Brückentage - Michael Teubert - E-Book

Brückentage E-Book

Michael Teubert

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Beschreibung

Nach seinen ersten beiden Bucherfolgen widmet sich Michael Teubert nun einem weiteren, aktuellen und hochbrisanten Thema. Obdachlosigkeit, Armut und ihren gesellschaftlichen Zusammenhängen. In Zeiten der nahezu unbegrenzten Zuwanderung scheinen sie irgendwie auf der Strecke zu bleiben - die fast 50.000 Menschen sämtlicher Altersstufen, die in unserem Lande ohne ein Dach über dem Kopf dahinvegetieren. Unbeachtet und ohne jegliche Perspektiven leben sie mitten unter uns - verspottet, ausgelacht und im besten Falle übersehen. Michael Teubert macht sich auf den Weg mitten unter sie. Was er dabei entdeckt würden wohl die Wenigsten von uns erwarten. Güte, Herzlichkeit, Anstand und Offenheit. Begleiten wir einen modernen Denker auf seiner fast philosophischen Reise bis an die Grenzen des Sozialstaates und darüber hinaus.

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Für all die Menschen, die alleine gelassen sind – für die Menschen, die keine Feiertage zelebrieren können – die noch nicht einmal ihren eigenen Geburtstag begehen - vielleicht, weil sie ihn vergessen haben - und die am Ende ihres Daseins anonym bestattet werden – in Holzkisten aus dem Sonderangebot der örtlichen Zweigstelle irgend eines christlichen Baumarktkonzerns

 

„So sehr mich das Problem des Elends in der Welt beschäftigte, so verlor ich mich doch nie im Grübeln darüber, sondern hielt mich an den Gedanken, dass es jedem von uns verliehen sei, etwas von diesem Elend zum Aufhören zu bringen.”

Albert Schweitzer

Inhaltsverzeichnis

1.

Prolog

2.

Wer ist hier eigentlich asozial?

3.

Der Lösungsansatz Geld

4.

Mitten aus dem Leben

5.

Platte machen

6.

Das Helfersyndrom

oder: Ein Gedanke über den Ist Zustand

7.

Zander feiert

8.

Sachlagen

9.

Kleine Wahrheiten

10.

Ursachen

11.

Die Veränderungen

12.

Legal, illegal, ganz egal

Der Zusammenhang der Begrifflichkeiten

13.

Geschichten vom Bahnhof

14.

Alkohol

16.

Bestandaufnahmen

17.

Epilog

1. Prolog

Ich kenne Stefan schon seit einigen Monaten. Das erste Mal hatte ich ihn am Bahnhof in Dinslaken gesehen. Damals war es noch Sommer und so saß er dort – offensichtlich vollkommen betrunken und nicht mehr in der Lage, die Flasche mit dem billigen Fusel zu halten. Er hatte sie vor sich auf dem Boden platziert – sie war gerade einmal zu einem Viertel leer – wahrscheinlich war es nicht die Erste gewesen an diesem Tag.

Seinen Kopf hatte er gesenkt und die Arme waren auf die Beine gelegt, um seinem Körper ein wenig Halt zu geben. Offensichtlich war er eingeschlafen und der Alkohol hatte ihn müde gemacht.

Dort in diesem kühlen und glasbedeckten Pavillon, wo im Normalfalle die Passagiere im spielenden Licht des Schattens der Bäume auf den Zug warteten, war es auffällig leer gewesen an diesem Nachmittag.

Die Menschen standen außerhalb – die Meisten starrten stumm auf ihre Handys und Smartphones.

Nur ab und zu hatte sich ganz kurz ein verstohlener und unsicherer Blick auf diesen Mann verirrt - und wohl auch auf mich.

Ja - ich hatte anscheinend bei dem doch so sehr soliden Teil unserer Gesellschaft eine Art Verwirrung gestiftet als ich an diesem Tag zu diesem Mann gegangen war, ihn angestubst und nachdem er erschrocken aufgeschaut hatte, fragte, ob alles in Ordnung sei mit ihm.

