Breeds - Sabans Kuss - Lora Leigh - E-Book

Breeds - Sabans Kuss E-Book

Lora Leigh

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Beschreibung

Natalie Ricci ist die erste Lehrerin, die den Nachwuchs der Breeds unterrichten darf. Natalie dachte, sie sei schon auf alles vorbereitet, was sie in dem neuen Job erwarten könnte ... doch sie hat nicht mit dem Verlangen gerechnet, das ihr Beschützer, der Jaguar-Breed Saban Broussard, mit seinem hinreißenden Cajun-Akzent in ihr weckt. (ca. 100 Seiten)

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Inhalt

TitelZu diesem BuchVorwortProlog123456789101112131415Die AutorinDie Romane von Lora Leigh bei LYXImpressum

 

LORA LEIGH

Breeds

Sabans Kuss

Aus dem Amerikanischen übertragen von Ralph Sander

 

Zu diesem Buch

Natalie Ricci ist die erste Lehrerin, die den Nachwuchs der Breeds unterrichten darf. Natalie dachte, sie sei schon auf alles vorbereitet, was sie in dem neuen Job erwarten könnte … doch sie hat nicht mit dem Verlangen gerechnet, das ihr Beschützer, der Jaguar-Breed Saban Broussard, mit seinem hinreißenden Cajun-Akzent in ihr weckt.

 

Vorwort

Sie wurden wurden nicht geboren, sondern erschaffen.

Sie wurden nicht aufgezogen, sondern ausgebildet.

Ihnen wurde das Töten beigebracht, und nun werden sie ihre Ausbildung nutzen, um sich ihre Freiheit zu bewahren.

Sie sind Breeds. Mit der DNS der Jäger dieser Erde genetisch veränderte Wesen. Wolf, Löwe, Puma, Tiger – die Killer dieser Welt. Sie sollten die Armee einer fanatischen Gesellschaft sein, die darauf aus gewesen war, ihr eigenes Heer aufzustellen.

Bis die Welt von ihrer Existenz erfuhr. Bis dem Rat die Kontrolle über die eigenen Schöpfungen entglitt und diese Schöpfungen begannen, die Welt zu verändern.

Nun laufen sie frei herum. Sie rotten sich zusammen, sie schaffen ihre eigenen Gemeinschaften und ihre eigene Gesellschaft, ihren eigenen Schutz – und sie kämpfen dafür, das eine Geheimnis zu wahren, das ihre Auslöschung bedeuten könnte.

Das Geheimnis der Paarungshitze. Die chemische, biologische und emotionale Reaktion eines Breed auf die eine Person, die dazu bestimmt ist, für immer zu ihm zu gehören. Eine Reaktion, die eine körperliche Bindung erzeugt. Eine Reaktion, die mehr bewirkt, als nur die körperlichen Reflexe zu verändern und die Sinnlichkeit zu steigern. Die Natur hat die Paarungshitze zur Achillesferse der Breeds werden lassen. Die Paarungshitze, die ihre Stärke und ihre Schwäche zugleich ist. Und dabei hat Mutter Natur ihr Spiel noch nicht mal zu Ende gespielt.

Der Mensch hat versucht, der Natur ins Handwerk zu pfuschen, dafür wird sie nun den Menschen ganz genau zeigen, wie sie sie weiterentwickeln kann.

Aus Killern werden Liebhaber, Anwälte, Staatsmänner und Helden. Und dabei werden sie immer nur einer Gefährtin, einem Herzen treu sein, um eine Dynastie zu gründen.

 

Prolog

Natalie Ricci betrachtete die große, beeindruckende Gestalt, die vor ihrer Tür stand, und ermahnte sich, das Atmen nicht zu vergessen. Eine Frau, die beim Anblick eines dunklen, arroganten und außergewöhnlich gut aussehenden Mannes das Bewusstsein verlor, verdiente alles, was ihr während ihrer Ohnmacht widerfuhr. Ganz gleich, was dieser Mann vorhatte, sie wollte auf jeden Fall bei Sinnen sein und alles bei vollem Verstand mitbekommen.

