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Unter dem Eindruck der sinnlichen Welt des Orients findet Flaubert im Tagebuch seiner Reise nach Ägypten und Palästina zur ästhetischen Intensität seiner großen Romanwerke. Flaubert hatte nie beabsichtigt seine Erinnerungen an die Reise in den Orient zu veröffentlichen. Das merkt man dem Werk auch an. Es ist voller frauenfeindlicher, chauvinistischer und gewalttätiger Anekdoten.
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Seitenzahl: 268
Herausgeber
Erik Schreiber
Windrose 3
Reiseerzählungen
Gustave Flaubert
Briefe aus dem Orient
Saphir im Stahl
Reiserzählungen 3
e-book 190
Gustave Flaubert - Briefe aus dem Orient
Erscheinungstermin 01.11.2023
© Saphir im Stahl Verlag
Erik Schreiber
An der Laut 14
64404 Bickenbach
www.saphir-im-stahl.de
Titelbild: Archiv Andromeda
Lektorat Peter Heller
Vertrieb neobook
Herausgeber
Erik Schreiber
Windrose 3
Reiseerzählungen
Gustave Flaubert
Briefe aus dem Orient
Saphir im Stahl
Ich habe Dir eine große Neuigkeit mitzuteilen, mein lieber Onkel, und nein, es ist nicht meine Heirat, ich reise im nächsten Oktober mit Du Camp nach Ägypten, Syrien und Persien. Mein Gesundheitszustand, der nicht besser, sondern im Gegenteil schlimmer wird, hat mich gezwungen, in Paris M. Cloquet zu einer Konsultation aufzusuchen, und er hat mir sehr zu den heißen Ländern geraten. Wenn Du kommst, werde ich Dir das alles ausführlich erzählen; ich habe Dir viel darüber zu sagen. Euch werde ich während meiner Abwesenheit, die fünfzehn bis achtzehn Monate dauern wird, meine arme Mutter empfehlen. Meine Mutter will ihr Haus in Rouen vermieten, denn sie beabsichtigt, einen guten Teil dieser Zeit in Nogent zu verbringen. Das ist auf jedem Fall das Beste, was sie tun kann.
Bis zu meiner Abreise sind wir, meine Mutter und ich, darin übereingekommen, über diese Reise kein Wort mehr zu reden, und zwar aus zwei Gründen; der erste: es ist unnütz, sich im Voraus zu quälen und schon vorher seine Betrübnis zu erregen; der zweite: da ich meinen verfluchten Heiligen Antonius noch nicht fertig habe (denn er ist immer noch am Leben, der Schlingel! Obgleich ich darüber mager werde), so würde mich das stören und am Arbeiten hindern. Du weißt, alter Kamerad, der Gedanke, ich soll aufgestört werden, stört mich auf, und davon habe ich gerade genug, ganz abgesehen vom Orient, der hinter meinem Tische tanzt, und von den Glöckchen der Dromedare, die mir lauter als der Lärm meiner Phrasen in den Ohren klingen. Obgleich also diese Reise beschlossen ist, spricht man hier kein Wort davon, verstehst Du?
Der Sieur Du Camp und ich, wir haben uns ausgerechnet, dass unsere Mittel uns sehr reichlich erlaubten, einen Diener zu nehmen, was beinahe unentbehrlich ist. Wir brauchen einen moralisch wie physisch soliden, intelligenten und lebhaften Burschen, der Anstrengung gewöhnt ist und ein Gewehr zu handhaben weiß. Ich habe an den jungen Leclerc gedacht, dessen letzter Streich mich in der guten Meinung, die ich von ihm hatte, nur bestärkt hat. Wenn man ihn wiederfände, meinst Du, er möchte mitkommen?
Glaubst Du, die Wahl ist gut? Falls er gegenwärtig in Nogent ist, würde ich Dir noch einmal schreiben, um meine Bedingungen anzugeben; wenn er in Paris ist, ist es möglich, seine Adresse zu bekommen? Im letzteren Fall müsste er Du Camp aufsuchen. Denke daran, bitte.
Ich habe bei M. Walkenaer eine in einen Oktavband zusammengefasste Bibel gesehen, deren Verleger und Erscheinungsjahr ich wissen möchte. Wenn Bonenfant ihn aufsucht, so wäre ich ihm sehr verbunden, wenn er mir diese Auskunft verschaffte. Und du, alter Bursch, hast Du immer noch Angst vor der Cholera? Ich weiß nicht, ob sie in Rouen auftritt, aber man redet kaum davon. Ich glaube, Du könntest Dich ohne Gefahr hinwagen. Im Übrigen will ich Dir keinen Rat geben, damit Du Dir nicht bei der geringsten Kolik, die Dich anfällt, einbildest, Du müsstest sterben; aber trotzdem habe ich große Lust, Dich zu sehen, dessen sei versichert.
Adieu, lieber, alter Onkel, ich umarme Dich, wie ich Dich liebe.
An denselben.
Croisset, Samstagabend.
