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Charlotte will sich unbedingt beweisen: Sie wird eine Suite im Luxushotel ihrer Familie in Manhattan verkaufen. Tatsächlich hat sie bald einen Käufer: ausgerechnet Immobilienmagnat Michael Kelly! Ihr sexy Ex und ihr schärfster Konkurrent. Weil er nicht an die Liebe glaubt, hat sie sich von ihm getrennt. Nun wohnt Michael direkt neben ihr. Eine Katastrophe! Denn wie soll Charlotte diesem beziehungsscheuen Mr. Perfect widerstehen - und verbergen, dass ihre letzte heiße Liebesnacht süße Folgen hatte?
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Seitenzahl: 203
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2017 by Karen Booth Originaltitel: „Little Secrets: Holiday Baby Bombshell“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 2054 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Roswitha Enright
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 11/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733724450
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Mit dem Duft der französischen Sandelholzseife und dem des Lavendelshampoos war das luxuriöse Badezimmer in ihrer Suite im Grand Legacy Hotel wohl der schönste Ort, an dem ihr bisher übel geworden war.
Charlotte Locke richtete sich wieder auf, trat vor das Marmorwaschbecken und griff nach der Zahnpasta. Pfefferminz war eine der wenigen Duftnoten, die sie in der zehnten Woche ihrer Schwangerschaft ertrug.
Sie putzte sich die Zähne, strich Rock und Jackett glatt und fuhr mit der Bürste durch ihr Haar. Hoffentlich war dies der letzte Anfall für heute. Viel Arbeit wartete auf sie.
„Drück mir die Daumen“, sagte sie zu ihrer Tante Fran, als sie zurück ins Wohnzimmer ging. „Ich habe eine Verabredung mit Sawyer in seinem Büro.“
Fran, die zu Weihnachten aus London gekommen war und die Suite mit ihr teilte, strich sich das weißblonde Haar aus dem Gesicht. Sie hatte Charlottes geliebten kleinen Hund Thor auf dem Schoß und griff nach ihrer Kaffeetasse.
„Warum das?“, fragte sie. „Wenn jemand qualifiziert ist, die Eigentumswohnungen hier im Hotel zu verkaufen, dann bist du es.“
Hoffentlich hatte ihre Tante recht. Charlotte seufzte leise. Zu oft schon hatte sie die Familie enttäuscht, weil sie beruflich nicht das leistete, was man von ihr erwartete. „Danke, dass du so viel Vertrauen in mich hast. Ich fürchte aber, meine Chancen stehen höchstens fünfzig-fünfzig“, sagte sie, während sie sich den Mantel zuknöpfte.
„Willst du Sawyer nicht doch von deiner Schwangerschaft erzählen? Er ist dein Bruder, und ich bin sicher, er wird dir die Bitte nicht abschlagen, wenn er das weiß.“
„Nein.“ Charlotte schüttelte energisch den Kopf. „Ich will kein Mitleid, von niemandem. Außerdem geht es in diesem Fall darum, dass er mir zutraut, diese teuren Wohnungen gut zu verkaufen. Da möchte ich ihn nicht mit der Nase drauf stoßen, dass seine kleine Schwester wieder mal eine falsche Entscheidung gefällt hat.“
Fran kraulte Thor hinter den Ohren. „Alles, was geschieht, geschieht aus einem Grund. Manchmal dauert es, bis wir ihn erkennen.“
„Ich bewundere deinen Optimismus. Aber versehentlich schwanger von einem Mann zu werden, der mich nicht liebt, ist so typisch für mich. Ich muss mich endlich ändern.“ Charlotte küsste Fran auf die Wange, griff nach Handschuhen und Tasche und ging.
Das Grand Legacy Hotel mit all seinen prachtvollen Details hatte viel mit ihrer Vergangenheit zu tun. Es hatte ihrem Urgroßvater gehört, der es ihrem Bruder Sawyer vererbt hatte, sehr zum Ärger ihres Vaters. Sie drückte auf den Knopf, um den Fahrstuhl zu rufen. Erinnerungen an ihre Kindheit wurden wach, daran, wie sie und ihre Brüder das alte verkommene Hotel als Spielplatz benutzt hatten. Allerdings war das nur möglich gewesen, solange ihre Mutter noch lebte. Nach deren Tod verbot ihr Vater ihnen den Zugang zum Hotel.
