Camper I Killer I Kokain - Wolfgang Grund - E-Book

Camper I Killer I Kokain E-Book

Wolfgang Grund

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Beschreibung

Wie immer wird Reporterin Eva Witten in einen, beziehungsweise zwei, Verbrechen verwickelt, obwohl sie nur die Machenschaften des Immobilienhaies Zoran Schaffle aufdecken will, der in verschiedene Projekte an und um die Weihermühle investieren will. Reporterin Eva Witten ermittelt deshalb undercover im Camp der Naturschützer von der NABA an der Weihermühle. Findet dort eine Leiche und wird in dubiose Rauschgiftgeschäfte verwickelt. Und dann taucht ein weiterer Toter auf. Wie sie mit Erschrecken feststellt ist es Robert Altmann von der SOKO Gewaltverbrechen, ein alter Bekannter von ihr. Sie gerät bei den Ermittlungen wieder einmal in gefährlichste Situationen, obwohl sie sich geschworen hat in Zukunft vorsichtiger zu sein und immer jemanden in die Dinge ein zu weihen, die sie vor hat. Ihre Freundin Berta rettet ihr dabei nicht nur einmal das Leben.

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Wolfgang Grund

Camper I Killer I Kokain

Inhaltsverzeichnis

Eva Witten protestiert

Leon und Swenja

Die Motorradgang

Weißmüllers Auftritt

Eva und der Tote

Wotan trifft auf Eva

Swenja

Wotan ermittelt

Eva nimmt die Spur auf

Das Rennen

Die Häuslebauer

Evas erste Ergebnisse

Eva und Schaffle

GruGru und Weißmüller

Berta recherchiert

Weißmüller und Swenja

Eva und Berta bei Klotzki

Carolins Rache und Zorans Fehler

Eva und die Schnecken

Eva und Weißmüller

Wotan versucht sich zu erinnern

GruGru und Cynthia

Roberts Alleingang

Noch eine Leiche

Die Bergung und das Gespräch

Eva und Berta und GruGru und Cynthia

Schaffle und Hubertus

Eva und die zweite Leiche

Bertas nächtlicher Ausflug

Eva sucht Roberts Mörder

Wotan sucht Roberts Mörder

Das Verhör der Motorradfahrer

Berta bei Swenja

Wo ist Weißmüller?

Im Fisherman’s Pub

Das Begräbnis

Berta und die Weißmüllerfrauen

Ermittlungen

Der Plan

Eva als Drogendealerin

Unternehmen Drogensumpf

Alle warten auf Weißmüller

Evas Pläne

Impressum

Eva Witten protestiert

»Baummörder!«, krächzte Eva Witten mit belegter Stimme in den frühen Morgen. Die Reporterin saß in der Krone eines alten Kirschbaumes auf dem Grundstück neben dem Hollerer Hof, wo sie mit ihrem Freund Hubertus wohnte.

Für ihre erste Baumbesetzung hatte sich Eva besonders schick gemacht. Zur hellblauen Designerjeans vom Label ›Victoria Beckham‹ trug sie weiße Reebok Sneaker. Fröstelnd zog sie den Reißverschluss ihrer orangefarbenen Fleecejacke bis zum Kinn. Auf den geplanten Fotos im Regionalteil der ›Stuttgarter Nachrichten‹ würde sie bestimmt vorteilhaft rüberkommen.

Sie hatte ihre Freundin und Reporterin Berta Schwinghammer um 7:30 Uhr auf die Streuobstwiese bestellt. Berta sollte eine gesalzene Reportage über Zoran Schaffle verfassen, den skrupellosen Geschäftsführer der Immobilienfirma ›Schaffle & Partner‹.

›Hier entstehen luxuriöse, naturnahe Bungalows in Holzbauweise‹ stand auf einem Schild auf der Straßenseite des Grundstücks. Jeden Tag ärgerte sich Eva darüber, wenn sie mit ihrem roten Fiat 500 in die Redaktion des ›Tübinger Tagblatts‹ fuhr.

Auf dem Schild prangte außerdem ein übergroßes Bild von Zoran Schaffle in schwarzem Anzug und weißem Hemd. Das grau melierte Haar war akkurat gekämmt und sein Pokerface hatte er zu einem überheblichen Lächeln verzogen.

