Bronzeschmuck und Eisenwaffen - Elmar Perkmann - E-Book

Bronzeschmuck und Eisenwaffen E-Book

Elmar Perkmann

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Beschreibung

Literarische Geschichten und Erzählungen zu den Ausgrabungen auf dem Peterbühel in Völs am Schlern mit Hintergrundwissen zur Bronze- und Eisenzeit

Das E-Book Bronzeschmuck und Eisenwaffen wird angeboten von und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Archäologie, Südtirol, Völs am Schlern, Der Peterbühel, Archäologie für Kinder

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Zum Autor

Elmar Perkmann. Ich bin pensionierter Mittelschullehrer und wohne in Völs am Schlern, Südtirol.

Weitere Informationen findest du unter folgender Adresse: https://www.elmar-perkmann.eu

Peterbühl in Völs am Schlern

Inhalt

Das Scheibchen-Rätsel oder: Sprung in der Zeit

Blutopfer auf dem Schal-Ern

Haus R:

Nach Albion ins Keltenland

Haus S:

Orr, der verkaufte Krieger

Gebäude D/T:

Haus der Schamanin

Haus A:

Das Amulett

Haus E:

Der Überfall

Haus Q:

Die Eroberung

Opferplatz der Rungg-Gemeinschaft

Die Räter

Die Römer auf dem Peterbühl

Das Haus am östlichen Abhang

600 n. Chr.: Die Äußere Mauer

Zum Hintergrund

Willkommen in diesem Geschichte-Labor!

Womöglich weißt du bereits, dass vor zweieinhalb Jahrtausenden auf dem Peterbühl das geheimnisumwitterte Volk der Räter sein Zuhause hatte. Vielleicht bist du als Völserin, als Völser sogar ein direkter Nachfahre dieser rätischen Ureinwohner! Das kann durchaus sein.

In den 1950er und 1990er Jahren fanden hier Ausgrabungen statt, die eine Reihe von Wohnhäusern ans Licht brachten. Sechs davon sind freigelegt worden. Du kannst am südlichen Hang ihre Kellergruben sehen, die inzwischen allerdings stark verwachsen sind. Weiter lassen sich eine innere und eine äußere Wehrmauer nachzeichnen, die den inneren Siedlungskern umschlossen. Sie sind etwa eintausend Jahre jünger und stammen aus dem frühen Mittelalter. Es gäbe auf dem Peterbühl noch eine Menge zu entdecken. Vielleicht erlebst du das aber ja noch - weitere Ausgrabungen sind geplant!

Durch die vielen teils überraschenden Funde hat man einiges über das Leben der alten Völser Räter erfahren. Vieles muss man sich aber buchstäblich zusammenreimen, da auf dem Peterbühl nichts Schriftliches gefunden worden ist, auch wenn die Räter prinzipiell durchaus schreiben konnten. Ein Alphabet hatten sie jedenfalls - siehe Seite 187.

Ich habe in den Erzählungen, die in diesem Buch gesammelt sind, versucht, das Leben der alten Räter und Räterinnen nachzuzeichnen. Am Ende des Buches findest du einige nützliche Angaben dazu. Die Illustrationen zeigen u.a. Abbildungen der Funde aus den erforschten Häusern.

Als Völser Nachgeborener freue ich mich, dich in unserer rätischen Vergangenheit begrüßen zu dürfen!

Elmar Perkmann

Das Scheibchen-Rätsel oder: Sprung in der Zeit

Anton M. ist in Völs zur Grundschule gegangen. In der fünften Klasse haben sich Dinge ereignet, die er sein Lebtag nicht vergessen wird: Er hat zusammen mit einem Schulkameraden eine Reise in die Zeit der Räter unternommen, 2.500 Jahre zurück in die Vergangenheit! Und das ohne die übliche Zeitmaschine, ihr wisst schon. Ob das denn überhaupt geht? Ja. Er ist der lebende Beweis.

Anton M. ist nun längst den Kinderschuhen entwachsen. Er studiert in Graz an der Technischen Universität Maschinenbau. Er freundete sich mit einer Filmemacherin an, die in der Grazer Media Fabrik Drehbuch studiert. Irgendwann erzählte er ihr von seinen fantastischen Erlebnissen in der Schulzeit. Die Regisseurin ermunterte ihn, seine Erinnerungen niederzuschreiben. Einen interessanteren Stoff für ein Drehbuch könne sie sich gar nicht vorstellen. Anton‘s Geschichte sei zu fantastisch, um sie einfach links liegen zu lassen.

Anton zögerte zuerst, willigte dann aber doch ein, auch um damit seinem damaligen Freund Caio, den er seit vielen Jahren aus den Augen verloren hatte, sozusagen ein Denkmal der Erinnerung setzen.

Das hier ist Antons Bericht. In diesen Tagen der frühen 2022er Jahre ist die Filmemacherin Astrid F. nun dabei, in der Media Fabrik das Drehbuch zu verfassen.

„Dann gehe ich‘s an. Mal schauen, was herauskommt...