Er war sehr überrascht gewesen und als er nach einer Schrecksekunde zu sich gekommen war, hatte er mir leise geantwortet: „Ja, danke – es ist alles okay.”

Fast ungläubig hatte er mich dabei damals angesehen – dies war ihm offensichtlich noch nicht so sehr häufig passiert – dass sich jemand nach seinem Befinden erkundigt hatte.

Noch Stunden später hatte ich in meinem Geiste noch seine Augen vor mir gesehen. Es waren sehr traurige Augen gewesen und sein Gesicht hatte für mich das ausgedrückt, was man vielleicht in Ansätzen mit den Begriffen Einsamkeit, Traurigkeit oder Hoffnungslosigkeit hätte umschreiben können.

Er musste irgendwann einmal recht gut ausgesehen haben – ein kleines, noch übrig gebliebenes Fragment seines Gesichtes sagte dies aus.

Aber ich hatte gemeint, noch mehr aus diesem unendlich traurigen Blick herausgelesen zu haben – und an diesem Tage hatte ich mich dann das erste Mal ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigt, niederzuschreiben, was einen Menschen in eine solche Lage bringt – ein „Penner” zu sein - aussortiert, verstoßen und von der Gesellschaft vergessen.

Natürlich - es musste ja eine Vorgeschichte gegeben haben. Zumindest hatte ich noch niemals davon gehört, dass man bereits als Penner geboren werden könnte.

In einem politischen Internet-Blog erhielt ich die Möglichkeit, einige meiner persönlichen Gedankengänge zu veröffentlichen und so nutzte ich diese Gelegenheit auch recht gerne, um meine Sicht der Dinge zumindest kurz zu erläutern.

Ja – ich gebe zu - es waren wohl auch ein paar betriebswirtschaftliche Überlegungen, die mich dabei angetrieben hatten.

Schriftsteller leben von dem Verkauf ihrer Bücher – und wohl auch nur solange, wie sie die erforderlichen und „politisch korrekten” Ergebnisse abliefern.

Nach einiger Überlegung entschied ich mich für die „Schlussgedanken” aus meinem letzten Buch - dies würde die Grundsätzlichkeiten noch einmal ansprechen und im besten Falle dafür sorgen, dass sich der Eine oder Andere vielleicht Gedanken darüber machen würde, dieses Buch zu lesen.

In diesem Bericht machte ich u.a. auch darauf aufmerksam, dass es in unserem Lande ca. 300.000 obdachlose und zutiefst verarmte Menschen gibt und es vielleicht an der Zeit sei, das mittlerweile staatlich angeordnete Gutmenschentum - inklusive der zutiefst verlogenen, mit von Kinderhänden hergestellten vietnamesischen Billigkerzen erleuchteten „Willkommenskultur” und ihrer linkisch gesteuerten Vorgehensweise- zumindest einmal kritisch zu hinterfragen.

Noch am gleichen Tage der Veröffentlichung entdeckte ich in einem Leserkommentar zum Thema die folgende Aussage: „Es mag ja durchaus richtig sein, dass es 300.000 Obdachlose in unserem Lande gibt. Zweifelsfrei sind diese jedoch zum größten Teil alkoholabhängig und faul. Denen ist nicht mehr zu helfen.”

Ich möchte dem Kommentator an dieser Stelle keinen Vorwurf machen – er hatte offensichtlich lediglich das beschrieben, was man ihm vermittelt hatte - das, was seine persönlichen und oberflächlichen Eindrücke widerspiegelte – und das, was seinem doch recht beschränkten Wissensstand entsprochen hatte – und wenn ich es recht überlege, bin ich diesem Menschen sogar ein wenig dankbar.

Sein Kommentar gab nämlich den letzten und entscheidenden Impuls zur Aufnahme der Arbeit an diesem Buch.

Nein – es gibt natürlich Menschen, die kann man nicht erreichen – aus welchen Gründen auch immer.

Aber – ich bin guter Hoffnung, einem nicht unerheblichen Teil der Leserschaft beschreiben zu können, welches unsagbare Elend und fürchterliche Leid sich mitten unter uns befindet – nicht beachtet und mit fadenscheinigen, oberflächlichen Begründungen schnellstens verdrängt.

