Blutstropfen – Die Geschöpfe der Finsternis: Eine Vampir-Saga, Doppelband mit Band 3 und 4 - Rowena Crane - E-Book

Blutstropfen – Die Geschöpfe der Finsternis: Eine Vampir-Saga, Doppelband mit Band 3 und 4 E-Book

Rowena Crane

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Beschreibung

Die Geschöpfe der Finsternis leben unter uns und sie treiben ihr Unwesen im Verborgenen – aber nicht immer …
Hierbei handelt es sich um einen Doppelband der großen Vampir-Saga »Blutstropfen« und beinhaltet Band 3 »Horizonte« und 4 »Für immer und ewig«.
Über den Band »Horizonte«: Endlich hat Angelo wieder zu Tina gefunden. Beide wünschen sich nur noch, in Ruhe ihr gemeinsames Glück genießen zu können.
Der Frieden, den sich Tina und Angelo gewünscht haben, ist ihnen nicht aber vergönnt, denn Damian verbündet sich mit der alten Waldhexe. Die beiden schmieden einen teuflischen Plan. Dann kommt es zu einem unerwarteten Zwischenfall, bei dem Tina spontan handelt, ohne an die Folgen für sich zu denken. Visionen zeigen Tina, was Damian und die Hexe Grausames entstehen lassen haben, um ihre Ziele zu erreichen. So kommt es, dass Vampire, Hexen und Wandler das erste Mal gemeinsam gegen die beiden vorgehen.
Angelo will Tina aus allem heraushalten. Doch sie plant heimlich, ihn nicht allein zu lassen. Sie will die Vision ändern und so verhindern, dass er in die Fänge der Hexe und seines psychopathischen Bruders gerät …

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Rowena Crane

 

 

Die Geschöpfe der Finsternis

 

Blutstropfen

 

Eine Vampir-Saga

 

Doppelband:

Band 3: Horizonte &

Band 4: Für immer und ewig

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv

Cover: © by Oskar Walder nach Motiven, 2023

Korrektorat: Bärenklau Exklusiv

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die Handlungen dieser Geschichte ist frei erfunden sowie die Namen der Protagonisten und Firmen. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht gewollt.

 

Alle Rechte vorbehalten

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Blutstropfen, Band 3: Horizonte 

Vorwort 

Hoffen 

Katja und Jan 

Bei Georg 

Katja und Georg 

Explosion der Gefühle 

Blutiger Zwischenfall 

Ein Date mit Werwölfen 

Leben und Sterben 

Andrew 

Ins gemeinsame Glück 

Blutstropfen, Band 4: Für immer und ewig 

Vorwort 

Ein wunderschöner Tag 

Sterben, um zu leben 

Unsterblich 

Vorfreude und Vorbereitungen 

Das Ritual 

Familie 

Alltag mit Problemen 

Visionen und Entscheidungen 

Neue Vorfälle 

Der Stärketest 

Unser Freund Xenus 

Ein neuer Vampir? 

Überraschungen 

Unerwartete Gäste 

Ungezügelter Hass 

Unser erster gemeinsamer Kampf 

Jessicas Wandlung 

Das Ende des Hasses 

Epilog 

 

Das Buch

 

 

 

 

Die Geschöpfe der Finsternis leben unter uns und sie treiben ihr Unwesen im Verborgenen – aber nicht immer …

Hierbei handelt es sich um einen Doppelband der großen Vampir-Saga »Blutstropfen« und beinhaltet Band 3 »Horizonte« und 4 »Für immer und ewig«.

Über den Band »Horizonte«: Endlich hat Angelo wieder zu Tina gefunden. Beide wünschen sich nur noch, in Ruhe ihr gemeinsames Glück genießen zu können.

Der Frieden, den sich Tina und Angelo gewünscht haben, ist ihnen nicht aber vergönnt, denn Damian verbündet sich mit der alten Waldhexe. Die beiden schmieden einen teuflischen Plan.

Dann kommt es zu einem unerwarteten Zwischenfall, bei dem Tina spontan handelt, ohne an die Folgen für sich zu denken.

Visionen zeigen Tina, was Damian und die Hexe Grausames entstehen lassen haben, um ihre Ziele zu erreichen. So kommt es, dass Vampire, Hexen und Wandler das erste Mal gemeinsam gegen die beiden vorgehen.

Angelo will Tina aus allem heraushalten. Doch sie plant heimlich, ihn nicht allein zu lassen. Sie will die Vision ändern und so verhindern, dass er in die Fänge der Hexe und seines psychopathischen Bruders gerät … 

 

 

***

Blutstropfen, Band 3: Horizonte

 

 

Vorwort

 

Ein Ring

- dieser eine

- dieser besondere Ring

- ein Symbol für die Liebe

- ein Versprechen für die Liebe

- das Zeichen für die Unendlichkeit.

- Es schließt sich der Kreis

- für den Bund der Gemeinsamkeit,

den Weg in die Ewigkeit.

 

 

Hoffen

 

Einige Vögel zwitscherten ihr Lied an diesem warmen Frühlingstag. Ansonsten war es still hier. Die Sonne schickte ihre Strahlen zu mir, die meine Haut wärmten und mich verwöhnten. Sanft streichelte der Wind über meinen Körper. Ich trug nur einen Bikini und lag auf der Decke auf meiner – unserer Lichtung. Bevor ich am Nachmittag den Hund ins Auto springen ließ, hatte ich ihn mir angezogen. Für den Fall, dass es wirklich warm genug sein würde. Und das war es.

Nach dem routinemäßigen Spaziergang hatte ich wieder den Weg zur Lichtung eingeschlagen. Das tat ich immer, wenn das Wetter es zuließ. Leider ging ich in letzter Zeit immer allein. Bedingt dadurch, dass Angelo erst wieder er selbst werden musste. Sie, die Mitglieder der Clans, hatten ihn gefoltert. Sie hatten ihn ausbluten lassen. Es war grausam, das mit anzusehen, ihn leiden zu sehen. Wenn ich jetzt daran dachte, verursachen die Bilder bei mir immer noch Schmerzen. Doch sie -die Mitglieder der Clans – hatten mich, einen Menschen, angehört und mir geglaubt. Dafür verurteilten sie Damian, Angelos Bruder, für sein hasserfülltes Handeln uns gegenüber.

Ich hoffte nun, dass wir ihn lange, lange nicht mehr treffen würden. Am besten nie mehr! Dafür wünschte ich mir Angelo zurück, so wie ich ihn kannte und liebte. Zärtlich, aufbrausend, fordernd, rücksichtsvoll, energisch, voller Liebe …

Ich schloss meine Augen und verlor mich in Erinnerungen. Angelo hatte mich auf dieser Lichtung zufällig beim Durchstreifen der Wälder getroffen, die es in dieser Gegend reichlich gibt. Danach beobachtete er mich ständig, bis er es wagte, sich mir zu nähern. Er wusste so viel von mir und ich so wenig von ihm. Ich wollte, dass er blieb. Er war derjenige, der mich wieder ins Leben zurückgeführt hatte. Durch ihn fing ich endlich wieder an zu leben. Absurd. Unvorstellbar. Doch für mich nicht mehr. Damals steckte ich ziemlich tief und fast aussichtslos in einer seelischen Krise. Und ich vertiefte mich in Lektüren, die über Mythen und Legenden erzählten. Das versetzte mich in eine Welt, in der ich mich in meiner Fantasie bewegte. Ich wünschte mir, ihnen zu begegnen und stellte mir vor, eine von ihnen zu sein. Einer dieser Wünsche ging in Erfüllung – unglaublich. Angelo war mit das Beste, was mir in meinem Leben passiert war. In mir festigte sich die Gewissheit: Ich liebe einen Vampir, einen Unsterblichen. Und dieser liebt mich, eine Sterbliche.

Seit der Zeit hatten wir viel durchgemacht. Es war nicht immer einfach. Manchmal grenzte es am Rand eines Abgrunds. Doch unsere Freunde halfen uns, so dass wir immer noch leben. Ich sah und lernte Dinge kennen, die jenseits der Vorstellungskraft liegen. Nicht mehr für meine, denn ich lebte ja jetzt in zwei Welten. Es war nicht immer leicht und würde es auch in Zukunft nicht sein. Doch ich hatte mich entschlossen, mit Angelo zu leben. Was immer auch geschehen würde – mein Leben gehört ihm.

Ich blinzelte in die Sonne und seufzte leise. Ich vermisste ihn, seine Stimme, seine Nähe. Es reichte mir nicht, dass er mich mit großem Anstand beobachtete, dass er mir Arbeiten im Haus abnahm oder für mich das Essen zubereitete. Ich wollte ihn endlich bei mir haben, mit ihm reden und ihn berühren können. Er fehlte mir so sehr. Doch ich hatte versprochen, Geduld zu haben. Ich hatte versprochen ihm so viel Zeit zu geben, wie er benötigte.

Ich drehte mich auf den Bauch und stöhnte. Komplizierte Beziehung., dachte ich bedrückt. Du fehlst mir.

Ich kraulte meinen Hund, der neben der Decke lag, meine Schweizer Sennenhündin. Sie sah mich mit ihren treuen, braunen Augen an und knurrte wohlig. Plötzlich spitzte sie ihre Ohren, und es kam Bewegung in ihren Körper.