Caio und seine Dohle

An seinem ersten Schultag in der Klasse erzählte die Lehrerin, dass Caio’s Eltern sich bald nach der Geburt getrennt hatten. Den Jungen hätten sie zu den Urgroßeltern auf eine abgelegene Alm in den ladinischen Bergen gegeben und dort „geparkt“. Die alten Leutchen lebten dort so gut wie ohne Kontakt zur Außenwelt abgeschieden in einer Almhütte. Sie waren schon in den Achtzigern, konnten sich aber in dieser Abgeschiedenheit auf 1.700 m selbst erhalten. Unglaublich.

Die Öffentlichkeit wurde auf diese Situation erst aufmerksam, als Caio‘s Urgroßmutter verstarb. Der Urgroßvater sah sich nicht in der Lage, den Jungen alleine zu versorgen und meldete sich bei der Gemeinde. Der verwahrloste Junge wurde daraufhin nach Völs geholt und bekam einen Pflegeplatz bei einer netten Völser Familie. Seine Mutter lebte, wie die Carabinieri in Erfahrung gebracht hatten, irgendwo in Übersee, während vom Vater überhaupt jede Spur fehlte. Eine Bergdohle, die in der Abgeschiedenheit anscheinend das einzige Lebewesen war, mit dem er sich unterhalten konnte, folgte ihm hinunter ins Tal. Die Pflegefamilie war bereit, Caio’s Begleiterin quasi als neues Haustier zu akzeptieren.

Caio kam während des laufenden Schuljahres in die zweite Grundschulklasse, obwohl er nach einer Einschätzung des Amtsarztes gut zehn Jahre alt sein musste. Es fehlten ihm jedoch so gut wie alle schulischen Grundvoraussetzungen.

Caio? Nun, er war ein verträumtes, sensibles Kind, schwarzhaarig, mit dunklen Augen und olivbrauner Haut. Ich kann mich daran erinnern, dass er sich beim Gehen ständig umdrehte, als ob er sich verfolgt fühlte. Kontakt hatte er eigentlich einzig und allein zu seiner Dohle. Da die Dohle schon wegen der Hygiene natürlich nicht mit in die Klasse durfte, saß sie während des Unterrichts auf einem der Fensterbänke und ließ das Geschehen in der Klasse nicht aus dem Auge.

Caio sprach kaum Deutsch. Seine Urgroßeltern hatten ausschließlich Ladinisch mit ihm gesprochen. Während die Lehrerin sich bemühte, dass wir ihn als Mitschüler akzeptieren, schaute dieser, in der ersten Bank sitzend und den Kopf auf die Unterarme gestützt, mit großen schwarzen Augen dahin und dorthin und schien vor allem an der ihm unbekannten Umgebung und den ihm fremden Gegenständen interessiert zu sein. Uns Mitschüler und Mitschülerinnen beachtete er nicht, als seien wir nicht vorhanden. Vom Vortrag der Lehrerin verstand er, wie man ihm ansah, kein Wort, und so viele Menschen auf einem Haufen hatte er offensichtlich noch nie gesehen.“

Es gibt ein Problem. Besser gesagt, Astrid hat eins. Sie bat mich, die Geschichte nicht als Ich-Erzählung zu schreiben. Sie bräuchte sie als möglichst sachlichen Bericht. Ich schreibe deshalb so weiter, als würde ichdas Ganze sozusagen von außen betrachten.

Die neuen Mitschüler begegneten Caio eher distanziert, auch weil er selbst so gut wie keine Anstalten machte, mit ihnen warm zu werden oder gar Freunde zu finden. Nachbarskindern fiel auf, dass Caio sehr gut mit Tieren konnte. Gleichgültig welche Kreatur es war, Hunde und Katzen, Kühe, Schafe, sogar Hühner liefen ihm zu und schienen sich bei ihm wohl zu fühlen, so als sei er einer der Ihren. Eine besonders enge Beziehung unterhielt er allerdings zu seiner Dohle, die wohl für längere Zeit das einzige Lebewesen war, zu dem Caio oben auf den ladinischen Bergen so etwas wie eine Beziehung hatte.

Die Lehrerinnen, vor allem die Integrationslehrerin, die sich sehr um den Jungen kümmerte, stellten fest, dass Caio trotz seiner schulischen Defizite ausgesprochen leicht lernte. Alles Neue saugte er begierig auf. Er war schon nach wenigen Monaten imstande, sich in Deutsch zu unterhalten. Damit brach auch der Damm zu den Mitschülern, und die Buben fingen langsam an, ihn als neuen Mitschüler zu akzeptieren.

Seine besonderen Fähigkeiten machten den einen und Anderen neugierig, wenn sie manchen auch verunsicherten. So war er imstande, gewisse Dinge vorauszuahnen, die er eigentlich gar nicht wissen konnte. Richtig seltsam war das. Manch einer glaubte auch, dass Caio trickst. Die Deutschlehrerin sprach einmal Caio‘s besondere Gabe an. „Das klingt für euch vielleicht kompliziert“, meinte die Lehrerin. „Aber es ist so, dass es nicht nur das gibt, was wir sehen und anfassen können, Kinder. Stellt euch einmal, sagen wir, eine Fledermaus, eine Biene oder meinetwegen einen Delphin vor. Diese Tiere sehen Dinge, die wir überhaupt nicht wahrnehmen können, stimmt’s? Für die schaut die Welt total anders aus als für uns. Und so ist es auch bei manchen Menschen, dass sie in eine andere Welt hineinsehen können. Caio, du bist wohl einer davon.“ Caio beobachtete aber gerade seine Dohle auf dem Fensterbrett. Im Übrigen verwies sie auf die Religionslehrerin, die diese Dinge besser erklären könne.

