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Dieser Band enthält folgende Romane: Nach Paris - der Liebe wegen (Alfred Bekker und W.A.Hary) Die Insel der Lustvollen Träume (Sandy Palmer) Heiße Nächte in Vancouver (Sandy Palmer) Rendezvous in Niagara Falls (Sandy Palmer) Eine Liebe in Vancouver (Sandy Palmer) Der Sheriff, den sie liebte (Rowena Crane/Alfred Bekker) Palmen, Traumstrände, kristallklares Wasser, in dem sich bunte Fische tummeln - und ein Mann, der Ellen von der ersten Sekunde an fasziniert. Dabei hatte sie sich geschworen, sich nach der Pleite mit Jo nicht so rasch wieder zu verlieben. Aber Bernhard Beck war genau der Typ, der sie schnell alle guten Vorsätze vergessen ließ...
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Sechsmal Liebestraum: Roman Paket
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Nach Paris – der Liebe wegen
Die Insel der lustvollen Träume
Heiße Nächte in Vancouver
Rendezvous in Niagara Falls
Eine Liebe in Vancouver
Der Sheriff, den sie liebte
Dieser Band enthält folgende Romane:
Nach Paris - der Liebe wegen (Alfred Bekker und W.A.Hary)
Die Insel der Lustvollen Träume (Sandy Palmer)
Heiße Nächte in Vancouver (Sandy Palmer)
Rendezvous in Niagara Falls (Sandy Palmer)
Eine Liebe in Vancouver (Sandy Palmer)
Der Sheriff, den sie liebte (Rowena Crane/Alfred Bekker)
Palmen, Traumstrände, kristallklares Wasser, in dem sich bunte Fische tummeln - und ein Mann, der Ellen von der ersten Sekunde an fasziniert. Dabei hatte sie sich geschworen, sich nach der Pleite mit Jo nicht so rasch wieder zu verlieben. Aber Bernhard Beck war genau der Typ, der sie schnell alle guten Vorsätze vergessen ließ...
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Alfred Bekker
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Im stampfenden Rhythmus der Musik gingen die grazilen Models über den Catwalk. Ein Blitzlichtgewitter empfing sie, während sie sich drehten und wendeten, um schließlich wieder hinter den Kulissen zu verschwinden.
Für mich als Reporterin der Zeitschrift Trendy Look waren die großen Modeschauen in Paris und Mailand natürlich Pflicht, und so war ich zusammen mit einem unserer Fotografen nach Mailand geflogen, bewaffnet mit einem kleinen Block für Notizen und einem Diktiergerät, mit dem sich notfalls auch ein Kurzinterview führen ließ.
Schließlich konnte ich davon ausgehen, dass ich bei Anlässen wie diesem die mehr oder weniger komplette Prominenz der Branche traf.
Dieses Mal hatte mich nicht unser Starfotograf Marc Janssen auf meinem Trip nach Mailand begleitet, sondern Peter Jürgens, ein introvertierter Mittdreißiger, der in seiner zerschlissenen Jeans und dem Second-Hand-Jackett nicht gerade so aussah, als würde er sein Geld mit Modefotografie verdienen.
Mit Peter hatte ich noch nicht zusammengearbeitet. Im Augenblick hatte ich ihn etwas aus den Augen verloren und hoffte, dass seine Bilder am Ende auch brauchbar waren.
Bei Marc hätte man sich darauf hundertprozentig verlassen können, aber er war leider für diesen Termin wegen eines anderen Shootings unabkömmlich gewesen.
Es gab auch noch einen weiteren, ganz privaten Grund, Marcs Abwesenheit zu bedauern. Er war ein außerordentlich attraktiver Mann, blondes Haar, gebräunter Teint, breite Schultern und ein Blick, der einem durch und durch ging.
Es hatte bereits ziemlich geknistert zwischen uns und ich war recht optimistisch, dass aus der Sache noch mehr werden würde als nur ein flüchtiges Glück.
Wieder stolzierten neue Models auf den Laufsteg. Die Kleider, die sie vorführten, folgten einer für meinen Geschmack sehr konservativen Linie. Mir fehlte da etwas der Pepp und bei manchen Sachen hatte man das Gefühl, sie schon einmal gesehen zu haben.
Ich machte meine Notizen, als ich plötzlich den Geruch eines After Shave in der Nase hatte. Es roch angenehm. Der Träger - ein Mann von Anfang bis Mitte dreißig, dunkelhaarig und mit braunen Augen - hatte sich einfach auf den Platz neben mir gesetzt, der bis dahin frei geblieben war. Eigentlich war er für meinen Fotografen Peter Jürgens reserviert, doch der hatte ihn bisher nicht in Anspruch genommen.
Wahrscheinlich ein Kollege, dachte ich und hatte nichts dagegen. Wenn jetzt Peter Jürgens her kam, hatte er wohl Pech gehabt, aber das war dann nicht meine Sache, beschloss ich spontan. Ich betrachtete den mir Fremden mit verstohlener Neugierde: Es sah ganz so aus, als wäre er schlicht und ergreifend zu spät gekommen, aber ich muss es leider sagen, welchen Reporter hätte das schon jemals davon abgehalten, anschließend trotzdem einen sehr ausführlichen Artikel zu schreiben?
Selbst dann, wenn man von dem Ereignis, über das man berichtete, bestenfalls die Hälfte mitbekommen hatte.
Ich konnte diese Vorgehensweise weder gutheißen noch leiden, aber andererseits wusste ich sehr wohl, dass sie in meiner Branche ausgesprochen weit verbreitet war. Nicht immer waren daran nur die Kollegen Schuld, auch der Termindruck bei den Abgabeterminen in den Redaktionen tat dazu ein Übriges.
Der dunkelhaarige Mann schaute mich an. Unsere Blicke trafen sich und verschmolzen für einen kurzen Moment miteinander.
Er entschuldigte sich auf Französisch, eine Sprache, die ich sehr gut beherrsche. Das war eine der Einstellungsvoraussetzungen bei Trendy Look gewesen.
Der Dunkelhaarige trug ein Glas in der Rechten und beplemperte damit mein eng anliegendes Businesskostüm, das ich an diesem Tag trug.
So hatte er schon wieder Gelegenheit, sich zu entschuldigen: "Pardon, Madame! Ich bin untröstlich."
Jedem anderen wäre ich trotzdem dafür sprichwörtlich an die Gurgel gegangen. Schließlich hatte ich es neu und fand, dass es mir besonders gut stand, aber der Blick dieser braunen Augen besänftigte mich noch bevor ich meinem Ärger so richtig Luft machen konnte.
"Kein Problem", behauptete ich also in seiner Muttersprache und bekräftigte diese Lüge auch noch mit einem freundlichen Lächeln.
Er erwiderte das Lächeln ein wenig schief. Offensichtlich war er sehr verlegen wegen dem kleinen Missgeschick. Tolpatschigkeit schien nicht sein übliches Verhalten zu sein.
Davon abgesehen wunderte es mich, wie er es geschafft hatte, ein Sektglas ausgerechnet in den Showroom zu schmuggeln, wo es eigentlich nicht üblich war, etwas zu trinken.
Ich sprach es in meiner manchmal ziemlich direkten Art an: „Ich habe gar nicht mitbekommen, dass es hier etwas zu trinken gibt!“, auch um mich selber von dem kleinen Missgeschick abzulenken. Genauer betrachtet war es wirklich nicht so schlimm wie ich es zunächst empfunden hatte. Man konnte es schon gar nicht mehr sehen. Oder redete ich mir das nur selber erfolgreich genug ein?
Ich blinzelte und hoffte, er möge es nicht so auslegen, dass ich ein wenig verwirrt war. Um meine Gedanken zu ordnen, dachte ich wieder an die Tatsache, dass er als einziger ein Sektglas in der Hand hielt: Es wäre wirklich die erste Show in Mailand gewesen, bei der es während der Vorführung Sekt gegeben hätte. Im Anschluss war ein Buffet geplant – aber hier, im sogenannten Showroom, mit einem vollen Glas aufzutauchen, das war schon ausgesprochen frech.
Er lächelte. Diesmal sah es offen aus - und überaus sympathisch obendrein. Ich musste wieder ein wenig blinzeln, als würde ich zur Kurzsichtigkeit neigen und konnte es nicht verhindern. Leider. Und an einer möglichen Kurzsichtigkeit lag es absolut nicht. Das hätte ich gewusst...
„Ich hatte mich verlaufen und geriet aus Versehen in den Salon fürs Buffet“, meinte er und es klang ehrlich.
