»Ich bin so blöd! Wie kann man nur so unfassbar blöd sein?« Sophias Herz raste, ihr Puls jagte und sie begann, unter ihrem dicken Wollschall zu schwitzen, während sie ungläubig auf das Display ihres Handys starrte. Die drei Teenager, die sich zusammen auf die Bank ihr gegenüber gequetscht hatten, musterten sie neugierig und kicherten. Hatte sie das etwa laut ausgesprochen?
Sophia lockerte ihren Schal ein wenig, versuchte, die Halbwüchsigen zu ignorieren, während die S-Bahn durch den Tunnel ratterte und sie noch immer hoffte, sie würde nicht sehen, was sie sah.
Sie hatte kurz vor ihrem Feierabend eine Mail an Mel geschrieben und sich gewundert, dass nicht prompt eine Antwort kam. Mel antwortete immer. Sofort. Sie legte ihr Handy nur aus der Hand, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ, egal, ob sie sich auf der Arbeit, dem Heimweg oder zu Hause befand. Vor allem, wenn es um ihre mittlerweile vier Tage andauernde Challenge ging, reagierte sie blitzschnell. Mel hatte in dieser kurzen Zeit schon mehr als ein Kilo verloren, Andrea sogar mehr. Sophia hinkte mit 700 Gramm Gewichtsverlust ziemlich hinterher, weshalb sie im Internet nach Tricks gesucht und den ultimativen Tipp gefunden hatte. Fair, wie sie war, hatte sie Mel und Andrea direkt davon in Kenntnis gesetzt. Zugegeben, der Tipp war abartig. Sophia würde ihn ganz sicher nicht ausprobieren, auch wenn sie in ihrer Mail großspurig so getan hatte. Schließlich hatten die drei einander versichert, dass sie bei dem ganzen Spiel hin und wieder ein bisschen was zu lachen haben wollten.
Als Sophia schließlich begriff, dass auch Starren auf ihr Display nichts an den Tatsachen änderte, war ihr absolut nicht mehr zum Lachen zumute. Inzwischen war ihr sogar vollkommen egal, was die Teenager gegenüber von ihr dachten.
Ja, sie hatte die Mail rausgeschickt, aber nicht an ihre Kolleginnen, wie sie vor zwei Minuten zufällig beim Checken ihres Postausgangs festgestellt hatte. Nie, aber auch niemals eine Mail abschicken, bevor Inhalt und Adressat überprüft worden waren! Grundregel Nummer eins. Aber Sophia war in Eile gewesen – es war Freitagabend und sie ohnehin die Letzte im Büro − und hatte deshalb nicht aufgepasst. Dazu kam, dass ihr Kopf sich aufgrund des permanenten Nahrungsmangels zeitweise wie mit Watte gefüllt anfühlte.
Ihre Mail war nicht an Mel rausgegangen, sondern an Meller. Ihr superpingeliger Auftraggeber! Und somit der Letzte, der von ihrem wirklich todsicheren Tipp für eine Crashdiät erfahren sollte. Ausgerechnet von ihr, der kreativen und inhaltlichen Leiterin von Deutschlands bald größter Gesundheitskampagne!
Sophia war ruiniert! Würde man einen prominenten Vegan-Koch beim Currywurstessen erwischen, der Schock könnte nicht größer sein. Und alles was danach folgte: der Gesichtsverlust, die Häme, der Spott.
»Oh mein Gott«, stöhnte Sophia. Am Montag würde Meller ihre Mail lesen und danach wäre ihre Karriere beendet, noch bevor sie richtig Fahrt aufgenommen hatte. Sophia starrte aus dem Fenster auf die mit schmuddeligen Eisschollen getupfte Spree. Ein paar Enten schwammen auf dem schwarzen Wasser. Die ganze Stadt sah mit einem Mal schrecklich trostlos aus.