Rita, die Religionslehrerin, griff das Thema auf. Ihrer Erfahrung nach haben Kinder in ihrem Alter häufig lebhafte Träume, sagte sie, die sich oft anfühlten wie Wirklichkeit. Oft gäbe es auch Ahnungen, die sich dann in der Wirklichkeit bewahrheiten. Das sei nichts Außergewöhnliches, verliere sich aber im Lauf der Pubertät. Erwachsenen passiere das so gut wie nie. Sie forderte die Kinder auf, sich einmal daraufhin zu beobachten. Einzelne Schülerinnen konnten das gleich bestätigen. Die Lehrerin meinte, dass Caio wohl wegen seines Lebens in der Einsamkeit diese Fähigkeit besonders entwickelt habe. Die coolen Jungs hörten sich alles an, ohne im geringsten zu stören. Der eine und andere nickte ab und zu. Also waren auch sie nicht weit weg davon. Einer der Jungen fragte, ob Caio‘s Dohle dabei eine Rolle spiele. Er habe einmal einen Film gesehen, wo ein schwarzer Vogel einem Zauberer die Zukunft zugeflüstert hat. Möglich, meinte die Lehrerin. Tiere seien ja sozusagen Grenzgänger. Sie bewegen sich zwischen den Welten. So habe der germanische Gott Thor mit Hilfe seiner beiden Raben Hugin und Munin eine Brücke zwischen der Welt der Götter und der Welt der Menschen geschaffen. Hexen bedienen sich in den Märchen einer schwarzen Katze. Caio beteiligte sich an diesem Gespräch nicht. Er schaute vielmehr der Dohle zu, die unbeweglich auf dem Fensterbrett hockte und nur ab und zu den Kopf schief stellte, so als würde sie das Gespräch in der Klasse interessieren.

Eines Tages kam die Deutschlehrerin beim Stundenwechsel nicht. Caio hatte wie üblich die ganze Zeit seine Dohle im Auge, die vor dem Fenster hockte und ab und zu, warum auch immer, einen schrillen Pfiff ausstieß. Plötzlich holte er seelenruhig sein Jausenbrot aus seiner Dose und begann es genüsslich zu verspeisen. Alle blickten zu ihm hin. Was dem nur wieder einfiel! Als sein Banknachbar ihn anstieß und ihn daran erinnerte, dass die Pause erst nach der Deutschstunde sei, schaute Caio nur kurz auf und sagte, als sei es das Natürlichste von der Welt: „Die nicht kommt. Die Spital.“ Es stellte sich heraus, dass es tatsächlich so war. Die Lehrerin eines anderen Klassenzugs kam in die Klasse und teilte den Kindern mit, dass es sich um einen Notfall handelte und die Lehrerin zu ihrer kranken Mutter ins Spital gerufen worden war, da sich ihr Zustand verschlechtert habe. Solche Dinge ereigneten sich immer wieder. Caio schien tatsächlich eine Art Sechsen Sinn zu haben.

Der Fund

Caio war wegen seiner erstaunlichen Fortschritte in allen Fächern bald nach Beginn des Schuljahres in die vierte Klasse versetzt worden. Er lebte sich dort sehr schnell ein und fand unter den Mitschülern sogar Freunde.

Ab und zu kam es vor, dass seine neue Klasse einen Ausflug auf den Peterbühl unternahm, einfach um einmal eine lockere Stunde zu haben. Die Lehrerinnen gaben den „Peatrpiel, Peatrpiel“-Rufen am Nachmittag oft nur zu gern nach. Bis zum Bühel waren es ja nur ein paar Schritte und dort konnten ein paar Spiele gemacht werden. Die Integrationslehrerin war richtig gut darin und hatte stets was Neues auf Lager.

Caio setzte sich einmal ab und ging seiner Wege. Die Dohle saß auf einem der Äste am Baum vor dem „Bombenloch“ und behielt die Umgebung im Auge. Caio seinerseits wühlte da und dort in der Erde, zeichnete mit einem Stöckchen Buchstaben, die er im Unterricht kennengelernt hatte in den Sand und stellte mit einem langen Strohhalm den Feuerwanzen und Grillen nach.

Plötzlich stieß Caio, es war am südlichen Abhang, unerwartet auf einen Gegenstand. Er stutzte, schaute noch einmal genauer hin und kratzte dann in fieberhafter Eile ein Tonscheibchen in Größe und Form einer 2-Euro-Münze aus dem Boden. Er hielt es gegen das Licht und betrachtete seinen Fund von allen Seiten. Die Lehrerin hatte Caio’s Aufregung bemerkt und war nähergekommen. Sie meinte, das könne durchaus eine uralte Tonscherbe aus der Zeit sein, als der Peterbühl noch bewohnt war. Demnach könnte sie ohne weiteres bei 2.500 Jahre alt sein! Ein paar Schüler wurden neugierig und hörten zu, wie sich die Lehrerin mit Caio unterhielt. Die Aufregung schien sogar die Dohle erfasst zu haben. Sie erhob sich und umkreiste die Fundstelle. Caio steckte seinen Fund schließlich in die Hosentasche. Zuhause legte er ihn aufs Nachtkästchen. Er hatte eine außerordentliche Freude mit diesem unscheinbaren braunen Scheibchen.

