Blutrache - Karl May - E-Book

Blutrache E-Book

Karl May

4,6

Beschreibung

Blutrache ist eine der spannendsten Abenteuergeschichten von Karl May. Auszug: Jeder meiner Leser kennt meinen wackern, kleinen Diener Hadschi Halef Omar, den treuesten und opferwilligsten Untergebenen, den ich jemals gehabt habe. Obgleich ich sein »Herr und Gebieter« war, nannte er sich andern gegenüber doch stets meinen »Freund und Beschützer«, und ich habe dies dem spaßigen Hadschi nie verwiesen, denn ich sah über seine kleinen Schwächen wegen seiner sonstigen guten Eigenschaften gern hinweg. Nach unserer ersten Trennung schrieb er mir, wie aus dem früheren Bande »Der Schut« pag. 472 bekannt ist, einen Brief, den ich für diejenigen Leser, welche ihn noch nicht kennen und weil er ebensowohl ein Muster orientalischer Schreibweise als auch ein Charakterbild Hadschi Halef Omars bietet, hiermit wiedergebe, natürlich in das Deutsche übersetzt:

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Blutrache

In BasraEl LakitUm des Kindes willenAnmerkungenImpressum

In Basra

Jeder meiner Leser kennt meinen wackern, kleinen Diener Hadschi Halef Omar, den treuesten und opferwilligsten Untergebenen, den ich jemals gehabt habe. Obgleich ich sein »Herr und Gebieter« war, nannte er sich andern gegenüber doch stets meinen »Freund und Beschützer«, und ich habe dies dem spaßigen Hadschi nie verwiesen, denn ich sah über seine kleinen Schwächen wegen seiner sonstigen guten Eigenschaften gern hinweg. Nach unserer ersten Trennung schrieb er mir, wie aus dem früheren Bande »Der Schut« pag. 472 bekannt ist, einen Brief, den ich für diejenigen Leser, welche ihn noch nicht kennen und weil er ebensowohl ein Muster orientalischer Schreibweise als auch ein Charakterbild Hadschi Halef Omars bietet, hiermit wiedergebe, natürlich in das Deutsche übersetzt:

»Mein lieber Sihdi.

Gnade und Gruß Gottes! Wir sind angekommen, ich und Omar. Freude und Glück überall! Geld! Panzer! Ruhm, Ehre, Wonne! Kara Ben Nemsi Emir sei Segen, Liebe, Andenken, Gebet! Hanneh, die Liebenswürdige, die Tochter Amschahs, der Tochter Maleks, des Abteïbeh, ist gesund, schön und entzückend. Kara Ben Hadschi Halef, mein Sohn, ist ein Held. Vierzig getrocknete Datteln verschlingt er in einem Atem; o Gott, o Himmel! Omar Ben Sadek wird heiraten Sahama, die Tochter von Hadschi Schukar esch Schamain Ben Mudal Hakuram Ibn Saduk Wesilegh esch Schammar, ein reiches und schönes Mädchen. Allah schenke Dir sehr gutes Wetter und schöne Witterung! Rih, der Hengst grüßt sehr ergebenst und höflich. Omar Ben Sadek hat ein gutes Zelt und eine liebenswürdige Schwiegermutter. Heirate auch bald! Allah beschütze Dich! Sei stets zufrieden, und murre nicht! Ich liebe Dich! Vergiß das Siegel; ich habe weder ein Petschaft noch Siegellack! Sei immer tugendhaft, und meide die Sünde und das Verbrechen! Komme im Frühjahre! Sei immer mäßig, bescheiden, zuvorkommend, und fliehe die Betrunkenheit!

Voller Hochachtung, Ehrerbietung, Demut und Anbetung Dein ehrlicher und treuer Freund, Beschützer und Familienvater

Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah.«

Er forderte mich also in diesem sonderbar stilisierten Schreibebriefe auf, die Sünde, das Verbrechen und auch die Betrunkenheit zu meiden, obgleich er nicht den mindesten Grund dazu hatte. Dies war aber so seine Weise, und ich mußte beim Lesen seiner Zeilen herzlich lachen. Der Einladung, im Frühjahre zu ihm zu kommen, konnte ich erst zwei Jahre später folgen, als ich mich wieder am obern Tigris befand. Von dem, was ich da mit dem Hadschi erlebt, habe ich schon einiges erzählt. Hier mag die Schilderung eines weiteren Ereignisses folgen, welches in Basra begann und in der arabischen Wüste endete, wohin ich gar nicht hatte gehen wollen.