»Kann ich Ihnen behilflich sein?« Sie strich sich die Haare aus der Stirn, und versuchte, das nervöse Zittern zu bändigen, das ihren Magen erfasst hatte. Groß und dunkel und gut aussehend war ja nett, richtig nett sogar. Aber dieses Aufblitzen männlicher Selbstsicherheit in seinen Augen war für sie Warnung genug, dass keine Frau in der Lage war, einen solchen Mann jemals wirklich unter Kontrolle zu haben.

»Natalie Ricci?« Selbst seine Stimme war den Schauer wert, den sie ihr über den Rücken jagte.

Einen Akzent konnte sie nicht ausmachen, und dabei verstand sie sich darauf doch ziemlich gut. Seine Stimme war wohlklingend, hatte das perfekte Timbre und streichelte ihre Sinne wie schwarzer Samt.

Sein dichtes, schwarz glänzendes Haar trug er aus dem sonnengebräunten Gesicht gekämmt und im Nacken zum Pferdeschwanz gebunden. Seine Miene, die der eines gefallenen Engels glich, wirkte gefasst und nahezu emotionslos, doch aus seinen Augen, die so grün wie Smaragde waren, strahlten Klugheit, Sinnlichkeit und eine Art Ur-Intensität.

Doch da waren auch Schatten in seinen Augen. Ein latenter, verborgener Schmerz, der sich danach sehnte, gelindert zu werden. Ein Schmerz, der ihre feminine, fürsorgliche Seite erwachen ließ, von der sie sich wünschte, sie könnte sie ignorieren.

Die dunkle Jeans hing tief auf seinen schmalen Hüften, das dunkelblaue Chambray-Shirt spannte sich über der breiten, muskulösen Brust. Dazu trug er Stiefel. Abgewetzte Stiefel, die absolut männlich waren.

»Ich bin Natalie Ricci.« Sie musste sich erst räuspern, ehe sie antworten konnte, und sie musste ihren Magen davon abhalten, diese kleinen Ausbrüche von Begierde durch ihren Körper zu jagen, die dann ihre Gebärmutter angriffen.

Puh. Wenn es jemals einem Mann gelingen sollte, ihre hart erarbeitete Selbstbeherrschung in Versuchung zu führen, dann hätte sie darauf wetten wollen, dass es wahrscheinlich dieser Mann sein würde. Warum er bei ihr vor der Tür stand, wusste sie nicht. Aber ganz gleich, was er ihr verkaufen wollte, sie war jetzt schon bereit, es ihm abzunehmen. Auch wenn ihr Konto noch so geräumt war.

Es war wirklich zu schade, dass sie Männern abgeschworen hatte. Solange sie nicht genau wusste, wie dieses Spiel gespielt wurde und wie sie sich ihr Herz und ihre Eigenständigkeit bewahren konnte, waren Männer für sie kein Thema.

So verlockend und sexy dieser Mann auch aussah, sagte ihr Gefühl ihr, dass er genauso kontrollsüchtig, dominant und arrogant war wie jeder andere Mann. Vermutlich sogar noch schlimmer. Ganz sicher noch schlimmer als ihr Ex-Mann, dessen Hang, jeden ihre Schritte kontrollieren zu müssen, ihre Ehe zerstört hatte.

»Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«, fragte sie erneut und wünschte gleichzeitig, sie hätte ihm nicht in ihrer alten, verschossenen Jeans und dem viel zu großen, mit Farbspritzern übersäten T-Shirt ihres Bruders die Tür geöffnet.

Er atmete bedächtig tief ein, so als hätte er irgendeinen Geruch wahrgenommen, den er als faszinierend empfand.

»Ms. Ricci, ich bin Saban Broussard, Verbindungsmann zum Breed-Führungsrat. Ich bin hier, um mit Ihnen über Ihre Bewerbung für den Lehrerposten in Buffalo Gap zu reden.« Aus der Gesäßtasche zog er eine schmale Ausweismappe und öffnete sie. Die Dienstmarke eines Breed-Gesetzeshüters samt Foto und Angaben zu seiner Person waren zu sehen.

Vor Schock war sie wie erstarrt. Na ja, vor Schock, aber auch wegen des Klangs seines Namens. Oder besser gesagt: wegen der Art, wie er ihn ausgesprochen hatte. Saban. Das S als sanfter, leiser Seufzer, das unterschwellige a, und dann das bahn am Ende. Was sie aber vor allem hatte aufhorchen lassen, was ihre Sinne in Habtachtstellung hatte gehen lassen, das war der Hauch eines Cajun-Akzents, obwohl sie sich doch so sicher gewesen war, keinen Akzent gehört zu haben.