»Sch, Kessy«, sagte ich leise zu ihr. Ich dachte mir, dass sie Angelo bemerkt hatte, weil er vielleicht einmal wieder für den Bruchteil einer Sekunde sehr nah bei mir gewesen war. Doch sie beruhigte sich nicht, sondern freute sich sichtlich. Ich setzte mich hin, damit ich mich besser umsehen konnte. Vielleicht stand er wieder am Rand der Lichtung an einen Baum gelehnt und schaute zu mir herüber. Völlig unerwartet fiel mein Blick auf ihn. Angelo saß unweit von mir auf dem Ende der Decke im Schneidersitz. Völlig überrascht schaute ich ihn an. Meine Gedanken wirbelten durcheinander.

Was hat er vor? Kann er seinen Durst unterdrücken? Warum ist er hier, so nah bei mir? Oder kann ich endlich hoffen?

Jetzt erst merkte ich, dass ich das Atmen vergessen hatte und holte tief Luft. Angelo hatte sich noch keinen Millimeter bewegt. Wie eine Statue saß er dort und blickte mich an. Ich musterte ihn. Er sah blendend aus. Seine Augen waren von einem schönen bernsteinfarbenen Ton. Die Sonnenstrahlen ließen seine helle Haut silbrig aussehen. Er trug eine verwaschene Jeans und eins der neuen Shirts, die er sich in Paris gekauft hatte.

Während meiner Betrachtung griff ich zu meiner Bluse, um sie mir überzuziehen. Ich wollte es ihm nicht noch zusätzlich schwerer machen, als es schon war.

»Ich vermisse dich«, sagte er leise in das Schweigen. Es hörte sich traurig an, doch in seinem Gesicht konnte ich keine Regung erkennen. Er sah mich nur starr an.

»Du fürchtest dich vor mir.«

Das hörte sich nun eindeutig gequält an und gab mir innerlich einen Stich. Ich hielt in meiner Bewegung inne.

»Nein«, entgegnete ich. »Wäre ich sonst noch hier?«

»Ich werde gehen, wenn du es möchtest«, bot er mir tonlos an.

»Nein. Bleib!« Das war doch mein sehnlichster Wunsch.

»Sicher?« Seine Augen durchbohrten mich. Ich wusste, dass er jetzt meine Gedanken las. Doch sie liefen synchron mit dem, was ich sagte. »Ja.«

»Gut.« Endlich bewegte er sich etwas und gab seine statuenhafte Haltung auf. Ich zog mir meine Bluse über und knöpfte sie zu. Angelo beobachtete mich dabei. »Vorsichtsmaßnahme?«, fragte er und zog dabei eine Braue nach oben.

»Ja«, antwortete ich leise.

»Meinst du, dass es etwas nützen würde?«, fragte er provokant. Um seine Mundwinkel zuckte es verräterisch.

»Ich vertraue dir. Du weißt das«, erwiderte ich darauf im ernsten Ton.

»Entschuldige«, murmelte er. Ich setzte mich nun auch in einem gebührenden Abstand ihm gegenüber. Dabei zog ich meine Beine an und schlang die Arme um sie. Ich betrachtete ihn weiter.

»Wie geht es dir?«, fragte ich vorsichtig an.

»Ich denke gut.«

»Deine Wunden?«

»Verheilt.«

»Und dein Durst? Kannst du ihn wieder kontrollieren?«

»Ich bemühe mich«, war seine Antwort. Ich wusste, was das hieß. Ich hatte es bei unserem Kennenlernen bereits erfahren.

»Wo hältst du dich ständig auf?«, fragte ich weiter. Es tat mir gut seine Stimme zu hören.

»In deiner Nähe.«

»Ich meinte: in der Nacht«, korrigierte ich mich. Er musste sich doch irgendwo zur Ruhe legen, auch wenn er nicht schlief.

»Was meinst du wohl?« Erwartungsvoll sah er mich an. Ich dachte kurz nach. Es fiel mir eigentlich nur ein Ort ein. Andere Varianten verwarf ich sofort wieder.

»Du bist immer im Haus gewesen?« Fassungslos starrte ich ihn an, als er zustimmend nickte. Ich hatte es geahnt, doch den Gedanken stets wieder von mir geschoben.

»Du warst immer da?«, flüsterte ich noch weiter, um Fassung ringend.

»Ja.«

»Wo?«, wollte ich wissen.

»Dir beim Schlafen zugesehen und schlechte Träume genommen, wenn ich nicht jagen war«, antwortete er.

»Wo hast du geschlafen?«, stellte ich meine Frage genauer.

»Ich schlafe nicht, wie du weißt«, erwiderte Angelo mit einem ironischen Unterton. Ungehalten sah ich ihn an. Er wusste doch, wie ich das meinte.

»Wo hast du dich erholt?«, stellte ich nun meine Frage anders.

»Im Wohnzimmer oder Musikzimmer«, sagte er und zuckte mit der Achsel. Das verwunderte mich. Er beobachtete mich beim Schlafen – war mir also sehr nah – aber ruhen tat er woanders. Das war mir nun doch etwas zu hoch.

»Reine Vorsichtsmaßnahme. Ich will dich nicht verletzen«, ergänzte er und lenkte dabei seinen Blick auf meinen verbundenen Arm. Ich folgte ihm und legte meine Hand darüber. »Lässt du es mich ansehen?« Erschrocken sah ich ihn an.

»Nein«, stieß ich hervor.

Stirnrunzelnd schaute er mich an, und ich sah die Frage in seinen Augen.

»Reine Vorsichtsmaßnahme«, sagte ich und blickte ernst in sein Gesicht. Er nickte kurz. Doch dann schenkte Angelo mir sein Lächeln, das ich so liebte. In diesem Moment hatte ich die Gewissheit, dass ich ihn wiederbekommen würde. Ich hatte die längste Zeit gewartet.

Es machte sich ein Glücksgefühl in mir breit und wärmte mich. Ich schenkte ihm ebenfalls mein Lächeln.

»Schließ bitte deine Augen für mich!«, bat er mich mit samtener Stimme.

Fragend sah ich ihn an. Was hatte er vor?

»Du hast gesagt, dass du mir vertraust«, erinnerte er mich. Ich wog für mich ab, ob mein Vertrauen dafür heute bereits reichte. Ich beschloss, dass es so war, weil ich mich an unsere ersten Begegnungen erinnerte. Da hatte ich es doch auch getan. Also tat ich, worum er mich gebeten hatte.

»Halte ganz still!«, forderte er mich auf. »Bitte. Du wirst mir sonst wehtun.«

Ich wunderte mich über das, was er sagte. Doch das rückte plötzlich in den Hintergrund. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht, dann seine kalten Lippen auf meiner Wange. Langsam wanderten sie weiter bis zu meinem Mund. Vorsichtig tastete er sich vor. Seine Zungenspitze fuhr über meine leicht geöffneten Lippen. Mein Herz fing bereits an zu stolpern, weil ich das Atmen vergaß. Er küsste mich so zärtlich und behutsam, dass ich kaum noch in der Lage war, mich zurückzuhalten. Langsam löste er sich von mir.

»Atme, Tina! Atme!«, hörte ich ihn sagen. Vor meinen Augen tanzten rote Kreise, die sich zusammenfügten und dann wieder teilten. Plötzlich tat mir mein Arm wieder weh und ich stöhnte.

»Es ist gleich vorüber«, sagte er bedrückt. Ich schlug meine Augen auf und stellte fest, dass ich nicht mehr saß, sondern auf der Decke lag. Angelo hielt meinen Arm und legte gerade wieder die Binde an.

»Was hast du getan?«, fragte ich entsetzt. Ich richtete mich auf und wollte ihn von mir wegstoßen.

»Nein. Nicht!«, hörte ich ihn noch rechtzeitig rufen. »Es wird schneller heilen, wenn du es mich tun lässt«, gab er mir gequält zu verstehen. Dann stand er auf und verschwand. Ein grauer Schatten flog schnell über die Lichtung, um sich dann zwischen den Bäumen zu verlieren. Verstört sah ich ihm nach und fragte mich nun, ob sein heutiger Besuch doch nur ein Zwischenspiel war.

Am nächsten Tag und an den folgenden Tagen wiederholten sich zu meiner Freude Angelos Besuche auf der Lichtung bei mir auf der Decke. Stets saß er mir mit einem gewissen Sicherheitsabstand gegenüber. Meist gesellte sich Kessy zu ihm und ließ sich kraulen. Kurz bevor er ging, versorgte er meine Wunde. Sie verheilte unter seiner besonderen Behandlung viel schneller. Doch ein Blick in sein Gesicht zeigte mir immer wieder, dass er sich die Schuld dafür gab. Einmal murmelte er, dass ihn die bleibende Narbe stets an seine Unbeherrschtheit erinnern wird. Ich zog zornig den Arm von ihm weg und machte meinem Ärger Luft. Das entlockte ihm nur ein schwermütiges Lächeln, aber das Bekümmerte konnte ich nicht aus seinem Blick verbannen.

Am Samstag verkündete Angelo so ganz nebenbei, dass er am folgenden Montag wieder anfangen wollte zu arbeiten. Ungläubig schaute ich in sein Gesicht.

»Du willst wieder arbeiten? Bist du dir da ganz sicher?«

»Ja.« Das meinte er bitterernst. Ich sah es ihm an.