Meine Absicht war vielmehr gewesen, von Basra aus per Schiff nach Abuschehr in Persien zu fahren und von dort aus Schiras, das berühmte, zu besuchen. Basra oder Bassora liegt in einer heißen, sumpfigen und also höchst ungesunden Gegend an der Vereinigung des Euphrat und Tigris, welche Schatt el Arab genannt wird. Darum wollten wir, um unsere Gesundheit nicht zu gefährden, uns nicht lange hier aufhalten. Ich sage »wir« und meine dabei mich, Hadschi Halef Omar, Omar Ben Sadek und zwei Haddedihnaraber, welche mich vom letzten Weideplatze der Haddedihn auf einem Kellek den Tigris herab nach Bagdad gebracht hatten. Dies war aus Anhänglichkeit geschehen, und in Bagdad hatten sie mir lebewohl sagen und zurückkehren wollen. Aber Halef und Omar, meine früheren Gefährten in so manchen Gefahren, hatten sich nur schwer von mir trennen können und mich gebeten, noch bis Basra mitfahren zu dürfen. Ich hatte eigentlich nicht ja sagen wollen, aber endlich doch eingewilligt, weil sie gar so gute Worte gegeben hatten.

Es war dabei von ihnen ein Vorwand benutzt worden, gegen welchen ich nichts sagen konnte. Die Haddedihn, welche vortreffliche Kamelzüchter sind, hatten nämlich mehrere Kelleks, mit Kamelwolle nach Basra gesandt, wo es Händler giebt, welche dieses Produkt gern kaufen und nach Indien und sogar weiter senden. Der Befehl über diese Kelleks war dem zwar jungen aber trotzdem in solchen Handelssachen erfahrenen Mesud Ben Hadschi Schukar übergeben worden. Ben heißt Sohn; Mesud war also der Sohn von Hadschi Schukar, und da, wie Halef in seinem Briefe sagt, Omar Ben Sadek eine Tochter dieses Hadschi Schukar geheiratet hatte, so war er der Schwager dieses Mesud Ben Hadschi Schukar. Dies muß ich erwähnen, wenn das Spätere richtig verstanden werden soll.

Mesud war also mit seinen Flößen und den ihn begleitenden Haddedihn nach Basra gefahren, und dies gab Halef und Omar den Vorwand, mich vollends dorthin zu begleiten, um ihn aufzusuchen und mit ihm zurückzukehren. Ich konnte nichts dagegen haben.

Als wir in Basra ankamen, suchten wir nach Mesud und fanden ihn ohne große Mühe, da die früher so bedeutende Stadt jetzt kaum noch zehntausend Einwohner hat und Menschen also nicht leicht in der Menge verschwinden können. Er hatte die Kamelshaare an den Mann gebracht, einen guten Preis erzielt und sollte das Geld morgen ausbezahlt bekommen.

Ich ging nach dem im Norden der Stadt liegenden Hafenbassin, um mich nach einem abwärts segelnden Schiffe umzusehen, erfuhr aber zu meinem Bedauern, daß ich noch mehrere Tage warten müsse. Was während dieser Zeit anfangen? Ein im Oriente Unbekannter hätte sich wohl für diese kurze Zeit mit Basra beschäftigen können, mir aber konnte dieser Ort gar nichts bieten. Da war es mir denn sehr lieb, daß die Haddedihn die Absicht hatten, nach Kubbet el Islam zu reiten, um den Manen Ibn Risaas ihre Verehrung darzubringen. Kubbet el Islam, zu deutsch Kuppel des Islam, ist nämlich der Name für Alt-Basra, welches ungefähr fünfzehn Kilometer südwestlich von Neu-Basra liegt und bis in das vierzehnte Jahrhundert zu den vier Paradiesen der Moslemim gerechnet wurde. Es spielt nächst Bagdad die bedeutendste Rolle in dem Märchen von Tausend und einer Nacht, und hier war es, wo im vierten Jahrhundert der berühmte Ibn Risaa eine der ersten muhammedanischen Gelehrtenakademien gründete. Daher unterläßt es selten ein »wahrer Gläubiger«, der sich in Neu-Basra befindet, einen Ausflug nach Kubbet el Islam zu machen, was zwar nicht erforderlich ist, aber doch als verdienstlich gilt.