Sollte er ein Cajun sein, dann war sie verloren. Vielleicht gab es ja irgendwo auf der Welt einen Akzent, der noch sexier war, doch ihr wollte in diesem Moment einfach keiner einfallen.

Atemlose Sekunden verstrichen, bis ihre Sinne endlich aufhörten, sich zu überschlagen, damit sie sich darauf konzentrieren konnte, wer er war und woher er kam. Als ihr das endlich gelang, riss sie ungläubig die Augen auf.

»Habe ich den Posten bekommen?«

Sie wollte den Posten so unbedingt haben, dass sie am ganzen Leib gezittert hatte, als sie vor über einem Jahr das Bewerbungsformular ausgefüllt hatte. Man hatte sie gewarnt, dass Tausende und Abertausende von Bewerbern auf der Warteliste standen, die alle den Lehrerposten in der Kleinstadt in der Nähe der Freistatt, dem Hauptquartier der Breeds, ergattern wollten.

Sie hatte den Versuch gewagt und das Formular ausgefüllt und abgeschickt, um dann nur noch hoffen und beten zu können. Monatelang hatte sie gebetet, aber als sie nach der langen Zeit immer noch keine Antwort bekommen hatte, war sie in ihre alte Routine zurückgekehrt und hatte versucht, andere Pläne zu schmieden.

»Können wir uns drinnen unterhalten, Miss Ricci?« Saban Broussard sah links und rechts die von Bäumen gesäumte Straße entlang, dabei zog er verwundert eine Augenbraue hoch. Es war schon erstaunlich, dass die Nachbarn mit einem Mal alle einen Grund hatten, nach draußen auf die Veranda zu kommen oder im Garten irgendwelche Arbeiten zu erledigen. Sie hätte von jedem von ihnen Eintritt verlangen sollen.

Sie biss sich auf die Lippe, da sie wusste, mit welchen Fragen man sie überschütten würde, wenn der Mann erst mal wieder gegangen war.

»Kommen Sie rein.« Sie machte einen Schritt zur Seite und hielt die Tür auf, damit er eintreten konnte.

Er trug den Geruch der Berge mit sich in ihr Haus, wild und ungezähmt, düster und gefährlich.

»Vielen Dank«, sagte er und nickte kurz, dann folgte er ihr in die kleine Küche gleich neben dem Wohnzimmer.

»Haben Sie schon eine andere Anstellung angenommen?« Mitten in der Küche blieb er stehen und betrachtete die übereinandergestapelten Umzugskartons.

Mit einem Kopfschütteln antwortete sie: »Nein, ich ziehe nur in ein Apartment um, das näher zu der Schule liegt, an der ich zurzeit unterrichte. Mein Ex-Mann bekommt das Haus und darf es weiter abzahlen, ich nehme mir ein Apartment.« Wo sie hoffentlich etwas Ruhe und Frieden finden würde.

Wieder ließ er den Blick durch ihre Küche schweifen, dabei presste er die Lippen fest aufeinander, ehe er sich wieder Natalie zuwandte.

»Man hat mich hergeschickt, um Ihnen mitzuteilen, dass die Stelle für Sie frei ist. Ich soll Sie zu einem Treffen mit unserem Rudelführer Callan Lyons begleiten«, fügte er hinzu. »Danach werde ich Ihnen dabei behilflich sein, alles Notwendige zu regeln, ehe ich Sie nach Buffalo Gap begleite.«

Eigentlich hätte sie sich erst mal hinsetzen müssen, aber den Tisch und die Stühle hatte sie bereits an eine entfernte Cousine verschenkt, die sich den kapitalen Fehler erlaubt hatte zu heiraten.