Ich danke Dir, mein wackerer Vater Parain, für die Eile, mit der Du die Sache Leclerc betrieben hast. Um gleich zu Ende zu kommen, mag er erfahren, woran er sich zu halten hat, und Du auch. Hier folgen unsere Bedingungen. Er muss uns überall begleiten, darf uns nicht verlassen und muss uns pünktlich gehorchen.
1. Er wird, wenn wir unterwegs sind, morgens und abends unser Zelt auf- und abzuschlagen haben, was ihn nach drei Tagen, bis er sich daran gewöhnt hat, keine fünf Minuten mehr kosten wird.
2. Er wird für unsere Waffen sorgen, sie laden, sie säubern etc., ebenso für die Überwachung unserer Pferde und unseres Gepäcks, das besonders seiner Obhut unterstehen wird.
3. Er wird uns die Kleider und Stiefel bürsten und die Küche besorgen, was sich darauf beschränken wird, dass er uns Fleisch kocht, wenn wir welches haben, oder Eier, dass er Geflügel ausnimmt und rupft, was für gewöhnlich nur auf dem Lande in Frage kommen wird.
4. Er wird die Kleidung tragen, die wir für passend erachten und ihm geben werden. Da man im Ausland nur nach dem Aussehen geschätzt wird, die man sich selber beilegt, so ist das von Wichtigkeit.
Das werden seine Hauptaufgaben sein. Im Übrigen muss er im Voraus entschlossen sein, alles zu tun und nie wie die gewöhnlichen Dienstboten zu sagen: das ist nicht meines Amtes, das geht über meine Verpflichtungen hinaus.
Jetzt muss er noch zu seiner Richtschnur wissen: 1. Es kann Gefahr verschiedener Natur geben, Entbehrung notwendiger Dinge, übermäßige Hitze, schlechte Kost sehr häufig, Krankheiten, Flintenschüsse, Seekrankheit etc. Die größte Vorsicht ist so gut für ihn wie für uns geboten: Irgendein Übermut seinerseits könnte uns schlimme Dinge zuziehen.
2. Der Weibchen wird er völlig oder fast völlig beraubt bleiben; wollte er seinem Gelüste nachgeben, so liefe er Gefahr, dass man ihm und uns dazu den Hals abschneidet.
3. Ebenso wenig wird er Wein und Branntwein erhalten, Kaffee dagegen mehrmals am Tage und Tabak, soviel er will; den werden wir ihm liefern.
Im Übrigen wird er wie wir reiten, wird von Kopf zu Fuß bewaffnet sein und wird Wild jeder Art, von roten Rebhühnern an bis zu Löwen und Krokodilen, zu töten haben. Unterwegs wird das sogar seine Hauptbeschäftigung bilden. Wenn er etwas nötig hat, werden wir es ihm geben, und wir werden für all seine Bedürfnisse sorgen. Kurz, er wird in allem unsere Lebensweise teilen. Bonenfant soll so liebenswürdig sein, soweit es in ihm liegt und Leclerc es begreifen kann, und ihn ein wenig darin einweihen, um was es sich bei dieser Reise handelt, damit er sich eine Vorstellung davon macht und uns nicht später vorwirft, wir hätten ihn getäuscht. Ist er einmal bei uns, so gibt es kein zurück mehr und kein Heimweh nach Courtavant, dann muss er bis zum Schluss aushalten.
Was seinen Lohn angeht, so werden wir fünfzehn bis höchstens achtzehn Monate fort sein. Wir werden ihn nächsten ersten September in Dienst nehmen, und bei der Rückkehr werden wir ihm 1500 Franken hinzählen. Wenn er lieber seiner Frau von vornherein 500 Franken dalassen will, so steht ihm das frei. Er mag überlegen; es wird Zufälle geben, Abenteuer, viel Anstrengung, ein wenig Gefahr und sehr viel spaßhafte und für ihn neue Dinge.
Ich vergesse einen letzten Punkt, mein lieber Onkel; Du sagst mir, der Bursche sei ein ganz klein wenig eitel; er wird uns gegenüber (vor allem in Gegenwart von Fremden) im Interesse unserer Sicherheit den allergrößten Respekt bewahren müssen. Er wird, wohl verstanden, auf dem zweiten Platz reisen und auf freiem Felde an der Tür unseres Zeltes schlafen. Im Übrigen wird es ihm passieren, dass er Leute unter seinem Befehl hat. Wenn wir in Syrien Bedeckung nehmen, wird er der Hauptmann sein. Falls er annimmt, muss er sich bis dahin im Reiten und im Schießen während des Reitens üben. Wenn er kann, mag er sogar rasieren lernen, das wird nicht unnütz sein.
Ich habe keinen Platz mehr, mein lieber, alter Kamerad, um Dir zu sagen, dass wir Dich erwarten. Adieu, alter Kerl, umarme all die Deinen für mich.
An denselben.
Croisset, Freitagabend.