Natürlich – dies ist einfacher – sollen sich doch „die Verantwortlichen“ darum kümmern.

Politische Vereinigungen mit sozialen und christlichen Namenszusätzen nebst äußerst üppig bezahlten, vollkommen talentabstinenten Laiendarstellern haben wir ja zur Genüge…

Und doch – eine entscheidende Frage bleibt: Wo ist dieses „christliche Wertesystem” geblieben? Ausgestorben, weggezogen, verhaftet oder in die Luft gesprengt? Man weiß es nicht.

Ein Wertesystem, welches vor wenigen Jahren noch diesen Namen verdiente, die Worte „Ethik” und „Moral” fundierte Begriffe aus dem heimischen Sprachschatz waren und für das sich unsere Väter, Mütter, wirkliche Politiker und große Staatsmänner mit ganzem Herzen einsetzten.

Haben wir nicht schon längst unsere ursprünglichen Werte entsorgt und ausgetauscht? Eingetauscht gegen Oberflächlichkeit, Borniertheit, irrsinnigem Konsum und im besten Falle heuchlerisches Mitgefühl?

Wo sind sie geblieben – all die zweitklassigen Serienschauspieler, die ach so intellektuellen Möchtegern-Musiker, Künstler und GEZ versorgten Berufslügner?

Jetzt wo es wirklich längst einmal darauf angekommen wäre, Charakter, wirkliches Mitgefühl und Hilfsbereitschaft zu zeigen und zumindest ein einziges Mal in ihren verlogenen Existenzen mit dem eigenen Geld einen Hauch von Anstand oder Aufrichtigkeit zu heucheln?

Auch nach längerem Suchen werden wir sie nicht finden können – und dies ist eigentlich auch ganz einfach und erschreckend simpel erklärbar.

Obdachlose Menschen oder seelisch kranke Sozialopfer sind eben keine brauchbaren Konsumenten – sie tanken nicht, kaufen keine Antibiotika- und Beruhigungsmittel verseuchten Schweinebraten aus dem Angebot, fliegen nicht übers Wochenende nach Mallorca - sorgen weder für CD-Verkäufe noch bringen sie die Einschaltquoten in die Höhe – und wenn, dann nur vereinzelt und kurzfristig – und immer nur dann, wenn sich einer von ihnen auf eine besonders spektakuläre Weise das Leben genommen hat. Sie sind tatsächlich und im ursprünglichsten Sinne des Wortes „nutzlos”.

Nein - ich werde weder die Welt, noch ein komplett krankes System zu ändern vermögen – aber ich werde auf einige offensichtliche Ungereimtheiten aufmerksam machen können – und ich werde vielleicht den Einen oder Anderen dazu anregen können, einmal mit wirklich offenen Augen und wachem Verstand durch die Welt zu gehen und das eigene Weltbild zumindest kritisch zu überdenken.

Wenn dies tatsächlich in Ansätzen gelingen sollte – dann wäre der Sinn und Zweck dieses Buches bereits zur Genüge erfüllt.

Veränderung kann nur durch uns selbst und durch unseren ureigenen Antrieb erfolgen – bei jedem Einzelnen von uns – sie beginnt bereits in den kleinsten und persönlichsten Bereichen und pflanzt sich im weiteren Verlaufe dann wie eine wunderbare Blume ganz von alleine selber fort.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen beim Lesen dieses Buches ein erweitertes Sichtfeld, einen offenen Geist und das Wiedergedeihen der mittlerweile vom Aussterben bedrohten Pflanzen „Weitsicht”, „eigene Meinung” und „Urteilsvermögen”.