Eva warf einen Blick zu Schaffles Wochenendhaus hinüber, das direkt an das Grundstück anschloss. Dort hatte sie im Keller schreckliche Stunden in Gefangenschaft verbracht. Der Gedanke daran schnürte ihr immer noch die Kehle zu. Fast wäre sie da unten bei einem Brand erstickt. Aber Hubertus, ihr Held, hatte sie unter Einsatz seines Lebens gerettet.

Ihr Liebster lag jetzt noch im warmen Bett.

Hier, in luftiger Höhe, war es unangenehm zugig. Sie nieste, putzte sich umständlich die Nase und lehnte dann den Kopf gegen die rissige Rinde des Baumstamms. Mein Freund der Baum, dachte sie verträumt.

Gestern hatte die Firma ›Baumpflege Kuhn‹ damit begonnen, die Streuobstwiese zu roden, um vollendete Tatsachen schaffen. Baumpflege, was für ein Hohn!

Ohnmächtiger Zorn gegen Schaffle kochte in Eva hoch, wenn sie die Baumleichen auf der zertrampelten Wiese sah.

Hubertus hatte sich bis nach Mitternacht über die ungenehmigte Rodung aufgeregt, Mails ans Landratsamt, die Baubehörde, den NABA und ans Bürgermeisteramt geschrieben.

»Dieser Schaffle muss gestoppt werden!«, hatte er gebetsmühlenartig wiederholt.

Nach mehreren Viertele Schwarzriesling der ›Weingärtnergenossenschaft Hohenneuffen‹ war er dann ins Bett getorkelt und sofort eingeschlafen.

Mit Evas Plan in dieser Sache wäre er bestimmt nicht einverstanden gewesen. Sie war heute morgen auf leisen Sohlen aus dem Schlafzimmer geschlichen.

Kurz darauf hatte sie einen Espresso gekippt und Merlin, den verfressenen Bauceron, mit einem vollen Futternapf ruhiggestellt. Mit einer Trittleiter unter dem Arm hastete sie dann am Kuhstall vorbei, wo gerade 100 Milchkühe gefüttert und gemolken wurden.

Kurz vor seinem drohenden Burn Out hatte Hubertus den elterlichen Betrieb verpachtet. Ihr Freund hatte sich vorher in langen Arbeitstagen aufgerieben zwischen der Sorge ums Vieh und dem ständig sinkenden Milchpreis.

Jetzt arbeitete er als Projektleiter. Der Huber Bauer und zwei weitere Investoren hatten ihn unter Vertrag genommen. Er sollte deren Bauprojekte, das Traktorenmuseum bei der Weihermühle, die Erweiterung der Schießanlage des Schießsportvereins ›Blattschuß‹ und ein Bioerlebnis Hotel beim Campingplatz Huberhof managen. Nicht umsonst hatte Hubertus einige Semester Architektur und dann BWL studiert. Obwohl die Arbeit als Bauleiter nicht einfach war, wirkte ihr Freund jetzt glücklich und ausgeglichen.

Eva strich sich die dunklen Haare aus der Stirn und massierte sich den Nacken.

Sie hätte nicht gedacht, dass eine Baumbesetzung so unbequem war. Ein abgebrochener Ast am Stamm pikste ihr unangenehm in den Rücken und ihre Blase drückte. Außerdem war es nicht einfach die Balance in luftiger Höhe zu halten. Warum hatte sie sich auch so weit nach oben gewagt? Weiter unten am Stamm stand ihre Trittleiter. Von dort hatte sie sich zum ersten Ast gehangelt und war dann immer weiter nach oben geklettert.

Auf die Idee mit der Baumbesetzung hatte Eva das Protest Camp bei der Weihermühle gebracht. Seit einigen Tagen zelteten dort Leuten vom NABA, dem Naturschutzbund Baden Württembergs. Die Mitglieder aus Tübingen und Umgebung befürchteten, dass mit dem Bau des neuen Traktorenmuseums der angestammte Lebensraum der seltenen Smaragdeidechse vernichten würde.

Leider hatte Eva keine Eisenkette gefunden, um sich publikumswirksam an den Baum zu ketten. Aber sie war ziemlich weit nach oben geklettert.