„Guten Morgen, Ms. Locke“, grüßte sie der Hotelpage, als sie aus dem Fahrstuhl trat.
„Morgen“, sagte sie lächelnd. Ihre Absätze klackerten über den schwarz-weißen Marmorboden der Hotellobby, als sie Richtung Ausgang ging.
„Halten Sie sich warm“, empfahl ihr die junge Frau am Empfang. „Es ist kalt draußen.“
„Das werde ich.“ Charlotte trat durch die schwere Drehtür, und die eisige Luft verschlug ihr den Atem. Der Portier kam schnell auf sie zu und führte sie zum Wagen, den Sawyer geschickt hatte. „Danke.“ Sie nahm einen Fünfdollarschein aus ihrer Handtasche, aber der junge Mann wollte ihn nicht annehmen.
„Das ist wirklich nicht nötig, Ms. Locke.“
„Doch, natürlich ist es nötig. Sie arbeiten viel, außerdem ist bald Weihnachten.“ Sie drückte ihm den Schein in die Hand, winkte ihm zu und ließ sich in die Polster der Limousine fallen. Der Fahrer wusste, wohin sie wollte, nämlich zu Sawyers Büro in der Innenstadt.
Sie hatte eingeübt, was sie ihrem Bruder sagen wollte, schon in der Nacht, als sie nicht einschlafen konnte, und heute Morgen unter der Dusche. Nicht, dass Sawyer ihr Angst machte, das wirklich nicht. Es ging mehr darum, dass sie ihn wieder einmal um einen Gefallen bitten musste. Sie hatte bereits vor Augen, wie er sie anschaute, zweifelnd und ungläubig, denn bisher hatte sie ihm nicht bewiesen, dass sie in der Lage war, Verantwortung zu übernehmen.
Sie konnte es sich jedoch nicht leisten, über ihre bisherigen Fehlleistungen nachzudenken. Sie musste handeln. Sowie der Wagen vor dem Bürogebäude hielt, stieg sie aus und lief die Treppe hinauf.
Lily im Vorzimmer grüßte sie freundlich. „Ihr Bruder wartet schon auf Sie. Kommen Sie, ich nehme Ihren Mantel. Nach der Besprechung rufe ich gern einen Wagen für Sie.“
„Danke.“ Charlotte gab Lily den Mantel und strich sich nervös übers Haar. Alles wird gut werden, beruhigte sie sich. Er ist doch dein Bruder. Als sie den Kopf durch die Tür steckte, blickte sie in Sawyers lächelndes Gesicht.
„Da bist du ja.“
Welche Erleichterung. Warum machte sie sich bloß vorher immer so viele Gedanken? Sie trat auf ihn zu. „Hallo, Sawyer. Danke, dass du Zeit für mich hast.“
„Aber das ist doch selbstverständlich. Ich bin froh, dass du wieder in der Stadt bist. Auf der Eröffnungsparty des Hotels hatten wir ja kaum Gelegenheit, miteinander zu sprechen.“
„Ja, das stimmt. Es waren viele alte Freunde da.“ Außerdem wird eine Schwangere sehr schnell müde.
„Gut, dass du dabei warst. Du gehörst doch dazu.“ Er lehnte sich in seinem Sessel zurück. „Kannst du mir erklären, wie es zu deinem Überraschungsbesuch bei Tante Fran gekommen ist?“
Obgleich Charlotte diese Frage erwartet hatte, wurde sie blass. Vieles hatte zu ihrer Reise nach England geführt. Erst die Trennung von Michael Kelly, dem Mann, dem sie hoffnungslos verfallen war und der leider ihre Gefühle nicht erwiderte, dann die Schwangerschaft. Dass sie deshalb zu Tante Fran geflohen war, konnte sie ihrem Bruder jedoch nicht sagen. Er würde nur mit den Schultern zucken, denn zu oft hatte sie sich schon unglücklich verliebt.