»Ich halte das für keine gute Idee«, meldete ich meine Bedenken an.

»Warum nicht?«, fragte er verwundert. Ich sah ihn mit Unglauben an und schnappte nach Luft.

»Das fragst du auch noch?«

»Sieht ganz so aus«, meinte er leichthin. Ich hatte da so meine Zweifel. Was würde passieren, wenn er doch noch nicht so weit war? Wenn jemand zu Schaden kam? Ich konnte es mir nicht einmal annähernd vorstellen, was dann passieren würde.

»Du … du hältst zu mir immer noch Abstand. Du wagst es kaum mich zu berühren. Aber du gedenkst in eine Klasse mit zwanzig Kindern zu gehen?«, hielt ich ihm vor.

»Das habe ich auch getan, bevor ich dich kannte«, erinnerte er mich.

»Aber da hatte man dich auch nicht ausbluten lassen«, entgegnete ich leise, aber bestimmt. »Du musst dich nicht sorgen. Es wird niemanden etwas geschehen«, versicherte Angelo mir. Keine Sorgen machen? Wie stellt er sich das nur vor?, fragte ich mich.

»Was sagt Georg dazu?«, wollte ich nun wissen und sah ihn prüfend an. Ich versuchte sogar zu hören, was er dachte.

»Ich werde von ihm keinen Krankenschein mehr bekommen«, antwortete er und schmunzelte. Er spürte, dass ich ihn überprüfte.

»Glaubst du mir etwa nicht?«, fragte er und lächelte dabei. Er bekam darauf keine Antwort von mir, denn ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Es verunsicherte mich. Georg hatte mich, wie jeden Morgen, angerufen. Doch er hatte mir nichts davon gesagt. Warum nicht? Konnte ich Angelo trauen? Aus Scherz hatte er einmal zu mir gesagt: Traue nie einem Vampir! Was sollte ich nun tun? Ihm glauben?

Ich stand auf und ging ein paar Schritte. Ich spürte Angelos Blick in meinem Rücken. Ich hatte das Gefühl, als würden sie mich durchbohren. Mir lief es kalt über meinen Rücken und ich versteifte mich.

»Warum vertraust du mir nicht?«, hörte ich ihn fragen. Was sollte ich ihm antworten? Ich drehte mich zu ihm um und schaute in sein enttäuschtes Gesicht.

»Ich … ich vertraue dir ja. Aber …«

»Was aber?«, fragte er barsch.

»Was ist mit mir?«, flüsterte ich und sah ihn traurig an.

»Was meinst du?«, fragte er verwundert.

Enttäuscht darüber, dass er meine Frage nicht verstanden hatte, drehte ich mich wieder von ihm weg und schob einen Riegel vor. Mir war zum Heulen, doch ich riss mich zusammen. »Kessy, komm! Ab nach Hause!«, befahl ich ihr.

»Stopp! Du willst jetzt einfach so gehen?«, rief er und drückte so sein Unverständnis für meine Entscheidung aus. Ich deutete nur ein Nicken an und atmete dabei tief ein.

»Kessy, los!«, forderte ich die Hündin noch einmal auf, doch sie blieb bei Angelo liegen. Sogar der Hund will nichts mit mir zu tun haben, dachte ich verbittert.

»Bringst du Kessy nach Hause?«, fragte ich ihn tonlos.

Plötzlich stand Angelo vor mir und musterte mich. Sein Blick war fragend. Traurig schaute ich weg. Ich wollte doch nicht seine Entscheidung beeinflussen. Ich hatte es mir fest vorgenommen.

»Gut. Dann gehst du Montag wieder arbeiten«, sagte ich leise zu ihm und wollte gehen.

»Tina, warte!«, bat er und griff nach meinen Armen.

»Was ist los?«

»Nichts.« Ich verstand nicht, warum er heute so begriffsstutzig tat.

»Nichts? Dann lass mich deine Gedanken hören!«, forderte er. Ich schüttelte nur den Kopf. »Das geht jetzt nicht.«

»Warum nicht?«, bohrte er hartnäckig weiter.

»Bitte, nicht«, flüsterte ich und schloss für einen Moment meine Augen, damit er meine Enttäuschung nicht in ihnen las.

»Oh Gott! Jetzt verstehe ich …«, murmelte er, ließ mich los und trat einen Schritt zurück. Wieder trafen sich unsere Blicke, seiner ernst und mit Wärme und meiner traurig.

Ich ging zur Decke, mit der Absicht sie zusammenzulegen. Doch bevor ich sie erreichte, stand Angelo wieder vor mir. Ich schaute ihn nicht an. Ich konnte nicht.

»Geh noch nicht!«, bat er zerknirscht.

»Doch. Es ist besser«, erwiderte ich leise.

»Warum?«

»Ich möchte nicht, dass du dich … Ach, vergiss es!« Ich wollte eine Unterhaltung wie diese nicht.

»Lass mich deine Gedanken lesen. Bitte.« Dabei berührte er mit seiner Hand meine Wange. Nur diese eine leichte Berührung sendete einen Stromschlag durch meinen Körper. Ich schloss meine Augen und hielt die Luft an.

Ich darf mich nicht verraten, wie sehr er mir fehlt. Ich darf nicht, dachte ich verzweifelt. »Bitte, tu es jetzt!«, raunte er mir leise ins Ohr. Im gleichen Augenblick hatte er seine Arme um mich gelegt und streifte sanft mit seinen Lippen über meine. Meine so mühsam aufgestellte Mauer fiel in diesem Moment wie ein Kartenhaus zusammen. Mein schneller werdender Puls verriet zudem auch noch meine Gefühlslage. Mir schwankte der Boden unter den Füßen, doch Angelo hielt mich sicher im Arm und küsste mich zärtlich.

Vorsichtig ließ er mich wieder los und achtete darauf, dass ich stehenblieb.

»Danke«, hauchte er mir ins Ohr. »Ich sehe dich zu Hause. Bis gleich.« Ein kalter Windhauch streifte mich, und ich öffnete endlich meine Augen.

Ich stand jetzt allein auf der Lichtung. Angelo hatte alles mitgenommen und Kessy hinter sich her sprinten lassen. Langsam verließ ich die Lichtung und ging zu meinem Wagen. Als ich zu Hause angekommen den Flur betrat, hörte ich Klavierklänge. Es waren harte und schnelle Töne. Ich erkannte nicht, was Angelo dort spielte. Es hörte sich frustrierend an. Leise begab ich mich nach unten zu seinem Musikzimmer und blieb im Türrahmen stehen. Es schien, als würde Angelo mich nicht bemerken. Schnell flogen seine Finger über die Tasten. Er legte seine ganzen Emotionen in das Spiel. Ich lehnte mich auf dem Flur an die Wand neben der Tür und hörte von dort seinem hämmernden Spiel zu. Ihn schien etwas sehr zu beschäftigen, womit er nicht klarkam, was ihn nicht befriedigte. Ich ahnte, was in ihm vorging und gab mir dafür die Schuld. Es ging darum, Entscheidungen zu treffen. Er wollte nicht, dass ihm wieder ein Fehler unterlief. Ich atmete tief ein und stieß mich von der Wand ab. Leise schlich ich nach oben.

Als wenn das etwas nützen würde. Er hat mich garantiert gehört. Und wenn nicht, dann gerochen., dachte ich verdrießlich. Ich ging ins Wohnzimmer und legte in seine Anlage eine CD mit ruhiger Klaviermusik ein. Ich wollte Angelos Stimmungslage nicht auf mich übergehen lassen. Er haderte mit sich. Doch dabei wollte ich ihm nicht auch noch Hilfestellung geben.

Ich stellte die Musik so ein, dass ich sie – ohne andere, jetzt störenden Töne – hören konnte und legte mich auf die Couch. Nach einer Weile schloss ich meine Augen. Ich verscheuchte alle meine Gedanken und konzentrierte mich auf die Klaviertöne. Sie legten sich beruhigend über mich und schützten mich vor der Niedergeschlagenheit, die mich unten bei ihm ergreifen wollte. Ich rührte mich nicht von der Stelle, bis die Musik verklungen war. Dann lauschte ich in die Stille. Angelo hatte aufgehört, auf dem Flügel zu hämmern. Ich hoffte nur, dass er das gute Stück nicht zerlegt hatte. In seiner Stimmungslage konnte ich mir das ganz gut vorstellen. Ich stand auf und legte die CD wieder an ihren Platz zurück.

Ich sehe dich zu Hause. Bis gleich, hatte er gesagt. Doch wo war er nun? Ich stand am Fenster und schaute verloren hinaus. Von irgendwo hörte ich mein Handy klingeln. Ich fand es in der Küche auf dem Schrank. Es war Katja.

»Hallo, na was hast du auf dem Herzen?«, fragte ich sie gespielt unbeschwert.

»Ach. Nichts. Ich wollte nur mal hören, wie es dir in den letzten Tagen so ergangen ist«, antwortete sie.

»Ganz gut. Kann nicht klagen.«

»Ehrlich?«

»Nein.«

»Was ist passiert?«, fragte sie erschrocken.