Heute Morgen, mein lieber Onkel, habe ich einen Brief von Leclerc erhalten, von dem ich nichts verstanden habe. Statt mir ja oder nein zu schreiben, ob er die Bedingungen annimmt, die ich ihm in meinem letzten Brief an Dich stellte, kommt er mir mit vielen Beteuerungen und Klagen. Ich glaube, sein Wunsch ist, dass Du ihn wieder als Wärter nimmst. Es scheint, er fleht meine Vermittlung dazu an. Wenn es Dir recht ist, so tätest Du freilich gut, ihm seinen Streich zu vergeben und ihn in sein Amt wieder einzusetzen. Er sagt mir, er suche Dich nicht auf, denn er würde doch nur weinen und nicht wissen, was er sagen soll. Er macht den Eindruck eines niedergeschlagenen und sehr gedemütigten Mannes. Bei all dem weiß ich nicht, ob er mit mir in den Orient kommen will. Aber nun kommt ein weiterer Zwischenfall: Du Camp hat, ich weiß nicht wo, einen prachtvollen Burschen entdeckt, einen Korsen, einen ehemaligen Soldaten, der schon in Ägypten gewesen ist und nach dem, was er mir schreibt, ein famoser Draufgänger zu sein scheint. Er neigt ebenso sehr zu ihm, wie ich zu Leclerc neige. Die Wahl eines Dieners für eine solche Reise ist eine zu ernste Sache, um sie auf leichte Hand zu entscheiden. So werden wir unsere Wahl erst treffen und dem einen oder dem andern unser Wort erst geben, nachdem ich Sassetti, so heißt der Ex-Füsilier, gesehen habe, und er, Du Camp, Leclerc.
Wenn also Meister Leclerc unter den Bedingungen reisen will, die ich Dir geschrieben habe, so wird er gut daran tun, Dupont bis Paris zu begleiten, wenn er sich auf den Weg macht, und auf die Place de la Madeleine 30 zu gehen, um mit meinem Gefährten zu reden, damit er ein Urteil hat. Wohl verstanden, ich zahle diese kleine Reise, deren Kosten nicht groß sein können; Du selber sollst sie festsetzen, bitte, lieber Onkel.
Das ist also die Sachlage, wie man in der Politik sagt. Je eher Leclerc sich Du Camp zeigt, umso eher werden wir über den Mann entscheiden, den wir mitnehmen werden. Du Camp soll mir seinerseits dieser Tage Sassetti schicken.
Im Übrigen nichts Neues, lieber alter Kerl. Ich arbeite immer noch wie zehn Neger an meiner Versuchung. Ich habe noch auf zwei gute Monate Arbeit daran. Das und die Reise am Horizont, Du siehst, es fehlt mir nicht an Dingen, die mir im Kopf herumgehen.
Adieu, ich umarme Dich und alle da unten.
An seine Mutter.
Paris, 26. Oktober 1849, 1 Uhr morgens.
Du schläfst jetzt ohne Zweifel, liebe, arme alte Mutter. Wie hast Du heut' Abend weinen müssen, und ich auch, o! Sag' mir, wie's Dir geht, verschweig mir nichts, bedenke, arme alte Mutter, dass es mir furchtbare Gewissensbisse bereiten würde, wenn Du zu sehr unter dieser Reise littest. Max ist ganz wohl, sei ohne Furcht. Ich habe meine Pässe bereitgefunden. Alles ist wie auf Röllchen gegangen, das ist ein gutes Zeichen. – Adieu, dies ist der erste Brief, die anderen werden bald folgen. Morgen werde ich Dir einen längeren schicken? Und Du? Schreibe mir Bände, schreibe Dich aus.
Adieu, ich umarme Dich mit ganz von Dir vollem Herzen. Tausend Liebkosungen.
An dieselbe.
Paris, Freitag, d. 26. Oktober 1849.
Ein Tag vergangen, arme alte Mutter, und das ist ohne Zweifel der schlimmste. Wie hast Du Dich heute langweilen müssen! Ich stelle mir Deine gute nachdenkliche Miene vor ... Ich erwarte morgen früh einen Brief von Dir ... Es ist fest abgemacht zwischen Max und mir, wenn wir Ägypten nur erst gesehen haben und wir fühlen uns ermattet, oder wenn mich die Sehnsucht nach Dir fasst, oder wenn Du mich zurückrufst, so kehre ich um; also quäle Dich nicht im Voraus, sei ohne Furcht; mir scheint, die Lust, Dich wiederzusehen, würde mich über alles hinweg zurücktreiben. Oh, wie ich Dich bei der Rückkehr umarmen werde, arme alte Mutter.
An dieselbe.
Paris, Montag, d. 29. Oktober.
Alles ist bereit – wir reisen ab – es ist schönes Wetter, ich bin eher lustig als traurig, eher heiter als ernst – die Sonne glänzt, ich habe das Herz voll Hoffnung.
Das Diner gestern mit Gautier und Bouilhet ist reizend gewesen. Als ich ihm heute Morgen Adieu sagte, bin ich nicht so bewegt gewesen, wie ich gedacht hatte. Meine Abschiedssensibilität ist übrigens schon bei Dir, arme Geliebte, bis auf den Grund ihres Sacks ausgeleert worden.