„Sie brauchen nichts zu wissen – Sie sind ein reicher Mann – aber ich bin ein armer Teufel. Mir muss etwas einfallen.“ (J.N.Nestroy aus „Eulenspiegel“)

Möge Gott Sie schützen

Michael Teubert

2. Wer ist hier eigentlich asozial?

Beginnen wir mit einem wunderbaren Zitat eines großen deutschen Politikers, Franz Josef Strauss, welcher schon vor Jahrzehnten während einer hitzigen Fernsehdiskussion die passenden Worte für sein vor Wut schäumendes Gegenüber gefunden hatte: „Lassen Sie es mich einmal so ausdrücken – Ich verwende hier eine alte bayrische Volksweisheit… Mir san sozial… I bin sozial… und Du bis a sozial.”

In Deutschland gibt es keine offiziellen Zahlenangaben über wohnungs- und obdachlose Menschen – tatsächlich.

Offensichtlich ist das Statistische Bundesamt mit der Ermittlung der grundlegenden und wirklich wichtigen Daten - wie z.B. der Entwicklung des Verkaufes von Streuobst, dem aktuellen Prozentzuwachs der Kirchenaustritte oder dem Errechnen des aktuellen Bürokratiekostenindex - mehr als ausgelastet.

Deshalb können aufgrund dieser schlechten Datenlage lediglich Schätzungen vorgenommen werden.

Längst hat die BAG Wohnungslosenhilfe e.V. einen konkreten Plan gefordert, diese dringend benötigten Zahlen endlich durch einen Beschluss des Bundestages anzufordern – bisher ist es leider dabei geblieben.

Die wenigen, vorliegenden Zahlen und weitergehenden Schätzungen sprechen allerdings eine ganz eigene und ausdrucksvolle Sprache.

Im Jahre 2014 waren ca. 335.000 Menschen in Deutschland ohne Wohnung - seit 2012 ist dies ein Anstieg um ca. 18% - seltsam – und dies alles bei einem ständig wachsendem „Nominaleinkommen” der Bürger.

Die Zahl der Menschen, die „Platte machen“ - die also ohne jede Unterkunft auf der Straße leben - stieg seit 2012 um 50% auf ca. 39.000 im Jahre 2014.

Die BAG W prognostiziert von 2015 bis 2018 sogar einen weiteren Zuwachs um 200.000 auf dann 536.000 wohnungslose Menschen. Das wäre dann eine Steigerung um ca. 60%.

Oberflächlich mag man diese stetige und beängstigende Entwicklung ja mit der angeblichen und künstlich erzeugten „Flüchtlingskrise” in Verbindung bringen mögen – ein wesentlich ursächlicher Auslösefaktor ist jedoch zweifelsfrei die über Jahrzehnte verfehlte und dilettantisch ausgeführte Politik der Armutsbekämpfung in unserem Land.

Die aktuelle Problematik erweist sich dabei lediglich als weiterer und äußerst wirksamer Brandbeschleuniger.

Aber auch in unseren Nachbarländern ist die Straße in das absolute Elend ja durchaus ebenfalls mit christlichen Absichten und höchst sozialen Verlautbarungen gepflastert.

So hatte man sich auch in Marseille, der zweitgrößten Stadt Frankreichs, bereits intensive Gedanken darüber gemacht, wie man der stetig steigenden Zahl der Clochards und Wohnungslosen Herr werden könnte. Statt an die wirklichen Ursachen zu gehen, hatte man sich dort in Zusammenarbeit mit freiwilligen Helfern und christlichen Hilfsorganisationen darauf verständigt, diesen Menschen doch einfach einen speziellen Ausweis auszustellen.

Darauf sollten dann alle wichtigen Angaben stehen, die beispielsweise im Krankenhaus oder in einer Notunterkunft benötigt würden. Darum sollten die betroffenen Menschen ihre Karte für Rettungsteams gut sichtbar mit einem Band um den Hals oder auf dem Rucksack befestigt tragen.

Ein kurzer und nachdenklicher Blick auf den Ausweis: Auf der Vorderseite ist ein großes gelbes Dreieck abgebildet, auf dem bei näherem Hinschauen noch eine Art Thermometer zu erkennen ist, das einem auf dem Kopf stehenden Ausrufezeichen gleicht.

Ein gelbes Dreieck auf der Brust… öffentlich getragen und von jedem erkennbar… ich denke, da macht es keinen großen Unterschied mehr, ob dieses Symbol nun ein Dreieck oder vielleicht sogar bald wieder ein Stern sein könnte… ein Davidstern zum Beispiel.