Ich konnte nicht anders, als sein Lächeln zu erwidern. Er hatte einfach etwas an sich, das sich schwer in Worte fassen ließ und was bewirkte, dass ich für Sekunden wie hypnotisiert war.
Gott, was ist los mit dir?, tadelte ich mich insgeheim dafür. Aber es gelang mir wenigstens, völlig gelassen zu wirken und ihn sogar ein wenig... zu tadeln, wenn auch eher scherzhaft gemeint:„Lässt man nicht eigentlich die Finger vom Buffet, wenn einem so etwas passiert?“, fragte ich und kam mir auf einmal trotz der gespielten Gelassenheit wegen diesem Versuch, scherzhaft zu tadeln, irgendwie entsetzlich lächerlich vor. Wie schaffte dieser Fremde es, mich dermaßen aus dem Konzept zu bringen? Das war absolut ungewöhnlich. Nur weil er verbotener Weise ein Glas Sekt hierher geschmuggelt hatte, eigentlich auf dem Platz meines Fotografen saß und mich obendrein auch noch mit Sekt bekleckert hatte?
Wieso wies ich ihn nicht endlich zurecht, wie es sich gehörte und erklärte ihm lapidar, dass der Platz reserviert sei? Obwohl Peter Jürgens ihn offensichtlich gar nicht benötigte, weil er es vorzog, seine Fotos aus anderer Perspektive zu schießen.
Aus welcher eigentlich?
Irgendwie interessierte mich das gar nicht mehr so sehr. Ich schaute lieber diesen Fremden an.
Er zuckte die Achseln. „Pardon, ich konnte einfach nicht widerstehen“, gestand er. „Das ist manchmal so bei mir.“
„Nur, was Sekt angeht?“ He, was soll diese Frage überhaupt?, dachte ich erschrocken.
Er merkte es gar nicht und behauptete stattdessen im Brustton der Überzeugung: „Ehrlich gesagt, ich mag weder Champagner noch Sekt.“
Jetzt bekam ich wieder ein wenig Oberwasser und fühlte mich gleich besser:
„Und da Sie schon den Salon mit dem Showroom verwechselt haben, konnten Sie auch den Sekt nicht vom Mineralwasser unterscheiden – oder wie soll ich das verstehen?“
„Touché, Mademoiselle! Ich mag Frauen mit Esprit!“
Mein Lächeln blieb betont unverbindlich: „Immerhin mussten Sie eine Flasche öffnen, ohne den Korken knallen zu lassen! Das hätten Sie mit Orangensaft leichter haben können!“
Er zuckte die Achseln und wich meinem gnadenlos forschenden Blick aus. Aber nur kurz. Dann konnte er sogar wieder lächeln und mir rieselte es aus unerfindlichen Gründen kalt den Rücken herunter. Es war noch nicht einmal unangenehm, dieses Gefühl und beinahe schämte ich mich dafür. Dieses Lächeln aber auch...
„Leider gab es nur Sekt. Der Rest der Getränke war noch nicht in den Salon gebracht worden.“
Irgendwie drang seine Stimme wie durch Watte zu mir hin. Ich brauchte Kraft, um nach wie vor souverän zu wirken und mein Lächeln unverbindlich bleiben zu lassen: „Ich glaube, Sie werden es noch weit bringen, Monsieur.“
„So?“ Seine Überraschung war echt.
Ich ließ ihn ein paar Sekunden lang zappeln, ehe ich ausführte: „Sie scheinen um keine Ausrede verlegen zu sein und bringen daher die besten Chancen für eine große Karriere in fast allen Bereichen mit.“
Das saß. Mein inneres Gleichgewicht war wieder hergestellt, mein Lächeln war jetzt wirklich unverbindlich und sah nicht nur so aus und er war doch tatsächlich ein wenig unsicher. Oder gehörte das zu irgendeiner Masche? Bei einem so gut aussehenden Mann musste man schließlich als Frau mit allem rechnen...
Er trank das halbe Glas leer – und zwar auf eine Weise, die es nicht besonders glaubwürdig aussehen ließ, dass ihm Sekt so zuwider war und ließ den Blick über das Geschehen auf der Bühne schweifen.
„Bei dem, was ich tue, gibt es keine Ausreden“, sagte er. Es klang sehr seltsam in meinen Ohren. Nein, das war keine Unsicherheit, was ich an ihm sah. Aber was war es sonst? Eine Spur Wehmut gar? Und wieso - bei einem solchen Mann? Ich vergaß, weiter zu lächeln und lauschte den folgenden Worten, die mir sogar noch seltsamer anmuteten: „Es gibt nur gut oder schlecht, neu und schon mal da gewesen – erfolgreich oder Flop. Dazwischen ist nichts und die Gründe dafür, dass man gescheitert ist, interessieren niemanden.“
Er und gescheitert? Oder drückte das nur Angst vor möglichem Scheitern aus?
Ich betrachtete ihn und versuchte, aus seinen Worten - überhaupt aus dem ganzen Mann, als der er hier neben mir saß - klug zu werden. Dabei wunderte ich mich ein bisschen über mich selbst: Wieso interessierte es mich denn überhaupt?
Er nippte noch einmal an seinem Glas.
Ich bemerkte, dass sich sein Gesicht veränderte. Was war nun wieder los mit ihm?
Er wirkte ausgesprochen konzentriert. Seine dunklen Augen verengten sich etwas.
Der Blick eines Kenners?, fragte ich mich unwillkürlich.
Mir fiel ein, dass ich noch nicht einmal nach seinem Namen gefragt hatte und beschloss, dies nachzuholen. Auch darüber wunderte ich mich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht. Später redete ich mir ein, es sei in erster Linie wegen dem verschmutzten Kostüm gewesen. Außerdem: Vielleicht hatte ich ja bereits von ihm gehört oder gelesen? Es war doch immer wichtig, zu wissen, was in der Branche ablief und wer die Menschen waren, die dabei mehr oder weniger das Sagen haben, nicht wahr?
Die Modeszene ist weltweit gesehen sowieso eine Art Dorf. Ein paar hundert Menschen, die sich an verschiedenen, aber immer denselben Plätzen ein paar Mal im Jahr treffen. Paris, Mailand – Mailand, Paris. Und dazwischen vielleicht mal kleinere Abstecher nach New York, London, Hamburg oder seit einiger Zeit auch nach Moskau oder Tokio. Das war es dann schon.
Ich öffnete den Mund, wollte ihn gerade ansprechen, da sagte er etwas, von dem ich trotz meiner Französischkenntnisse kein Wort verstand, denn in diesem Augenblick brandete wieder Beifall auf.
Ein höflicher Beifall der Erleichterung, wie ich fand. Wirkliche Begeisterung war nicht zu spüren, aber immerhin war dieser Beifall laut genug gewesen, um die Worte meines Gegenübers zu übertönen.
„Was haben Sie gesagt?“, fragte ich also.
„Nicht viel los dieses Jahr, nicht wahr?“, meinte der Franzose.
„Wie schön, dass Sie das schon nach so kurzer Zeit bemerken“, antwortete ich in meinem besten Französisch. Dieses Französisch war gut genug, den leichten Spott herüber zu bringen, den ich für einen Kollegen übrig hatte, der über diese Show zu urteilen vermochte, obwohl er kaum etwas davon mitbekommen haben konnte. Allerdings reichte es wohl nicht, um meine Herkunft zu verbergen. Mein Akzent verriet mich.
Aber passte dieses fast schon etwas anmaßende Auftreten nicht ganz zu einem, der dreist genug war, sich aus dem Buffet-Salon ein Glas Sekt zu stibitzen?
Ich wusste nicht, ob ich jetzt deshalb so bemüht kritisch über ihn dachte, um meine Selbstsicherheit zu stärken. Ich dachte noch nicht einmal darüber nach, denn er lenkte mich davon ab: „Für welche Zeitschrift arbeiten Sie in Deutschland?“, fragte er.
„Für Trendy Look", antwortete ich spontan und eigentlich gegen meinen Willen. Als hätten sich meine Lippen selbständig gemacht. Wie kam ich dazu, dem Fremden Rede und Antwort zu stehen, der es noch nicht einmal nötig hatte, sich vorzustellen, während er auf dem Platz eines anderen saß? Mehr noch: Ich ließ mich dazu hinreißen, zu fragen: "Ich nehme an, Sie haben noch nie etwas von diesem Titel gehört?“
„Doch, durchaus." Es klang ehrlich, aber ich war nicht sicher, ob er nur höflich sein wollte. "Ein neues, aufstrebendes Blatt." Nun, das war keineswegs ein Beweis. Das passte immer, wenn man eine Zeitschrift noch nicht kannte: Dann war sie offensichtlich neu. "Nur verstehe ich nicht, wieso man einer in Deutschland erscheinenden Zeitschrift einen englischen Titel geben kann? In Frankreich würde man so etwas nicht tun.“
Das saß! Aber es brachte mich keineswegs aus der Ruhe, denn erstens war ich für den Namen sowieso nicht verantwortlich und zweitens kam dieser Einwand beileibe nicht zum ersten Mal. Man konnte schon sagen, ich war gut darauf vorbereitet: „Dann heißt der Playboy in Frankreich nicht auch Playboy?“, fragte ich.