»Du hast was?«
Sophia hörte, wie Mel am anderen Ende der Leitung die Luft anhielt. Sie war eine Station eher ausgestiegen − die Hitze in der Bahn hatte sich mit jeder Station unerträglicher angefühlt − und lief jetzt durch ruhige, man könnte auch sagen ausgestorbene Seitenstraßen nach Hause. Warum wohnten sie und Lukas eigentlich nicht in Mitte? Oder im Prenzlauer Berg? In Friedrichshain? Warum im langweiligen Wannsee? Wo die Bürgersteige um 18 Uhr hochgeklappt wurden. Zu dieser Jahreszeit setzte außerdem die Dunkelheit früh ein und der ruhig daliegende See erschien düster – genau wie ihre Stimmung. Vielleicht hätte der Anblick eines Weihnachtsmarktes ihr jetzt gutgetan oder sie zumindest abgelenkt: Kinder, die sich selig auf Karussells drehten. Erwachsene, die sich mit Glühwein zuprosteten. Und überall Lichterketten und Zuckerwatteduft.
»Ich habe euch eine Mail geschrieben. Mit einem Link. Und blöderweise vorm Absenden nicht noch mal gecheckt.« Sie holte tief Luft. »Und vor ein paar Minuten habe ich gesehen, dass sie zwar an Andrea rausgegangen ist, aber nicht an dich, sondern an Meller.« Nur mit Mühe konnte Sophia verhindern, dass ihre Stimme in ein Kreischen umschlug.
»Ja, und?« Mel blieb entspannt. »Das ist nicht toll, aber auch kein Beinbruch. Das kannst du Meller doch erklären.«
»Du kapierst es nicht«, jaulte Sophia. »Wenn Meller auf den Link klickt, bin ich geliefert.«
»Vielleicht macht er es ja nicht.«
»Glaub ich nicht.«
»Aber wenn er merkt, dass die Mail gar nicht für ihn gedacht war?«
Ein Strohhalm. Mel, die gerne die Schwächen und Fehler anderer Menschen aufs Korn nahm, erwies sich gerade als ungewohnt hilfreich. Sophia hatte ein wenig gezögert sie anzurufen, sich letztlich aber bei jemandem Luft machen müssen.
»Oh Gott, vielleicht hast du ja recht«, seufzte sie.
Meller war sehr korrekt, und es sah ihm nicht ähnlich, dass er wissentlich Mails las, die nicht für ihn bestimmt waren.
»Na siehst du!«, sagte Mel. »Was war das eigentlich für ein Link? Muss ja schlimm sein, wenn du dich so aufregst.«
Hastig fasste Sophia den Inhalt der Website zusammen. Kurz vor ihrer Haustür blieb sie stehen.
»Uups«, sagte Mel, und Sophia hörte sie schlucken. Oder unterdrückte sie ein Kichern? Diesen Gedanken verwarf Sophia sofort, als Mel mit offensichtlich besorgtem Tonfall weiterredete. »Das ist wirklich nicht lustig. Und das an Meller, den Papst der Päpste, den Gott der gesunden Ernährung, den ….«
»Siehst du!«, jammerte Sophia. »Was soll ich denn jetzt machen?«
»Beten, dass er den Link nicht anklickt?«, schlug Mel vor und klang plötzlich beunruhigt. »Oder beichten, falls du katholisch bist. Bist du katholisch?«
»Keine Ahnung!«, stöhnte Sophia. »Ich muss jetzt Schluss machen. Bin zu Hause.«
»Dann lass dich erst mal in die Arme von Lukas fallen, und am Montag überlegen wir, wie wir die Sache geradebiegen. Vielleicht hat Schneemann eine Idee.«
»Schneemann?« Sophia hatte das Gefühl, genauso dicht vor einem Nervenzusammenbruch zu stehen wie vor ihrer Haustür. Nur einen Schritt noch.
»Schneemann ist ’ne Bank, das weißt du doch. Der holt für jeden von uns die Kohlen aus dem Feuer und …« Mel stockte mitten im Satz.
»Ist dir gerade eingefallen, dass Schneemann mich nicht ausstehen kann, seit er …«
»… seit er gehört hat, wie du derb über ihn gelästert hast«, vollendete Mel Sophias Satz. »Ja. Ist mir eben eingefallen.«
»Was bin ich eigentlich für ein verdammter Pechvogel?«
»Bist du doch gar nicht«, sagte Mel, wobei sie nicht besonders überzeugt klang. »Mein Vater würde jetzt sagen: Da is die Kacke am Dampfen, Kleene!«
Wo Mels Vater recht hatte, hatte er recht.