Einmal musste er in der Nacht aufs Klo. Da fiel ihm auf, dass das Scheibchen in einem grünen Schein fluoreszierend leuchtete. Nicht nur das! Es wechselte den Ort und folgte ihm wie ein leuchtender grüner Punkt überall hin. In dieser Nacht hatte der Junge einen seiner lebhaften Träume. Ihm träumte, dass sich auf dem Scheibchen das Gesicht eines Kindes abzeichnete, das sich bemühte, mit ihm zu sprechen. Von dem, was das Scheibchen-Gesicht flüsterte, konnte er aber kein Wort verstehen. Da nahm das Gesichtchen einen traurigen Ausdruck an und verblasste.

In den folgenden Nächten träumte Caio nichts Besonderes. Irgendwann an einen der nächsten Tage erschien ihm das Gesichtchen wieder im Traum. Mit demselben Ergebnis. Es wandte sich traurig ab und verblasste.

Als sich das Kindergesicht auf der Münze eines Nachts von Neuem zeigte, begann Caio mit einem Versuch. Und siehe da, das Kind stieg darauf ein! Nacht für Nacht entwickelten die Beiden eine neue Sprache, die eine Verbindung aus ihren beiden Sprachen war. Caio war total verblüfft, dass das Gesichtchen gewisse Begriffe nahezu gleich verwendete wie er im Ladinischen. Schon nach wenigen Begegnungen, die nun Nacht für Nacht erfolgten, konnten die Beiden einfache Gespräche führen. Caio verstand nun endlich, was das Kind ihm die ganze Zeit mitzuteilen versuchte:

Das Tonscheibchen, das Caio auf dem Peterbühl gefunden hatte, war in Wirklichkeit der Junge aus der Traumwelt in einer verwunschenen Gestalt! Dieses Tonscheibchen, sagte Kert, das war sein Name, sei eines von sechsundvierzig. Es seien die von einem Magier der Rungg-Gemeinschaft verwunschenen sechsundvierzig Bewohner der Peterbühl-Gemeinschaft.

Unglaublich! Er, Caio, war einem geheimnisvollen Zauber auf der Spur!

Die Rungg-Gemeinschaſt

Caio wurde klar, dass es sich um eine längst vergangene Welt handelte, aus der ihm der Junge, der inzwischen sein nächtlicher Freund geworden war, berichtete. Die Rungg-Gemeinschaft war vor zweieinhalbtausend Jahren eine große Siedlung gewesen, dort, wo sich in Caio’s Gegenwart das Rungger Egg bei Seis befindet. Die Siedlung in Völs, der er, Kert, mit fünfundvierzig weiteren Menschen angehörte, war die Peterbühl-Gemeinschaft. Der Junge in Caio’s Traum berichtete davon, dass die Rungg-Gemeinschaft den Kupferwarenverkehr mit dem Ritten, den die Peterbühl-Gemeinschaft kontrollierte, unter ihre eigene Kontrolle bringen wollte. Kupfer, das war damals ein äußerst wichtiges Metall. Ohne Kupfer gab es auch keine Bronze. Da Verhandlungen zu nichts führten, hat die Rungg-Gemeinschaft zu diesem Mittel gegriffen. Sie hat die Peterbühl-Bewohner mit Hilfe ihres Magiers mit einem mächtigen Zauber belegt. In einer kriegerischen Auseinandersetzung sind die Häuser am Peterbühl von Rungg-Kriegern mit Brandpfeilen in Schutt und Asche gelegt worden.

Das Kind schien in Erinnerung an diese schlimmen Ereignisse sehr traurig geworden zu sein. Sein Gesicht auf dem Scheibchen verblasste nach und nach. Der grüne Schimmer erlosch.

Der Zauber

In der übernächsten Nacht tauchte Kert in Caio’s Traum von Neuem auf. Das Kind teilte ihm Folgendes mit:

Nur ein Menschenwesen aus einer fernen Zukunft sei in der Lage, diesen mächtigen Zauber zu brechen. Die Zauberwirkung habe ein Ausdehnungsfeld von einhundert Generationen, umfasse also einen ungeheuer großen Zeitraum. Die Macht des Zauberers sei jedoch nicht unbeschränkt: Nach einhundert Generationen bestehe die Möglichkeit, den Zauber zu brechen. Das sei aber nur von genau der Stelle aus möglich, wo sich der Brennpunkt dieses Zaubers befand. Die einzige Möglichkeit, mit einem Menschen, der in einhundert Generationen auf den Peterbühl komme, in Kontakt zu treten, laufe über Träume. Die im Zauberschlaf liegende Peterbühl-Gemeinschaft habe sich schon längst mit ihrem Los abgefunden, sagte Kert traurig. Er und eine Freundin wollten jedoch nicht aufgeben. Sie suchten einen Weg, um ein Kind in der Zukunft zu finden, das über das Medium des Wachtraums erreichbar ist. Nein, sagte Kert auf Caio’s Frage. Erwachsene seien auf diesem Weg nicht erreichbar, da sie die Fähigkeit des Traumkontaktes im Lauf des Erwachsen-Werdens verlieren. Das müssen Kinder heran, Kinder wie er, Caio! Es gebe aber auch unter Kindern nur ganz wenige, die über diese Fähigkeit verfügten. Die meisten Kinder der Zukunft seien, wie die Erwachsenen, durch die Magie von modernen Handgeräten und Traumflächen abgelenkt und nicht mehr erreichbar. Caio verstand, dass Kert in ihrer gemeinsamen Kunstsprache von Handys und Fernsehern sprach. Die Zauberkraft des Zauberers von Rungg habe nun nach einhundert Generationen zwar nachgelassen, sei aber noch nicht vollständig erloschen. So bestünde eine gewisse Möglichkeit, die Peterbühl-Gemeinschaft zu erlösen. Mit seiner Mithilfe allerdings. Sonst gebe es keine Chance!

Die Lösung des Zaubers

„Falls du mir und meiner Gemeinschaft helfen willst,“ sagte Kert, „musst du dort in Rungg beim Rungger Egg den alten Brandopferplatz aus meiner Zeit aufsuchen.“ Caio sagte: „Aber logo! Ich mache das!“ Er, Kert, müsse ihm aber dabei helfen, das Urnengrab zu finden: „Darin befindet sich das Zaubermedaillon des Magiers. Dieses Amulett muss, um den Bann zu brechen, vernichtet werden. Es kann aber nur dadurch zerstört werden, dass man es dem Licht des Vollmondes aussetzt.“

Kert schaute Caio gespannt an. Caio hat wie gebannt zugehört. Er hatte begriffen. Es würde an ihm liegen, die verwunschene Peterbühl-Gemeinschaft aus dem Zauberschlaf zu wecken. „Ja!“, sagte er noch einmal fest. Er würde Kert helfen! Plötzlich zeigte sich im Traum ein zweites Gesicht! Es wurde aber nicht deutlich und schien wie aus einem Nebel zu quellen, ein Mädchen mit struppigem Haar und leuchtend blauen Augen. „Das ist Auri, meine Freundin“, sagte Kert. Sein Gesicht lächelte sanft.

Da löste sich das Traumbild ohne Vorwarnung auf. Anna, die Ziehmutter, war ins Zimmer gekommen, um Caio zum Frühstück zu rufen. Damit hat sie den Traumkontakt beendet.

Anton, der Freund

Caio hat in seiner neuen Klasse Freunde gefunden. Er tat sich dabei aber wirklich nicht leicht. Er wurde wegen seiner fremdartig klingenden Sprache und der Dohle gehänselt, auch wenn die Lehrerinnen das zu verhindern versuchten. Zudem war er für die harten Jungs zu träumerisch und uncool, dieser fremdartige Junge mit den seltsamen Fähigkeiten. Er war schwer einzuschätzen und wollte wohl etwas Besonderes sein. Einige Mädchen schienen sich jedoch für ihn zu interessieren und beäugten ihn aus den Augenwinkeln. Ein Mtschüler mit einer Dohle. Das war schon etwas Besonderes.

Es war vor allem Anton, selbst einer, der Anschlussprobleme hatte und irgendwann mit Caio eine enge Freundschaft schloss. Was da war? Anton trug eine Zahnspange. Was bei Mädchen zumeist noch mit leichtem Anpöbeln abging, trug ihm bei den Jungs höhnische Kommentare ein. Keiner wollte sich mit Anton abgeben, zumal seine Zahnspange ihren Träger dazu veranlasste, gewisse Laute irgendwie komisch auszusprechen, und, noch schlimmer, ab und zu auch zu spucken (natürlich ist mir das peinlich zuzugeben).

Caio berichtete dem neu gewonnenen Freund irgendwann während der Pause von seinem bis dahin eisern gehüteten Geheimnis. Als Anton neugierig wurde, zeigte er ihm das Scheibchen, das er wie einen Schatz in einer Zündholzschachtel immerfort mit sich führte. Seinen Zieheltern hatte er noch nichts davon erzählt, obwohl sie freundlich waren und sich um Caio, das Waisenkind aus den Bergen, hingebungsvoll kümmerten. Anton fragte irgendwann seine Eltern, ob Caio bei ihnen übernachten dürfe. Das stellte kein Problem dar. Auch Caio’s Zieheltern hatten nichts dagegen. Im Gegenteil. Sie waren froh, dass der schwierige Junge nun nach mehreren Wochen endlich Anschluss gefunden hatte.