Der Franzose setzte ein spitzbübisches Lächeln auf, das mir sehr gut gefiel.
„Das ist eine Ausnahme“, behauptete er.
Wieder brandete Beifall auf und ich stellte mit aufkeimendem schlechten Gewissen fest, dass ich den Auftritt der Models, denen diese Wohlwollensbekundung galt, überhaupt nicht mitbekommen hatte.
Du solltest deinen Job machen!, sagte eine Stimme in mir. Aber da war etwas anderes, was mich im Augenblick sehr viel mehr interessierte. Vielleicht hatte es mit den dunkelbraunen Augen zu tun, vielleicht auch mit seinem Sinn für Humor und dem sympathischen Lächeln oder dem sonoren Timbre seiner Stimme...?
Ich weiß es nicht. Ich wusste nur, dass in diesem Augenblick etwas begann, das ich nicht mehr vollständig in der Hand hatte. Da war ein Gefühl, das ich liebend gerne verdrängt hätte – denn ich war eigentlich alles andere als auf der Suche nach einer neuen Leidenschaft. Aber genau so fühlte es sich an.
Schmetterlinge schienen in meinem Bauch zu tanzen. Ich hatte mich schon sehr lange nicht mehr so gefühlt und fast vergessen, wie sich das eigentlich anfühlte.
Er sah mich an.
Ein Blick, der mich unwillkürlich schlucken ließ.
Alle Gegenwehr, auch die bemüht kritischen Gedanken über sein Verhalten... Nichts hatte es verhindern können. Ganz im Gegenteil!
„Wie heißen Sie?“, fragte er. „Vielleicht habe ich schon mal etwas von Ihnen gelesen?“
„Das glaube ich kaum“, erwiderte ich ausweichend.
„Oh, Sie unterschätzen mich. Ich habe etwas Deutsch in der Schule gehabt. Vielleicht reicht es nicht, um sich mit Ihnen zu unterhalten, aber um einen Artikel zu lesen, das schaffe ich noch. Zumindest mit Wörterbuch.“
„Mein Name ist Julia Trenzdorf“, sagte ich. Auch das wieder völlig gegen meinen Willen: Er fragte mich aus und blieb selber ein Fremder. Wie, um alles in der Welt, kam ich dazu, so etwas zuzulassen? Die Schmetterlinge in meinem Bauch verrieten es mir, obwohl ich alles tat, um ihnen nicht zuhören zu müssen.
„Julia – das klingt gut!“
Er fragte nicht, ob er mich beim Vornamen nennen durfte. Er tat es einfach. Eigentlich eine Unverschämtheit, die ich niemals einem Mann durchgehen ließ! Normalerweise.
"Und wo arbeiten Sie eigentlich?", fragte ich und bemühte mich, dabei ärgerlich zu wirken, aber das ging gründlich schief.
Wieder erschien ein Lächeln im Gesicht des Franzosen. „Ich arbeite für die Pariser Redaktion der Elle“, erwiderte er.
Plötzlich klingelte sein Handy in der Jackettinnentasche. Er holte es heraus, mit einer knappen Entschuldigung auf den Lippen. Das Geräusch war in der Musik, die die Show begleitete, mehr oder weniger untergegangen.
Er meldete sich mit einem knappen "Oui?" und lauschte kurz.
„Wir sehen uns sicher noch“, sagte er dann zu mir, ohne mich dabei so richtig anzusehen, stand auf und ging, um ungestört sein Gespräch führen zu können.
Einige der in der Nähe sitzenden Zuschauer der Show sahen dem Franzosen ärgerlich nach. Schließlich war es eine Unverschämtheit, bei einer Veranstaltung wie dieser sein Handy auf Empfang und laut klingeln zu lassen, so dachten einige von ihnen. Die Verachtung war manchen im Publikum regelrecht anzusehen, aber schon hatte das Geschehen auf dem Laufsteg wieder die volle Aufmerksamkeit des Publikums auf sich gezogen.
Für mich galt das nicht.
Ich blickte ihm nach, sah, wie er durch einen Nebenausgang verschwand.
Nicht einmal seinen Namen kenne ich, dachte ich ärgerlich. Aber die Modeszene war ziemlich klein. Ich war zuversichtlich, dass wir uns schon bald wieder über den Weg laufen würden.
Und dann widmete ich meine volle Aufmerksamkeit endlich wieder dem Geschehen. Ich bemühte mich jedenfalls nach Kräften, das uneingeschränkt zu schaffen.
Peter Jürgens, meinen Fotografen, traf ich erst auf dem an die Show anschließenden Empfang wieder. Mehrere Kameras hingen ihm wie Mühlsteine um den Hals. Oder warum sonst machte er so einen krummen Rücken? Nur aus schlechter Gewohnheit? Zu seiner Schlaksigkeit passte es jedenfalls. Außerdem hatte jemand ihm noch ein Sektglas in die Hand gedrückt, das er viel zu hastig austrank. Ich musste an mich halten, um ihn nicht anzumaulen.
„Hallo“, sagte er. „Da bin ich wieder. Alles im Kasten.“
„Na, das hoffe ich doch“, entgegnete ich skeptisch. In unserer Branche ist es nämlich so, dass auch der beste Bericht ohne erstklassige Fotos überhaupt nicht zur Geltung kommt. Böse Zungen beziehungsweise manche Fotografen aus unserer Redaktion behaupteten sogar, dass die Texte ohnehin niemand lesen würde, sondern die meisten Käufer von Trendy Look in erster Linie sich die Bilder ansähen.
Ich ließ den Blick umherschweifen und fragte mich, ob der Franzose irgendwo vielleicht noch einmal auftauchen würde. Ich fand ihn allerdings nirgends und da ich von meiner Figur her eher klein und zierlich bin, hatte ich auch wenig Chancen, mir einen Überblick zu verschaffen.
„Suchst du irgendwas?“, fragte mich Peter, der das sofort bemerkt hatte.
„Nein“, sagte ich und fühlte mich dabei etwas ertappt. Suchte ich denn wirklich etwas oder jemanden? Schließlich glaubte ich mich doch bei Marc Janssen in – fast - festen Händen und war eigentlich keineswegs auf der Suche nach einem Neuen. Andererseits…
Zweifellos hatte dieser Franzose etwas an sich, das mich fast wie magisch angezogen hatte. Dagegen half es überhaupt nicht, wenn ich mich länger bemühte, mir etwas vor zu machen.
Eine Faszination, die nicht zu erklären war. Das war sicher. Allein der Klang seiner Stimme hallte in meiner Erinnerung wieder und ich spürte ein eigenartiges Kribbeln im Bauch...
Sei keine Närrin!, sagte ich zu mir selbst. Du bist keine dreizehn mehr und er ist kein Popstar.
Inzwischen hörte ich wie aus weiter Ferne Peter über die Lichtverhältnisse während der Show meckern und dass man mal abwarten müsse, wie sich das im Endeffekt auf die Bilder auswirkte. Dabei kippte er gerade wieder ein Glas Sekt. Das wievielte war das eigentlich? Und er gab sich noch schlaksiger als vorher.
Ich schaute in eine andere Richtung. Nicht nur seinetwegen. Aber ich bekam nicht das (oder denjenigen!) zu sehen, was ich mir insgeheim erhoffte.
Auch nicht mehr, so lange ich noch in Paris weilen musste...
Es war schon sehr spät, als ich mit der letzten Maschine in Hamburg eintraf. Während des Fluges war ich etwas eingenickt. Der Tag war ziemlich anstrengend gewesen und er war auch noch keineswegs zu Ende.