»Nichts Schlimmes«, beruhigte ich sie. »Eigentlich sollte ich zufrieden sein.«

»Und warum bist du es nicht?«

Ich erzählte ihr in Kurzfassung, was bis jetzt geschehen war und was mich dabei beschäftigte. Meine Tochter hörte mir dabei schweigend zu. Als ich fertig war, hörte ich, wie sie murmelte: »Komplizierte Beziehung.«

»Du sagst es«, bestätigte ich ihre Feststellung. Katja verstand mich gut, denn sie hatte vor Kurzem die Erfahrung machen müssen, dass ihr Freund einer Vampirfrau verfallen war. Genau die Frau, die mich auf Grund von Damians Intrigen töten wollte. Nun war sie Asche. Katja hatte auf meiner Geburtstagsfeier unsere Freunde kennengelernt und danach viele Fragen gehabt. Sie hat einen scharfen Verstand und beantwortete sich die meisten davon selbst. Erstaunlicherweise blieb sie dabei sehr gefasst. Außerdem bahnt sich eine Beziehung zwischen Georg und ihr an.

»Was macht eigentlich Jan?«, fragte ich.

»Der? Der hat nur Augen für Maike. Wir telefonieren immer einmal die Woche. Es sei denn, es gibt was Besonderes.«

»Hm. Weiß er von der Lebensmittelvergiftung?«

»Mutti, klar. Das musste ich ihm doch erzählen«, antwortete sie aufgebracht.

»Hat er es geglaubt?«, fragte ich sie misstrauisch, denn in diesem Augenblick sah ich meinen Sohn vor mir. Er sah besorgt aus, schüttelte aber energisch den Kopf.

»Ja«, sagte sie kurz angebunden.

»Katja, sag die Wahrheit!«, forderte ich sie auf.

»Nein.«

»Was nein?«

»Er hat es nicht geglaubt«, stöhnte sie.

»Oh Gott, was hast du ihm erzählt?« Ich bekam einen Schreck. Er durfte doch nichts von alldem erfahren.

»Nichts! Er wusste es bereits«, teilte sie mir mit.

»Wie bitte?«, fragte ich ungläubig. Woher konnte es das wissen? Oder war da etwas, was ich schon ahnte und mir dann doch entgangen war?

»Mutti, wir müssen uns dringend einmal treffen. Nur wir drei. Es gibt da so einiges, das du wissen solltest.«

»Ja. Das glaube ich auch«, erwiderte ich.

»Und wir brauchen Antworten.«

»Hm. Antworten – ja – gut«, murmelte ich nachdenklich.

»Können wir uns am nächsten Wochenende treffen?«

»Ja. Na klar. Das geht«, antwortete ich. »Vorschlag – bei mir. Dann könnt ihr auch noch einmal bei euren Großeltern reinschauen. Sie würden sich freuen.«

»Gut. Ich werde Jan Bescheid sagen. Wir kommen dann am Freitagabend.«

»Schön. Ich freue mich.«

»Und der Arzt – was Neues von ihm?« Sie tat, als würde sie sich nur beiläufig nach Georgs Befinden erkundigen. Das entlockte mir ein Schmunzeln.

»Arzt – welcher Arzt?«, fragte ich.

»Mutti …«, hörte ich sie am anderen Ende der Leitung schmollen.

»Also, wenn du Georg meinst … er ruft mich jeden Morgen an. Man kann den Wecker danach stellen«, berichtete ich ihr lachend.

»Warum tut er das?«, wollte sie erstaunt wissen.

»Na. Was meinst du wohl? Er macht sich Sorgen um seine Patientin und Freundin.«

»Er vertraut Angelo nicht«, stellte sie für sich fest.

»Falsch. Er vertraut mir nicht«, entgegnete ich.

»Was soll denn das heißen?« Das war etwas, was sie nicht begriff. Woher auch? Aber ihre Neugier wollte ich nicht stillen. Dafür war es noch zu früh.

»Du wirst es später einmal verstehen.«

»Aha. Du hast ein Geheimnis vor mir.«

»Ja.«

»Das ist nicht in Ordnung«, murrte sie.

»Ich weiß. Aber du und Jan, ihr habt wohl sogar mehrere«, konterte ich.

»Hm. Scheint so«, gab sie zu.

»Wir reden am nächsten Wochenende darüber.«

»Ja. Tun wir.«

Dann verabschiedeten wir uns. Ich nahm mir den Autoschlüssel und fuhr zu meinen Eltern. Was sollte ich auch allein hier in Angelos Haus. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass ich ihn an diesem Tag nicht mehr zu Gesicht bekommen würde.

Bei meinen Eltern verbrachte ich den Rest des Nachmittags und den ganzen Abend. Sie wunderten sich zwar, dass ich allein gekommen war, sagten aber nichts weiter, als ich ihnen erklärte, dass Angelo einmal etwas Zeit für sich brauchte. Gegen zehn Uhr fuhr ich wieder zurück und legte mich schlafen. Es war still im ganzen Haus. Angelo war nicht da, genau wie ich es angenommen hatte. Ich schaltete das Licht aus. Dafür ließ ich den Sternenhimmel aufleuchten und langsam um sich kreisen.

Angelo hatte ein faszinierendes Schlafzimmer. Das riesige Bett aus dickem massiven Teak stand an dem großflächigen Fenster in einem hellen Zimmer. Das Kopfende war mit durchbrochenen Schnitzereien verzier,t und es war höher als normale Betten. Was ich besonders interessant und toll fand – die Decke des Schlafzimmers bestand, wie auch im Bad, aus einem riesigen Fenster. Manchmal ließ Angelo die Sicht in der Nacht nach oben hin frei. Doch weil in der vergangenen Zeit einige unliebsame Gäste in der Gegend weilten, fand er es wohl besser und sicherer, wenn der künstliche Nachthimmel aufleuchtete.

Seit wir aus Ungarn zurück waren, verdeckten Platten zum Abend die Sicht aus den oberen Fenstern. Manchmal, wenn ich nicht einschlafen konnte, hatte Angelo Klaviermusik leise erklingen lassen. Es half, von meinen Grübeleien abzulenken und ruhig zu werden, so dass ich endlich in den Schlaf fiel. Aber heute erzielte das nicht die gewünschte Wirkung.

Mit Schumanns Träumerei musste ich dann endlich eingeschlafen sein. Doch ich schlief sehr unruhig. Laufend drehte ich mich mal auf die eine, mal auf die andere Seite. Dann auf den Rücken oder auf den Bauch. Mir ging es wie jemand, der nicht seine richtige Schlafposition finden konnte. Im Halbschlaf kam mir der Gedanke, eine Schlaftablette zu nehmen. Ich würde mich sonst am nächsten Morgen wieder einmal nicht im Spiegel erkennen. Aber ich ließ es, denn ich würde sowieso keine finden. Außerdem widerstrebte es mir, Tabletten einzunehmen. Also rollte ich mich mit einem resignierten Stöhnen auf die andere Seite.

Wenn er doch nur bei mir wäre. Angelo würde schon dafür sorgen, dass ich schlafen könnte, dachte ich betrübt und fiel wieder in den unruhigen Schlaf zurück.

Plötzlich schreckte ich hoch. Es war taghell. Die Sonne schien ins Zimmer und mir ins Gesicht.

Himmel! Wie spät ist es?, dachte ich betroffen. Ich hatte verschlafen und wollte aus dem Bett springen. Auch, wenn es Sonntag war – der Hund musste versorgt werden. Doch irgendetwas war noch anders an diesem Morgen. Ich spürte nun ganz deutlich und intensiv einen Blick auf mich ruhen. Ich drehte mich und schaute direkt in Angelos Gesicht. Er lag neben mir und – ich hatte es nicht bemerkt. Nun war mir auch klar, warum ich verschlafen hatte. Er hatte für die Ruhe in mir gesorgt. Was mich aber verunsicherte – warum hatte ich davon nichts mitbekommen?

»Du warst weg«, konfrontierte ich ihn mit seinem gestrigen Verschwinden.

»Ja. Ich war bei Georg«, erwiderte er und setzte sich hin.

Bei Georg? Verflucht, was wollte er da?, fragte ich mich, reagierte aber nur mit einem: »Aha«.

Argwöhnisch musterte Angelo mich. »Willst du gar nicht wissen, warum?«

Doch ich antwortete ihm nicht. Wenn er es wollte, würde er es mir schon erzählen. Mir fiel ein, dass Georg an diesem Morgen nicht wie immer angerufen hatte. Also fragte ich nach dem Grund.

»Warum hat er mich nicht angerufen?«

»Es wird nicht mehr nötig sein«, antwortete er mir. Überrascht sah ich ihn an.

»Nicht mehr nötig«, murmelte ich. Langsam stand ich auf und ging ins Bad.

Nicht mehr nötig, dachte ich. Wie sollte ich das nun wieder verstehen? War Angelo endlich so weit, dass er bei mir sein konnte, sehr nah bei mir sein durfte? Und das nicht nur für ein paar Minuten? Hatte ich ihn jetzt wieder? Endlich zurück?

Aber warum war er bei Georg gewesen? Brauchte er seinen Rat? Oder … seine Erlaubnis?

Ich erinnerte mich an sein Klavierspiel vom Vorabend. Hatte er deshalb so wild und hart gespielt, weil er sich zerrissen gefühlt hat? Weil er nicht wusste, ob es richtig sein würde? Weil er immer noch nicht sicher war, ob es ein Fehler sein könnte? Weil die Sorge noch überwog, mich zu verletzen? War er aus diesen Gründen bei seinem Freund gewesen?