»Wie habe ich den Posten bekommen?«, fragte sie verständnislos. »Man hatte mir gesagt, dass es außer mir noch Tausende von Mitbewerbern gab.«

Er verzog den Mund. »Ich glaube, der Rudelführer Callan Lyons sprach von annähernd vierzigtausend Bewerbern. Sie sind in der ersten Stufe des Auswahlverfahrens in die engere Wahl gekommen. Für Sie entschieden hat man sich schließlich nach – wie mir gesagt wurde – ausführlicher, langwieriger und gründlicher Durchleuchtung jedes Kandidaten, der in diese engere Wahl gekommen war. Meinen Glückwunsch, Miss Ricci. Sie sind die erste Lehrerin nach fast sieben Jahren, die vom County eingestellt wird.«

Natalie sah ihn verdutzt an, wie er selbstbewusst dastand, in lockerer Haltung, die Augen aufmerksam auf sie gerichtet, als würde ihnen absolut nichts entgehen. Sie starrte ihn nur an und war sich sicher, dass sie wie eine Irre auf ihn wirken musste.

»Wie schnell können Sie fertig sein, damit wir uns auf den Weg machen können?« Und wieder schaute er sich im Zimmer um. »Wenn es Ihnen passt, wird Callan Lyons vom Breed-Führungsrat morgen Abend in die Hauptstadt Columbia fliegen, um sich mit Ihnen zu treffen und alle Einzelheiten zu diesem Posten zu erläutern und auf die Besonderheiten hinzuweisen, die dieser Job mit sich bringt. Allerdings müssen wir auf jeden Fall vor ihm dort eintreffen, damit wir andere Dinge erledigen und Sie Dutzende von Formularen, Verträgen und Erklärungen unterzeichnen können, die alle für den Job erforderlich sind.«

Verwirrt schüttelte Natalie den Kopf. »Ich dachte, die Breeds mischen sich in Buffalo Gap nicht ein. Das habe ich jedenfalls mal irgendwo gehört. Müsste ich mich nicht stattdessen mit jemandem vom Bildungsausschuss treffen?«

»Nicht, wenn Sie eingestellt werden, um Breed-Kinder zu unterrichten. Auf den Schutz dieser Kinder wird ganz besonders geachtet, und jede Einstellung fällt dabei in die Zuständigkeit des Breed-Führungsrats. Bis die Entscheidung gefällt war, hat der Bildungsausschuss dem Breed-Führungsrat zugestanden, alles zusätzlich nötige Personal auszuwählen.« Er legte den Kopf ein wenig schräg und bemerkte, wie sie sich an der kleinen Theke festklammerte, um nicht den Halt zu verlieren. »Sie sind doch immer noch an der Stelle interessiert, oder nicht?«

Sie nickte bedächtig. »Oh ja«, versicherte sie ihm. »Ich würde das eher als eine Untertreibung bezeichnen.«

»Sehr gut. Ich hatte gehofft, dass wir alle Vorbereitungen treffen könnten, um noch heute Nachmittag nach Columbia abzureisen. Denken Sie, das ließe sich machen?« Sein Blick wanderte abermals durch die Küche und blieb an den Kartons hängen. »Der Helijet der Freistatt wartet auf dem Privatflugplatz am Stadtrand darauf, uns hinzubringen. Falls Ihnen das recht …«

Er brach mitten im Satz ab, da die Haustür mit solcher Wucht aufflog, dass sie gegen die Wand knallte. Der Lärm hallte durch das fast leere Haus wider.

Ehe sie auch nur etwas anderes tun konnte als erschrocken nach Luft zu schnappen, wurde sie hinter die Theke gestoßen. Da hatte Saban auch schon den Raum durchquert und dabei eine Waffe gezogen, um gleich darauf ihren Ex Mike Claxton gegen die Wand zu rammen und ihm den Lauf seiner Waffe gegen den Hals zu drücken.

Mike riss die blassblauen Augen auf, sein Gesicht war vor Entsetzen kreidebleich. Saban hatte die Mundwinkel zu einem breiten, bedrohlichen Grinsen verzogen, sodass tödliche Reißzähne aufblitzten, während seiner Kehle ein tiefes Knurren entstieg.

»Pfeif ihn zurück«, keuchte Mike und warf Natalie einen verzweifelten, flehenden Blick zu.

»Um Himmels willen, jetzt lassen Sie ihn schon los!« Energisch ging Natalie auf die beiden zu, wobei sie den Breed finster ansah. Dass er ein Breed war, daran gab es keinen Zweifel. Nur sie hatten diese furchterregenden, kräftigen Reißzähne, wie er sie zur Schau stellte. »Er ist nicht gefährlich, er ist nur dumm. Verdammt noch mal, bin ich eigentlich nur noch von dämlichen Männern umgeben?«

Saban nahm nur widerwillig die Waffe weg. Er wollte den Abzug durchdrücken. Er wollte dem Mistkerl den Hals zerfetzen, um ihn bluten zu sehen und von seinem Blut zu probieren. Er wollte spüren, wie ihn das blanke Entsetzen erfasste, wenn er begriff, dass der Tod zu ihm unterwegs war.