Eva las in Gedanken schon die Überschrift in den ›Stuttgarter Nachrichten‹: ›Ökoaktivistin und Reporterin Eva Witten besetzt Naturdenkmal, einen Kirschbaum auf einer Streuobstwiese auf der Schwäbischen Alb‹.

Nein, das war als Überschrift für eine Knallerstory zu lang und zu sperrig. Zusammen mit Berta würden sie das schon auf eine griffige Schlagzeile kürzen.

Ihr Magen knurrte. Was hätte sie jetzt für eine Tüte Russisch Brot, ihrem Lieblingsgebäck, gegeben! Sie zog vorsichtig ihr Handy aus der Jackentasche. Wo blieb denn nur ihre Freundin?

»Merde!«, entfuhr es ihr. Das wäre eigentlich der Text von Wotan Wilde, dem Leiter der Tübinger Mordkommission gewesen. Sie hatte ihm schon einige Male in seine Ermittlungen gepfuscht und war ein rotes Tuch für ihn.

Das Display ihres Smartphones war schwarz, der Akku also leer. Am liebsten hätte sie das Ding vom Baum in die Wiese gepfeffert. Merde!

Doch da strich auf ein mal ein leises Morgenlüftchen durchs zartgrüne Blätterdach. Eine Wolke weißer Blütenblätter wehte zu Boden. Es rauschte sachte um sie herum. Eine Amsel jubilierten in den höchsten Tönen, vom Kuhstall drang leises Muhen herüber.

Schön hier, dachte Eva, plötzlich entspannt, und lachte leise in sich hinein. Wenn ich eine Amsel wäre, würde ich hier mein Nest bauen.

Aber ich bin eine Eva Witten, die langsam mal ein Klo bräuchte, friert, hungrig ist und keinen einzigen Zuschauer für ihre höchst spektakuläre Aktion hat.

Wann kamen sie denn endlich, die Männer mit den Kettensägen?

»Baummörder!« würde sie ihnen entgegenschleudern. »Ich bleib so lange hier, bis ihr wieder geht! Wochen, Monate!« Naja, am Montag musste sie wieder in der Redaktion antanzen. Egal, bestimmt würde Zoran Schaffle auftauchen und sie auf Knien anflehen, den Baum freizugeben. Schöne Vorstellung!

Ihr Blick wandte sich in die Ferne. Drüben am Hollerer Haus ging der Küchenrollo hoch. Merlin bellte kehlig.

Eva blutete das Herz, wenn sie die ehemalige Streuobstwiese betrachtete. Die Kirsch- und Apfelbäume hatte noch der Opa von Hubertus gepflanzt. Jetzt lagen deren Stämme aufgeschichtet am Wiesenrand. Traurig ragten Baumstümpfe aus der zertrampelten Wiese. Der Häcksler der ›Baumpflege Kuhn‹ aus Dettingen hatte die Äste und Blätter in einen Haufen Mulch verwandelt.

Eva schloss die Augen und sog die frische Morgenluft ein. Laute Männerstimmen rissen sie aus ihrer Meditation.

»Heiland Sack, was wollen Sie da oben?« Ein Mann in grünem Arbeitsoverall und weißem Helm stand neben der Trittleiter und starrte zu ihr hinauf.

»Dieser Baum ist besetzt!«, rief Eva pathetisch.

Kopfschüttelnd startete der Mann eine laut knatternde Motorsäge.

»Baummörder! Aufhören!«, rief sie und hustete. Die Abgase stanken ja bestialisch!

Aber ihre Schreie gingen in den Motorengeräuschen unter.

Ein zweiter Mann sprang jetzt aus dem grellgrünen Pickup mit der Aufschrift ›Klotzen, nicht kleckern! Baumpflege Egon Kuhn‹. Er hatte ein Handy am Ohr und rannte in langen Schritten über die Wiese auf den Ort des Geschehens zu.

Gleichzeitig bog ein schwarzer Fiesta von der Straße in die Wiese ein, bremste scharf und blieb stehen.

Berta Schwinghammer war spät dran. Eigentlich hatte sie ja vorgehabt mit ihrem neuen Bambus e-Bike zu fahren. Doch dieser sicher erfrischende Morgenausflug hätte zwei Stunden gedauert. Das bremste ihre CO2 Sparseele.