Ich stütze mich auf dem Waschbecken ab und blickte in mein Spiegelbild. Ein blasses Gesicht mit leicht bläulichen Augenringen und ein paar winzigen Sommersprossen sahen mich an.

»Was hat er ihm geraten? Kannst du es mir sagen?«, fragte ich die Person im Spiegel. Doch sie blieb stumm. Ich drehte mich weg und ging ins Zimmer zurück.

Angelo stand am Fenster neben dem Bett und musterte mich. Ich wollte ins Ankleidezimmer, um mich anzuziehen.

»Tina«, hörte ich ihn leise sagen. Ich drehte mich zu ihm und schaute ihn fragend an.

»Du sagst ja gar nichts«, meinte er und sah mich ebenfalls fragend an.

»Was soll ich denn sagen?«, erwiderte ich.

»Ach, nichts.« Es hörte sich enttäuscht an. Angelo wandte sich von mir ab und schaute nun aus dem Fenster. Das tat mir weh, doch ich zeigte es nicht. Ich wollte, dass er auf mich zukam. Er sollte mir zeigen, dass er bereit war, wieder so mit mir zu leben, wie es vor der Geschichte in Ungarn war. Schweigend zog ich mich an und ging nach unten. Ohne etwas zu essen und zu trinken fuhr ich zu mir, um den Hund zu versorgen. Doch das war bereits gemacht worden. Angelo war hier gewesen. Das hätte ich mir denken können. Das tat er doch immer. Nein, das hatte er immer getan – vor der Sache in Ungarn.

Unschlüssig stand ich nun da und wusste nicht, was ich tun sollte. Zurückfahren wollte ich nicht. Anschweigen konnte mich auch allein.

Ich sollte Frühstück essen und meine Tablette nehmen, ermahnte ich mich selbst und stöhnte auf. Tablette! Na klasse, dachte ich verärgert. Die lagen bei Angelo.

Sicherheitshalber schaute ich noch einmal in meinen Medizinschrank. Nichts!

Egal, ich fahr jetzt nicht zurück, beschloss ich trotzig.

Ich machte mir einen Tee und fand noch ein paar Kekse. Sie schmeckten nicht, aber füllten etwas den Magen. Dann nahm ich mir die Decke und ließ Kessy in den Wagen springen. Schweigend und vor mich hingrübelnd, gingen wir unsere gewohnte Runde. Ich hoffte Angelos BMW zu sehen, wenn wir zurückkamen. Doch er stand nicht da. Das enttäuschte mich noch mehr und trug dazu bei, dass meine Stimmung noch bedrückender wurde. Ich holte mir die Decke aus dem Wagen und machte mich auf den Weg zur Lichtung.

Wird er kommen?, fragte ich mich im Stillen.

Ich war bereits ein Stück gegangen und blieb nun stehen. Kessy setzte sich sofort neben mich. Dafür lobte ich sie. Dann schaute ich mich um. Keine Blicke, keine Stimmen, keine sich schnell bewegende Schatten. Ich fühlte mich auf einmal so einsam und leer. Wie ein Ballon, hohl, leicht und nutzlos. Meine Finger krallten sich in die Rinde der Buche, an die ich mich gelehnt hatte.

Reiß dich zusammen!, schimpfte ich mit mir und stieß mich von dem Baum ab. Wenn er dich jetzt so sehen würde, wäre das nicht gerade hilfreich.

Ich ging weiter, und allmählich verschwand dieses Gefühl der Leere wieder. Dann betrat ich die Lichtung und blieb abrupt stehen. Nur Kessy trabte einfach weiter. Mitten auf unsere Lichtung hatte jemand ein Picknick vorbereitet. Mit Staunen sah ich die Gläser, den Wein, die Teller und einen großen Korb, in dem wohl die Speisen steckten. Doch dieser Jemand, der das vorbereitet hatte, war nicht zu sehen.

Ich machte zwei Schritte, konnte ihn aber nirgends entdecken.

»Schließ deine Augen!«, forderte mich plötzlich seine Stimme auf. Ich tat ohne zu überlegen, worum er mich gebeten hatte. Ich fühlte, wie eine freudige Spannung in mir wuchs und mein Herz schneller an zu schlagen fing. Ein kalter Windhauch traf mich und legte mir eine Haarsträhne ins Gesicht. Ich spürte, wie er sie mir wegstrich und mich ansah.

Ganz still stand ich da und wartete angespannt auf das, was er vorhatte. Beim Einatmen nahm ich seinen Geruch wahr. Also stand er mir sehr nah. Ich hob meinen Arm, um zu testen, ob ich recht hatte. Doch ich fasste ins Leere und stieß meinen Atem enttäuscht aus.

»Bitte. Beweg dich nicht!«, flüsterte er hinter mir. Mir wurde heiß. Was hatte er vor?

»Bist du bereit?«, fragte er.

»Wofür?« Was meinte er nur?

»Für mich«, sagte er leise mit samtener Stimme. Ich hielt den Atem an.

»Bist du bereit?«, fragte ich zaghaft.

»Wofür?«, fragte er nun.

»Für uns«, antwortete ich und wartete.

»Ja.« In mir machte sich Erleichterung breit. Doch die Anspannung blieb. Er nahm mir die Decke aus der Hand und zog mir die Jacke aus.

»Hier ist es warm genug«, murmelte er. Das stimmte. Die Maisonne schien mir warm ins Gesicht.

Plötzlich spürte ich seine Lippen an meinem Hals. Vor Schreck keuchte ich auf.

»Nein!«, flüsterte ich und machte einen Schritt nach vorn. Und – prallte gegen ihn. Ich schaute verstört in sein enttäuschtes Gesicht. Doch seine Augen blickten mich hart an. Ich drehte mich von ihm weg, denn das war zu viel für mich und, es tat so weh, dass ich meine Arme um meinen Körper schlang und mich innerlich krümmte.

»Für uns? Was meintest du damit?«, fragte er aufgebracht.

»Nicht das?«, presste ich hervor und entfernte mich mehrere Schritte von ihm.

»Was? Hast du gedacht, dass ich von dir trinken wollte?«, fragte er überrascht und sah mich verstört an.

Ja. Das hatte ich. Und meine Sorge war doch wohl berechtigt.

Angelo erhielt von mir keine Antwort. Er hatte sie doch mit seiner Frage gefunden. Ich sah ihn an. Er stand plötzlich wieder vor mir und lächelte.

»Das werde ich nicht tun. Du musst es mir erlauben. Selbst dann werde ich verzichten.« Unsinn, dachte ich stirnrunzelnd. Das entscheidest du nicht allein.

»Was denkst du?«, fragte er. Wieder musterte ich ihn. Keine Beschwerde, dass er meine Gedanken nicht hören und lesen konnte?

»Du fehlst mir«, ließ ich ihn hören. Ein strahlendes Lächeln machte sich in seinem Gesicht breit.

»Schließ deine Augen!«, befahl er, und ich tat es wieder. Doch diesmal vertraute ich ihm. Angelo umfasste meine Taille und zog mich ruckartig zu sich heran. Scharf zog ich meinen Atem ein und versteifte mich.

»Du hast Angst«, stellte er fest.

»Nein«, erwiderte ich und hörte darauf ein trauriges Lachen.

»Ich verstehe dich sogar«, raunte er mir zu. Doch dann wurde mir richtig heiß, und ich vergaß alles um mich herum. Kalte Lippen legten sich auf meine. Meine Arme schlangen sich um seinen Nacken. Meine Finger verfingen sich in seinen Haaren, und ich klammerte mich an ihn, als würde ich ertrinken.

Langsam, ja, vorsichtig löste sich Angelo etwas von mir. Dabei sank er auf seine Knie und drückte sein Gesicht an meinen Körper. Schweratmend sah ich zu ihm herunter.

»Du hast mir so gefehlt«, murmelte er.

»Ich weiß.«

»Und ich weiß immer noch nicht, ob es richtig ist, hier zu sein«, meinte er gequält.

»Es ist richtig«, entschied ich. »Du wirst die zweite Meinung akzeptieren müssen.«

»Zweite Meinung?« Er stellte sich wieder hin, ohne mich loszulassen und sah mich fragend an.

»Hm. Was hat Georg gemeint?«, stellte ich meine Gegenfrage.

»Woher weißt du, dass ich ihn um Rat gefragt habe?«

»Nach deinem gestrigen Spiel … du warst danach weg.« Ich schaute ihn ernst an. »Du warst bei ihm.«

Angelo schwieg, sagte nichts.

»Erzählst du es mir? Oder muss ich Georg erst anrufen.« Schmunzelnd sah ich ihn an. Angelo stöhnte und schaute kurz in den Himmel.

»Schlimm?«, fragte ich.

»Ich bin in seinen Augen ein Trottel, Weichei und ähm, ein liebeskranker, blinder Elefant im Porzellanladen«, erzählte Angelo etwas verlegen.

»Aha«, ließ ich vernehmen, weil ich mir das Lachen verkneifen musste. Ich stellte mir gerade bildlich vor, wie Georg dastand und Angelo seine Ansicht mitteilte.

»Du bist mit ihm einer Meinung«, stellte er für sich fest.