„Ich brauchte Zeit, um zu überlegen, was ich mit meinem Leben anfangen will. Und Fran ist jemand, der gut zuhören und Ratschläge geben kann.“ Sie schwieg kurz. „Wenn ich ehrlich bin, kam noch etwas hinzu. Ich konnte einfach nicht mehr mit ansehen, wie Dad mit allen Mitteln verhindern wollte, dass dir die Renovierung des Hotels gelingt. Ich hasse diese Streitigkeiten innerhalb der Familie.“
„Verstehe. Ich wäre gern mit dir nach England geflogen, aber dann hätte es vielleicht mit Kendall Probleme gegeben. Ich bin froh, dass ich hiergeblieben bin und mich gegen Dad durchgesetzt habe.“
Charlotte lächelte. Dass er in Kendall die Frau seines Lebens gefunden hatte, machte sie glücklich. Über Jahre hatte sie befürchtet, dass ihre schlechte Kindheit sie und ihre Brüder Noah und Sawyer unfähig gemacht hatte, eine gute und dauerhafte Liebesbeziehung zu finden. Dass Sawyer ihr mit Kendall diese Furcht genommen hatte, ließ sie hoffen, selbst irgendwann der großen Liebe zu begegnen. Wenn auch nicht in allernächster Zeit, denn im Augenblick hatte sie von der Liebe die Nase voll. Was sie jetzt brauchte, war eine gewisse Stabilität in ihrem Leben.
„Ich freue mich für dich und Kendall. Und bin schon gespannt auf die Feier. Eine Hochzeit unterm Weihnachtsbaum, was für eine tolle Idee.“
„Ich weiß, das kommt alles sehr plötzlich, aber wir wollen nicht länger warten. Auch wenn es altmodisch ist, wir wollen noch vor der Geburt unseres Kindes verheiratet sein.“
„Kann ich verstehen. Wahrscheinlich wollt ihr nicht, dass euer Sprössling irgendwann nachrechnet und herausbekommt, dass er bei der Hochzeit bereits unterwegs war.“ Wieso hatte sie das gesagt? Charlotte biss sich auf die Lippen. Hörte sich ja an wie ihre Großmutter. Vielleicht war sie genauso altmodisch wie ihr Bruder, doch das konnte sie sich nicht länger leisten. Schließlich war sie schwanger – und hatte keinen Mann.
„Aber nun zu dir“, sagte Sawyer. „Was willst du denn nun im Leben erreichen? Willst du mit dem Häusermakeln wieder aufhören?“
Kein Wunder, dass er das fragte. Was hatte sie nicht schon alles gemacht, um Geld zu verdienen. Sie hatte es als Innenarchitektin versucht, als Modebloggerin, als Eventplanerin und als Bäckerin. Letzteres war besonders fatal ausgegangen. Nicht nur hatte sie keinen Erfolg in der Backstube gehabt, sie hatte wegen all der süßen Sachen auch noch fünfzehn Pfund zugenommen.
„Nein, das ist nach wie vor das Richtige für mich. Es passt außerdem zu dem, was in unserer Familie seit Generationen üblich ist. Am liebsten arbeite ich mit Menschen. Wie du weißt, habe ich schon alles Mögliche ausprobiert.“ Sie lächelte verlegen. „Der Vorteil hierbei ist, dass ich jede Menge Leute kenne.“
„Freut mich zu hören, dass du dabeibleiben willst. Eine gewisse Kontinuität wird gut für dich sein.“
„Genau. Stabilität und Kontinuität, darauf kommt es mir an.“ Sie atmete tief durch. „Und deshalb bin ich hier. Soviel ich weiß, sind die Apartments im Grand Legacy fertig zum Verkauf. Und ich hoffe, dass du mich damit betraust.“ Sawyer sah sie stirnrunzelnd an, und Charlotte wusste, sie musste ihre Sache jetzt durchfechten. „Ich kenne das Hotel von Kindheit an, besser als jeder andere Makler, dem du die Apartments überlassen könntest. Ich werde mich ganz darauf konzentrieren. Außerdem haben wir dadurch die Gelegenheit, zusammenzuarbeiten, etwas, wonach ich mich schon immer gesehnt habe.“
„Mensch, Charlotte, du kannst hier doch nicht so einfach auftauchen und erwarten, dass ich dir etwas anvertraue, womit ich mich bereits monatelang beschäftigt habe.“
Ja, und ich hätte auch nicht so einfach schwanger werden sollen … „Ich weiß. Es tut mir leid, dass ich dich damit überfalle, aber bisher ahnt die Konkurrenz nicht, dass die Apartments fertig sind. Ursprünglich sollte das Hotel erst Silvester eröffnet werden. Bis dahin sind es noch einige Wochen.“