Peter Jürgens und ich mussten noch einmal in den Verlag. Etwa anderthalb Stunden intensiver Arbeit lagen vor uns, denn die Story über die Show in Mailand war fest für die nächste Heftnummer eingeplant. Redaktionsschluss war bereits am frühen Nachmittag des folgenden Tages und ich hatte auf meinem Notebook unterwegs nur eine erste Vorabfassung des Berichtes erstellt, so mal kurz zwischendurch, während der Reise, unterbrochen vom Schlafen. Noch viel zu knapp war diese Vorabfassung, viel zu fehlerhaft - und überhaupt absolut unbefriedigend. Eher so eine Art Zusammenfassung der Notizen. Das durfte außer mir keiner lesen. Es würde Mühe kosten, daraus noch das Richtige zu machen.
Ich musste zumindest vor mir selber zugeben: Es fiel mir diesmal nicht so leicht wie sonst immer! Irgend etwas beeinträchtigte mich. Es war nicht fehlender Schlaf oder zu viel zurückliegender Stress, sondern... Ich bemühte mich fleißig, nicht daran zu denken - nicht an jenen namenlosen Franzosen, der eigentlich nicht viel getan hatte, um sympathisch zu wirken. Ganz im Gegenteil: Er war es ganz einfach!
„Ich hoffe nur, dass ich nicht einschlafe, bevor alles fertig ist“, meinte Peter Jürgens, als wir das Flughafen-Terminal verließen.
„Na, davor wird dich ja wohl hoffentlich der doppelte Espresso bewahren, den du während des Fluges genossen hast!“
Peter gähnte.
„Das ist schon zu lange her“, meinte er. „Außerdem wirkt das Zeug bei mir sowieso nicht mehr.“
Ich nahm Peter in meinem Wagen mit zum Verlagsgebäude, einem schmucklosen, kastenförmigen Bau am Jungfernstieg. Er hatte seinen Wagen auf dem verlagseigenen Firmenparkplatz abgestellt.
Nachdem uns der Nachtwächter begrüßt und wir das Verlagsgebäude betreten hatten, trennten sich unsere Wege erst einmal. Peter ging zur Bildbearbeitung, während ich mich zum Großraumbüro unserer Redaktion begab.
Tagsüber war hier der Teufel los. Es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Aber inzwischen war es schon beinahe Mitternacht und da fiepte noch nicht einmal das Fax.
Ich ging zu meinem Schreibtisch, stellte das Notebook aufgeklappt auf die Seite, fuhr den Rechner hoch und machte mich gleich daran, meinen Artikel in die Tasten zu hauen. Die Notizen, die ich mir in Mailand gemacht hatte, bildeten dafür die Grundlage. Die Vorabfassung im Notebook interessierte mich gar nicht mehr: Da war ich in der Tat so abgelenkt gewesen, dass es günstiger erschien, ganz von vorn zu beginnen.
Aber die Notizen bildeten eine Grundlage, die in diesem besonderen Fall doch um einiges schmaler ausgefallen war, als normalerweise.
Du hättest dich eben nicht ablenken lassen sollen!, ging es mir durch den Kopf. Und sonst schimpfst du über andere, wenn die so vorgehen wie du diesmal! Du nennst es sogar unseriöse Berichterstattung...
Aber es war nicht mehr zu ändern.
Für einen kurzen Moment schwelgte ich in der Erinnerung an diesen Franzosen, von dem ich nicht einmal den Namen wusste. Wieso hatte ich trotz allem kein schlechtes Gewissen dabei?
Was soll´s!, sagte ich mir und versuchte, die Begegnung endlich abschließend zu beurteilen, um die gewohnte Konzentrationsfähigkeit zurück zu gewinnen: Eine nette Begegnung am Rande, vielleicht sogar ein netter, kleiner, amüsanter Flirt. Mehr war es doch nicht gewesen - oder?
Peter schickte mir die Bilddaten schließlich auf den Rechner und ich montierte am Bildschirm die Seite mit der Mailand-Story.
Ein Gähnen konnte ich jetzt nicht mehr unterdrücken. Ich glaubte mich unbeobachtet, also machte es auch nichts.
Schließlich rechnete ich nicht damit, dass außer Peter und mir um diese Zeit überhaupt noch jemand im Gebäude war.
Doch da sollte ich mich getäuscht haben.
„Guten Abend, Julia. Was machen Sie denn zu dieser nachtschlafenden Zeit hier im Verlag?“, ließ mich eine sonore Stimme zusammenfahren. Für ein paar Sekunden schlug mir das Herz bis zum Hals.
Ich drehte mich um und blickte in das breite, mir nur allzu bekannte Gesicht von Hanno Behrends, unserem Verlagsleiter.
Behrends nannte mich in letzter Zeit deshalb so penetrant beim Vornamen, weil er wohl hoffte, dass wir uns auf diese Weise näher kamen. Ich hingegen bestand weiterhin darauf, ihn mit „Herr Behrends“ anzureden. Auf beruflicher Ebene schätzte ich ihn durchaus, was im Übrigen auf Gegenseitigkeit beruhte. Aber als Mann interessierte er mich kein bisschen. Die vertraute Anrede hätte ich mich normalerweise verbeten, aber er war schließlich mein Chef...
Dass er als Mann nicht auf mich wirkte, war eine Tatsache, die wohl vollkommen außerhalb seines Vorstellungsvermögens lag, hielt er sich doch für unwiderstehlich.
Und so versuchte er es immer wieder bei mir. Hanno Behrends Charme-Offensiven kamen mit der Berechenbarkeit eines Uhrwerks. Und auch mehr als deutliche Signale meinerseits, durch die ihm eigentlich hätte klar werden müssen, dass er bei mir keine Chance hatte, fruchteten nichts.
Behrends ignorierte sie einfach.
Auch jetzt stand ein breites Lächeln in seinem Gesicht, das mich Schlimmes ahnen ließ.
„Ich weiß ja, dass Sie inzwischen eine unserer Top-Kräfte sind - aber dass Sie inzwischen auch schon Ihre Nächte im Verlag verbringen...“
„Ich komme gerade aus Mailand zurück und musste die Story noch im Groben fertig machen“, erwiderte ich betont sachlich.
Behrends seufzte.
„Tja, ich habe mir hier den Abend mit dem Konzept zu einem neuen Zeitschriftentitel im Bereich Heim- und Gartenanlagen um die Ohren gehauen.“
„Ich dachte schon, mit einer hübschen Praktikantin“, erwiderte ich eine Spur schroffer, als ich es eigentlich beabsichtigt hatte.
„Aber, Julia! Was denken Sie von mir?“, meinte er mit gespielter Empörung.
Ich verdrehte unwillkürlich die Augen.
Jemand wie Hanno Behrends war so "sensibel", dass er wahrscheinlich auch eine Ohrfeige noch als Annäherungsversuch auffasste.
„Was halten Sie davon, wenn wir irgendwo ein Glas trinken gehen?“, fragte Behrends indessen ziemlich unvermittelt.
„Tut mir leid, aber ich bin hundemüde!“ gab ich ihm einen Korb und brauchte dabei noch nicht einmal zu lügen. „Der Tag in Mailand hat mich doch ziemlich geschafft.“
Das war immerhin ein Teil der Wahrheit.
Schließlich war ich schon um halb fünf am Morgen am Flughafen gewesen, um einzuchecken. Den ganzen Tag über war ich dann kaum zur Ruhe gekommen und jetzt forderte dieser Marathon einfach seinen Tribut.
Die zweite Hälfte der Wahrheit war, dass Hanno Behrends wohl so ziemlich der letzte Mann auf der Welt gewesen wäre, von dem ich mich hätte ausführen lassen - und zwar ganz egal wohin und wie wach oder müde ich war.
Behrends zuckte die Achseln.
„Schade, das wäre sicher nett geworden“, meinte er.
Ich griff nach meiner Handtasche und fuhr den Computer herunter.
„Auf Wiedersehen, Herr Behrends“, erwiderte ich dann und ging anschließend an ihm vorbei.
Als ich das Verlagsgebäude verlassen hatte und die frische, klare Nachtluft einatmete, war mir schon sehr viel wohler.
Ich schlief in den mir noch verbleibenden Nachtstunden wie ein Stein.
Am nächsten Morgen schaffte es der Wecker kaum, mich aus dem Bett zu scheuchen.
Ich kam aber doch pünktlich genug, um nicht als Langschläferin aufzufallen.
Im Großraumbüro herrschte der übliche hektische Hochbetrieb. Am frühen Nachmittag war die Schlussredaktionskonferenz für das nächste Heft.
Trendy Look erschien monatlich und die letzten Tage vor dem Druck waren immer von allgemeiner Hektik geprägt. Ressortleiter und Chefredakteur waren dann in der Regel ungenießbar, vor allem dann, wenn der Verlagsleiter so dreist war, sich einzumischen.
Und bei Hanno Behrends war das ziemlich oft der Fall.