Tatsache bleibt: Auch aufgrund einer vollkommen verfehlten Sozialpolitik hat man die Bewältigung der Problemstellung „Armut” in private Hände gegeben und eine vermeintliche Lösung dieser Verwerfungen den wenigen, ehrenamtlichen Helfern überlassen.

Umso nachdenklicher sollte uns vor diesem Hintergrund die Tatsache machen, dass es in diesen Tagen wohl eher ein untergeordnetes Problem darstellt, finanzielle Hilfen und Sachleistungen für kulturfremde Eindringlinge in schier unvorstellbarem Ausmaße plötzlich zur Verfügung stellen zu können.

Wo sind die christlichen Kirchen geblieben?

Die nachweislich vorhandenen Speisestätten für Bedürftige stehen weiterhin leer – da stimmt doch etwas nicht.

Stattdessen sind es die alten Haudegen, die zum Teil seit Jahren echte Hilfe leisten – und es nicht nur einfach dabei belassen, möglichst medienwirksam in irgendwelchen Talkshows oder anderen Schwafelrunden darüber zu reden.

So veranstaltete der Künstler Frank Zander im Jahre 2015 bereits zum 21.ten Male seine Weihnachtsfeier für Obdachlose und Bedürftige im Berliner Hotel Estrel.

Erwartet wurden wie jedes Jahr ca. 3.000 Gäste, die an diesem Tag einen möglichst unbeschwerten Abend bei einem wunderbaren Essen in herrlicher Umgebung genießen konnten.

Ob Herr Zander aktives Mitglied einer Kirche oder einer anderen religiösen Vereinigung ist, vermag ich nicht zu sagen – dass dieser Mensch ein wunderbarer Christ ist – dies zumindest ist sicher.

Natürlich ist eine solch immense Aufgabe nicht alleine zu bewältigen – und so ist es seit Jahren eine große Anzahl von privaten Helfern, die an diesen Abenden ein wenig Herzlichkeit und Menschlichkeit geben.

Aber auch Prominente haben sich im Laufe der Jahre hinzugesellt.

Caroline Beil, Janette Biedermann, Bürger Lars Dietrich oder Jürgen Drews seien an dieser Stelle stellvertretend für viele andere genannt.

Sie alle geben etwas ab – von ihrer Menschlichkeit und wohl auch von ihren materiellen Beständen.

Wie beginnt ein solcher Weg in die Armut? Bekannt ist – jeder fünfte Deutsche lebt mittlerweile unterhalb der Armutsgrenze – trotz Arbeit und laufender Beschäftigung. Noch schlimmer trifft es offensichtlich die Hartz-IV Empfänger.

1,07 Millionen von ihnen haben erhebliche Probleme, das Nötigste mit dem bewilligten Regelsatz zu bestreiten. Nicht einmal jeden Tag sei eine vollwertige Mahlzeit möglich, weiß das Statistische Bundesamt zu berichten.

Doch die Geldnot betrifft nicht nur das Essen.

18,4% können ihre Wohnung nicht ausreichend beheizen und ein Großteil ist auf Darlehen des Jobcenters angewiesen, um die Nachzahlungen oder laufenden Kosten für die Wohnungsmiete decken zu können.

Die Rückzahlungsraten werden seitens der auszahlenden Stelle dann vollkommen unabhängig vom noch verbleibenden Existenzminimum vorab bereits bei den fälligen Auszahlungen abgezogen.

Aber es wird ja alles wesentlich besser – schon ab dem 01.01.2016 wurden die Regelsätze nun angehoben – von 399,- auf 404,- Euro monatlich… dies wird sicherlich sehr hilfreich sein.

By the way – die aktuellen Zahlen und weiteren Prognosen werden natürlich auch weiterhin in den Wahrheitstresoren der Volksverdummungsindustrie gut gesichert und verwahrt.