„Mag sein.“ Sawyer schüttelte unwillig den Kopf. „Doch ich habe schon mit einem Makler Kontakt aufgenommen, der sehr gut ist und die Wohnungen wahrscheinlich innerhalb weniger Wochen verkaufen wird. Er ist auf dem Weg hierher, damit wir alles besprechen und den Vertrag aufsetzen können.“
„Aber …“ Charlotte wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Weil sie bisher noch nie etwas erfolgreich zu Ende geführt hatte, würde ihr Bruder auch in diesem Fall einen Experten vorziehen. „Ich gehöre zur Familie. Das muss doch für irgendwas gut sein. Hier geht es um das Grand Legacy und nicht um irgendein Gebäude, wofür ihr viel Geld ausgegeben habt, Noah und du.“ Sie sah, dass Sawyers Blick weicher wurde, und fuhr schnell fort: „Ich liebe das Hotel. Und darin wohnen zu können, ist, als wäre ein Traum endlich wahr geworden. Ist es nicht wichtig, dass du diese Arbeit jemandem anvertraust, der mit seinem ganzen Herzen dabei ist?“
„Du kannst doch nicht wissen, ob dem anderen Makler nicht genauso viel daran liegt. Nach meinen Gesprächen mit Michael Kelly habe ich den Eindruck, als sei ihm dieses Projekt sehr wichtig.“
Charlottes Herzschlag stoppte. Zumindest fühlte es sich so an. Unwillkürlich sah sie Michael vor sich mit seinen fast zwei Metern, seiner athletischen Figur, dem kräftigen schwarzen Haar und den klaren blauen Augen. „Äh … hast du Michael Kelly gesagt?“
„Ja. Kennst du ihn etwa? Er ist wirklich gut. Anständig und geradeheraus. Die Sache liegt ihm am Herzen.“
Michael Kelly liegt so manches am Herzen, dachte Charlotte, er selbst, Geld und sein Job. Alles andere war ihm weniger wichtig.
Die Zeit drängte. Michael wusste, dass er raus aus dem Pool sollte. Nur noch ein paar Bahnen. Er berührte die gekachelte Wand mit einer Hand, drehte sich unter Wasser um und schoss auf die andere Seite. Das Schwimmen tat ihm gut. Das war die einzige Zeit, in der er ungestört war. Sein Handy hatte er ausgeschaltet und im Schrank eingeschlossen, hier im neu erbauten Empire State Athletic Club. Seine Kunden erwarteten vom Inhaber und Chef des größten Maklerbüros der Stadt, dass er ihnen rund um die Uhr zur Verfügung stand, doch diese halbe Stunde gehörte ganz ihm.
Er wendete erneut und kraulte zur anderen Seite, die olympische Disziplin, in der er drei Goldmedaillen gewonnen hatte. Vor sechs Jahren hatte er seine Karriere als Schwimmer aufgegeben und sich auf das Maklergeschäft gestürzt, das er mit dem gleichen Ehrgeiz betrieb wie seinerzeit das Leistungsschwimmen. Es war das Gefühl, unbesiegbar zu sein, für das er arbeitete. Wie auf einem Bergesgipfel fühlte er sich dann und sah auf die herab, die sich abstrampelten und ihn doch nicht einholten.
Schließlich stemmte er sich aus dem Becken und zog sich die Badekappe vom Kopf. Auf einem Hocker lag sein Handtuch, und er griff danach. Außer ihm war nur noch Gabe Underwood im Pool, Makler wie er, wenn auch nicht in gleichem Maße erfolgreich. Dass der Kerl immer zur selben Zeit wie er zum Schwimmen kam, ärgerte ihn. Es war, als wolle Gabe ihm damit zeigen, dass er ihm auf den Fersen war, nicht nur im Pool, sondern auch im Geschäft.
Michael ging in den Waschraum und stellte sich unter die heiße Dusche. Das fühlte sich gut an. Am liebsten wäre er mindestens eine Viertelstunde darunter geblieben, aber er musste los. Sawyer Locke und die Apartments im Grand Legacy warteten auf ihn. Er trat aus der Dusche, schlang sich ein Handtuch um die Hüften und ging zu seinem Schrank im Umkleideraum, wo schon sein frisch gebügelter Anzug hing, ein Extraservice des Clubs.
„Ich habe heute meine eigene Bestzeit übertroffen, Kelly“, hörte er den unerträglichen Gabe sagen. „Ich werde besser.“
„Tatsächlich? Schön für Sie.“ Mir doch egal. Michael zog sich an und hoffte, dass Gabe unter die Dusche verschwand und ihn in Ruhe ließ.