»Ich würde es anders formulieren.« Lächelnd sah ich ihn an. »Trottel – nein. Weichei – auch nicht.« Ich schüttelte den Kopf. »Mein mich liebender, zu viel Rücksicht nehmender und um mich immer sorgender Verlobter. Das trifft es eher.«

Stumm ruhte sein Blick auf meinem Gesicht. Seine Augen wanderten zu meinem Mund. Im selben Augenblick hatte er mich fest an sich gepresst und küsste mich so fordernd, dass mir fast die Luft wegblieb. Dann griff er unter meine Knie und trug mich zur Decke.

»Jetzt wirst du erst einmal was Vernünftiges essen.« Dabei schob er mir die Packung mit den Pillen zu. Ich hörte den leisen Vorwurf heraus. Es war ihm natürlich nicht entgangen, dass ich kein Frühstück zu mir genommen hatte. Aber er schwieg dazu. Ich beobachtete ihn, wie er das Hühnchen auf den Teller legte und blitzschnell zerteilte. Das Essen war sogar noch heiß. Kessy, die still neben der Decke lag, bekam von ihm einen Hundeknochen. Dann goss er den Wein in die Gläser und reichte mir eins.

»Auf was wollen wir anstoßen?«, fragte er mich lächelnd.

»Darauf, dass ich dich zurückbekommen habe«, sagte ich leise. »Darauf, dass …« Ich schloss meine Augen, denn plötzlich war meine Kehle wie zugeschnürt. Angelo hatte mich, als ich das sagte, aufmerksam angesehen und nahm mir nun das Glas aus der Hand. Alles, was sich bis jetzt aufgestaut hatte, brach auf einmal heraus. Angst, Wut, Sorge, Hoffnung und das Glück, das ich nun empfand, mischten sich zu einer Kugel, die wieder in kleine Stücke zerfiel. Es zerriss mich förmlich. Tränen liefen aus meinen geschlossenen Augen, und ich fing an zu schluchzen. Ich drehte mich von Angelo weg, schlang meine Arme um meinen Körper und wollte mich zur Seite fallen lassen. Doch Angelo zog mich zu sich heran.

»Ent… entschuldige«, stotterte ich. Warum freute ich mich jetzt nicht? Warum saß ich hier und heulte nun? Ich konnte das gerade nicht steuern.

»Ich versteh das. Es tut mir alles so leid. Es war eine schwere Zeit für dich«, sagte er leise. Doch damit erreichte er leider das Gegenteil. Meine Tränen machten sein Shirt ganz nass, was ihn aber nicht zu stören schien. Streichelnd glitt seine Hand über meinen Rücken, was mich allmählich beruhigte. Ich brauchte noch ein paar Momente, bis ich mich wieder gerade hinsetzte und mein Taschentuch suchte. Angelo reichte mir eine Packung Tempotücher. »Danke«, murmelte ich und schniefte. »Tut mir leid. Nun ist das Hühnchen bestimmt kalt«, sagte ich schuldbewusst. Mein Blick fiel auf sein Shirt, und ich machte ein ärgerliches Gesicht. »Es ist ganz nass.«

»Nicht so schlimm. Das trocknet wieder«, sagte er schmunzelnd, zog es sich aus und legte es zum Trocknen ins Gras. Meine Augen glitten dabei über seinen marmornen Oberkörper. Dabei biss ich mir auf meine Unterlippe. Angelo hielt mir das Weinglas hin, das ich ihm automatisch abnahm. Doch das zwang mich, meinen Blick von ihm zu lösen. Verlegen schaute ich ins Glas. Angelo stieß mit mir an und sagte nur: »Auf uns.« Ich nickte und dachte: Ja – auf uns.

Angelo holte das Hühnchen wieder aus dem Korb. Es war erstaunlicherweise noch warm, gerade richtig zum Essen. Als wir fertig waren, räumte er alles in den Korb hinein. Nur die Gläser ließ er draußen und schenkte uns nach. Wir hatten kaum ein Wort gesprochen. Angelo beobachtete mich laufend. Ihm entging keine von meinen Bewegungen. Es störte mich nicht. Ich war froh, dass er hier bei mir war und es ab jetzt auch blieb. Ich rutschte zu ihm ran und lehnte mich an ihn. Nach einer Weile nahm Angelo mir das Glas aus der Hand, das ich verträumt mit dem Stiel hin und her drehte. Er legte mich auf die Decke und er sich seitlich neben mich. Angelo schaute mich mit einem sehnsüchtigen Blick an. Ich schloss einfach meine Augen und hörte, was er dachte.

Wie habe ich sie vermisst. Ich möchte sie wieder berühren. Ich möchte ihre warme Haut spüren.

»Dann tu es doch«, flüsterte ich und atmete tief ein.

»Das hättest du nicht sagen dürfen«, raunte er mir ins Ohr. Fast im selben Moment küsste er mich zärtlich. Ich spürte, wie er die Knöpfe meiner Bluse öffnete und seine Hand sanft über meine nackte Haut glitt. Sie war so kühl, doch meine Haut schien unter seiner Berührung zu verbrennen. Mein Herz setzte aus, um dann doppelt so schnell zu schlagen. Sein kalter Körper legte sich auf meinen, und ich schlang meine Arme um ihn. Ja, ich klammerte mich richtig an ihn. Ich wollte ihn nie mehr loslassen. Angelo vergrub sein Gesicht an meinen Hals und murmelte: »Ich habe viel zu lange gewartet.«

»Nein, das hast du nicht. Du hast für dich den richtigen Zeitpunkt gewählt. So sollte es auch sein«, sagte ich darauf.

»Du warst unglücklich«, hielt er dagegen.

»Ja, das war ich. Doch das spielte keine Rolle.«

Angelo sah mich an. »Du hättest gehen können.«

»Wohin sollte ich gehen? Ohne dich. Schon vergessen – wir wollen heiraten«, hielt ich ihm vor und schubste ihn von mir runter. Dafür setzte ich mich auf ihn und sah ihn strafend an. »Hättest du mich einfach gehen lassen?«, fragte ich ärgerlich, aber auch mit einer gewissen Portion Neugier.

»Wenn du es gewollt hättest – ja.«, antwortete er mit einem traurigen Unterton.

»Ich hätte es nicht getan«, sagte ich daraufhin und sah in seine Augen. »Ich werde dich nie gehen lassen.« Meine Hände schoben sich an seinen Oberkörper langsam nach oben. Ich beugte mich zu ihm herunter und fing an, ihn zu küssen, bis ich an seinem Mund angelangt war. Nun war er es, der seine Arme um mich legte, als ich ihn küsste.

Dann lag ich neben ihm in seinem Arm, und wir genossen noch für eine Stunde das schöne Wetter.

»Gehst du wieder jagen?«, fragte ich ihn, als ich am späten Abend im Bett am Kissen gelehnt saß. Angelo stand am Fenster und schaute hinaus.

»Nein, ich habe in den letzten Nächten genug getrunken«, antwortete er mir. Ich rutschte runter und legte mich auf die Seite. Dabei stützte ich meinen Kopf und schaute zu ihm.

Was wird er jetzt tun? Wird er gehen?, fragte ich mich. Kaum hatte ich das gedacht, stand er auch schon an der Tür. Aber ich wollte nicht, dass er geht. Und ich spürte, dass er es auch nicht wollte.

»Geh nicht!«, bat ich leise. Angelo drehte sich zu mir und sah mich mit gequältem Gesicht an. »Bitte, lass mich heute Nacht nicht wieder allein«, forderte ich ihn zaghaft auf.

Ich sah, wie er tief einatmete. Dann ging er, ohne ein Wort zu sagen, ins Bad. Ich schaltete das Licht aus und schloss die Augen. Dann spürte ich, wie er sich ins Bett legte, hörte aber keinen Laut von ihm. Es war, als würde er gar nicht hier sein. Ich drehte mich auf die Seite von ihm weg und rollte mich zusammen.

Warum? Warum tut er das? Wovor hat er Angst? Ich brauche doch nur seine Nähe, dachte ich traurig und enttäuscht. Doch plötzlich lag ich in seinen Armen.

»Ich kann mich nicht von dir fernhalten. Ich schaffe es einfach nicht«, stöhnte er.

»Dann tu’s nicht«, erwiderte ich und schmiegte mich an ich.

»Ich habe Angst, dass ich dir wehtun könnte«, entgegnete er und begann mich zu streicheln. »Das wirst du nicht. Ich weiß es«, flüsterte ich. »Aber es muss nicht sein. Wir müssen das jetzt nicht tun.«

»Doch. Wir müssen«, entgegnete er und verschloss mir den Mund mit seinem.

Am nächsten Morgen erwachte ich nach einer wunderbaren Nacht auf und ließ meine Augen geschlossen, um mir noch einmal seine Zärtlichkeiten und seinen Hunger nach meiner Nähe zurückzuholen. So viel Leidenschaft und Wildheit hatten mich an den Rand des Wahnsinns getrieben. Aber es war so prickelnd, so aufregend und so wundervoll gewesen.

Ich seufzte leise und streckte mich. Dann schlug ich endlich meine Augen auf. Ich hoffte, in ein mich anlächelndes Gesicht zu sehen. Doch stattdessen blickte Angelo wütend auf meine Arme. Mir war sofort klar, warum er so verärgert war.