Ein Tag voller Stress lag also vor mir. Ich erreichte meinen Schreibtisch und setzte mich erst einmal.
„Na, wie war es in Mailand?“, fragte mich meine Kollegin Susanne vom Nachbarschreibtisch. Wir waren recht gut befreundet. Vor allem in meiner Anfangszeit bei Trendy Look hatte sie mir sehr geholfen, mich zurecht zu finden. Obwohl sie nicht meine beste Freundin war, denn diese hieß Marielle und war Fotomodell. Ich hatte ihr beruflich ziemlich unter die Arme gegriffen. Nicht nur deshalb war sie meine beste Freundin und wenn sie in Hamburg weilte - was meines Erachtens viel zu selten passierte und dann meistens nicht meinetwegen, sondern weil sie für unsere Zeitschrift arbeitete -, wohnte sie bei mir.
Ich zeigte Susanne eine verdrießliche Miene. „Irgendwie fällt den maßgeblichen Designern seit zwei, drei Jahren nichts wirklich Neues mehr ein“, meinte ich.
„Sag bloß, das schreibst du auch in deinem Artikel?“, entgegnete sie grinsend.
Ich erwiderte das Grinsen.
„Wo denkst du hin!“
„Mit anderen Worten, du wirst es mal wieder gehörig aufbauschen und von Bahn brechenden neuen Trends berichten, Julia!“
„Das hast du jetzt gesagt!“
„Stimmt es denn etwa nicht?“
Ich hob in gespielter Hochnäsigkeit das Kinn und erwiderte in einem ausgesucht eingebildeten Tonfall: „Ich betreibe ernsthaften Journalismus!“
„Selten so gelacht, Julia!“
„Ich meine das vollkommen ernst, Susanne!“
In diesem Punkt gab es tatsächlich eine Meinungsverschiedenheit zwischen uns.
Während Susanne eine eher lockere Auffassung von unserem Beruf hatte, fand ich, dass die Leser ein Recht darauf hatten, ehrlich über die Themenschwerpunkte informiert zu werden, die wir uns in Trendy Look vorgenommen hatten. Und dazu gehörte journalistisches Handwerk, auch wenn ich gern zugebe, dass der Bereich Mode vielleicht insgesamt nicht dieselbe Geltung besitzt wie etwa die Politik.
Was die Auffassung von unserem Job anging, hatten wir darüber des Öfteren - wenn auch in aller Freundschaft - diskutiert.
„Na, verteidigst du mal wieder die hehren Grundsätze des Journalismus?“, hörte ich von hinten eine tiefe, sehr angenehm klingende Stimme, die mir nur allzu gut bekannt war.
„Marc!“, entfuhr es mir, während ich mit dem Drehstuhl herumwirbelte.
„Vorsicht! Heiß!“
Marc Janssen stand mit zwei dampfenden Kaffeebechern vor mir und hatte es gerade noch geschafft, meinem Schwung auszuweichen und damit eine Überschwemmungskatastrophe zu verhindern.
„Das war knapp“, meinte er.
„Du kennst doch meine impulsive Art", erwiderte ich lächelnd.
Ich musste unwillkürlich schlucken, als er dieses Lächeln erwiderte.
Für einige kurze Momente verschmolzen unsere Blicke auf eine Weise, die sich kaum beschreiben ließ. Sieht er nicht einfach umwerfend aus, unser Starfotograf?, ging es mir wie ein grell aufleuchtender Blitz durch den Kopf.
Sein leicht gebräuntes Gesicht wurde von dichtem blondem Haar umrahmt, das sehr gepflegt wirkte.
Er trug einen drei Tage Bart, der ihm eine verwegene Note gab.
Das Umwerfendste an Marc Janssen waren jedoch seine blauen Augen. Sie hatten die Farbe eines klaren Bergsees, in dem ich zu versinken drohte, wenn er mich auf diese intensive Art und Weise anschaute, wie er es auch jetzt wieder tat.
„Julia?“
„Ja?“ Für einen Moment hatte ich das Hier und Jetzt vergessen.
„Ich habe dir einen Kaffee mitgebracht. Ich dachte, das ist genau das, was du jetzt am Nötigsten brauchst.“ Er reichte mir einen der dampfenden Becher.
„Danke, du bist ein Schatz.“
„Ich weiß!“ Er lachte verschmitzt und rechts und links seiner Mundwinkel entstanden dabei kleine Grübchen.
Er küsste mich leicht auf die Wange, strich mir über das Haar.
Aus den Augenwinkeln heraus sah ich, dass sich die Tür zum Büro des Redaktionsleiters geöffnet hatte. Verlagsleiter Hanno Behrends trat zusammen mit Albert Dietrich, dem Chef unserer Redaktion, daraus hervor. Die beiden waren offenbar in ein Gespräch vertieft.
Hanno Behrends stutzte, als er mich und Marc zusammen sah. Einen Augenblick lang hatte Behrends seinen ansonsten stets glatten Gesichtsausdruck nicht unter Kontrolle. Seine Stirn umwölkte sich und es war nicht zu übersehen, dass ihm das, was er gesehen hatte, missfiel.
Sollte er ruhig, dachte ich.
Vielleicht hörte dann seine plumpe Anmache endlich auf, wenn er begriff, dass mein Herz anderweitig vergeben war?
„Ich muss dir leider eine schlechte Nachricht überbringen“, sagte Marc Janssen, der überhaupt nicht auf Behrends oder irgendwen sonst geachtet hatte.
Er nippte an seinem Kaffee.
Daher also die besonders liebenswürdige Art und Weise der Begrüßung, ging es mir durch den Kopf.
Wenn Marc mir sagen wollte, dass er keine Zeit für mich hatte – was bei seinen unsteten Arbeitszeiten relativ häufig vorkam – so pflegte er dies immer auf irgendeine Weise zu versüßen. Aufmerksamkeiten, Komplimente, ein Kaffee… Marc war ein glänzender Diplomat.
Er wusste genau, wie man mit einer Frau umzugehen hatte. Wie man ihr beibrachte, dass aus der Verabredung wider Erwarten doch nichts werden würde, ohne dass die Angebetete gleich sauer reagierte.
Darin scheint er richtig Übung zu haben, ging es mir mit aufkeimendem Ärger durch die Gedanken. Ich wollte mir nicht vorstellen, bei wie vielen Frauen er diese Masche bereits erfolgreich angewandt hatte.
„Es geht wahrscheinlich um unseren Kinobesuch heute Abend“, vermutete ich und gab mir Mühe, mir nichts anmerken zu lassen.
„Ja, genau. Ich muss heute Mittag schon in Düsseldorf sein.“ Er zuckte die Achseln, berührte mich leicht am Arm und sah mich mit einem Blick an, der es mir sehr schwer machte, böse auf ihn zu sein. „Ein Top-Job. Fotos für einen Katalog. Nichts zwar, was mich berühmter machen könnte, als ich es ohnehin schon bin…“, er lachte, während er das sagte, „…aber es bringt eine Menge Kohle.“
„Ich verstehe schon“, behauptete ich.
„Du bist nicht sauer?“
„Wie könnte ich? Ich freue mich ja erst seit drei Monaten auf diesen Abend.“ Ich wich seinem forschenden Blick einfach aus.
„Geh doch mit Susanne ins Kino! Ich meine, damit die zweite Premierenkarte nicht verfallen muss!“
„Das ist natürlich ein prima Ersatz“, erwiderte ich ironisch.
Marc strich mir erneut über das Haar.
Sein Blick bat um Verzeihung und ich gab mir zwar alle Mühe, wenigstens ein gewisses Maß der Wut, die ich in diesem Moment auf ihn hatte, zu bewahren, aber sie schmolz unter seinem Blick dahin wie Schnee im Frühjahr.
„Wenn es anders gegangen wäre…“
„Ich weiß, Marc. Der Job geht vor.“
„Du bist ja auch viel unterwegs.“
„Mache ich dir einen Vorwurf?“
„Was erwartest du denn auch?“
Er küsste mich. Ein unglaublich weicher, zärtlicher Kuss auf die Lippen, der mir durch und durch ging. Für Augenblicke vergaß ich alles um uns herum.
Ich vergaß, dass ich mich in einem hektischen Großraumbüro befand, in dem hart gearbeitet und manchmal lautstark gestritten wurde. Ich vergaß, dass ich eine nervenaufreibende Redaktionssitzung vor mir hatte und ich vergaß sogar Hanno Behrends äußerst missbilligende Blicke, die er mir herüber schickte.