„Auch bei meinen Verkäufen. Januar und Februar sehen sehr gut aus, und wenn alles klappt, bin ich kurz davor, Sie als Topmakler der Stadt zu entthronen.“
Das war ein Köder, das wusste Michael. Er würde jedoch nicht darauf hereinfallen, diese Blöße wollte er sich nicht geben. „Wenn Sie meinen. Ich habe viel zu tun, alles andere interessiert mich nicht.“
Gabe setzte sich auf die Bank und sah ihn neugierig an. „Und was für heiße Eisen haben Sie im Feuer? Irgendetwas Aufregendes?“
„Immer. Aber was genau werden Sie von mir nicht erfahren.“
„Ich habe gehört, dass Sie für die Grand-Legacy-Apartments vorgesehen sind.“
Verdammt. Michael zog die Lederslipper über. Woher wusste der Kerl das? Er würde ihm keine Einzelheiten verraten und auch nicht damit angeben, daher schwieg er.
„Kein Kommentar?“, fragte Gabe. „Ach so, Sie wollen weiterhin der geheimnisvolle Michael Kelly bleiben. Von mir aus. Allerdings bin ich mit Sawyer Lockes Bruder Noah ziemlich gut im Geschäft. Habe sogar eine Einladung zu Sawyers Hochzeit ergattert. Bin sicher, dass die beiden Brüder gern mit mir zusammenarbeiten würden.“
Michael warf ihm einen kurzen scharfen Blick zu. „Ich kenne Ihre Spielchen, habe sie selbst erfunden. Und ich kann Ihnen nur raten, mir nicht in die Quere zu kommen, denn das könnten Sie bereuen.“
„Wollen Sie mir drohen?“
„Das habe ich nicht nötig, Gabe.“ Michael griff nach dem Jackett und zog es über. „Viel Spaß noch.“ Er nahm den Fahrstuhl zur Tiefgarage. Als einer der wenigen New Yorker fuhr er tatsächlich mit dem Auto in die Stadt. Er mochte nicht von anderen abhängig sein, auch nicht von einem Taxifahrer, dem er vom Rücksitz aus Anweisungen geben musste. Er wusste, wo er hinwollte, und da fuhr er am liebsten selbst hin.
Der Verkehr war nicht schlimm, und so hielt er nach nur zwanzig Minuten vor Sawyers Bürogebäude und stand sogar kurz vor dem verabredeten Termin vor Lilys Schreibtisch.
„Bitte nehmen Sie doch Platz, Mr. Kelly. Mr. Locke hat noch ein Gespräch mit seiner Schwester. Kann ich Ihnen einen Kaffee bringen?“
Sawyers Schwester? War Charlotte wieder in der Stadt? Unruhig rutschte Michael auf dem Stuhl hin und her. „Äh … nein, danke. Ich hatte heute Morgen schon reichlich.“
Im Laufe seines Lebens hatte er gelernt, dass es immer irgendein Hindernis gab, besonders wenn man glaubte, alles liefe glatt und ohne Probleme. Diesmal war Charlotte das Hindernis. Offenbar hatte er sich etwas vorgemacht, als er sich einbildete, die Sache mit den Hotel-Apartments sei bereits beschlossen. Nun konnte er nur hoffen, dass Sawyer seiner Schwester nicht verriet, mit wem er um zehn Uhr einen Termin hatte. Ansonsten müsste er sich auf allerlei gefasst machen. Charlotte würde sich auf ihn stürzen und ihn beschimpfen wie vor ungefähr einem Vierteljahr, als sie sich von ihm trennte.
Tatsache war, dass er sie damals quasi dazu aufgefordert hatte. Drei Monate lang waren sie ein Paar gewesen. So lange hatte er es noch nie mit einer Frau ausgehalten. Er hatte jedoch das bestimmte Gefühl, dass Charlotte ihr Verhältnis zu ernst nahm, zumindest ernster, als er jemals in der Lage sein würde. Er war einfach nicht der Typ für eine echte Beziehung und hatte keine Lust, jetzt mit Charlotte zu reden. Wahrscheinlich würde sie ihn mit Vorwürfen überschütten. Andererseits sähe er sie gern wieder, auch wenn sie vermutlich zornentbrannt auf ihn zustürzen würde.