Sein Geruch hing noch überall in diesem Haus, und in einem geringen Maß haftete er auch an der Frau. Seine Reaktion darauf war völlig unnormal, weil sie nicht Teil von dem war, was er war. Ihn kümmerte keine Frau, und erst recht interessierte ihn nicht, von welchem Mann eine Frau angefasst worden war. Bis jetzt. Bis er Natalie Ricci begegnet war. Die Frau, die von ihrem Bruder Mücke genannt wurde. Deren Mutter sich immer noch liebevoll an die Dinge erinnerte, die sie in ihrer Kindheit angestellt hatte.

Vor dieser Frau hatte Saban noch nie eine Situation erlebt, in der er fast einen Mann getötet hätte, weil der ihm womöglich eine Frau streitig machen wollte. Doch bei dieser Frau wusste er, er würde ihretwegen weder vor Mensch noch vor Tier haltmachen, um zu töten.

Die Besitzgier war in den letzten Wochen, während er sie beobachtet hatte, immer deutlicher zutage getreten. Er hatte sie gesehen, wie sie in Tränen aufgelöst auf der rückwärtigen Veranda gesessen hatte, nachdem dieser Mistkerl einfach gegangen war. Er hatte ihre Schreie gehört, während er vor der Hintertür gestanden und um die Selbstbeherrschung gebetet hatte, die er brauchte, um jenes Verlangen nach Gewaltanwendung zu bändigen, das in ihm erwacht war.

Mike Claxton, der braunhaarige, schwache und so von sich eingenommene Mann, hatte in der Nähe von Sabans Natalie nichts zu suchen. Er besaß kein Recht, die Luft zu atmen, die sie atmete. Kein Recht, sich in diesem Haus aufzuhalten, während sie versuchte, das gemeinsame Heim zu verlassen, das er sich im Verlauf der Scheidung unter den Nagel gerissen hatte.

»Lassen Sie ihn los, bevor ich euch beide aus dem Haus jage und mich damit um den Job bringe, den ich unbedingt haben wollte. Aber nach der Aktion werden Sie mich nicht mehr sonderlich mögen.«

Saban betrachtete sie aus dem Augenwinkel, während er den unterbelichteten Idioten keuchend nach Luft schnappen hörte, der irgendwie versuchte, an Sabans Handgelenke heranzukommen, obwohl er so gegen die Wand gepresst wurde, dass ihm das nicht gelingen konnte.

Zorn, Frust und die Lust auf Vergeltung waren ihren Augen deutlich anzusehen, und dieser Blick bewirkte bei ihm etwas, das kein Ratssoldat, kein Wissenschaftler und kein tollwütiger Kojote-Attentäter schaffte: Er ließ ihn auf der Hut sein.

Wenn er diese Frau für sich gewinnen, sie verführen und ihr das Herz stehlen wollte, dann war es sicher alles andere als klug, sie zu verärgern und ihr womöglich auch noch Angst einzujagen.

Sie machte einen ungehaltenen, wütenden Eindruck, ihre Augen hatten die Farbe von Melasse. Sie warf ihm einen finsteren Blick zu und forderte ihn wortlos auf, den Mann loszulassen, dessen Ehrlosigkeit ihm den Atem verschlug.

Langsam lockerte er seinen Griff, ohne so recht zu wissen, warum er das überhaupt machte, wenn er doch nichts lieber tun wollte, als den Mann wie eine Fliege zu zerquetschen. Nur widerstrebend steckte er die Waffe weg.