Jetzt sprang sie mit gezückter Kamera aus dem Auto und lief zu den Arbeitern hinüber. Laut bellend jagte in diesem Moment ein dunkler Hundekörper über die Wiese, gefolgt von einer Gestalt in gestreiftem Schlafanzug und mit verstrubbelten Haaren.

»Aus, Merlin, aus!«, brüllte Hubertus und konnte gerade noch verhindern, dass sich der Hund auf Berta Schwinghammer stürzte, um seiner Freundin das Gesicht zu lecken. Er kannte Berta gut und hatte schon so manchen veganen Happen von ihr zugesteckt bekommen.

Eva verschlug es kurzfristig die Sprache. Da ging ja was ab! Stumm sah sie zu, wie der Vorarbeiter telefonierte. Er nickte und winkte dem Mann mit der Motorsäge zu. Der würgte deren Motor ab und trat wortlos den Rückzug an.

»Also doch keine Genehmigung, alles illegal!«, rief Hubertus, »Das gibt eine Anzeige! Das wird teuer!«

»Alles Kapitalistenschweine!«, schob Berta nach und fotografierte, was das Zeug hielt.

Eva war fast etwas enttäuscht, dass ihre Aktion so unspektakulär beendet wurde.

»Hol mich hier runter!«, rief sie Hubertus zu.

»Sollen wir die Feuerwehr aus Apfelstetten mit ihrer Drehleiter verständigen?«, fragte der grinsend nach oben, während er Evas unbeholfene Abstiegsversuche beobachtete.

Eine halbe Stunde später saßen sie zu dritt in der Küche des Hollerer Hauses.

»Rettung des verstiegenen Kätzchens geglückt!«, meinte Hubertus und küsste Eva auf die Nase.

»Wenn ich den Baum nicht besetzt hätte, wäre er jetzt Brennholz«, schmollte Eva.

»Ich fahr nach Apfelstetten und hol uns frische Croissants! Komm Merlin!«, verkündete Hubertus und verschwand im Schlafzimmer, um sich umzuziehen.

»Das gibt einen Klasse Aufmacher in der Montagsausgabe!«, erklärte Berta. »Naturschutz kommt immer gut!«

Eva rieb gedankenverloren an den Flecken auf ihrer Jeans. Obwohl auch die weißen Schuhe voller Erdspuren waren und ihre neue, orangefarbene Fleecejacke ein Loch im Ärmel hatte, fühlte sie sich hervorragend.

Vielleicht war sie die geborene Umweltschützerin, eine Jean D`Arc der Streuobstwiesen. Und wer war Schuld an dem ganzen Dilemma? Dieser Zoran Schaffle! Geld, Rendite und Wachstum waren dessen Mantra. Umwelt und Menschlichkeit blieben auf der Strecke.

Offenbar dachte Berta auch in diese Richtung. Sie saß gedankenverloren vor ihrer leeren Kaffeetasse. Die Reporterin brütete etwas aus, das fühlte Eva.

»Hast du schon von den NABA Aktivisten an der Weihermühle gehört? Die protestieren gegen ein Traktorenmuseum, einen Schießplatz und ein Hotel. Nach meinen Recherchen hat da auch der Schaffle die Finger im Spiel. Die Umweltschützer agieren gegen den Immobilienmogul direkt an der Front, nicht nur mit Beschwerdebriefen«, gab Berta ein eindeutiges Statement ab.

Eva zog die goldfarbenen Birkenstocks aus, stellte die eisigen Füße auf die Eckbank und rieb sich mit den Händen die Zehen warm.

»Du, ich hab da so eine Idee!«, begann sie zögerlich. »Wenn jemand bei denen mitmachen würde...«

»Undercover, meinst du?«, fiel Berta sofort begeistert ein, »So wie bei unserem Zockerauftritt in der Spielerkneipe ›Zum Glück‹«. Eva nickte. Ihr brandgefährliches Spielerabenteuer um den Keltenschatz war glücklicherweise gut ausgegangen.

»Aus Eva Witten wird...«, hier stockte Eva etwas, »...eine Heidrun.« Das war der Vorname ihrer Fußpflegerin in Tübingen, bei der sie am Montag einen Termin hatte.

»Ganz unschuldig wie ein neugeborenes Kälble!«, kicherte Berta und nahm einen großen Schluck vom veganen Orangenkiwimangosaft, den Hubertus extra für sie vorrätig hielt.