Schon seit einigen Jahren wird von Sozialverbänden und Hilfsorganisationen, die dieses Elend täglich unmittelbar und hautnah mitbekommen, gefordert, den Regelsatz für Alleinstehende mindestens auf ca. 500,- Euro zu erhöhen – auch hier bleibt es bei dem Ruf auf leerer Straße – man wird „überhört”.

Die Tafeln, irgendwann einmal gegründet, um vor allem Obdachlose mit Nahrungsmitteln und Essen zu versorgen, werden zunehmend zu einem festen Bestandteil der Politik von systematischer Verarmung immer größerer Bevölkerungsschichten.

Und diese Tafeln, die eigentlich mittlerweile schon über 10 Millionen Menschen unterstützen müssten, stoßen schon lange an ihre Grenzen. Hinzu kommen in nächster Zeit und nahezu täglich noch etliche Zuwanderer und „Flüchtlinge“ hinzu.

Von den aktuellen Zuständen innerhalb der Verteilungsstellen hatte ich ja bereits in meinem Buch „Neues aus Dummland” ausführlich berichtet.

Es sei eben kein Geld für eine Erhöhung der Regelsätze vorhanden, lassen wir uns immer wieder schon fast Gebetsmühlenartig erklären – solange, bis wir es tatsächlich selber glauben.

Gleichzeitig erfahren wir aber von stetig ansteigenden Milliardensummen für die Anlandung von Millionen von Menschen, die nachweislich weder vor Verfolgung flüchten, geschweige denn aus einem Kriegsgebiet kommen und die noch nicht einmal gültige Papiere für ihre Einreise benötigen, dafür aber fast ausnahmslos mit den neuesten Handymodellen ausgerüstet sind.

Man mag sich nur einmal vorstellen, was einem passieren könnte, wenn man z.B. beim Angeln ohne gültigen Fischereischein erwischt würde oder gar aus persönlichen Gründen die fällige GEZ-Gebühr nicht entrichten wollte…

Auch hier stimmt ganz offensichtlich etwas nicht.

Oft sind es aber zusätzlich und erschwerend die persönlichen Gegebenheiten oder Voraussetzungen, die einen Menschen “abstürzen” lassen.

Die Ursachen und Umstände sind dabei wohl so vielfältig, wie auch unser Leben.

Ein Umstand jedoch zieht sich in den meisten Fällen wie ein roter Faden durch die einzelnen Leidenswege – oft liegen die Ursachen in nicht verarbeiteten Erlebnissen und großen Enttäuschungen - beruflich, wie auch privat.

Verlassene Väter, geschlagene Frauen und vom Schicksal betroffene Arbeits-, Krankheits- oder Sozialopfer bilden den Grundstock für diese immer größer werdende Gruppe.

Das Leben ohne Wohnung “auf der Straße” bedeutet Verarmung und die totale soziale Isolation, die Menschen deprimiert, ernsthaft krank macht und Reaktionen auslöst, die in vielen Fällen im Alkohol- oder Drogenkonsum enden.

Wer einmal dort unten ist schafft es nur in den seltensten Fällen, eigenständig wieder diesem Sumpf zu entrinnen.

Grundbedürfnisse, wie Hunger, Durst oder Wärme sind auf der Straße schwer zu befriedigen.

Schwierige hygienische Bedingungen und ein erschwerter bis fast unmöglicher Zugang zu gesundheitlicher Versorgung beeinträchtigen das Leben darüber hinaus erheblich.

Zudem erleben obdachlose Menschen in nahezu allen Lebensbereichen die schon sprichwörtliche soziale Kälte und stetige Abneigung ihrer Umwelt und großer Teile unserer sozialen Gemeinschaft.

Nach wie vor herrschen ihnen gegenüber in der (noch) funktionierenden Gesellschaft viele Vorurteile.

Darüber hinaus behindern weitgehend unsinnige bürokratische Hürden eine Teilhabe an der Gesellschaft oder am Arbeitsleben: Eine Wohnung gibt es oft nur bei geregeltem Einkommen - und einen Job aber leider nur bei dem Nachweis eines festen Wohnsitzes – das Ergebnis ist eigentlich vorprogrammiert.