Adieu, liebe alte Mutter; Gautier hat gestern in meiner Gegenwart die Meinung vertreten, die auch die meine ist: „Nur die Bürger krepierten“. Das heißt, wenn man etwas im Bauch hat, so stirbt man nicht, ehe man niedergekommen ist. Adieu – guten Mut, ich umarme Dich so eng wie möglich. Adieu!
An dieselbe.
Lyon, 31. Oktober.
Wir kommen eben an. Das Wetter ist sehr schön, aber kalt. Uns beiden geht es gut, und die Laune ist dementsprechend.
Mir ist, arme Mutter, als seien es zehn Jahre her, seit wir uns gesehen haben. Von Marseille aus werde ich Dir einen längeren Brief schreiben.
Wir brechen morgen früh um vier Uhr auf, wir werden noch abends in Marseille sein, wenn uns nicht der Nebel zwingt, unterwegs zu schlafen. Adieu, Du wirst, hoffe ich, mit dieser kleinen Überraschung zufrieden sein. Nochmals adieu, tausend Umarmungen. Dein Sohn, der Dich liebt.
An dieselbe.
Marseille, d. 2. November 1849.
Heute Morgen, arme Geliebte, habe ich Deinen Brief Nr. 3 vom 28. erhalten, der nach Paris geschickt war. Ich hoffe, morgen werde ich einen haben, der direkt nach Marseille adressiert ist. Was meine angeht, so hast Du die ganze Zeit über, die ich in Paris war, so ziemlich jeden Tag einen bekommen müssen, außerdem habe ich Dir einen von Lyon aus geschrieben, und dieser, den ich Dir jetzt schreibe, hätte Dich ohne die Rhonenebel, die uns vorgestern vier Stunden lang aufgehalten haben, einen Tag früher erreicht. Im Übrigen werde ich Dir noch morgen schreiben, und nächsten Mittwoch werde ich Dir von Malta aus schreiben, also werde ich achtundvierzig Stunden, nachdem Du meinen Brief erhalten hast, wieder damit beschäftigt sein, Dir einen neuen zu senden. Du siehst also, arme, liebe alte Mutter, es ist nicht so schlimm. Und Du kannst mir gleich nach Alexandria schreiben.
Du sagst, die Reiseberichte seien weit; nun gut! Um Dir das Gegenteil zu beweisen, will ich Dir den von Paris nach Marseille schicken. Als wir bei Max aufbrechen mussten, schwamm alles, besonders der arme Cormenin, der nicht mehr konnte und Mitleid erregte. Aimée, Jenny, die Portiersfrau etc., all das schluchzte und gab mir tausend gute Ratschläge.
Im Posthof fanden wir Pradier, der ausrief:
„Famos, famos, wisst ihr, was ich heute Morgen auf meinem Barometer gesehen habe? Beständig schön. Das ist ein gutes Zeichen, ich bin abergläubisch, das hat mir Freude gemacht.“
Du kennst den Menschen und kannst Dir die Szene, vermehrt um seinen Hut, sein langes Haar etc. vorstellen. Es war auf demselben Hof, wo ich mich nach Korsika aufgemacht habe, an derselben Stelle, beinahe um dieselbe Stunde. Die erste Reise ist gut gegangen, die zweite wird ebenso gehen, arme alte Mutter. In Lyon haben wir Gleyre gesehen, einen Maler, der fünf Jahre im Orient lebte, er ist bis nach Abessynien gekommen. Auf seinen Rat werden wir vielleicht länger in Ägypten bleiben, als wir beschlossen hatten, wenn wir auch den Rest unserer Reise opfern oder eilig abmachen müssen. Sicher ist, dass wir Kurdistan bereits gestrichen haben, ein Land, das von Nordsyrien und Persien umgrenzt wird. Das sind drei Monate weniger, und nur die Überfahrt bietet ein wenig Gefahr. Wir würden Dampfboote nehmen, und eine Reise von vier Monaten schwindet auf vierzehn Tage. Im Übrigen ist nur noch von Ägypten die Rede und wir denken an nichts anderes mehr. Das andere wird von tausend Dingen abhängen, und besonders von Dir, wenn Du Dich zu sehr quälst, wenn Du mich zurückrufst, so weißt Du ja, komme ich zurück, arme alte Mutter.
Eben haben wir Clot-bey einen Besuch gemacht, der statt in Kairo in Marseille ist; er will uns mit Empfehlungsbriefen versehen. Nach ihm ist eine Reise nach Ägypten nicht mehr als eine Reise nach Marseille. Er wird diesen Winter nach Paris kommen. M. Cloquet wird Dir seine Bekanntschaft vermitteln, und Du wirst Dich bei ihm beruhigen können. Er hat uns gesagt, es gäbe in Ägypten weder Räuber noch Fieber noch Ophthalmien zu fürchten (wenn man Vorsichtsmaßregeln beachtet). Das Einzige, was er uns sehr empfohlen hat, ist, die Kälte der Nächte zu meiden; aber dafür sind unsere Flanelljacken und Mäntel da.