»Heidrun Kälble! Was hat die wohl für Klamotten an?«, sinnierte Eva und ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. Sie machte eine kurze Denkpause und fuhr fort: »Weißt du was, Berta? Ich bin morgen auf der Eröffnung vom Campingplatz am Huber Hof. Danach könnte ich gleich rüber zu den NABA Leuten.«

»Klasse Idee!« Berta war gleich Feuer und Flamme.

Bevor sie wieder nach Stuttgart zurück fuhr, kramte sie mit Eva ein altes Einmannzelt und einen Schlafsack auf dem Speicher hervor. Jetzt fehlten nur noch ein paar Campingutensilien.

Am Abend des ereignisreichen Tages, kurz vor dem Einschlafen, fiel Eva plötzlich im Bett ein, dass sie ihrem Liebsten noch von der Undercover Aktion erzählen musste. Er würde sich sonst bestimmt wundern, wenn sie die nächsten Tage nicht nach Hause käme.

»Duuu, liebster Hubertus, ich müsste dir noch etwas sagen«, begann sie und schmiegte sich an ihren Freund.

»Duuuu, liebste Eva, welche Schandtaten hast du schon wieder vor?«, konterte Hubertus.

»Nur eine harmlose Undercover - Recherche«, besänftigte ihn Eva, »es geht um den Schaffle. An der Weihermühle protestiert der NABA gegen Bauprojekte, bei denen er vermutlich auch mitmischt. Vielleicht kann ich ihm da in die Suppe spucken, bildlich gemeint«, kicherte Eva.

»Also wundere dich nicht, wenn ich die nächste Tage nicht hier auftauche.«

»Wenn es dich glücklich macht«, sagte Hubertus gottergeben und gähnte.

»Jetzt muss ich mit doppelter Geschwindigkeit schlafen, das wird sicher anstrengend...«, murmelte Eva, schon fast eingenickt.

Wie anstrengend und gefährlich es letztlich werden würde, ahnte Eva in diesem Moment noch nicht im Geringsten.

Leon und Swenja

Auf dem Huber Hof in Apfelstetten hatte sich in den letzten Jahren viel verändert. Nach den Fremdenzimmern im alten Haupthaus war ein Heuhotel in der alten Scheune entstanden. Das Ehepaar Ludmilla und Alois Huber hatte den Wohnmobilboom mitverfolgt und vor der Scheune vier Stellplätze mit Strom- und Wasseranschluss eingerichtet.

An diesem Sonntag sollte der neue Campingplatz, pünktlich zu Beginn der Saison, eröffnet werden.

Die touristischen Einnahmequellen waren als zweites Standbein für den Weingärtner gedacht. Denn in den letzten Jahren war die Weinernte wegen der Wasserknappheit auf der Schwäbischen Alb schlecht ausgefallen.

Seit drei Tagen stand auf einem der Wohnmobilplätze ein weißer Pössl Summit 640 Prime. Der Kastenwagen gehörte dem Pärchen Leon und Swenja Schweighardter. Das Wohnmobil mit Sonderausstattung, wie Kirschholzarmaturen und einer weißen Nappaleder Sitzgruppe, war gerade mal ein Jahr alt und eine Anschaffung im sechsstelligen Bereich.

Swenja, eine üppige Mitvierzigerin mit dunkler Lockenmähne, hatte eine Physiopraxis in Leonberg bei Stuttgart. Leon, ihr stets sonnengebräunter und durchtrainierter Ehemann, unterstützte seine Frau im Frühjahr und im Sommer in der Praxis.

In den Wintermonaten weilte Leon in Maskat im Oman. Swenja nahm diese Trennung gelassen hin, bestand aber darauf, dass Leon die Weihnachtstage mit ihr im Schwarzwald verbrachte. Leon verband im Oman sein Hobby mit dem Beruf und arbeitete als Motorrad Guide bei ›Oman Moto Tours‹. Die Firma verlieh keine Motorräder, sondern transportierte die Mopeds der Teilnehmer in den Oman. Die meisten Fahrer nutzten das, um noch weitere Touren an die organisierte Reise anzuhängen. Zum Rücktransport kamen sie dann wieder nach Maskat.