Dieser Zustand dauerte höchstens wenige Sekunden, obwohl er für mein Gefühl ewig hätte andauern dürfen.
Doch die Realität ließ sich nicht so einfach ausblenden.
„Ich muss jetzt los“, sagte Marc und trank seinen Kaffee aus. „Erst muss ich noch ins Atelier und meine Ausrüstung holen und dann geht’s auch schon zum Flieger.“
„Wann bist du zurück?“
„Spätestens übermorgen. Wenn alles gut geht vielleicht schon morgen. Du weißt ja: Bei meiner Routine!“
„Ich freue mich schon“, sagte ich, schlang meine Arme um seinen Hals und küsste ihn erneut.
Ein flüchtiger Abschiedskuss, mehr war nicht mehr möglich.
„Erzähl Behrends nicht von meinem Düsseldorf-Job“, verlangte er noch.
„Wieso?“
„Offiziell bin ich im Urlaub und du weißt ja, wie sauer er reagiert, wenn jemand Extratouren macht.“
Extratouren – also Nebenbeschäftigungen womöglich für Konkurrenzblätter - waren für Hanno Behrends ein rotes Tuch. Wenn er so etwas herausbekam, konnte er ausgesprochen unangenehm werden.
Gerade für Fotografen war die Versuchung in dieser Hinsicht jedoch ausgesprochen groß.
So lange Marc Janssen unangefochten der beste Fotograf des Hauses war, musste er sich wohl nicht gleich um seinen Job Sorgen machen, aber für jeden anderen hätte dies unweigerlich den Rausschmiss bedeutet.
Marc schien das gelassen zu sehen.
Frecherweise grüßte er Behrends sogar, der sich inzwischen vom Redaktionsleiter gelöst hatte.
Marc verschwand im Labyrinth des Großraumbüros. Ich sah ihm kurz nach.
Behrends blickte mal wieder in meine Richtung.
Susanne hatte das auch bemerkt - und diese Blicke durchaus richtig gedeutet:
„Hey, was hast du denn verbrochen?“, fragte sie mich. „So, wie der guckt… Ehrlich, so habe ich den Behrends selten gesehen! Als wollte er dich gleich fressen..."
Eher im Gegenteil!, dachte ich, hütete mich aber, auf die Frage überhaupt einzugehen. Stattdessen fragte ich: "Na, hast du überhaupt Lust auf Kino?“
"Wie?" Susanne schaute gar nicht zu mir hin, sondern zu Behrends. Deshalb verstand sie die Frage nicht. Hinter ihrer hübschen Stirn arbeitete es heftig.
Ich war eigentlich froh, dass ich ihre Gedanken nicht lesen musste. Also brauchte ich mich auch nicht darüber aufzuregen. Ich war sogar so etwas wie dankbar, dass sie anscheinend glatt vergaß bei all ihren Überlegungen, mir wieder unangenehme Fragen zu stellen. Das mit Behrends wollte ich nicht unnötig aufbauschen. Das falsche Wort zur unrechten Zeit und schon wurde mehr daraus als für alle Beteiligten gut sein konnte. So lange die Sache eher harmlos blieb, hatte ich auch keinen Grund, mich irgendwem mitzuteilen.
Vor allem Susanne nicht. Obwohl ich sie wirklich gut leiden mochte und dazu allen Grund hatte. Aber ich wusste leider auch, dass sie ziemlich schwatzhaft war und sich dabei gern mit irgendwelchen Neuigkeiten brüstete, die sie besser für sich behalten würde.
Ich nutzte den restlichen Morgen vor der Konferenz dazu, meinem Mailand-Artikel den letzten Schliff zu geben.
Zwischendurch telefonierte ich nach Paris mit der Elle-Redaktion.
Ich kannte eine der Redakteurinnen, die ich bei einer Modenschau in Paris kennen gelernt hatte. Wir hatten uns auf Anhieb gut verstanden und deshalb war sie nicht verwundert über meinen Anruf, sondern zeigte sich erfreut.
Ich konnte mir denken, dass sie viel um die Ohren hatte - wer nicht in dieser hektischen Branche? - aber ihre Freude, mich am Telefon zu hören, war so groß, dass sie mich nicht drängte. Wir tauschten die üblichen Belanglosigkeiten aus und dann kam ich endlich auf den Punkt und erwähnte Mailand. Schließlich war Elle dort ja auch vertreten gewesen.
"Oh, ja, ich habe bereits den Bericht gelesen von der Kollegin, die vor Ort gewesen war. Ich glaube nicht, dass du sie kennst, denn dafür ist sie noch nicht lange genug bei uns. Ich gebe zu, dass ich ein wenig Bedenken hatte, als ich sie los schickte, aber ihr Bericht hat mich restlos überzeugt", sprudelte es prompt aus ihr hervor. "Ursprünglich wollte ich selber hin, aber das war leider nicht gegangen. Da wären wir uns ja beinahe begegnet!"
"Eine Frau von euch war vor Ort?", vergewisserte ich mich.
Sie stutzte - und ich eigentlich auch.
"Komische Frage. Was meinst du damit?"
"Da lief mir in Mailand ein Mann über den Weg, ein Franzose."
Er ging mir einfach nicht aus dem Kopf - zugegeben! - und außerdem wurmte es mich, dass ich seinen Namen nicht kannte.
Offenbar war er kein großes journalistisches Talent der Elle, sonst hätte seine Redakteurin sich sofort an ihn erinnert.
Oder ein Aufschneider?, überlegte ich.
Schließlich hatte ich ihn nicht wirklich arbeiten gesehen, wie mir jetzt im Nachhinein auffiel.
Kein Notizblock, kein Diktiergerät, nichts!
Das spornte mich natürlich noch mehr dazu an, herauszufinden, was es mit dem Franzosen auf sich hatte.
Hatte er mich am Ende gar schlicht und ergreifend auf den Arm genommen und sich einen Spaß mit mir erlaubt?
Je mehr ich über die Sache nach dachte, desto näher liegender erschien mir diese Möglichkeit.
Ich fragte Denise jetzt einfach direkt, ob sie mir nicht den Namen des Kollegen geben könnte, den ihr Blatt neben der Kollegin zusätzlich nach Mailand geschickt hatte.
„Tut mir leid, Julia, aber da musst du einem Irrtum aufgesessen sein“, erklärte mir Denise jedoch und wirkte auf einmal ein wenig reserviert, wie ich fand.
„Einem Irrtum?“, echote ich.
„Noch einmal: Wir hatten keinen Reporter in Mailand – sondern eine Reporterin und zwar allein, von der ebenfalls weiblichen Fotografin mal abgesehen. Josie Poincheval heißt die Reporterin übrigens. Sie ist seit knapp drei Monaten bei uns und war vorher bei der Illustrierten Aujourd’hui.“
„Das ist ein starkes Stück!“, entfuhr es mir – aus Versehen auch noch auf Deutsch.
Denise störte das nicht, denn sie sprach genauso gut Deutsch wie ich Französisch.
„Aha!“, machte sie jetzt. "Ist da etwas, was ich wissen sollte?"
"Nein, nur ein Hochstapler, der sich als Mitarbeiter von eurer Zeitschrift ausgab. Gottlob hielt das zweifelhafte Vergnügen nur kurz an, denn er verschwand gleich wieder."
"Ja, aber offenbar nicht ohne vorher bei dir Interesse geweckt zu haben!"
"Ach was!", reagierte ich viel zu heftig, was mich nur noch mehr verdächtig machte.
Denise kicherte wie ein Schulmädchen.
"Ist ja schon gut, Julia, geht mich auch überhaupt nichts an. Aber wenn du nach ihm fragst, scheint er zumindest interessant zu sein - und da würde ich ihn glatt ebenfalls gern kennen lernen. Fast bedauere ich es jetzt, dass wir nicht wirklich ein solches Schmuckstück in unseren Reihen haben."
"Mach dich bloß lustig!", drohte ich scherzhaft.
Sie lachte.
"Ach was, Julia, du weißt ja, wie es gemeint ist. Ist doch klar, wenn du mit mir telefonierst und in Mailand hat sich einer als mein Kollege ausgegeben, dass du dann nach ihm fragst."
"Genau!", bekräftigte ich.
Sie kicherte mal wieder.
"Also können wir es getrost dabei belassen, nicht wahr?"
Raffiniertes Luder! Ich weiß, was du wirklich denkst!, dachte ich in einem Anflug von Zorn, aber der verflog sofort wieder, denn mir wurde bewusst, dass ich umgekehrt genauso reagiert hätte.
Ich musste darüber unwillkürlich lachen.
"Alles klar, Denise. Wir sehen uns."