»Angelo, lass das! Das hatten wir schon mal. Ich werde mit dir darüber nicht mehr diskutieren«, gab ich ihm unmissverständlich zu verstehen. Dann wollte ich aufstehen und ins Bad verschwinden. Doch blitzschnell hatte Angelo seine Arme um mich gelegt und hielt mich fest. Seine Augen funkelten mich verschmitzt an.

»Das war es wirklich. Ich plädiere auf Wiederholung«, sagte er fast flüsternd.

»Hm, aber nicht jetzt«, schmunzelte ich verlegen und wollte mich von ihm wegdrücken. Er ließ es nicht zu.

»Bleib noch ein paar Minuten. Wir haben noch Zeit.« So lagen wir noch eine Weile eng aneinandergeschmiegt, bis Angelo mir das Haar aus dem Gesicht strich und meinte, dass es nun Zeit zum Aufstehen war.

»Ich geh zuerst«, verkündete er und verließ das Bett. Ich ging ins Ankleidezimmer, um mir Sachen für den Tag hinzulegen. Dabei kam ich an den großen Spiegel vorbei und blieb erschrocken vor ihm stehen. Meine Arme, Beine und auch die Hüfte waren von blauen Flecken übersät. Schnell zog ich mir einen Morgenmantel an. Ich wollte nicht, dass Angelo das sah und sich mit Vorwürfen herumschlug. Für mich bedeutete das: Hosen und langärmliche Pullover für die nächsten Tage. Angelo stand wie aus dem Nichts plötzlich neben mir mit einem Badehandtuch um seine Hüfte.

»Ich bin fertig«, teilte er mir mit. Ich hatte mir meine Sachen herausgesucht und legte sie auf einen Stuhl.

»Was tust du hier?«, fragte er mich verwundert.

»Sachen raussuchen. Was sonst?«, antwortete ich leichthin.

»Das machst du doch sonst nie.« Misstrauisch sah er mich an. Es stimmte, was er sagte. Ich ging immer erst nach meinem Besuch im Bad in dieses Zimmer. Ich zuckte nur mit der Schulter und wollte an ihn vorbeigehen. Aber er stellte sich vor mich. »Warte!«

Nun sah ich ihn misstrauisch an. Doch bevor ich reagieren konnte, stand ich ohne Mantel vor ihm. Angelo zog scharf seinen Atem ein und stöhnte, als er meine vielen blauen Flecken sah. Jetzt wurde ich ärgerlich und warf ihm einen mahnenden Blick zu.

»Wehe, du sagst etwas!« Lenkte dann aber ein und lächelte. »Du kannst sie mir ja heute Abend wegküssen.«

Auf seinem Gesicht machte sich ein verdutzter Ausdruck breit. Damit ließ ich ihn stehen und verschwand ins Bad, um zu duschen.

In der Schule wurde Angelo überschwänglich von Ingrid, meiner Sekretärin, begrüßt.

»He, wieder unter den Lebenden? Wir haben dich vermisst«, rief sie und lachte dabei. »Danke, schöne Frau. Bei so einer Begrüßung kommt man doch gern zur Arbeit«, schmeichelte er ihr. »Du siehst toll aus. Die Liebe noch frisch?«, neckte er sie. Ingrid bekam einen roten Kopf und flötete: »Ja. Das ist sie, du Charmeur.«

Ich konnte mir ein Grinsen beim Zuhören nicht verkneifen.

Während unserer Heimfahrt erzählte ich Angelo von dem Gespräch mit Katja. Aufmerksam hörte er mir zu.

»Was denkst du?«, fragte er mich daraufhin.

»Ich weiß nicht genau. Aber ich glaube, dass Jan mir etwas verheimlicht hat. Aus welchen Gründen auch immer. Aber seine Schwester weiß davon«, antwortete ich.

»Werden sie es dir erzählen?«, wollte er wissen.

»Ja. Das denke ich«, sagte ich grübelnd. Ich hatte nie etwas bemerkt. Mir war nie etwas aufgefallen. Sie waren zwei ganz normale Kinder gewesen, die fröhlich aufgewachsen sind. Jan, der Ältere von beiden, war schon immer der Ruhige gewesen. Er interessierte sich bereits als kleines Kind für technische Sachen. Auch Sport war für ihn wichtig. Er war oft der Schnellste und Stärkste. Katja dagegen ist die temperamentvollere Schwester. Sie ist zwei Jahre jünger als ihr Bruder. Sie ist klug und ehrgeizig. Beide verstanden sich immer sehr gut und hielten zusammen. Das taten sie heute noch.

Um mich von diesem Thema abzulenken, erzählte ich Angelo von Jessica. Als ich ihm sagte, dass sie uns zu ihrem Geburtstag erwartet, versprach er mir, dass wir ihr diesen Wunsch erfüllen würden. Doch als ich ihm sagte, dass ich ihr gern ein Foto von uns beiden schenken wollte, machte er ein abweisendes Gesicht.

»Was hast du? Bist du auf den Bildern etwa nicht zusehen?«, scherzte ich.

»Unsinn«, brummte er.

»Was ist es dann?«, fragte ich neugierig. Ich konnte mir nicht vorstellen, warum er so abweisend darauf reagierte.

»Oder magst du dich nicht mit mir fotografieren lassen?«, schlussfolgerte ich auf Grund seiner Reaktion.

»Was redest du da?«, fragte er verärgert. »Ich mag mich nur nicht in Pose stellen und an mir herumzupfen lassen«, knurrte er.

»Wie bitte? Wann bist du das letzte Mal bei einem Fotografen gewesen? Wir wollen kein Shooting machen lassen, sondern nur ein Bild von uns beiden«, erwiderte ich ungehalten. Angelo entgegnete darauf nichts.

»Es ist für Jessi«, betonte ich noch einmal.

»Ja. Okay. Ich gehe mit dir zum Fotografen. Aber fängt er an, mich herumzuschubsen und an mir herumzufummeln, kann ich für nichts garantieren.«

Ich musste lachen. »Du wirst das schon überstehen. Und der Fotograf auch.«

Zwei Tage später betraten wir das Fotoatelier in der Stadt. Angelos Sorge war total unberechtigt. Alles verlief in einer sehr freundlichen und lockeren Atmosphäre. Der Fotograf schoss mehrere Bilder von uns in verschiedenen Positionen. Wir hatten danach die Möglichkeit, sie uns an dem Computer anzusehen. Sie waren fast alle sehr gut gelungen. Da mir die Auswahl sehr schwerfiel, bestellte Angelo alle für uns. Ich könnte ja noch welche verschenken, meinte er. In einer Woche sollte alles fertig sein. Dann konnten wir sie abholen.

Abends saßen wir bei einem Glas Wein im Wohnzimmer und hörten uns eine neue CD mit Klaviermusik an, die Angelo besorgt hatte. Zwischendurch stand er auf und ging zum Regal. Von dort nahm er ein Buch in die Hand. Als er sich setzte, erkannte ich, dass es das Album war, das ich ihm zu Weihnachten geschenkt hatte. Bevor er mich allein gelassen hatte,

- erinnerte ich mich schmerzhaft.

Angelo schlug es auf und betrachtete die Fotos schweigsam. Doch ich sah, wie seine Augen leuchteten und er mit den Fingern langsam über die Bilder strich. Sie gefielen ihm immer noch. Darüber freute ich mich natürlich. Ich hatte mich so fotografieren lassen, dass ich auf den Bildern zum Ende fast – aber nur fast – unbekleidet war. Michael, Katjas ehemaliger Freund, war dieses Album sehr gut gelungen.

»Ich habe mir diese Fotos in letzter Zeit sehr oft angesehen. Dabei habe ich mir immer gewünscht, endlich wieder bei dieser wunderbaren Frau sein zu dürfen«, sagte er verträumt. »Und hat sich dein Wunsch erfüllt?«, fragte ich mit einem Lächeln. Angelo führte meine Hand zu seinem Mund und küsste meine Fingerspitzen.

»Ja, das hat er. Aber ich muss sagen, dass sie mir, so wie sie hier neben mir sitzt, noch viel besser gefällt.«

 

 

Katja und Jan

 

Der Rest der Woche verging schnell. Wir fuhren am Freitag nach der Schule zu mir. Angelo hatte angeboten, dass Katja und Jan auch bei ihm logieren könnten. Aber Katja wollte lieber in ihrem Bett schlafen und sprach auch gleich für Jan. Ich glaubte zu ahnen, dass es da noch einen anderen Grund gab, sagte jedoch nichts dazu. Also half Angelo mir, die Betten neu zu beziehen und fuhr mit mir einkaufen. Sie sollten wenigstens etwas zum Trinken und eine Kleinigkeit zum Essen vorfinden.

Wir warteten in meinem Wohnzimmer auf die beiden. Angelo hatte den Fernseher angemacht und schaute sich die Nachrichten an. Das fand ich seltsam. Ich sah das nicht oft bei ihm. Es wurde gerade ein Beitrag gebracht, in dem über mysteriöse Todesfälle berichtet wurde. Sie ereigneten sich in der Slowakei, Polen und Ungarn. Man zeigte eine Karte, in welchen Bereichen die Leichen gefunden wurden.

Nun wurde sogar ich aufmerksam, denn man zeigte auch das Gebiet, in dem Greta und ihre Familie lebten. Die Fälle zogen sich nördlich durch die Wälder und Berge der Slowakei bis nach Polen in die Hohe Tatra. Die Menschen wurden bestialisch bis zur Unkenntlichkeit zugerichtet. Niemand konnte sich erklären, wer oder was dazu fähig war.