Dann haben wir unser Boot besucht, mit dem wir übermorgen früh, Sonntag, um 8 Uhr aufbrechen sollen. Es ist prachtvoll, und Dir, die Du die großen Fahrzeuge liebst, würde es passen, denn es ist von allen, die im Hafen liegen, das größte; der Vater Cauvière hat uns dem Kapitän empfohlen, unsere Kammern sind gewählt. Der Kapitän wird uns die seine überlassen, wenn ich zu seekrank werde. Du siehst, arme alte Geliebte, man sorgt für Dein Küken. Wir haben ein Gepäck von prachtvollem Umfang. Auf dem Postboot, der Rhone, überhäufte man Sassetti mit Fragen, wer unsere Gnaden seien. Er ist ein gelungener Bursch, den nichts verlegen macht, und der alles kennt. Er ist heut' morgen zum Frühstück beim Kontrabass des Theaters gewesen, der unter seine Freunde zählt, was ihm gestern das Vergnügen eingetragen hat, dass er abends wie ein Künstler im Orchester unter den Musikern die Jüdin anhören konnte. Ich glaube, er ist eine gute Wahl. Er bedient uns sehr gut.
Heute Morgen habe ich von Lauvergne für Soliman Pascha, den Oberbefehlshaber der Armee in Ägypten, einen Brief bekommen. Ich werde toll darin empfohlen. Der Absatz, der von mir handelt, fängt so an: „Er ist ein Mann, gewaltig durch sein Denken,“ und alles andere ist in dem Geschmack.
Komm, arme Angebetete meines Herzens, fass‘ Mut, Du sollst sehen, wie viel Vergnügen Dir der erste Brief machen wird, den Du aus Ägypten bekommst. Lies, versuche zu lesen, beschäftige Dich. Küsse die Enkelin vielmals, ich denke oft an sie. Rede von mir, sieh zu, dass man von mir redet. Sag dem Vater Parain, er soll von Zeit zu Zeit ein Glas Kirsch auf mein Wohl trinken. Hier gilt eine Reise in den Orient so wenig, dass der geringste Schuhputzer einem wie von gar nichts von Jerusalem, Kairo und Persepolis redet. Das dämpft die gute Meinung, die die Leute von sich selber haben, die etwas Rechtes zu vollbringen meinen, wenn sie hingehen. Adieu, tausend Küsse, tausend Zärtlichkeiten. Morgen werde ich Dir einen kurzen Brief schreiben, da ich ihn aber wahrscheinlich erst schreiben werde, wenn die Poststunde vorbei ist, so wird ein Tag zwischen den beiden liegen. Noch eine warme Umarmung.
An dieselbe.
Marseille, Samstagabend.
Arme Mutter, wie gern möchte ich in meine Briefe schlüpfen können, zwischen diese Papierfalten, auf die ich einen langen Blick der Zärtlichkeit ausgieße. Schreibe mir Bände, sage mir alles, was Du willst, gieße Dich aus.
Heute haben wir unser Gepäck eingeschifft; all diese Herren an Bord sind reizend. Maxime hat den Arzt wiedererkannt, der schon mit ihm gereist ist. Erkennen, Umarmung. Tableau. Wir reisen mit dem Konsul von Manila, der überfährt, um sich nach Indien zu begeben, und mit dem Konsul von Tripolis, der mit seiner Familie nach Malta geht. Wir werden, denke ich, so gut aufgehoben sein wie nur möglich, abgesehen von der Seekrankheit, in die man sich ergeben muss; freilich behauptet der Doktor Barthélemy, der ein Schüler von M. Cloquet war, eben der Schiffsarzt, es gelinge bisweilen, sie zu heilen.
Clot-bey, dem wir gerade unsern Abschiedsbesuch gemacht haben, ich denke, ich schrieb Dir schon, dass er in Marseille ist und nicht in Kairo, gibt uns eine Menge Briefe nach Ägypten mit; es sind nur Ingenieure, Generale, Beys, Paschas etc. Er rät uns sehr, uns im Anfang zu eilen, das heißt, in Alexandria, wo es nicht viel zu sehen gibt, um zu versuchen, dass wir von Kairo mit der jährlichen Expedition des Miri (Vorauserhebung der Steuern) fortkommen, die nach Oberägypten gehen wird. Das wäre amüsanter, bequemer und sparsamer, wir würden mit einer Armee reisen. Welche Wahl, das wäre Pompadour, Marschall Richelieu und vor allem grauer Musketier! Er sagte uns, für unsere Briefverbindungen auf dem Nil wäre das ziemlich bequem, besonders für Sendungen nach Frankreich, bequemer als für Sendungen aus Frankreich. An allen Ufern des Flusses gebe es Gouverneurs, an die wir empfohlen würden, falls wir allein gingen, und von Ort zu Ort, bis nach Abessynien hinein, fränkische Ärzte. Du siehst, arme Mutter, es ist nicht möglich, unter besseren Verhältnissen zu reisen! Clot-bey sieht mir aus wie ein ausgezeichneter Kerl, in der ganzen Kraft des Ausdrucks. Er wird in ein oder zwei Monaten nach Paris gehen, schreibe an M. Cloquet, er soll Dir Nachricht geben. Du würdest bei ihm speisen, das würde Dir sehr gut tun, er würde Dich sehr beruhigen.