"Oder hören uns!", rief sie fröhlich. Offensichtlich hatte ich mit dem kleinen Gespräch über den angeberischen Franzosen ihren Büroalltag versüßt. Nun, ich gönnte es ihr.
"Oder lesen uns!", scherzte ich.
"Guter Scherz. Muss ich mir merken! Küsschen bis dann!" Das waren ihre letzten Worte. Auch ich legte auf und schaute nachdenklich auf den Telefonhörer.
Dieser Kerl hatte mir offenbar schlicht und ergreifend ein Märchen erzählt!
Später, auf der Schlussredaktionskonferenz, war auch Behrends anwesend, obwohl es eher eine Ausnahme darstellte, dass der Verlagsleiter an einer Redaktionssitzung teilnahm.
Er mäkelte überraschenderweise an meinem Artikel herum.
Am Ende der Sitzung bat mich der Chefredakteur noch in sein Büro. Mir schwante Übles.
„Bitte, nehmen Sie Platz, Frau Trenzdorf“, sagte Arnold Mantoy, der seit ein paar Monaten neuer Chefredakteur von Trendy Look war, nachdem die alte Chefredaktion es nicht geschafft hatte, das Konzept des Blatts zu verändern, dass der Auflagenrückgang hätte gestoppt werden können.
Ich kannte Mantoy inzwischen gut genug, um zu wissen, dass es immer dann, wenn er einen bat, sich zu setzen, irgendetwas Unangenehmes mitzuteilen gab.
„Frau Trenzdorf, Sie wissen, dass ich noch eine Stellvertretung brauche und der Posten bislang unbesetzt ist.“
„Ja, natürlich.“
„Herr Behrends hatte ursprünglich Sie dafür ins Gespräch gebracht. Er hat Ihre Fähigkeiten über den grünen Klee gelobt und…“ Er brach ab und runzelte die Stirn. „Na ja, Anlass zur Klage gab es bei Ihnen bislang ja auch noch nicht. Sie sind wirklich gut und hätten sicher das Zeug dazu, in der Redaktionsleitung mitzuarbeiten.“
„Danke.“
„Aber können Sie mir vielleicht sagen, was den Meinungsumschwung von Herrn Behrends bewirkt haben könnte?“
Ich schluckte.
„Nein“, sagte ich tonlos. Dabei hatte ich das Gefühl, einen dicken Kloß im Hals stecken zu haben.
„Auf der Konferenz hat er Ihren Artikel ja ziemlich zerpflückt – übrigens nicht ganz zu Unrecht, Sie haben schon Besseres geboten, Frau Trenzdorf. Das müssen Sie zugeben. Kurz vor der Konferenz schon sprach er mich an und meinte, dass wir über die Besetzung der Position noch mal neu diskutieren sollten.“
Ich wusste genau, womit das zusammen hing. Aber hätte ich Mantoy davon erzählen sollen, dass Behrends mich allzu vertraut zusammen mit Marc Janssen gesehen hatte und das einfach nicht verdauen konnte?
Ich war überzeugt davon, dass es damit zusammenhing.
Wahrscheinlich hatte Behrends bei diesem Anblick endgültig begriffen, dass er bei mir nicht landen konnte.
Endlich waren ihm offenbar die Scheuklappen von den Augen gefallen.
Nur drohte das Ganze jetzt für mich unangenehme Konsequenzen zu haben.
„Es hätte ja sein können, dass es zu irgendwelchen zwischenmenschlichen Spannungen zwischen Ihnen und Herrn Behrends gekommen ist – weshalb auch immer“, versuchte mir Mantoy eine Brücke zu bauen.
Aber ich war fest entschlossen, nicht mein gesamtes Privat- und Gefühlsleben vor meinem Chefredakteur auszubreiten.
Das ging ihn genauso wenig etwas an wie Behrends.
Mantoy lächelte unverbindlich, als meine Antwort ausblieb. „Nun, wie auch immer: Machen Sie sich nicht all zu viele Gedanken. Behrends entscheidet das nicht allein“, tröstete er mich. „Übrigens hätte ich eine Bombenstory für Sie.“ Das fügte er übergangslos an.
Ich blinzelte überrascht und hatte Mühe, mich auf dieses neue Thema einzulassen, weil ich mich immer noch zu sehr über Behrends ärgerte und seine Schikane.
„Worum geht es?“, fragte ich gerade heraus und strich mir dabei eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. Ich war jetzt eigentlich froh, dass Mantoy ein anderes Gesprächsterrain ansprach. Schon ebbte mein Ärger über Behrends wieder ab und ich wurde ehrlich neugierig.
„Ein Interview mit Jean Valbert.“
Mir blieb für einen Augenblick die Sprache weg und das sollte schon was heißen. Dann, als ich mich von meiner Überraschung halbwegs erholt hatte:
„Dieses exzentrische Modegenie, das sich nicht in der Öffentlichkeit zeigt, mit niemandem redet und die Medien hasst?“, entfuhr es mir.
Mantoy lachte. „Ja, klingt hart und ist dennoch wahr. Aber Valbert hat seine Meinung in dieser Hinsicht offenbar noch einmal überdacht und will jetzt ausgerechnet uns ein Exklusivinterview geben.“
„Na, großartig!“, stieß ich hervor. Zwar beschäftigte mich natürlich auch die Frage, woher dieser plötzliche Sinneswandel kam und wieso er ausgerechnet an unser Blatt dachte, das ja nun absolut nicht zu den führenden Modezeitschriften der Welt gehörte, aber ich hütete mich wohlweislich, dies offen auszusprechen. Wenn ein Exzentriker eine Entscheidung fällte, durfte man sowieso niemals die Gründe hinterfragen. Man musste sich im Gegenteil sehr beeilen, ehe er es sich wieder anders überlegte und alle Aufregung umsonst gewesen war. Ich hatte da so meine trüben Erfahrungen, denn ich war ja lange genug in der Branche. Und wenn ich den Chefredakteur fragte, würde der mir auch nichts anderes sagen können.
„Sie müssten heute schon nach Paris fliegen", hörte ich seine Stimme und unterbrach meine hektischen Überlegungen. "Flieger ist schon gebucht, Flugschein liegt in der Buchhaltung für Sie wahrscheinlich schon bereit.“
Überraschend kam diese Verkündung jetzt nicht mehr für mich. Ich hatte mir das schon so halb denken können. Wie gesagt: Eile war geboten!
Mantoy lehnte sich zurück. „Ich hatte mir schon gedacht, dass Sie da nicht widerstehen können“, bekannte er, weil ich keinerlei Einwände geltend machte. Wie käme ich auch dazu?
Ich seufzte.
„Auch ein Hotelzimmer wurde für Sie reserviert - auf Ihren Namen. Spricht irgendetwas dagegen, dass Sie fliegen?“, hakte Mantoy noch einmal nach. Es war klar, dass er dabei auch an Behrends dachte. Was malte er sich denn da aus?
„Zwei Karten für eine Kinopremiere!“, lenkte ich ihn davon ab. Zumindest war es ein Versuch in dieser Richtung. Ich sah ihn an und fragte: „Haben Sie jemanden, mit dem Sie statt meiner dorthin gehen könnten?“ Denn Susanne hatte mir immer noch nicht die Frage beantwortet, die ich ihr diesbezüglich gestellt hatte. Aber wahrscheinlich wusste sie gar nichts davon, weil sie mit ihren Gedanken woanders gewesen war.
Nun, wenn Arnold Mantoy zusagte, waren sie weg. Selber Schuld!
Er stutzte und ließ mich auf die Antwort warten.
"Ich habe zwei Karten für die Kinopremiere heute Abend und wollte eigentlich dorthin", versuchte ich, ihm auf die Sprünge zu helfen.
Ich sah ihm an, dass er mich gern gefragt hätte: Etwa mit Behrends? Aber er überlegte es sich im letzten Augenblick anders und sagte stattdessen: "Oh, meine Frau wäre sicherlich begeistert."
"Na, dann!" Ich öffnete meine Handtasche, kramte kurz in diesem heillosen Durcheinander, in das ich noch nie so etwas wie echte Ordnung hatte hinein bringen können und fischte sie schließlich heraus. Als ich sie über den Schreibtisch reichte, freute er sich ehrlich. Wahrscheinlich nicht für sich selber, aber doch für seine Frau.
Auch gut!, dachte ich respektlos und dann verabschiedete mich von ihm, um alles zu erledigen, was noch zu erledigen war, damit ich nicht meinen Flieger verpasste. Bei so einem brisanten Auftrag wäre das schlimmer gewesen als schlimm, nämlich geradezu eine Katastrophe!