Es war die Zeit des vollen Mondes gekommen. Die beiden Jungs saßen in Antons Zimmer, wo Anton seinem neuen Freund seine Spielsachen vorführte. Caio interessierte sich aber nur am Rand dafür. Die Familie war schon zu Bett gegangen. Für den Besucher war Antons Couch hergerichtet, nachdem dieser alle seine chaotisch durcheinander liegenden Spielsachen abgeräumt hatte. Durch das Fenster schien der Mond wie ein Scheinwerfer auf die gegenüberliegende Wand, sodass Anton das Licht ausmachte. Das Zimmer erstrahlte in hellem Schein. Caio hatte seinen Schatz, die Streich-holz-schachtel mit dem Scheibchen, auf das Tischchen neben der Couch gelegt und aufgeschoben, sodass es im hellen Mondlicht lag. „Da schau!“, flüsterte Anton, der das Ritual gespannt verfolgte, plötzlich mit unterdrückter Stimme. „Schau mal, das Scheibchen!“ Tatsächlich! Das Scheibchen war von einem geheimnisvollen grünen Schein umgeben. Anton war, als ob sich auf der Oberfläche ein Gesicht zeigte, das lautlos zu sprechen schien. Dann verblasste das Gesichtchen nach und nach und war dann nicht mehr zu sehen. Das Scheibchen hatte die Farbe des Tons angenommen, braun, erdig und unscheinbar.

Anton, Caio und Kert, der Räter-Junge

Es war ein Wunder! In dieser Nacht träumten die Buben von Kert. Beide! Kert war Anton aus Caio’s Erzählung beinahe schon vertraut. Sogar mit Kert’s Sprache kam er nun relativ gut zurecht. Auch für Kert schien Anton kein Fremder zu sein.

Er sagte, die Kinder sollten in der folgenden Nacht auf den Peterbühl gehen, genau zu der Stelle, wo Caio damals das Scheibchen, sein Scheibchen! gefunden hatte. Ob sie sich trauten?

Die beiden Buben tauschten am Morgen ihre Träume aus. Anton konnte es fast nicht glauben, dass er sich problemlos in Caio’s Welt begeben konnte. „Derselbe Traum! Wo gibt es das denn? Das ist doch nicht normal!“ Er war wie aus dem Häuschen. „Es ist fast so, als ob wir drei über Zoom oder Teams oder so zusammengeschaltet wären, nicht?“

Caio war erleichtert. Er war echt froh, dass auch der Freund die Fähigkeit zu haben schien, sich in den Traum einzuklinken. Sie besorgten sich im Spar-Laden Taschenlampen, die Anton großzügig aus seinem Taschengeld bestritt. Trotz des Vollmondes gab es auf dem Bühel bestimmt Stellen, die im Dunkeln lagen.

In der Zwischenzeit träumen sie beide, getrennt in ihren Wohnungen, auf geheimnisvolle Weise aber doch im Traum vereint, immer wieder von einem gemeinsamen Zusammensein und lernten sich immer besser zu verständigen. Kert erzählte auf Nachfrage der Beiden vom Leben in seiner Zeit. Umgekehrt wollte er von seinen Freunden erfahren, wie es in der Zukunft sein wird. Irgendwann verriet er, dass sein Volk von den Eroberern, den Römern, „Räter“ genannt wurde. Römer, Räter, Eroberer. Die beiden Jungs waren mitten in einer total spannenden Welt gelandet! Da brauchte es keine Abenteuerbücher mehr. Die Wirklichkeit toppte alles!

In der Schule fiel Mitschülern und Lehrern auf, dass sich die beiden Buben immer stärker absonderten. Es schien, als verbinde sie ein gemeinsames Geheimnis. Bei einer wöchentlichen Fragestunde konnten die Kinder Fragen, die sonst in keinem der Schulfächer Platz fanden, auf Zettel schreiben. Caio schrieb auf den seinen: „wehr waaren di räter bite“ Nach einigen anderen Zetteln zog die Lehrerin Caio’s Zettel und wusste gleich, von wem er stammte. Sie sagte, sie wisse nicht gerade viel über dieses Volk, versprach aber, sich genauer über die Räter zu informieren und dann in der Geschichtsstunde (GGN) darüber zu berichten.

Das passierte dann auch. Die Lehrerin sagte, dass viele Südtiroler von den Rätern abstammten. Es sei ein mächtiges Volk gewesen, das vor 2000 Jahren aber schließlich von den Römern besiegt worden sei. Direkt vor der Haustür, auf dem Peterbühl, habe es eine Siedlung der Räter gegeben. Im kleinen Archäologischen Museum in der Michaelskapelle seien Fundgegenstände ausgestellt, die in den 1950er Jahren bei Ausgrabungen gefunden worden sind.

Urzeit! Ausgrabungen! Schätze! Die Kinder fanden das alle so spannend, das mit dem mächtigen Volk der Räter, dass schließlich beschlossen wurde, einen Lehrausflug nach Sanzeno zu unternehmen, in eines der Zentren der Räter nicht weit entfernt im Nonstal. Sie, die Völser-Kinder, Abkömmlinge des mächtigen Volkes der Räter! Das hatte schon was!