Wäre es nicht Aufgabe eines christlichen und sozialen Wertesystems, diese Menschen aufzufangen?

Viele Hilfsorganisationen, wie die Diakonischen Werke, die Caritas oder auch die Heilsarmee sind seit vielen Jahren in diesem Bereich tätig – aber sie schaffen es nicht ohne unsere Hilfe.

Alleine die Diakonie betreibt in Deutschland weit über 100 Heime für wohnungslose Menschen. Mindestens eine ebenso hohe Anzahl von Beratungsstellen, Tagestreffs und ambulanten Anlaufstellen nebst dem dort tätigen Personal müssen alle finanziert und bezahlt werden. Dies alles wird in näherer Zukunft ohne eine staatliche Hilfe nicht mehr möglich sein.

Aber - lösen wir uns von der Politik – sie ist nur einer der Auslöser bitterer Armut in diesem Land.

Oft ist es die gleiche Geschichte, die man immer wieder zu hören bekommt – zumindest von denen, die überhaupt darüber reden können – die sich noch nicht in ihr Schicksal ergeben haben und die noch kämpfen wollen - einen schier auswegslosen Kampf – oft auch gegen sich selbst.

Erst war die Frau verschwunden – dann kam der Alkohol und wenig später war dann auch der Job weg.

Das mit dem Alkohol wurde nachfolgend schlimmer – fast logisch - und einige Zeit später war es dann der Vermieter, der wegen rückständiger Mieten die Wohnung gekündigt hatte.

Schuld waren natürlich die Anderen – in erster Linie die ehemalige Ehefrau.

Diese Sichtweise ist allerdings durchaus nachvollziehbar und wohl ein evolutionär begründetes und eigenständig gestartetes Schutzprogramm, um sich nicht die Fragen stellen zu müssen: „Habe ich vielleicht versagt? – Gibt es nicht zumindest eine Mitschuld an dem, was mit mir passiert ist?”

.

„Strukturkonservativ” nennt Christine Heinrichs vom Frankfurter Verein für soziale Heimstätten e.V. diese oft gezeigte Haltung.

Die Unfähigkeit zur Veränderung führe zum Verlust der Handlungsfähigkeit sagt sie und ihre Mitarbeiter bräuchten eigentlich drei Monate, um diesen Menschen wirklich helfen zu können. Tatsächlich aber hätten sie oft nur wenige Wochen bis zur anstehenden Räumung.

„Wir laufen den Leuten dann auf der Straße hinterher und versuchen, sie so schnell wie möglich in entsprechende Einrichtungen zu bringen", führt sie aus.

Denn wenn jemand erst einmal auf der Straße gelandet sei, wäre eine Rückkehr in das alte Leben extrem schwierig.

Also – wer plötzlich auf der Straße lebt, ist selber Schuld – oder etwa doch nicht?

Wie stellt man sich nun diese Frage? Ist jemand obdachlos, weil er suchtkrank oder „asozial” ist? Oder ist er vielleicht suchtkrank und asozial, weil er obdachlos ist?

Das Thema Obdachlosigkeit und die damit verbundene Problemstellung „Armut” ist ja vorzugsweise nur in der kalten Jahreszeit ein öffentliches Thema – im Sommer ist es doch „schön” unter freiem Himmel.

Abends die Sterne des klaren Himmels zählen und morgens nicht arbeiten müssen – dies alles bei einer staatlich garantierten Alimentierung – die „Desperados” der modernen Gesellschaft - frei und ungebunden - irgendwie doch eine wunderbare Vorstellung, nicht wahr?

Lediglich in der Vorweihnachtszeit fallen diese Menschen dann auf – in U-Bahn Stationen, auf Bahnhöfen oder in den windgeschützten Hauseingängen der Großkaufhäuser in den Innenstädten.

Spätestens dann möchten wir nicht mehr mit ihnen tauschen und die „Stille Nacht” krächzenden Lautsprecher der weihnachtlich dekorierten Auslagen der Verkaufstempel tragen dann ihr Übriges dazu bei, dass wir während unserer Konsumfeldzüge kurzfristig in Mitleid ertrinken – bei Glühwein, heißem Kakao und einer überteuerten Bratwurst jenseits sämtlicher Geschmacks- und Preisgrenzen - und eben auch nur kurzfristig.