Ich konnte es kaum glauben: Der große Modezar und Mr. Absolut Unbekannt wollte ausgerechnet mit Trendy Look sprechen, um sein eisernes Schweigen zu brechen? Das war schon toll genug, aber dann ausgerechnet ich als exklusive Interviewpartnerin...? Das war ein echter Höhepunkt in meiner ganzen bisherigen Karriere, ohne Frage!
Die Euphorie ließ mich allen Ärger der letzten Stunden glatt vergessen. Ich freute mich einfach riesig auf Paris - und nur noch auf Paris.
An den schönen, unbekannten Franzosen dachte ich dabei absolut nicht. Ganz ehrlich!
Ich musste noch daheim bei mir vorbei fahren, um das Nötigste einzupacken. Einfach war das allerdings nicht, denn ich musste schließlich entsprechend auftreten, wenn ich mit einem so wichtigen Mann ein Interview hatte. Immerhin das wichtigste Interview meines bisherigen Lebens, ganz ohne Zweifel.
Den argen Zeitdruck im Nacken fiel es mir noch schwerer als sonst, mich zu entscheiden. Ich stand vor dem offenen Kleiderschrank und hatte das Gefühl, nur alte Lumpen zu sehen.
Ich weiß, mein Beruf bringt es so mit sich, dass ich wirklich die schönsten Kleider im Schrank hängen habe, aber wenn man sich so eilig entscheiden muss...
Ein Blick auf die Uhr belehrte mich, dass ich wirklich keinerlei weitere Bedenkzeit mehr hatte. Beinahe wahllos griff ich in den Schrank und packte.
Es kam selten vor, dass ich für unterwegs etwas vergaß. Dafür hatte ich zuviel Routine. Eilige Reisetermine waren ja beinahe an der Tagesordnung in meinem Beruf. Auch wenn es diesmal besonders schwierig war.
Allein die Frage machte mir arg zu schaffen: Was soll ich anziehen, dass er nicht gleich einen schlechten Eindruck von mir bekommt? Schließlich wollte ich nicht irgendwen interviewen, sondern das Modegenie schlechthin. Jeder andere Modedesigner rührte mächtig die Werbetrommel und ließ keine Kamera aus, um hinein zu grinsen und kein Mikrophon, um irgendwelche Kommentare in die Öffentlichkeit zu bringen, die vielleicht niemanden interessierten. Aber wenn er das nicht tat, gingen auch seine Geschäfte schlecht. Trommeln gehörte überall zum Handwerk und in der Modebranche mehr als sonst wo noch - viel mehr!
Außer Jean Valbert konnte es sich wahrlich niemand leisten, in dieser Branche bestehen zu wollen, ohne dass ihn auch nur ein einziger Mensch auf dieser Welt, der sich mit Mode beschäftigte, kannte.
Vielleicht ist sogar der Name falsch?, dachte ich unwillkürlich. Vielleicht handelt es sich noch nicht einmal um einen Er, sondern ich traf auf eine Sie?
Umso schwerer war es, sich für ein passendes Outfit zu entscheiden. Wie denn, wenn auch nur der geringste Ansatzpunkt fehlte.
Aber Moment mal: Das war nicht ganz richtig!
Ein erneuter Blick auf die Uhr. Was mir noch blieb, das konnte man nur noch in Sekunden rechnen, nicht einmal mehr in Minuten.
Ich hielt trotzdem inne, um den Gedanken zu Ende zu spinnen: Ich kenne zwar Jean Valbert nicht und habe wie alle anderen in der Branche nicht die geringste Vorstellung, wer das sein soll, aber ich kenne seine Mode! Und da verhält es sich genau umgekehrt zum Bekanntheitsgrad seiner Person: Ihn selber kennt kein Mensch, aber seine Mode kennt praktisch JEDER!
Und somit wusste ich auch gleich, was ich anzuziehen hatte!
Kurzerhand warf ich alles aus dem Koffer, was bereits eingepackt war, griff noch einmal in meinen ziemlich großen Schrank, diesmal aber sehr gezielt - und hatte Sekunden später schon genau das Passende im Koffer. Ich war jedenfalls hundertprozentig überzeugt davon und das half meinem Selbstwertgefühl ganz enorm.
Dann kam endlich der Rest der Vorbereitungen, bevor ich in Windeseile zum Flughafen brausen musste.
Mitten in diese überaus eiligen Vorbereitungen platzte das Telefonat von Marc. Er war immerhin so etwas wie mein Freund. Seine Stimme ging schon auf den Anrufbeantworter, als ich doch noch abhob und mich nur knapp meldete: "Hi, ich bin sehr eilig, Marc, sorry! Termin in Paris. Extrem kurzfristig. Kennst ja Mantoy..."
Sollte ich ihm das von Behrends sagen und dass er meine Beförderung verhindern wollte?
Nein, keine Zeit.
Und wen ich in Paris interviewen sollte?
Gott, wirklich: Dreimal keine Zeit!
"Küsschen!"
"Wer geht als Fotograf mit?", erkundigte er sich rasch, ehe ich auflegen konnte.
"Keiner: Nur ich allein!"
So, jetzt hatte er etwas, um sich tüchtig zu wundern. Ein Termin in der Modebranche - ohne Fotografen? Wo doch mancher frotzelte, die Leserinnen würden sowieso nur die Bilder betrachten und kaum eine Zeile lesen?
Das musste er erst einmal verdauen.
Irgendwie gönnte ich es ihm und wusste auch gleich, womit er meine Schadenfreude verdient hatte: Mit dem Korb, den er mir für heute gegeben hatte.
Na, das war zwar doch ein wenig zu hart, wie ich im Nachhinein fand, aber es war ja wirklich keine Zeit geblieben, ihm großartig was zu erklären. So beruhigte ich mein Gewissen Marc gegenüber, als ich ohne ein weiteres Wort auflegte, meine Sachen ergriff und aus dem Haus fegte.
Der städtische Verkehr war etwas, woran ich mich nie im Leben jemals gewöhnen würde. Nicht nur in Hamburg. Da war es egal, in welcher Stadt: Das Chaos regierte allerorten. Es sei denn, es herrschte mal ausnahmsweise Fahrverbot, wie durchaus auch schon passiert, wie man weiß. Aber dann hätte ich selber ja auch nicht mehr fahren dürfen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als alles zu tun, wenigstens halbwegs die Nerven zu bewahren.
Und so eilig wie diesmal hatte ich es möglicherweise noch niemals im Leben: Wenn ich diesen Termin verhaute, wurde aus dem größten Triumph meiner Karriere die schlimmste Niederlage! Und ich konnte ja schließlich nicht darauf hoffen, dass mein Flieger Verspätung hatte!
Es wäre jedenfalls das erste Mal gewesen, wo mich das echt gefreut hätte!
Und dann erreichte ich doch noch den Flughafen, obwohl ich noch vor zwei Minuten befürchtet hatte, ihn niemals mehr in diesem Leben auch nur zu Gesicht zu bekommen.
"Lieber Gott, mach, dass ich sofort einen Parkplatz finde! Ja, sofort, nicht gleich oder so!"
Und da fuhr auch schon einer aus der Parklücke, keine zehn Meter vor mir.
Ich musste halbwegs eine Vollbremsung hinlegen, was ein ärgerliches Hupkonzert hinter mir provozierte. Aber das war mir egal.
"Danke, Gott!" Ich wartete die Sekunde, die der Fahrer des Wagens brauchte, um auszuparken und schon rollte mein Auto hinein.
Das war wesentlich besser gegangen als überhaupt erhofft!, musste ich mir eingestehen. Überhaupt war heute eine sehr seltsame Mischung aus Pech und Glück, mit der ich mich konfrontiert sah. So etwas hatte ich noch nie zuvor erlebt, ehrlich gesagt. Zumindest nicht in einer solch drastischen Form: Erst der Korb von Marc, gepaart mit den giftigen Blicken des Verlagsleiters. Anschließend die schlechte Nachricht aus dem Munde des Chefredakteurs, unmittelbar gefolgt von der fantastischen Aussicht, exklusiv Jean Valbert interviewen zu dürfen...
Ja, das war der vorläufige Höhepunkt gewesen. Dass auch das glückliche Finden eines Parkplatzes ein Höhepunkt ähnlicher Güte werden könnte, hätte ich vorher auch nicht unbedingt vermutet!
Ich warf ein wenig keck eine Haarsträhne aus dem Gesicht und machte mich daran, meine Sachen aus dem Kofferraum zu hieven.