Unternehmen bei Vollmond

Der Mond hatte sich wieder gerundet und strahlte aus einem wolkenlosen, kobaltblauen Himmel. Die beiden Jungs waren bestens gerüstet und fieberten dem nächtlichen Ausflug auf den Peterbühl entgegen. In der vergangenen Nacht hatten sich die Beiden im Traum mit Kert verbunden. Als Kert von diesem Schulausflug auf den Peterbühl erfuhr, bat er die Jungs inständig, Auri’s

Scheibchen zu bergen. Darin sei, genauso wie bei ihm, ihr Wesen in verzauberter Form eingeschlossen. Damit könne seine Freundin aus dem Zauberschlaf erwachen und er würde sie nach zweieinhalb Jahrtausenden, wenn auch noch in ihr Scheibchen eingeschlossen, endlich, endlich wiedersehen. Wie abgesprochen ließ jeder der beiden Abenteurer nach dem Schlafengehen noch einige Zeit verstreichen, um die Eltern nicht zu alarmieren. Anton überwand sich und las seiner kleinen Schwester ein Märchen vor. Seine Auswahl war aber nicht unbedingt auf ein kleines Mädchen zugeschnitten, für ihn selbst schien es aber passend: „Von einem der auszog, das Fürchten zu lernen“. Das hatte zur Folge, dass er erstens das Vorlesen unterbrechen und zweitens erhebliche Anstrengung aufwenden musste, um die kleine Schwester soweit zu beruhigen, dass die Eltern blieben, wo sie waren, und die Kleine einschlief.

Die Turmuhr an der Pfarrkirche schlug zehn Uhr. Die Buben stahlen sich heimlich aus der Wohnung, der eine von da, der andere von dort. Caio, der jeden Baum mühelos hinauf- und herunterklettern konnte, rutschte mit Hilfe des Dachrohrs nach unten. Am Abend zuvor hatte er für die letzten zwei Meter vorsorglich eine Bank aufgestellt, die dort an der Bushaltestelle stand. Anton hatte es, wie berichtet, etwas schwerer, da seine kleine Schwester einfach nicht auf Befehl einschlafen wollte. Zusammen mit seiner Katze, die ihm überallhin folgte, schafft er es schließlich doch, sich beim Zehn-Uhr-Schlagen aus dem Zimmer zu stehlen und die Wohnung unentdeckt zu verlassen. Ein Schreck durchfuhr ihn, als er merkte, dass er die Wohnungstür ins Schloss gezogen hatte. Er hatte sich ausgeschlossen! Zum Glück fiel ihm das Schlüsselversteck im hohlen Stein in der Blumenkiste links vom Eingang ein.

Die Beiden hatten ausgemacht, unter der Bettdecke einen Zettel mit der harmlosen Notiz zu hinterlassen: „Ich bin nur Sterne schauen gegangen“. Die Handys ließen sie zurück, um nicht angerufen werden zu können. Treffpunkt der nächtlichen Ausreißer war der Florerhof. Das Signal: dreimal blitzen – Pause – dreimal blitzen.

Da näherte sich Anton plötzlich ein geisterhafter Schein, der hin und her irrte, einmal ein paar Bäume beleuchtete, dann wieder verschwand. Ein Knacken. „Anton, bist du’s?“ Wie gut er inzwischen Deutsch sprach! „Ja, ja. Hierher. Hier bin ich“, sagte er äußerst intelligent, da sich Caio sowieso am Lichtstrahl der Taschenlampe orientierte. Die Kühe vom Florerhof schnaubten und klirrten unruhig mit ihren Ketten wegen der ungewohnten Störung. Noch war es stockfinster. Der Mond würde erst später aufgehen, das wussten sie. Hinter dem Tschafon bildete sich ein erster Schimmer. Brrrr! Unbekannte Nachtgeräusche. Jeder ihrer Sinne war bis aufs Äußerste angespannt. Die Lichtkegel eines Autos näherten sich und bogen zum Sportplatz ab.

Im Licht ihrer Taschenlampen fanden sie das Gatter im Zaun, der den Peterbühl umgibt, um die Ziegen am Ausbüxen zu hindern. Anton zog es vorsichtig auf, während ihm Caio leuchtete. Es gab beim Öffnen ein erbärmliches Quietschen von sich. Caio hielt das Gatter fest, dass es nicht zuschlug. Es war kühl, November. Ein matter Lichtschein drang vom Dorf zu ihnen herüber. Das Scheibchen brannte in Caio’s Hosentasche. Anton‘s Katze strich herum, ihre Augen leuchten. Einige späte Blätter fielen raschelnd zu Boden, sodass die Buben erschreckt innehielten. Endlich waren sie am sogenannten Bombenloch und standen nach einigem Suchen exakt an der Stelle, wo Caio das Scheibchen gefunden hatte. Da war er sich ganz sicher.

Da ging hinter dem Tschafon mit einem Mal der Mond auf, als hätte jemand einen gigantischen Bühnenscheinwerfer eingeschaltet. Fahles Licht überflutete den Hügel. Caio hockte sich nieder, fasste sich ein Herz und fing im strahlenden Mondlicht mit seiner kleinen Gartenschaufel im Boden zu graben an. Es ging leichter als gedacht. Obwohl der Hügel ausgesprochen felsig ist, gab es hier eine Stelle mit brösligem Material. Da war bestimmt eine Behausung darunter, die noch nicht ausgegraben worden ist!