»Betrachten Sie das als Ihren Glückstag«, sagte er zu dem anderen Mann, der sich gegen die Wand sinken ließ und nach Luft rang. »An Ihrer Stelle würde ich jetzt gehen. Wenn es um Dummköpfe geht, bin ich weder für Gnade noch für Geduld bekannt. Wenn Sie das nächste Mal ihr Zuhause betreten, empfehle ich Ihnen anzuklopfen.«

»Wissen Sie«, warf Natalie in ernstem, unterschwellig besorgtem Tonfall ein, »ich fürchte, wir beide werden nicht gut miteinander auskommen, wenn das Ihr übliches Auftreten ist.«

Saban lächelte sie an. Seine Reißzähne kamen zum Vorschein, während er die Art von Unschuldsmiene aufsetzte, die er schon bei anderen Männern als die Art von Reaktion beobachtet hatte, wenn sie die Geduld ihrer Gefährtin strapaziert hatten.

»Wir werden gut miteinander auskommen, Cher«, versicherte er ihr und wandte sich wieder dem anderen Mann zu, um ihm einen warnenden Blick zuzuwerfen, den dieser hoffentlich auch begriff. »Er dagegen dürfte Grund zur Sorge haben.«

»Natalie, was ist das?« Claxton rieb sich den Hals und schaute Saban finster an.

Allerdings verrieten seine Augen auch seine Angst, und das war Saban fürs Erste genug. Später konnte er sich den Kerl immer noch vorknöpfen, wenn er erst einmal einen festen Platz in Natalies Herzen gefunden hatte.

»Das ist Saban Broussard«, spie sie ihm entgegen, während sie zu beiden auf Abstand ging und zur Theke am anderen Ende der Küche zurückkehrte, um sich einen Kaffee einzuschenken.

Er konnte die Verärgerung und die Unsicherheit, die sie ausstrahlte, deutlich spüren, woraufhin er Claxton einen weiteren stechenden Blick zuwarf, ehe er ein kehliges Knurren ertönen ließ. Wegen dieses Hurensohns war sie wütend auf ihn, und wenn Claxton nicht höllisch aufpasste, würde Saban seinen eigenen Frust über diese Situation an ihm auslassen.

Zufrieden stellte er fest, dass Claxton noch bleicher im Gesicht wurde, aber als er dann wieder Natalie ansah, wäre er selbst fast auch blass geworden.

Was für eine interessante Reaktion. Saban spürte, wie sich seine Brust verkrampfte, weil ihm bewusst wurde, dass es ihn tatsächlich kümmerte, ob diese Frau sauer auf ihn war oder nicht. Und sie war sauer auf ihn, sehr sogar.

»Er ist Vollstrecker der Breeds, wenn dir das immer noch nicht klar ist«, schnaubte sie. Es war ein süßer kleiner weiblicher Laut, der ihm gefiel. »Er ist gekommen, um mich zu einem Treffen mit dem Breed-Führungsrat zu begleiten. Ich habe dort einen Job angenommen.«

Ah. Sabans Blick glitt zu Claxton, dessen Miene zu seiner großen Freude eine ungeheure Wut angesichts dieser Verlautbarung ausstrahlte. Vielleicht würde er ihm ja doch noch einen Anlass bieten, ihm die Kehle zu zerfetzen.

So wie es aussah, musste er sich jedoch auf eine herbe Enttäuschung einstellen. Zwar kniff Claxton die Augen zusammen, presste die Lippen aufeinander und zog mit seinen schwächlichen Händen an seinem Poloshirt herum, doch er ging nicht auf Natalie zu.

Die stellte sich mit ihrem Kaffee in der Hand so an die Theke, dass sie sich dagegenlehnen konnte. Neugierig musterte sie von dort aus die beiden Männer, während sie an der Tasse nippte.

Wägte sie die Unterschiede zwischen ihnen beiden ab, oder entdeckte sie irgendwelche Ähnlichkeiten? Aber es gab keine Ähnlichkeit zwischen ihnen, entschied Saban. Es war besser, wenn sie das so bald wie möglich einsah.

»Wir müssen uns auf den Weg machen«, erklärte er. »Ich bin frühzeitig hergekommen, damit Sie mit der Freistatt oder Ihrer örtlichen Polizei Kontakt aufnehmen können, um sich meinen Auftrag ebenso bestätigen zu lassen wie alle Vorbereitungen, die getroffen wurden, um Sie nach Columbia zu bringen. Jetzt wird die Zeit knapp.«

Wieder trank sie einen Schluck Kaffee, während ihr Blick zwischen den beiden Männern hin- und herwanderte.