Die Telefonanlage summte. „Ja?“ Lily warf ihm einen kurzen Blick zu. „Gut, ich schicke ihn rein.“ Sie stand auf und ging auf Sawyers Bürotür zu. „Mr. Locke kann Sie jetzt empfangen.“
„Haben Sie nicht gesagt, dass er mit Charlotte zusammensitzt?“
Überrascht sah Lily ihn an. „Sie kennen Ms. Locke?“ Im nächsten Moment schlug sie sich an die Stirn. „Ja natürlich! Sie arbeiten beide im selben Metier.“
Das ist nicht der einzige Grund. Michael räusperte sich. „Wir sind uns ein paarmal begegnet.“
„Umso besser. Dann braucht Mr. Locke Sie ja nicht mehr vorzustellen.“
Das nicht, aber … Michael war verwirrt. „Tut mir leid, doch ich bin heute wohl etwas schwer von Begriff. Meine Verabredung betrifft nur Sawyer. Wenn er jetzt keine Zeit hat, komme ich ein andermal wieder.“ Und verschwinde, bevor Charlotte ihren Zorn ablässt.
Lily öffnete jedoch schon die Tür, und Sawyer nickte ihm auffordernd zu.
„Treten Sie ein, Michael. Sie kennen meine Schwester Charlotte?“
Michael hasste es, unvorbereitet in Sitzungen zu gehen. Gegen eine Herausforderung dagegen hatte er nichts. Erst sah er Charlotte nur im Profil. Ihr langes goldblondes Haar umschmeichelte die rosigen Wangen und das kleine energische Kinn. Sie saß kerzengerade auf der Stuhlkante, ihre kurze dunkellila Jacke und der schwarze schmale Rock lagen eng an. Das war typisch Charlotte, wunderhübsch, aber immer in Habtachtstellung. Jetzt wandte sie den Kopf und sah ihn an, ihre blauen Augen blitzten zornig. Das sah er nicht nur, das spürte er auch, als dränge ihr Blick tief in ihn ein.
Unwillkürlich musste er an den Tag denken, als sie sich in seinem Maklerbüro vorstellte, womit sie sich zum ersten Mal begegneten. Das war jetzt etwa sieben oder acht Monate her. Sie hatte ihre Zeugnisse dabei, aber viel hatte sie nicht vorzuweisen. Während des Interviews gefiel sie ihm immer besser, allerdings mehr als Frau denn als zukünftige Mitarbeiterin. Für den Job hatte sie nicht genug Biss. Sie lächelte und lachte offen und herzlich, doch er konnte sich nicht vorstellen, dass sie mit seiner Milliardärskundschaft zurechtkäme.
Das sagte er ihr auch, aber sie wollte seine Ablehnung nicht akzeptieren. Bei der folgenden hitzigen Unterredung war ihm zum ersten Mal klar geworden, welches Feuer in dieser zierlichen Person steckte. Sie bekam den Job nicht, doch er rief sie ein paar Wochen später an.
Er lud sie zum Essen ein, sie lehnte ab. Das Telefongespräch zog sich lange hin und nach drei weiteren, ebenso langen Telefonaten sagte sie schließlich zu. Es folgten drei wunderschöne Monate mit ihr, das war inzwischen jedoch Vergangenheit.
„Hallo, Michael“, sagte sie höflich, aber streng.
In diesem Tonfall hatte sie sich ihm gegenüber noch nie geäußert, auch nicht am Abend ihrer Trennung. Da hatte sie geweint und schluchzend kaum verständliche Worte hervorgestoßen. Darauf hatte er nichts mehr sagen können, denn Frauentränen machten ihn hilflos. Dann allerdings hatte sie ihn wüst beschimpft.
„Oh, Charlotte. Schön, dich wiederzusehen.“ Er streckte ihr die Hand hin, die sie nur kurz berührte. Aber selbst diese Berührung erinnerte ihn an ihre leidenschaftlichen Nächte und die Nähe, die sie damals verband. Charlotte war eine ungewöhnliche und wohl auch komplizierte Frau. Und genau aus diesem Grund konnte er sie nicht vergessen.