In ihrer Wohnung roch es nach in Olivenöl gebratenem Knoblauch. Nach Rotwein und Basilikum. Offensichtlich hatte Lukas sich heute für die italienische Küche entschieden, weil er wusste, dass Sophia neuerdings um Essen im Allgemeinen und um allzu weihnachtlich Deftiges im Besonderen einen großen Bogen machte. »Hey, Schatz«, hörte Sophia ihn fröhlich rufen.
»Hey«, rief sie matt zurück, bevor sie sich auf die Bank im Flur plumpsen ließ und in Tränen ausbrach. Ihr Freund – er trug eine karierte Kochschürze über Jeans und Shirt − kam augenblicklich aus der Küche und setzte sich neben sie.
»Was ist los?«
»Nichts«, schluchzte Sophia.
»Das sieht aber anders aus«, erwiderte Lukas.
»Ich kann nicht drüber reden.«
»Jetzt nicht? Vielleicht später?«
»Ja, vielleicht.«
Natürlich könnte sie ihm erzählen, dass sie eine Mail an den falschen Empfänger gesendet hatte, aber warum dieser Fehler einer Katastrophe gleichkam, musste ihr Geheimnis bleiben, denn würde sie ihm beichten, was in der Mail stand, würde ihr Freund dafür wenig bis gar kein Verständnis aufbringen. Schon als sie ihm vor ein paar Tagen von ihrer Challenge mit Mel und Andrea erzählt hatte, war seine Reaktion nicht besonders begeistert ausgefallen.
»Warum machst du dabei mit?«
»Ist doch lustig!«
»Findest du?«
»Nein, eigentlich nicht«, hatte Sophia seufzend zugegeben. »Ich wollte einfach nicht, dass sie mich weiter verspotten, und deshalb hab ich mich da reinziehen lassen.«
»Warum wird man neuerdings von seinen Kollegen verspottet, wenn man zu Mittag isst? Zumal wenn sie selbst vor gefüllten Tellern sitzen?«
»Lukas, bitte! Das verstehst du nicht.«
»In der Tat.«
»Wie auch immer. Ich komm da jetzt nicht mehr raus. Lass uns über etwas anderes reden!«
Zum Glück hatte er nicht länger nachgebohrt, sondern ihr an den folgenden Tagen abends, wie sie es wünschte, nur eine Gemüsebrühe gekocht.
Sophia lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Es tat so gut, zu Hause zu sein.
»Du hast echt den most sexiest Boyfriend abgegriffen«, hatte Mel einmal über Lukas gesagt. Und Sophia konnte ihr nur glücklich beipflichten. Lukas war blond, mittelgroß, natürlich und dreitagebärtig, und obwohl er lieber dem Essen als seiner Fitness frönte, mit einem super Body gesegnet. Er war durch und durch ein Genießer und Kochen sein erklärtes Hobby. Sophia hätte es, bevor sie ihn kennengelernt hatte, nicht für möglich gehalten, dass Kochen sexy sein konnte. Zumal bei einem Mann.
Sie aß gern, was er zubereitete. Und der Duft aus der Küche war auch heute, am vierten Tag, an dem sie sich ausschließlich mit Äpfeln, Tee und Brühe über Wasser hielt, mehr als verlockend.
»Du hast Pasta gemacht?«, fragte sie.