Um die Zeit zu verbringen, wollte ich diesen Ritt mitmachen, und er sollte morgen vorgenommen werden, wenn Mesud das Geschäftliche vollends besorgt haben wird. Da wir auf dem Kellek gekommen waren, hatten wir natürlich keine Pferde mit, doch waren zu jeder Zeit Mietesel genug zu bekommen, unter denen sich, gerade so wie in Bagdad, viele Schimmel befinden, die sonst sehr selten sind. Darum sah ich mich nicht schon heute nach Reittieren um, ein Umstand, den wir später sehr zu beklagen hatten.

Wir hatten uns alle in einer Privatwohnung einquartiert, welche in der Nähe des Marghil oder Kut-i-Frengi lag – so wird das englische Konsulat genannt, welches das beste Gebäude von Basra ist.

Am nächsten Morgen begab sich Mesud zu dem Käufer seiner Wolle und erhielt das Geld ausbezahlt. Ich hatte ihn aufgefordert, dies später zu thun, weil er das Geld noch nicht brauchte und man selbst auf einem so kurzen Ausfluge, wie wir ihn vorhatten, vor unliebsamen Begegnungen nie sicher ist, aber er war mir nicht folgsam gewesen. Als er zurückkam, wollte ich gehen, um die nötigen Hamirzu mieten; da sagte er.

»Das ist nicht nötig, Effendi. Ein freier Araber reitet nicht gern auf einem Esel, und ein so berühmter Emir, wie du bist, darf sich erst recht nicht auf einen so niedrigen Sattel setzen. Wir werden auf Pferden reiten.«

»Hast du etwa welche besorgt?« fragte ich ihn.

»Ja.«

»Von wem?«

»Von Abd el Kahir, dem berühmten Scheik der Muntefikaraber.«

»Das ist allerdings ein berühmter und höchst vertrauenswerter Mann; aber es wundert mich, daß er sich auf ein solches Geschäft einläßt. Ein so hervorragender Krieger pflegt seine Pferde nicht zu vermieten.«

»Da hast du recht. Er vermietet sie uns auch nicht, sondern er leiht sie uns umsonst, weil er sich freut, dir dienen zu dürfen.«

»Mir? Ich bin hier fremd. Was weiß er von mir?«

Da fiel mir mein kleiner Hadschi Halef, welcher jede Gelegenheit, mich und dabei natürlich auch sich zu verherrlichen, gern ergriff, rasch ein:

»Wie kannst du nur so fragen, Sihdi? Hast du vergessen, was für Heldenthaten wir vollbracht haben? Giebt es auch nur einen Menschen, der uns gleichzustellen ist? Wir sind die Riesen der Kühnheit und der Tapferkeit, und alles, was außer uns lebt, ist Zwerg gegen uns. Unsere Namen sind durch alle Länder erklungen, und von unsern Thaten wird in allen Häusern und Zelten erzählt und gesungen. Warum soll Abd el Kahir da nicht wissen, daß du der unbesiegliche Emir Kara Ben Nemsi Effendi bist, der unter meinem unüberwindlichen Schutze steht?«

»Halef, schneide nicht auf! Es ist möglich, daß er von unsern früheren Erlebnissen einiges gehört hat; aber woher weiß er, daß wir uns hier befinden und nach dem Kubbet el Islam reiten wollen?«

»Von mir,« antwortete Mesud. Ach habe es ihm gesagt.«

»Wo hast du ihn getroffen?«

»Bei dem Händler, von welchem ich mir das Geld geholt habe.«

»Bei dem war er? Hat er gesehen, daß du soviel ausbezahlt bekamst?«

»Ja.«

»So sei vorsichtig, und nimm es nicht mit!«