Sprich mir von Deinem Ergehen, arme Geliebte, verbirg mir nichts. Hast Du Dein Blutspucken wieder gehabt? und die Migränen? etc. Ich habe wegen der Kälte, denn es ist gar nicht heiß, wir haben trockenes Wetter, und aus Vorsicht schon jetzt das Flanellhemd angezogen. Ich bin also zur Sanitätsjacke verurteilt.
Bouilhet soll Dir schreiben, er hat es mir beim Abschied versprochen. Versuche, Dich an Nogent zu gewöhnen. Wenn Du nach Rouen zurückkehrst, würdest Du Dich vielleicht noch mehr langweilen. Ich wollte, der Sommer wäre da, damit Du ein wenig nach England reisen kannst. Adieu, arme alte Mutter, weine nicht. In zweiundsiebzig Stunden werde ich Dir von Malta aus unter den Orangenbäumen schreiben, aber welche Kotzerei bis dahin, pfui, pfui! Ah pfui!
Adieu, ich küsse Dich auf Deine beiden, langen hohlen Backen.
An dieselbe.
Malta. – An Bord des Nil. – Die Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, d. 7.-8. November.
Wir sind eben in Malta angekommen, liebe gute Mutter. Das Boot liegt im Hafen vor Anker, wir fahren morgen um ein Uhr wieder ab, nachdem wir Kohle geladen haben. Ich mache mir die jetzige Stabilität des Fahrzeugs zunutze, um Dir diesen versprochenen Brief zu schicken.
Weißt Du eins, arme Mutter, etwas Wundervolles? Ich bin nicht seekrank gewesen. Nein, gar nicht. Außer bei der Abfahrt von Marseille, die erste halbe Stunde, wo ich ein Glas Rum wieder ausgebrochen habe, das ich trank, um mir Mut zu machen. Im Übrigen bin ich während der ganzen Zeit der Überfahrt, das heißt von Sonntagmorgen bis heute Abend, einer der lustigsten, wenn nicht der lustigste der Passagiere gewesen. Mit Maxime und Sassetti ist es nicht ebenso, sie haben sich ziemlich oft übergeben. Was mich angeht, Promenaden auf Deck, Diners mit den Offizieren, Posten auf der Brücke zwischen den beiden Radkästen in Gesellschaft des Kommandanten, wo ich in Stellungen à la Jean-Bart, die Mütze auf der Seite und die Zigarre im Schnabel, umherlaufe. Ich unterrichte mich in der Seefahrt, ich informiere mich über die Manöver etc. abends sehe ich den Wellen zu und träume, wie Child Harold in meinen Mantel drapiert. Kurz, ich bin ein Bursch. Ich weiß nicht, was ich habe, aber ich werde an Bord angebetet. Die Herren nennen mich Papa Flaubert, so vorteilhaft, scheint es, nimmt mein Gesicht sich auf dem nassen Element aus. Du siehst, arme Mutter, der Anfang ist gut, und glaube nicht, dass das Meer sehr ruhig gewesen ist, im Gegenteil, das Wetter ist ein wenig hart gewesen, der Ostwind hat uns um zwölf Stunden aufgehalten.
Wir haben zwei junge Leute an Bord, von denen der eine unsere Reise bereits gemacht hat. Nach ihm ist nichts bequemer. Er ist ein ehemaliger Schüler des Polytechnikums, sehr reich; er heißt M. Delagrange und begibt sich momentan nach Suez, um nach Ceylon zu gehen und in Indien einzig zu seinem Vergnügen eine kleine Reise von vier Jahren zu machen. Die Überfahrt allein kostet ihn 7000 Franken. Nichts ist gelungener als unser Fahrzeug und die Zusammenstellung der Passagiere. Alle Welt ist intim befreundet. Man plaudert, man schwätzt, man schneidet auf. Die Herren machen den Damen den Hof. Man übergibt sich voreinander, und morgens sieht man sich mit Totengesichtern wieder, die über alle anderen lachen. Eins der komischsten ist das Maximes, der nicht krank zu werden glaubte, der arme Junge, und mich dem Arzt sehr empfohlen hatte, während mir nichts ist und er nicht aufhört zu leiden. Was den jungen Sassetti angeht, so tut er groß, ist aber nicht viel fester als sein Herr.
Morgen früh werden wir Malta besuchen. Ich werde diesen Brief in die Post werfen. Ich werde mir ein Paar Schuhe kaufen, die ich nötig habe, und Pulver, denn wir haben nur sehr wenig, und in Ägypten ist es scheußlich. Bei Ägypten fällt mir ein, habe ich Dir gesagt, dass wir wahrscheinlich dem Vizekönig vorgestellt werden? Siehst Du unsere Gnaden vor Seiner Hoheit?
