Burnout? Du wirkst doch gar nicht gestört! - Franz Olisar - E-Book

Burnout? Du wirkst doch gar nicht gestört! E-Book

Franz Olisar

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Beschreibung

Der Autor beschreibt mit beißender Ironie und genialem Wortwitz seinen Aufenthalt in einer Klinik für Psychosomatik. Ein Lesevergnügen der besonderen Art, bei dem einem durchaus auch manchmal das Lächeln im Gesicht einzufrieren droht.

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Seitenzahl: 49

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Inhaltsverzeichnis:

Der Entschluss

Die Ankunft

Erste Eindrücke

Zweite Eindrücke

Entspannungstherapie

Mein Zimmerkollege

Erstes Wochenende

Große Freiheit

Frühstück

Schiweltmeisterschaft

Annemaries Marmelade

Visite

Problembewältigung

Turnstunde

Eingewöhnung

Stress im Narrenhaus

Kunst-Therapie

Kommunikation leichtgemacht

Sven ist wieder da

Der Neue im Zimmer

Tischhierarchie

Körperwahrnehmung

Abendspiele

Musik-Therapie

Betriebsausflug

Fragebogen

Hellseher

Suche nach Aggressionen

Gitarre und Emotionen

Wochenend-Rückblick

Geheimnis Gehirn

Resümee

Der Entschluss

Es war kalt. Mir war kalt. Die Scheiben waren innen beschlagen und außen fast vollständig zugeschneit. Nur mehr schemenhaft konnte ich das Narrenhaus erkennen, auf dessen Parkplatz ich seit Stunden in meinem Auto gesessen hatte. Ich musste zwischendurch eingeschlafen sein, während ich das, von mir als Narrenhaus wahrgenommene, Gebäude verzweifelt sinnierend betrachtet hatte. Es war Sonntag. Mir war kalt. Ab Donnerstag sollte dieses Gebäude für einen längeren Zeitraum mein Zuhause und mein Aufenthaltsort werden. Das empfand ich als kaum fass- und annehmbar. Meine Ärzte nannten das Narrenhaus „Psychosomatische Klinik“. Ich? Gerade ich? Ich, den im bisherigen Leben nichts, aber schon gar nichts aus der Bahn werfen konnte? Ich? Ich, der Mensch, zu dem immer alle anderen gekommen waren, um bei Sorgen, Nöten und Problemen Trost und Antworten zu finden? Was sollte gerade ich in diesem Narrenhaus? Mein massives Burnout, dass ich schon Wochen und Monate wie einen viel zu schweren Rucksack, trotzdem bravourös aufrecht gehend, mit mir herumschleppte, betrachtete ich als vorübergehende Krise und momentane persönliche Schwäche. Wenn ich dann manchmal endgültig zusammenzubrechen drohte, nahm ich mir eben die wohlgemeinten Ratschläge aus meinem Umfeld zu Herzen, wonach ich mich ein „bisserl zusammenreißen“ und froh sein solle, so einen „Super-Job“ zu haben. Andere seien arbeitslos. Die hätten Grund zum Jammern. Also riss ich mich ein bisserl zusammen. Sowas kann ich gut. Die Bestätigung, dass ich das gut kann, bekam ich zum Beispiel, als bereits ein schweres Burnout mit daraus resultierenden Persönlichkeitsstörungen diagnostiziert war, mit diversen einfühlsamen Aussagen aus meinem persönlichen Umfeld: „Burnout? Du wirkst doch gar nicht gestört oder so.“

Eben, was sollte ich dann also im Narrenhaus?

Gut, ja, es gab schon einige kleinere Probleme und Unpässlichkeiten. Aber zumindest hygienisch hatte ich doch mein beinahe tägliches Erbrechen auf halbem Weg zum und vom Arbeitsplatz mittlerweile gut im Griff. Und das ständige Würgen und den permanenten Brechreiz konnte ich als Raucher bequem auf eben diesen Umstand schieben. Dass ich mir zu jener Zeit eine Gitarre gekauft hatte und mich damit in jeder Minute meiner Freizeit in den Keller zurückgezogen hatte, um möglichst allen Sozialkontakten auszuweichen, schuldete ich einfach meiner Musikbegeisterung. Ich empfand das eigentlich angenehm. Weniger angenehm war freilich der unvermeidliche Durchfall vor wichtigen Terminen. Aber auch diese Unannehmlichkeit hatte ich halbwegs im Griff.