Sie faltete die Hände auf ihrem Schoß, als er sich auf den freien Stuhl neben sie setzte. Sawyer saß ihnen am Schreibtisch gegenüber. Michael wusste, er sollte sich ganz auf Sawyer konzentrieren, aber er konnte nicht anders, er musste Charlottes Beine bewundern, die sie übereinandergeschlagen hatte. Sie trug pechschwarze High Heels, und er dachte daran, wie zauberhaft sie nackt ausgesehen hatte, wenn sie barfuß ins Bad und wieder zurück in sein Bett tappte.
Sawyer blickte ihn an. „Der Grund, weshalb ich Charlotte gebeten habe, bei unserem Treffen dabei zu sein, ist folgender. Ich habe mich entschlossen, Ihnen nicht alle Apartments zu übergeben, sondern die Hälfte ihr zu überlassen.“
In der Regel gelang es Michael, cool zu bleiben, aber er hasste Überraschungen. „Sie haben was?“ Er war sauer und sah Charlotte wütend an. Sie verbiss sich ein Lächeln, was ihn noch ärgerlicher machte.
„Ich weiß, das kommt unerwartet“, sagte Sawyer, „und normalerweise liegt es mir nicht, meine Geschäftspartner so vor vollendete Tatsachen zu stellen. Zeitlich war es jedoch nicht anders möglich. Sie waren bereits unterwegs, als Charlotte und ich heute Morgen über diesen Fall sprachen.“
„Aber Ihnen ist schon klar, dass ich die Apartments zehnmal schneller verkaufen kann, als Ihre Schwester es schafft?“, warf Michael bissig ein.
Charlotte drehte sich so hastig zu ihm um, dass ihr Haar flog.
„Was soll das denn heißen?“ Sie presste die vollen Lippen zusammen und sah ihn wütend an.
„Es ist die Wahrheit.“ Er zuckte mit den Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust. Jetzt bloß cool bleiben …
„Hören Sie zu“, sagte Sawyer beschwichtigend. „Ich weiß, dass Sie top in Ihrem Beruf sind, aber Charlotte gehört zur Familie. Deshalb bringt sie für diese Aufgabe Qualitäten mit, die kein anderer hat und an die ich vorher nicht gedacht habe.“
„Was denn zum Beispiel?“ Qualitäten, die er nicht hatte? Das konnte er sich nicht vorstellen. Und wenn, würde er sie sich ganz schnell aneignen.
„Ich kenne das Hotel quasi seit meiner Geburt und bin ihm eng verbunden. Beinahe so wie Sawyer. Und ich bin eine Locke. Das zählt auch“, kam Charlotte ihrem Bruder zuvor.
Stimmt, damit konnte er nicht aufwarten. „Ich kann potentiellen Käufern Sawyer vorstellen, wenn es darum geht, einen von den Lockes zu treffen. Ich bin aber sicher, dass mein Name ihnen reichen wird. Ich bin ein Profi, das merkt jeder und verlässt sich darauf. Wie viele Objekte hast du denn verkauft, seit du als Maklerin arbeitest?“
„Das geht dich nichts an. Und Sawyer hält es nicht für so wichtig.“
„Das stimmt nicht ganz“, sagte Sawyer vorsichtig. „Ich möchte mich dadurch nur nicht davon abhalten lassen, einen Kompromiss zu finden.“
Er suchte nach einem Kompromiss? Michael lächelte verächtlich. „Sie wissen, dass ich bereits viele Interessenten habe. Sowie Sie mir grünes Licht geben, kann ich denen die Wohnungen zeigen.“
„Und ich habe eine Klientin, die eine der Wohnungen kaufen will. Sie kann noch heute ein Angebot machen“, meldete sich Charlotte.
Michael kannte zwar eine Reihe potentieller Käufer, aber bisher hatte keiner von ihnen eins der Apartments gesehen. Sawyer hielt sie unter Verschluss. „Du bluffst.“
Charlotte wandte sich empört um. Wie sexy sie aussieht, wenn sie zornig ist, dachte er.
„Ich bluffe nicht! Das habe ich gar nicht nötig.“
„So, so. Wer ist denn diese geheimnisvolle Käuferin?“
„Sie sitzt vor dir!“ Sie hob triumphierend ihr Kinn.
Michael lachte. „Willst du das wirklich tun? Ich weiß nicht, ob du über deinen Nachbarn sehr glücklich sein wirst.“
„Was soll das denn heißen?“
„Michael hat mir vor ein paar Wochen ein Angebot für eins der Apartments gemacht“, sagte Sawyer lächelnd.