Schreibe mir gleich nach Kairo, denn ich glaube, wir werden nur kurze Zeit in Alexandria bleiben.
Ehe ich mich Sonntag früh einschiffte, habe ich Deinen Brief vom 29. erhalten. Schreibe mir oft gleiche, er hat mir gut getan. Adieu, arme Geliebte meines Herzens. Küsse Liline für mich.
An dieselbe.
Alexandrien.
Erst Donnerstag, vorgestern, sind wir angekommen, da wir uns wegen des Wetters, das ungünstig war, auf Malta vierundzwanzig Stunden aufgehalten haben. Unser Kommandant hat als vorsichtiger Mann die Reise lieber um einen Tag verlängert, was es uns ermöglichte, die Insel zu besuchen. Im Übrigen ist das Wetter von Malta bis Alexandria so schön gewesen, dass man auf Deck zeichnen konnte.
Als wir noch zwei Stunden vom Ufer entfernt waren, bin ich mit dem Steuermann auf den Bug gestiegen, und da habe ich den Serail von Abbas Pascha wie eine schwarze Kuppel auf dem Blau des Meeres schweben sehen. Die Sonne brütete darüber. Ich habe den Orient durch, oder vielmehr in einem breiten Silberlicht gesehen, das sich aufs Meer ergossen hat. Bald darauf zeichnete das Ufer sich klar ab, und das Erste, was wir an Land sahen, waren zwei von einem Kameltreiber geführte Kamele, dann den ganzen Kai entlang wackere Araber, die mit der friedlichsten Miene von der Welt angelten. Bei der Ausschiffung gab es das betäubendste Getöse. Neger, Negerinnen, Kamele, Turbane, Stockschläge nach rechts und links und gutturale Schreie, um einem die Ohren zu zerreißen. Ich schlage mir den Bauch voll Farben, wie ein Esel sich voll Hafer frisst. Der Stock spielt hier eine große Rolle, alles, was ein reines Kleid trägt, prügelt das, was ein schmutziges Kleid trägt – wenn ich Kleid sage, so meine ich, dass die Hose fehlt. Man sieht eine Menge Herren durch die Straßen streifen, mit nichts als einem Hemd und einer Pfeife. Außer den Frauen der niedersten Klasse sind alle verschleiert, mit dem Schmuck auf der Nase, der wie am Stirnband der Pferde baumelt und tanzt. Wenn man aber ihr Gesicht nicht sieht, so sieht man dafür ihre ganze Brust. Mit dem Wechsel des Landes wechselt die Scham den Ort, wie sich ein gelangweilter Reisender bald aufs Verdeck und bald in den Ausbau setzt. Etwas Merkwürdiges ist hier die Achtung, oder vielmehr die Angst, die man vor dem Franken hat. Wir haben gesehen, wie sich Scharen von zehn und zwölf Arabern eine ganze Straße weit zurückzogen, um uns vorbeizulassen. Im Übrigen ist Alexandria fast ein europäischer Ort, so viele Europäer sind da; wir sind an der Table d'hôte unseres Hotels dreißig. Alles ist voller Engländer, Italiener usw. Gestern haben wir eine großartige Prozession zur Beschneidung des Sohnes eines reichen Kaufmanns gesehen; heute haben wir schon die Nadeln der Kleopatra, zwei große Obelisken am Rande des Meeres, die Pompejussäule, die Katakomben und die Bäder der Kleopatra gesehen. Morgen brechen wir nach Rosette auf, von wo wir in drei oder vier Tagen zurück sein werden. Wir gehen langsam und ohne uns zu ermüden, leben nüchtern und sind von Kopf zu Fuß mit Flanell bekleidet, obgleich in den Zimmern dreißig Grad Wärme herrscht. Übrigens ist das wegen der Meeresbrise keineswegs unbequem.
Soliman Pascha, der mächtigste Mann in Ägypten, der Sieger von Nezim, der Schrecken von Konstantinopel, befindet sich zufällig in Alexandria statt in Kairo. Wir haben ihm gestern, mit Lauvergnes Brief versehen, einen Besuch gemacht. Er soll uns für alle Statthalter in Ägypten Befehle geben; er bietet uns für die Reise nach Kairo seinen Wagen an. Er hat auch den Handel um unsere Pferde für den morgigen Ritt abgeschlossen. Er ist reizend, herzlich etc. Ohne Zweifel gefallen ihm unsere Koffer. Ferner haben wir M. Gallis, den Chefingenieur der Armeen, den Bey Prestot etc. Um Dir von der Art, wie wir reisen werden, eine Vorstellung zu geben – man gibt uns Soldaten, um die Menge fernzuhalten, wenn wir am Fotografieren sind. Ich hoffe, das ist schick.