Zumindest habe ich nie in die Hose geschissen, soweit ich mich erinnern kann. Allerdings ist anzumerken, dass es mir gerade zu dieser Zeit hervorragend gelang, Ereignisse und Gegebenheiten im Stile eines Demenzkranken an meinem Gehirn vorbei zu lotsen. Das war nicht immer von Vorteil.

Nachdem ich widerwillig, dem Rat meines Hausarztes folgend, der Unterstützung durch eine Psychologin zugestimmt hatte, kam es im Vorfeld meiner bereits vierten Sitzung zu einem prägenden Ereignis: Ich saß im Auto vor einer Kreuzung, die Ampel stand auf Rot. Als sie auf Grün umschaltete, wusste ich plötzlich den Weg zu meiner Ärztin nicht mehr. Zum Glück war niemand hinter mir, und so blieb ich stehen, um die Adresse ins Navi einzugeben.

Leider war mir gerade auch die Adresse entfallen. Ich kramte sie aus einem Stapel von Unterlagen hervor und tippte sie hastig ein. Gerade rechtzeitig, denn die Ampel sprang soeben zum zweiten Mal auf Grün um, während eine angenehme Damenstimme ertönte: „Biegen Sie rechts ab, und dann haben Sie Ihr Ziel erreicht!“

Beim anschließenden Gespräch konnte mich meine Psychologin zu meiner Einweisung in eine Psychosomatische Klinik überreden.

Nun saß ich also da. Es war Sonntag. Es war kalt. Mir war kalt. Ich beschloss, am Donnerstag tatsächlich im Narrenhaus einzuchecken.

Die Ankunft

Am Donnerstag traf ich frühmorgens rechtzeitig ein. Rechtzeitig bedeutete nach meinem damaligen Empfinden eineinhalb Stunden zu früh. Ich hatte sicherheitshalber mögliche Staus oder sonstige Aufenthalte in die Anfahrtszeit eingerechnet. Die Fahrzeit betrug schließlich fünfunddreißig Minuten.

Ich blieb noch einige Zeit im Auto sitzen. Mir war kalt. Schließlich schnappte ich meine zwei Koffer, schulterte meine Gitarre, und schlenderte über die Straße zum Eingangstor des Narrenhauses. Ich stellte fest, dass sich die Tür von beiden Seiten problemlos öffnen ließ. Allerdings sah ich auch den strategisch hervorragend platzierten Wachposten, der mit der Aufschrift „Rezeption“ raffiniert getarnt war. Also steuerte ich geradewegs die „Rezeption“ an. Ein mit weißem Hemd, weißer Hose und weißen Birkenstock-Clogs als Arzt verkleideter Wachposten wies mich an, mich im zweiten Stockwerk beim Stützpunkt meiner Station anzumelden. Also fuhr ich mit dem Lift nach oben und stand schließlich vor einer offenen Glastür, die seitlich in einen langen Gang mündete. Auf der gegenüberliegenden Seite des Ganges befand sich der Stützpunkt, woraus mir zwei Arme entgegen gestikulierten, vor der Glastür zu warten. Der Grund der Verzögerung war der gerade stattfindende Morgentanz meiner künftigen Mit-Insassen. Da waren knapp zwei Dutzend Menschen hintereinander auf dem Gang aufgefädelt und übten sich in annähernd synchronen, teilweise grotesken Bewegungsabläufen zu einer Art Streichel-Marsch-Musik. Direkt vor meiner Nase tanzte eine aufregend attraktive Blondine mit wallendem, langem Haar. Als sie mich erblickte, erschrak sie kurz, kam aus dem Takt, schenkte mir ein bezauberndes Lächeln und hauchte mir freundlich nickend ein „Guten Morgen“ entgegen. Ich dachte mir noch, „was macht denn die hier“, und schon hatte ich mich Hals über Kopf in sie verliebt, da ich ohnehin in einem emotionalen Ausnahmezustand war. Zufällig war auch noch Valentinstag, was auf mein Empfinden verstärkt gewirkt haben mochte. Wenige Wochen später gestand sie mir, in dieser Situation ebenso empfunden zu haben.