Da, plötzlich ein matter, grünleuchtender Schein! „Das ist es! Das ist es!“, flüsterte Caio mit erregter Stimme. Ja, da war es! Keiner traute sich, das verwunschene Scheibchen anzufassen. Ob der Fluch dann auf sie übersprang? Caio wagte es schließlich und legte das Scheibchen mit dem darin eingeschlossenen Mädchen auf seine Handfläche. Es fühlte sich warm, beinahe samtig an. Nein, es ging keinerlei Bedrohung von ihm aus. Die Buben atmeten auf. Anton überwand seine Angst und nahm das Scheibchen, das bestimmt Kert’s verzauberte Freundin war, nun auch vorsichtig zwischen zwei Finger. Nichts passierte. Da schob es Caio zum andern Scheibchen in die Streichholzschachtel. Sofort flammte um die beiden Scheibchen ein gemeinsames, grün leuchtendes Feld auf. Sie begannen hell zu strahlen, erschreckend und faszinierend zugleich! Wie gebannt beobachteten Caio und Anton das Geschehen.

Nach einer Weile, die den Buben unglaublich lang vorkam, stellten die beiden Scheibchen plötzlich ihr Leuchten ein. Was war geschehen? Warum leuchteten sie nicht mehr? Nachdenklich schob Caio die Schachtel zu und steckte sie zurück in die Hosentasche.

Die Jungen machten sich schweigend auf den Heimweg. Die Taschenlampen brauchten sie nun nicht mehr. Es war so hell geworden, dass sie den Weg auch ohne fanden. Caio prüfte unterwegs immer wieder, ob das mysteriöse Leuchten der beiden Scheibchen zurückgekehrt war, aber nein. Alles war so, als wäre es nie anders gewesen. Die Scheibchen lagen braun und reglos auf ihrem Wattebettchen in der Zündholzschachtel.

Die Buben schafften es schlussendlich, jeder für sich, sich unbemerkt in ihre Wohnungen zurück zu stehlen.

In der Nacht träumen beide denselben Traum: Kert und Auri, die beiden Kinder aus rätischer Zeit, sprachen zu ihnen. Sie dankten für ihr Vertrauen und dass sie nun zueinander gefunden hatten nach so unendlich langer Zeit, wenn sie auch noch in den Scheibchen gefangen waren. Sie waren aber auch sehr traurig darüber, dass die andern vierundvierzig Bewohner der Peterbühl-Siedlung nicht einmal so weit kommen hatten können, dass sie aus dem Zauberschlaf erwachten. Sie blieben nach wie vor verschollen. Niemand wusste, wo sie abgeblieben waren.

Entdeckung im Archäologischen Museum

Die Lehrerin hatte an dem Thema der Völser Vergangenheit offenbar auch persönliches Interesse gefunden. Zudem war es immer lohnend, in der Schule an Projekten zu arbeiten. Schüler lieben nun einmal Abwechslung. Für Neues und Ungewöhnliches sind sie leicht zu begeistern. Sie durchstöberte das Internet, war einige Male in der Teßmann-Bibliothek in Bozen und kam mit immer neuen Erkenntnissen, die sie den Schülern und Schülerinnen in GGN mitteilte.

„Hört einmal her“. Die Lehrerin tat geheimnisvoll. „Am kommenden Donnerstag gehen wir ins Archäologische Museum“. Erfreutes Gemurmel in der Klasse. Dort seien einige Fundstücke aus Ausgrabungen ausgestellt, die in den 1950er und 1990er Jahren am Peterbühl durchgeführt worden sind. Nein, sie brauchten nicht mitzuschreiben, sollen dafür aber aufpassen und Fragen stellen. Der Kurator sei selbst Lehrer in Pension und würde alle ihre Fragen beantworten.

Donnerstag. Es sind lediglich ein paar Dutzend Schritte von der Grundschule zum Dorfplatz und zur Michaelskapelle. Herr Jan Ek, der Kurator des Archäologischen Museums, begrüßte alle herzlich. Er sagte, er fühle sich wieder in die Schule zurückversetzt. Er hatte in der Mittelschule in Kastelruth unterrichtet. Die Lehrerin kannte er von daher, auch einige der Schüler. „Schaut euch ruhig um“, sagte er. „Ihr sehr die Beschriftungen an den Vitrinen. Seid so nett und fasst nicht ans Glas. Wegen eurer Schmutzhände“, grinste er. „Und stellt euch vor, wenn eine Vitrine umkippt! Aber das Wichtigste: Ich bin mir nicht komplett sicher, aber in einer der Vitrinen, da scheint ein Spuk eingeschlossen zu sein.“ Und dann auf eine Nachfrage: „Nein. Ich weiß nicht, in welcher. Da wurde vor kurzem umgeräumt. Ich habe die Vitrine nicht markiert.“ So kritisch die Schüler auch schauten, sie konnten kein Anzeichen dafür entdecken, dass es Herr Ek sie nur verschaukeln wollte.

Die beiden Jungs, Caio und Anton, blieben dem Kurator auf den Fersen und löcherten ihn, wo sie konnten. So erfuhren sie durch ihr hartnäckiges Nachfragen, welches Herrn Ek das Gefühl gab, dass er es mit besonders