Man kann es, wie Du siehst, nicht besser haben. Was die Augenentzündungen angeht, so sind unter den Leuten, denen man begegnet, nur die der gemeinsten Klasse, wie man im Allgemeinen sagt, damit behaftet. M. Billemain, ein junger Doktor von hier, der seit fünf Jahren in Ägypten ist, sagte mir heute Morgen, er habe keinen einzigen Fall bei einem wohlhabenden Mann gesehen, auch bei keinem Europäer. Also beruhige Dich, fasse guten Mut, ich werde in gutem Zustand zu Dir zurückkehren.
Nun adieu, arme Mutter, es ist vier Uhr. Ich bin durch den Besuch des Bankiers M. Pastri in meinem Brief gestört worden. Er soll uns unser Geld zukommen lassen und unser Gepäck expedieren, wenn wir etwa eine Mumie nach Frankreich schicken.
Wir gehen gleich zu unserm Freund Soliman, um uns einen Brief für morgen zu holen. Er ist an den Gouverneur von Rosette gerichtet, damit er uns bei sich, das heißt in der Festung, allem Anschein nach dem einzigen bewohnbaren Ort, beherbergt. Wir hatten die Absicht, bis Damiette zu gehen, da man uns aber gesagt hat, es sei zu Pferde wegen des Sandes zu anstrengend, so haben wir auf die Partie verzichtet; wir werden von Kairo aus mit dem Schiff reisen. Du siehst, wir sind nicht eigensinnig. Unser Prinzip ist, die Meinung kompetenter Leute zu hören und uns wie zwei Frömmler zu schonen. Adieu, tausend Küsse, arme alte Mutter; küsse die Kleine für mich. Schreib mir recht lange Briefe. Ich presse Dich zum Ersticken an mich. Dein Dich liebender Sohn.
An dieselbe.
Alexandria, Donnerstag, d. 22.November
Ich schreibe Dir, liebe alte Mutter, in großer Toilette, schwarzem Rock, weißer Weste, offenen Schuhen usw. wie ein Mann, der eben einem Premierminister Besuch gemacht hat. Wir kommen diesen Moment von Hartim Bey, dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, dem wir durch den Konsul vorgestellt worden sind, und der uns ausgezeichnet empfangen hat. Er wird uns für unsere ganze Reise einen sorgfältigen Firman geben. Wir werden hier auf unglaubliche Weise empfangen. Es sieht aus, als wären wir Fürsten, das ist kein Scherz. Sassetti wiederholt es immer wieder. Einerlei, ich kann sagen, einmal in meinem Leben habe ich zehn Sklaven zu meiner Bedienung gehabt und einen, der mir die Fliegen vertrieb. Das ist ihm wirklich passiert.
Nächsten Montag fahren wir zu Schiff auf dem Nil bis Kafresahiah; von dort werden wir bis Mansurah drei Tage zu Pferde haben, um dann nach Damiette wieder eine Canja zu nehmen, und von Damiette aus nach Kairo hinaufsteigen. Diese kleine Expedition in Unterägypten ist eine Sache von vierzehn Tagen. Während dieser Zeit werde ich Dir wahrscheinlich nicht schreiben können, arme Mutter, denn in Damiette ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass wir eine Gelegenheit nach Alexandrien treffen, und wir können nach dem Aufbruch des Kuriers in Kairo eintreffen. Also fasse Dich in Geduld, liebe Mutter, beunruhige Dich nicht. Ich weiß nicht genau, wann Du meinen nächsten Brief erhalten wirst. Das Boot von Beyruth nach Alexandria hat auf eine Reise von sechsunddreißig Stunden durch die Westwinde drei Tage Verspätung gehabt. Du siehst, tausend Ursachen können die Ankunft der Briefe verspäten.
Heute haben wir Tarbuschen eingekauft. Das sind kleine rote Mützen mit Seidentroddeln, und wir tragen schon die ägyptische Kopfbedeckung, während wir noch auf den Rest der Ausrüstung warten, die wir erst in Kairo kaufen.
Heute Morgen haben wir mit unserm Freund Soliman Pascha bei dem Chefingenieur M. Gallis gefrühstückt, und heute Abend gehen wir in die Oper. Du siehst, bis jetzt ist unser Dasein nicht sehr hart, obgleich wir die Wüste durchquert haben.
Es ist sechs Uhr, wir wollen dinieren; heute Abend oder morgen früh werde ich meinen Brief noch einmal wieder vornehmen und Dir unsere kleine Expedition nach Rosette erzählen.
Freitagmorgen.
Wir sind letzten Sonntag mit Tagesanbruch gesattelt, bestiefelt, angeschirrt, bewaffnet mit vier Leuten aufgebrochen, die uns zu Fuß laufend folgten, während unser Dragoman, mit unsern Mänteln und unsern Vorräten beladen, auf seinem Maultier ritt und wir unsere drei Pferde mit Hilfe eines einfachen Halfters lenkten. Sie sahen wie Schindmären aus und waren dagegen ausgezeichnete Tiere. Mit zwei Sporentritten brachte man sie in Galopp, und wenn man pfiff, standen sie ganz plötzlich still; um sie rechts oder links gehen zu lassen, genügte es, gegen ihren Hals zu drücken.