Er nickte. »Heute auch für dich. Ich finde, nach vier Tagen Gemüsebrühe brauchst du mal was zwischen die Zähne, Schatz!«
»Oh nein! Nein!«, wehrte sie ab. »Ich esse nichts davon!«
Aber Lukas ließ dieses Mal nicht locker. »Euren seltsamen Wettkampf hin oder her, du hast einen stressigen Job, das Fasten passt aktuell überhaupt nicht dazu, und ich habe nicht vor, zuzulassen, dass du vor Hunger die Nerven verlierst.« Für seine Verhältnisse – er regte sich nicht sonderlich schnell auf − klang er mehr als ärgerlich. »Du bist superschlank, und ich habe keine Ahnung, warum du dir von Mel und Konsorten so einen Blödsinn diktieren lässt.«
»Bist du sauer?«
»Nicht sauer.« Er sah sie an, und sie las aufrichtige Zuneigung in seinem Blick. »Nur etwas verständnislos. Du bist eine wunderschöne, erfolgreiche Frau, die beste, die ich mir wünschen kann. Warum lässt du dich auf kindische Spielchen ein?«
Sophia seufzte, doch dann schüttelte sie energisch den Kopf. »Du weißt doch, wie das bei mir im Job läuft. Ich kann nicht aufhören, weil … Es geht nicht allein um das Thema Essen. Da hängt so viel mehr dran. Ich muss mich dort jeden Tag aufs Neue beweisen, kann jetzt nicht schlappmachen, ohne dass die anderen denken, ich wäre auch sonst nicht stark genug.«
»Ich versteh schon, aber trotzdem musst du dich mal fragen, was eine Hungerkur eigentlich mit deiner Qualifikation im Job zu tun hat.«
Sophia wurde das Gespräch zunehmend zu viel. Er wäre, egal wie lange sie auch redeten, mit ihrem Ziel sowieso nicht einverstanden. Sie musste es schaffen, dass Größe 34 locker an ihr saß und nicht eng wie eine Wurstpelle. Und die Zeit lief ihr weg. Sie hatte trotz Radikaldiät von den dreien bisher am wenigsten abgenommen. Auch wenn Lukas es lieb meinte, eine abendliche Mahlzeit bestehend aus Linguine mit Olivenöl, frischem Basilikum und gehobeltem Parmesan war einfach nicht drin. In seinen Augen war das ein einfaches Essen, nach dessen Genuss man sich nicht nur satt, sondern auch zufrieden fühlte. Sophia hingegen würde sich heute und in den kommenden Tagen ausschließlich dann zufrieden fühlen, wenn sie es schaffte, von einer solchen Mahlzeit nur die Blätter des Basilikums zu essen. Vielleicht einen kleinen Schluck Wein dazu, denn der entspannte ihr in der Tat gereiztes Nervenkostüm.
Sollte sie ihrem Freund doch erzählen, welchen Link sie Mel beziehungsweise Meller (arrrrghhhh!) geschickt hatte?
Besser nicht. Er hatte von Anfang an kein Verständnis für ihre Challenge gehabt und würde ihr die Leviten lesen, dass sie sich zur Verbreitung solchen Irrsinns hinreißen lassen hatte. Auch wenn sie behauptete, der Link wäre mehr als Witz von ihr gemeint gewesen.
»Lass uns über was anderes reden!«, bat Sophia.
»Meinetwegen.« Lukas nickte. »Ehe ich es vergesse, deine Mum hat vorhin angerufen.«
»Ach ja?« Müde zog sich Sophia die Stiefel von den Füßen und ging hinter Lukas her in die Küche.
»Vielleicht willst du sie zurückrufen und mit ihr ein bisschen quatschen?«, fragte er. »Ich decke derweil den Tisch, das Abendessen ist gleich fertig. Können wir uns drauf einigen, dass du wenigstens einen Salat isst?«
Sie nickte, zu erschöpft, um zu diskutieren. »Ich rufe sie später zurück. Lass uns essen!«
Der Salat schien vorerst das kleinere Übel zu sein, denn der letzte Mensch, mit dem Sophia über sich und ihre Probleme »ein bisschen quatschen« wollte, war ihre Mutter. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass ihre Mutter vieles von dem, was sie selbst bewegte und beschäftigte, nicht verstand oder nicht verstehen wollte. Unter anderem die Tatsache, dass Sophia ihre sehr knappe Freizeit zur Erholung brauchte. Die ganze Woche über musste sie präsent, kreativ, reaktionsschnell und manchmal auf der Hut sein. Umso mehr sehnte sie sich am Wochenende nach Ruhe und Zweisamkeit.
»Ist die Arbeit in letzter Zeit vielleicht ein bisschen zu viel für dich?«, hatte ihre Mutter vor ein paar Wochen gefragt, als Sophia eine Einladung zum Umlandausflug mit der ganzen Familie abgelehnt hatte, und damit dem Fass den Boden ausgeschlagen. Traute sie Sophia nicht zu, dass sie hart arbeiten konnte?