Trotz Sonnenschein und leckerem Erdbeerkuchen mit Sahne war die Stimmung bei Swenja und Leon an diesem Sonntagvormittag angespannt. Sie saßen vor dem Wohnmobil in ihren nagelneuen Hochlehnern. Leon goss sich eine zweite Tasse Kaffee ein und schaufelte geistesabwesend Zucker hinein. Die beiden waren aber nicht zur Erholung hier sondern verfolgten ein gemeinsamen Ziel. Daneben kochte noch jeder ein eigenes Süppchen.

»Hast du heute schon mit dem Schaffle telefoniert?«, fragte Swenja scharf. Leon schrak zusammen.

»Nee, hab ihm noch nicht erzählt, was wir über den Huber rausgekriegt haben«, antwortete der unwirsch. Diese ganze Sache hier ging ihm gehörig auf die Nerven.

Leon hasste es, wenn er unter Druck gesetzt wurde. Aber genau das machte Zoran Schaffle. Er wusste von Unregelmäßigkeiten bei der Steuer der Schweighardters. Notgedrungen hatten die sich auf diesen grenzwertigen Deal einlassen müssen.

Schaffle hatte sie zur Spionage erpresst und die beiden Schwaben auf Alois Huber, Josef Kranzinger und Arnold Klotzki angesetzt. Der Investor wollte bei deren Bauvorhaben, also dem Biohotel von Huber, dem Traktorenmuseum von Kranzinger und dem Schießplatz von Klotzki, einsteigen und üppige Gewinne abschöpfen. Die Bauherrn selbst sollten mit einem Butterbrot abgespeist werden.

Leon rieb sich die Stirn. Sein Kopf schmerzte.

Die Weinprobe am Samstagsabend in der Cave des Huber Hofes war zu einem langen, sehr feuchtfröhlichen Abend ausgeartet. Sie hatten wirklich hervorragende Thälesweine geschlotzt und Alois hatte ihnen jede Menge Insiderwissen zur Weinherstellung verraten. Schließlich war Alois zu später Stunde über seinen Schwager, den Boris, hergezogen. Er hatte sich bitter darüber beschwert, was das für elender Kleinkrimineller war.

»Der hat Hehlergut bei uns eingelagert. Wenn das alles raus gekommen wäre, wir wären auch mit dran gewesen«, lallte er benebelt, »und die hätten mich sicher für ein paar Monate verknackt.«

Das waren genau die Informationen, die Zoran Schaffle verwerten konnte. Hehlergut bei den Hubers. Das durfte nicht publik werden. Eine kleine Andeutung bei den Hubers und er würde billig und schnell in ihr Bauprojekt einsteigen können.

Leon schob sich eine Gabel Erdbeerkuchen in den Mund.

»Ich telefoniere später mit Schaffle. Wir sollten nochmal mit Josef Kranzinger sprechen, damit wir hier fertig werden. Seine Andeutungen gestern Abend bei der Weinprobe klangen interessant. Du weißt schon, die Geschichte, wie der Josef angeblich die Leiche eines Drogenhändlers entsorgt hat. Aber wahrscheinlich hast du das gar nicht mehr mitbekommen. Etwas zu tief ins Glas geschaut, mein Schneckele!«

Swenja verzog beleidigt das Gesicht.

»Ich war stocknüchtern im Gegensatz zu dir, du Oberschlotzer!«, Swenja stand auf und boxte Leon scherzhaft in den Oberarm.

»Aua! Deinen Mann schlagen! Jetzt bekomme ich aber Angst!« Leon zog Swenja gewaltsam auf seinen Schoß und versuchte sie zu küssen.

»Lass los, ich will noch Sahne nehmen«, schnaufte die und versuchte sich loszureißen.

»Die Sahne könnten wir auch anderweitig nutzen!«, merkte Leon an und lachte dreckig auf.

»Mir ist sie momentan auf dem Erdbeerkuchen lieber!«, keuchte Swenja und wand sich aus der lästigen Umarmung.

»Spielverderberin!«, murmelte Leon.

»Der Schaffle will mehr über die NABA Leute wissen. Bei denen sollten wir auch mal vorbeischauen und sie aushorchen«, meinte Swenja.

Leon nickte zustimmend.