Glücklicherweise ist es zuhause aber schön warm und außerdem werden diese Menschen ja auch unterstützt – mit Bargeld der Sozialämter und mit unserem christlichen, wirklich aufrichtigen Mitleid – also, zumindest zu Weihnachten oder anderen christlichen Feiertagen.

Aber jetzt haben wir auch schon genug nachgedacht – wir müssen schließlich weiter – gibt es Schweinebraten oder Würstchen mit Kartoffelsalat zum Fest?

Der missratene und unanständige Bengel von Tante Edith bekommt zumindest auch eine Kleinigkeit – hoffentlich tritt er nicht wieder gegen den Weihnachtsbaum, wie letztes Jahr - und Onkel Herbert ist bestimmt wieder mit in paar karierten Socken und einem farblich abgestimmten Schlips aus dem Angebot zufrieden zu stellen – beschwert hat er sich jedenfalls noch nie.

Aber – es geht ja auch nicht um den materiellen Wert all dieser christlichen Gaben, mit denen wir uns am Heiligen Abend dann gegenseitig bewerfen und torpedieren werden – von Herzen soll es ja kommen.

Für alles andere hat „der Gesetzgeber” ja sicherlich gesorgt.

Ein kleines Beispiel hierzu: Die Behörden sind durch das Gesetz gehalten, jungen Menschen unter 25 bereits bei einer einzigen, auch erstmaligen „Pflichtverletzung“ den kompletten Regelbedarf zu streichen. Dies kann dann im weiteren Verlauf dazu führen, dass die Miete und / oder andere Lebenshaltungskosten nicht mehr bezahlt werden können. Bei einer zweiten Pflichtverletzung werden auch die Kosten der Unterkunft nicht mehr bezahlt.

Übrigens: Eine solche Pflichtverletzung liegt bereits vor, wenn z.B. ein Termin nicht oder verspätet wahrgenommen wird – die individuellen Gründe des Versäumnisses spielen hierbei eher eine untergeordnete Rolle und die, teils atemberaubende Geschwindigkeit der amtsinternen Weiterleitung der Hauspost ist hier ebenfalls wohl eher weniger berücksichtigt worden.

Es ist Samstagnachmittag – Anfang Dezember – kurz vor dem Nikolaustag. Ich steige aus dem Regionalzug und reihe mich in die Menge der Reisenden ein.

Ein paar Meter vor mir bemerke ich die kleine Gruppe lauthals kichernder Damen mittleren Alters, welche offensichtlich unterwegs sind zu einer Feierlichkeit. Im Gehen reichen sie sich kleine Spirituosenfläschen und leeren diese recht professionell aussehend mit einem kurzen und „mannhaften” Zug. Nach jedem Fläschchen fängt Eine von ihnen noch lauter an zu kichern.

Enge Jeans und möglichst aufwendig geschminkt - zumindest soweit dies offensichtlich noch möglich war – eben „den Umständen entsprechend” tragen sie alle eine blinkende Nikolausmütze auf ihren Köpfen.

Bei einem weiteren, noch ungläubigen Blick auf die Jeans dieser Damen muss ich leise grinsend an das geflügelte Wort „wahrer Zusammenhalt” denken und sehe vor meinem geistigen Auge die gutgläubigen und ahnungslosen Ehemänner vor der Sportschau sitzen.

„Na dann… ein frohes Fest”, denke ich noch mitleidig an diese armen Kerle – dann sehe ich vor dem Ausgang des Bahnhofes eine Gestalt auf dem Boden liegen.

Die eingeschnürten Damen sind schnell und weiterhin lauthals krähend an ihm vorbei – sie haben ihn offensichtlich gar nicht bemerkt.

Die Aufschrift „Ich habe auch Augen” auf der Brust einiger Damen-Shirts ist offensichtlich zumindest etwas weiter hergeholt.