Ich schaute zu Angelo. Er sah angespannt aus. Lag es daran, dass das in der Nähe von Greta passierte? Oder war da noch etwas anderes?

Der Beitrag wurde beendet, und man berichtete über ein anderes Thema. In diesem Moment klingelte es. Katja und Jan standen vor der Tür. Ich hörte, wie Jan zu seiner Schwester sagte: »Sie sind da und sehen sich die Nachrichten an.«

Ich öffnete die Tür und sah ihn verstört an.

»Woher weißt du das? Hast du Röntgenaugen?«

»Wie bitte?«, fragte er und runzelte die Stirn.

»Hallo, Mutti«, begrüßte mich Katja.

»Ähm. Ja. Hallo, ihr beiden. Kommt rein!«, forderte ich sie etwas durcheinander auf.

Angelo war mir gefolgt und begrüßte Jan und Katja. Er begleitete sie ins Wohnzimmer.

»Habt ihr Hunger?«, fragte er sie.

»Danke, für mich nicht«, sagte Katja.

»Na, wenn du mich so fragst. Ich nehme gern noch etwas«, antwortete ihm Jan.

»Mensch, Jan, du hast vor einer knappen Stunde zwei Burger in dich reingestopft. Da kannst du doch nicht schon wieder Hunger haben«, stöhnte Katja.

»Zwei Burger waren das? Ich dachte, das war nur ein Minibrötchen. Ich muss was essen. Sonst falle ich noch vom Fleisch«, grinste er.

»Ja. Klar doch«, brummte sie.

Angelo war bereits in der Küche verschwunden. Ein leichter Bratengeruch zog sich durch das Zimmer. Nach zwanzig Minuten kam Angelo und holte Jan zum Essen. Er hatte für ihn extra ein paar Schnitzel gebraten, über die Jan sich nun hermachte. Katja ging unterdessen nach oben und brachte ihre und die Sachen ihres Bruders in die Zimmer. Als sie wieder herunterkam, hatte Jan bereits seine Schnitzel verschlungen und saß nun gesättigt auf einem Sessel. Katja setzte sich in den anderen. Angelo und ich hatten auf der Couch Platz genommen.

»Das war gut. Danke«, sagte Jan zu Angelo und rieb sich den Bauch.

»Gern geschehen«, gab Angelo schmunzelnd zurück. Katja verdrehte nur ihre Augen.

Ich beobachtete meine beiden Kinder. Sie gaben sich wie immer. Und doch war heute etwas anders. Ich spürte es ganz deutlich. Es lag eine gewisse Spannung im Raum, die von den beiden ausging. Ich versuchte, die Gedanken der beiden zu lesen. Bei Katja hörte ich nichts. Sie sah mich stirnrunzelnd an. Schuldbewusst lächelte ich sie an.

»Entschuldige«, flüsterte ich ihr stumm zu und schaute zu Jan. Doch auch bei ihm hörte ich nichts. Das verwirrte mich.

»Also. Wie habt ihr euch das gedacht?«, fragte ich und sah von einem zum anderen. Katja blickte zu Jan. Der nickte und sah mich nun ernst an.

»Heute ist es schon ziemlich spät. Wir dachten uns, dass wir nach dem Ausschlafen zu euch kommen. Nach dem Frühstück können wir uns dann unterhalten.«

Ich nickte. »In Ordnung. Wann hast du ausgeschlafen?« Ich sprach nur ihn bewusst an. Jan war nicht unbedingt ein Frühaufsteher.

»Wir sind um neun bei euch«, sagte nun Katja.

»Gut. Dann werde ich für ein ausgiebiges Frühstück sorgen. Danach lass ich euch allein. So könnt ihr euch ungestört unterhalten«, meinte Angelo.

»Nein. Wir möchten, dass du bleibst. Auch du solltest hören, was wir zu sagen haben«, informierte Jan ihn.

»Wenn ihr das so wollt, dann bleibe ich gern. Ich schätze, ihr habt auch Fragen«, stimmte Angelo der Einladung zu.

»So ist es«, murmelte Katja.

»Hast du versucht ihre Gedanken zu lesen?«, fragte mich Angelo auf dem Heimweg.

»Ja. Sie haben es nicht zugelassen. Merkwürdig«, grübelte ich.

»Merkwürdig bei wem?«

»Ich hätte nie vermutet, dass Jan … Er kam mir heute so ernst und so erwachsen vor«, antwortete ich nachdenklich.

»Warte bis morgen! Sie werden dir von sich erzählen. Da bin ich mir sicher.« Angelo nahm meine Hand und hauchte einen Kuss auf mein Handgelenk.

»Ja und bestimmt viel Fragen haben«, stöhnte ich.

Später, als wir im Bett lagen, fiel mir wieder der Nachrichtenbeitrag vom Abend ein.

»Ob es Greta und ihrer Familie gut geht?«, fragte ich besorgt.

»Ja«, antwortete Angelo.

»Du hast mit ihnen gesprochen?!«, resultierte ich aus seiner Antwort.

»Ja.«

Ich schaltete den Nachthimmel an, so dass ich in sein Gesicht sehen konnte.

»Wann?«

»Gestern.« Seine kurzangebundenen Antworten machten mich misstrauisch.

»Du hast es mir nicht erzählt.«

»Es war nicht wichtig«, meinte er und schaute zum Himmel, der sich wieder langsam um sich bewegte.

»Egal. Du hättest es mir trotzdem sagen können«, hielt ich ihm vor.

»Ja. Vielleicht«, sagte er leise. »Aber du brauchst dich nicht beunruhigen.«

»Dir ist doch klar, dass ich jetzt beunruhigt bin. Es geschieht in der Nähe unserer Freunde. Es geschieht immer in bestimmten Abständen. Und es sterben Menschen«, erklärte ich ihm aufgebracht. Nun drehte Angelo sich zu mir und lächelte mich an.

»Du regst dich unnötig auf. Lass uns jetzt schlafen!« Dann schaltete er einfach das Licht aus. »He. Das kannst du nicht machen!«, schimpfte ich.

»Doch – ich kann«, sagte er lachend. Im gleichen Moment nahm er mich in seine Arme und küsste mich. »Ich habe vor, mit dir auf eine ganz andere Art zu diskutieren«, raunte er mir ins Ohr und ließ seine Hand über meine Körper wandern. Ich wollte mich noch widersetzen, aber Angelo wusste genau, was er tun musste. Viel Überzeugungskraft benötigte er dazu nicht. Seufzend gab ich mich seinen Zärtlichkeiten und ihm hin – und genoss es.

 

*

 

Ich hatte am nächsten Morgen ein paar Probleme aus dem Bett zu finden. Auf Grund Angelos übernatürlichen Berührungen und dem, was danach elysisch folgte, war ich ziemlich spät eingeschlafen. Was dann folgte, war genau das Gegenteil. Erschrecken und Panik hatten mich ergriffen. Stöhnend hatte ich mein Gesicht ins Kopfkissen gedrückt und versucht weiterzuschlafen. Ich reagierte gar nicht erst auf Angelos sorgenvolle Frage und anschließende Umarmung. Auch hielt ich meine Gedanken vor ihm verschlossen, denn ich hatte nun die Gewissheit über die schrecklichen Geschehnisse, über die man im Fernsehen berichtet hatte. Schon einmal hatte ich, wenn auch nur kurz, ein Bild vor Augen, das mich erschreckt hat. Glühende Augen hatten mich für einen Bruchteil einer Sekunde angestarrt. Sie gehörten zu einem zotteligen Kopf einer für mich riesigen und hässlichen Bestie. Das Untier zeigte mir sein scharfes Gebiss, indem es drohend seine Lefzen hochzog. Doch es war nicht das einzige Untier an dem Ort. Ich stand allein im Wald, die Bestie vor mir und mindestens vier weitere verteilten sich hinter der ersten. Ein widerlicher Gestank stieg mir in die Nase und ließ mich die Luft anhalten. Was mir zusätzlich die Nackenhaare hochsteigen ließ, war das kratzige Lachen, das ich hörte. Ich erkannte es sofort wieder, denn das würde ich nie mehr in meinem Leben vergessen. Es gehörte zu der alten Waldhexe. Aber ich erkannte auch diese Ungeheuer. Es waren Werwölfe. Richtige Werwölfe! Und es waren viele.

In mir keimte der Verdacht, dass die Hexe ihnen Befehle erteilen konnte. Ich fragte mich nur, was ich hier für eine Rolle spielte. Die Bestien taten mir nichts. Doch dann fiel es mir schlagartig ein, so dass es mir kalt den Rücken herunterlief. Ich war der Köder. Sie wollte Angelo. Sie wollte ihn mit aller Macht, um an sein Blut zu kommen. Die Alte war der festen Überzeugung, mit Hilfe seines Blutes wieder jung und schön zu werden. Ich fragte mich aber, ob sie das allein ausgeheckt hatte. Oder ob ihr jemand dabei half – jemand, den wir gut kannten und dem wir es auch zutrauen würden.

Mit diesen Gedanken betrat ich die Küche. Angelo drückte mir einen Kuss auf die Wange. »So ernst heute Morgen?«, begrüßte er mich lächelnd, doch sein Blick war lauernd.