Lukas hatte versucht, sie zu beruhigen, als sie sich hinterher bei ihm über Mutters Spruch beschwert hatte. »Sie meinte wahrscheinlich, dass du über deine Kraft arbeitest, rein zeitlich gesehen. Du weißt doch, Mütter machen sich gerne Sorgen. Und sie wundert sich bestimmt, dass du bei jedem Treffen, das sie vorschlägt, einen Grund hast, weshalb du nicht hinkannst.«
Sophia hatte unwirsch den Kopf geschüttelt. Lukas, der sehr unternehmungslustig war, akzeptierte ihr Ruhebedürfnis schließlich auch. Er hielt ihr den Rücken frei, bekochte und verwöhnte sie nach Kräften und ließ nur gelegentlich durchblicken, dass er dem Abschluss ihrer großen Kampagne freudig entgegenblickte, weil Sophia dann wieder »unter den Lebenden weilen würde«.
»Oh Gott«, stöhnte Sophia, als ihr klar wurde, weshalb ihre Mutter angerufen hatte. »Ich weiß, was sie will. Das Treffen, oder?«
Lukas nickte. »Morgen, 15 Uhr.«
ADVENTSKAFFEETRINKEN!
Das Letzte, was Sophia − angeschlagen, müde und hungrig − in diesem Moment brauchte, war der Gedanke, statt dösend auf der Couch oder in der Badewanne zu liegen, zu einem Treffen mit ihrer Familie zu fahren, wo es stets laut und lebhaft zuging. Von Ruhe keine Spur!
»Ich weiß, du wärst lieber zu Hause«, sagte Lukas. »Aber deine Mutter freut sich riesig auf uns, das konnte ich raushören. Und ganz ehrlich, ich bin echt neugierig, sie endlich alle miteinander kennenzulernen.«
»Ich weiß«, seufzte Sophia.
»Nimm dir ein Glas Rotwein«, forderte Lukas sie auf. »Ruh dich erst einmal aus! Wenn du deine Sorgen doch noch loswerden willst, ich höre dir zu. Und das Kaffeetrinken, das wird schon.«
Sophia griff nach der Flasche und schenkte sich ein. Der Rotwein schien verlockend und die 145 Kalorien waren jetzt auch egal.
»Ich muss da morgen alleine hingehen«, sagte sie, nachdem der erste Schluck vom Alkohol bereits ohne Umweg über Sophias Magen in ihren Kopf gestiegen war. Ihr Tonfall klang ruppiger, als sie beabsichtigt hatte.
Lukas stutzte einen Augenblick, wickelte eine Nudel auf seine Gabel und fragte beiläufig: »Musst du?«
»Du weißt doch, meine Familie …« Sie verdrehte die Augen. »Die sind so … die haben es überhaupt nicht gerne, wenn jemand Fremdes …«
»Jemand Fremdes?« Lukas sah sie seltsam an. »Wen wolltest du außer mir denn noch mitnehmen?«
»Sei nicht albern!« Sophia widerstand dem Impuls, den Rest des Weines in ihrem Glas auf einmal hinunterzustürzen. »Ich hab dir doch schon oft erzählt, dass meine Familie total eigen ist.«
»Jede Familie ist eigen«, erwiderte Lukas ruhig. »Was meinst du, wie viele Menschen meine Eltern verrückt finden, die den ganzen Tag über nichts anderes als Tierschutz und Artensterben reden. Und ganz ehrlich, wir sind jetzt lange genug zusammen. Ich kenne dich und liebe dich, und wie auch immer deine Familie drauf ist, sie werden mich schon nicht davon abbringen, mit dir glücklich zu sein.«
Die Probleme stapelten sich vor Sophia wie die rosa Ballettröckchen im Schrank ihrer Nichte. »Ich kann dich nicht mitnehmen.«
Sie verstand, dass er sie begleiten wollte. Nach beinahe einem Jahr, in dem sie nun zusammenlebten, und insgesamt 18 Monaten fester Beziehung, wollte Lukas natürlich ihre Familie kennenlernen. Das war, wenn man so wollte, das Normalste von der Welt.
Sophia schluckte.
»Du bist so eine Klassefrau.«
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