»Ich kann nicht einfach mit Ihnen aus dem Haus rennen, Mr. Broussard. Das sollte sogar Callan Lyons klar sein. Ich werde mich mit der Freistatt und dem Police Department in Verbindung setzen sowie mit meinen Eltern und dem Rektor der Schule, an der ich derzeit noch unterrichte. Danach werde ich duschen, mich anziehen, eine Tasche packen und all die Dinge erledigen, die noch zu tun sind, bevor ich mich auf den Weg machen kann. Das alles dauert länger als nur ein paar Minuten.«

Sein Körper spannte sich an, Lust erfasste jeden Knochen und jeden Muskel, als er ihren trotzigen Blick sah. Wann hatte es jemand das letzte Mal gewagt, ihm ein Widerwort zu geben? Wann hatte es jemand gewagt, ihn warten zu lassen?

»Ich lasse dich nicht mit ihm allein«, verkündete Claxton, klang aber nicht allzu überzeugend.

Saban sah den anderen Mann wieder an. »Wollen wir wetten«, murmelte er und richtete seinen Blick auf dessen blassblaue Augen, während er selbst keinen Hehl aus der Lust machte, die seinen Körper lodern ließ.

Dieser Bastard sollte von vornherein kapieren, dass Saban die Frau für sich beanspruchen wollte, die er so achtlos abgelegt hatte. Manche Männer waren eben einfach klüger als andere.

»Schluss jetzt.« Natalie knallte die Kaffeetasse auf den Tresen, was Sabans Blick sofort in ihre Richtung zucken ließ.

Sie machte sich gar nicht erst die Mühe, Claxton etwas von der Wut zu zeigen, die in ihren Augen brannte, doch Saban konnte sie deutlich spüren. Und er spürte auch, dass ihn das geil machte. Er wollte ihr zeigen, zu wem sie gehörte und wer all das Feuer und die Leidenschaft in ihrem Inneren kontrollieren würde.

Aber dazu würde es nie kommen, wenn er zuließ, dass sie noch länger wütend auf ihn war.

Was hatte in diesen Büchern übers Daten gestanden, mit denen die kleine Cassie Sinclair ihn erst letztes Jahr noch überschüttet hatte? Charme, sanfte Worte, Komplimente und die Fähigkeit, einen Kompromiss einzugehen, das waren die Dinge, die einer Frau zeigten, dass er von seinem Wesen her in der Lage war, ihr auf emotionaler wie auf mentaler Ebene zu Gefallen zu sein.

Er konnte das hinkriegen.

»Cher.« Er ließ dem sanften Hauch seines Akzents freien Lauf und versuchte nicht, sich mit stolzgeschwellter Brust in Pose zu werfen, als ihre Augen immer größer wurden, ihr Gesicht rot anlief und ein Hauch von erregter Hitze von ihrem Körper ausging. »Ich möchte mich dafür entschuldigen, aber er ist wie eine Bedrohung hier eingefallen.« Sich ihr gegenüber zu erklären wurmte ihn so sehr, dass er am liebsten irgendetwas zerschlagen hätte. »Ich dachte, er wäre gekommen, um Ihnen oder vielleicht auch mir etwas anzutun. Ich bin ein Breed.« Er zuckte mit den Schultern, weil er wusste, dass damit alles erklärt war. Breeds wurden tagtäglich angegriffen. »Mein einziger Gedanke war der, Sie ebenso zu verteidigen wie mich selbst.« Er lächelte Claxton an, sodass der wieder die spitzen Zähne sehen konnte, damit er begriff, dass er irgendwann noch dafür würde bezahlen müssen. »Verzeihen Sie meine Reaktion auf Ihr Erscheinen, aber vielleicht hätten Sie besser angeklopft.«

Schweigen machte sich in der Küche breit.

»Und ich dachte, der Tag könnte gar nicht mehr schlimmer werden«, hörte er Natalie murmeln. »Wie konnte ich mich nur so irren?«

 

1

Vor Jahren war Natalie der festen Überzeugung gewesen, dass es auf der ganzen Welt keinen Menschen gab, mit dem man schlechter auskam als mit ihrem Bruder. Er war übellaunig, er tat sich wichtig, und bei allem konnte er sich immer der Zuneigung seiner Mutter gewiss sein. Von ihm war sie gequält und gepiesackt worden, er hatte sie an den Haaren gezogen, ihre Puppen versteckt, ihren Goldfisch in der Toilette runtergespült und dafür gesorgt, dass seine Nähe immer nur Stress pur bedeutete.

Jetzt war sie fast geneigt, ihm alles zu vergeben und zu verzeihen, weil sie jemandem begegnet war, der noch wichtigtuerischer und noch mürrischer war und mit dem sie noch schlechter auskam.

Konnte ihr also jemand bitte schön erklären, wie es möglich war, sich von ihm umschmeichelt zu fühlen? Warum schaffte sie es nicht, Distanz zu wahren und mit Spott auf seine Mätzchen zu reagieren?

Sie war stinksauer. Das Ganze war nur ein Spiel, das konnte sie nur allzu deutlich spüren. Aber seine Bemühungen, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, weckten bei ihr längst viel mehr als nur ihr Interesse. Sie fing an, ihn zu mögen. Nein, nicht bloß zu mögen, und das war der Punkt, an dem es so richtig gruselig wurde.

Sie war noch keine zwei Monate in Buffalo Gap, und sie hatte sich wirklich Mühe gegeben, sich nicht von dem arroganten, eingebildeten, grinsenden Jaguar-Breed umgarnen zu lassen, den Jonas Wyatt ihr aufgehalst hatte. Gott möge ihr beistehen, denn es wurde mit jedem Tag schwieriger.

Sie sollte wütend auf ihn sein, denn ehrlich gesagt gab es Augenblicke, in denen sie einfach nicht wusste, was sie mit ihm anfangen sollte.

So wie bei dem einen Mal, als er ihr zum Arzt gefolgt war. War er im Wartezimmer geblieben? Natürlich nicht. Er hatte versucht, mit ihr ins Sprechzimmer zu gehen. Dabei hatte sein Beharren dermaßen bedrohliche Formen angenommen, dass Natalie gezwungenermaßen eine Arzthelferin hatte bitten müssen, ihm zu gestatten, wenigstens im Flur zum Sprechzimmer zu warten.

Dabei hatte weniger seine Entschlossenheit eine Rolle gespielt, dass er unbedingt zu ihrem Schutz da sein wollte. Vielmehr hatten seine Augen den Ausschlag gegeben. Noch jetzt musste sie fast seufzen, wenn sie an diesen Anblick zurückdachte. Die Schatten in seinen Augen waren sehr blass gewesen, und Natalie wusste, wenn sie ihn ins Wartezimmer verbannt hätte, dann wäre die Tier-DNS in ihm auf die Idee gekommen, dass sie um absolut jeden Preis beschützt werden musste – und das hätte sie über eine Grenze katapultiert, an deren äußerstem Rand sie schon da entlangbalanciert waren.

So etwas war einfach nur störend, und vor allem war es auch ein bisschen peinlich. Nicht mal ihr Ex-Mann hatte den Versuch unternommen, bei einer ärztlichen Untersuchung seiner Frau danebenstehen zu wollen.

Und das war noch in ihrer ersten Woche gewesen. Ja, in ihrer ersten Woche. Und dann hatte sich eine frustrierende Episode an die andere gereiht.

Sie verstand ja, dass sie sich in der Welt erst noch akklimatisieren mussten. Das verstand sie voll und ganz. Es musste für sie schwierig sein, auch jetzt noch, zehn Jahre nach der Entdeckung der Breeds und ihrer Adoption durch Amerika mitsamt aller Feinde und Verbündeten. Sie waren das unbekannte Element auf der Welt, eine andere Spezies, praktisch so etwas wie Aliens. Es gab jede Menge Mutmaßungen, Gerüchte, Vorurteile und reinster menschlicher Trotz. Es konnte nicht einfach sein, sein Leben unter solchen Bedingungen zu führen. Doch das hier, das … das war einfach unmöglich.

Sie brauchte Lebensmittel, aber nach nicht mal zehn Minuten im Supermarkt war sie im Begriff, den Einkaufswagen irgendwo- hin zu stellen und zu gehen, den Breed einfach stehen zu lassen und das Essen zu vergessen. Er hatte ihre Hormone in Wallung gebracht und dafür gesorgt, dass sie immer frustrierter wurde, während sie sich bemühte, seine erstaunlich amüsanten Mätzchen zu ignorieren.