Die NABA Leute waren schon zwei Mal am Huber Hof mit ihren Protest Plakaten vorbei gezogen und hatten Parolen skandiert wie ›Kein Biohotel!‹ und ›Schützt die Natur!‹.

Dabei war ihm eine Frau aufgefallen, die er von irgendwoher kannte, aber nicht einsortieren konnte. Er hatte sich schon das Gehirn zermartert. Vielleicht sollte er sie direkt darauf ansprechen?

Aber jetzt war etwas anderes wichtiger. Er hatte bisher sein Doppelleben in Maskat und die daraus resultierenden Zusatzeinkünfte vor seiner Frau erfolgreich verbergen können. Und das sollte so bleiben.

Zu Swenja sagte er beiläufig: »Ich geh mir mal die Füße vertreten und schau mir das Heuhotel an. Kommst du mit?« Die Frage war rein rhetorisch, da er die Antwort schon kannte.

»Oje, für meine Gräserallergie ist das der worst case. Aber geh’ du nur!«, meinte Swenja und kratzte den letzten Rest Sahne von ihrem Teller.

Leon schlenderte zur Scheune hinüber und öffnete das Türchen im Scheunentor. Der Hof und der Campingplatz waren wie ausgestorben. Der hochgewachsene Mann bückte sich und schlüpfte in den dämmrigen Raum. Es roch intensiv nach Heu und Stroh. Er unterdrückte ein Niesen und sah sich um. Die Schlafplätze im ersten Stock interessierten ihn nicht die Bohne. Trotzdem stieg er ein paar Stufen auf der Treppe nach oben.

»Hallo, ist da wer?«, rief er vorsichtshalber. Keine Antwort. Gut so! Er suchte ein sicheres Versteck für die drei Päckchen, die er im Stauraum unter der Sitzecke im Mobil gelagert hatte. Der Platz war suboptimal, denn Swenja durfte die Fracht nicht entdecken.

Suchend tappte Leon durch die Scheune. An den Wänden waren Biertische gestapelt. Im Eck neben einer Tür stand ein riesiger Holzkohlegrill. Hinter einem Stapel leerer Bierkästen entdeckte er eine alte Holzkiste. Sie war verstaubt und hing voller Spinnweben. Im verrosteten Schloss steckte kein Schlüssel. Leon hob probehalber den Deckel hoch. Er blicke auf ein paar alte Kartoffelsäcke, die einen modrigen Geruch verströmten. »Optimal!«, murmelte er. Wenn Swenja nachher duschen ging, würde er seine Schätze hier zwischenlagern. Er schloss den Deckel und wandte sich zum Gehen.

»He, was für ein seltener Gast!« Wie aus der Erde gewachsen stand der Huber Bauer im Arbeitsoverall vor ihm. Er war durch die Tür neben dem Grill gekommen. Dort hatte er im Nebenraum an seinem Oldtimer Traktor geschraubt.

»Ich glaube, du bist seit zwanzig Jahren der erste, der da reingeschaut hat!«, sagte Alois verwundert.

»Die Neugier hat mich nicht ruhen lassen«, meinte Leon geistesgegenwärtig, »Du hast doch gestern von deinem Traktorenoldie erzählt, kann man den mal anschauen?«

»Komm und bewundere den alten MAN!« Alois platzte fast vor Stolz. »Leider habe ich nicht viel Zeit, heute Nachmittag wird unser Campingplatz offiziell eröffnet!«

Darüber war Leon sehr erleichtert. Widerwillig ging er neben Alois in den Nebenraum und heuchelte Interesse so gut es ging.

Die Motorradgang

An diesem Sonntag strahlte die Sonne vom wolkenlosen Himmel und die Temperatur stieg stetig. So mildes Wetter war im Frühling auf der rauen Schwäbischen Alb keine Selbstverständlichkeit.

Ludmilla Huber, die Frau des Weingärtners Alois Huber, hatte sich zur Feier der Campingplatzeröffnung in Schale geworfen. Sie trug eine weiße Bluse zur schwarzen Hose und hatte ihre blond gefärbten, kinnlangen Haare mit einer Spange im Nacken gebändigt. Sie gönnte sich eine kurze Pause und saß auf der Bank vor dem Haus. Zufrieden ließ sie ihren Blick über ihr Reich gleiten.

Der neue Campingplatz lag südlich oberhalb des Anwesens und war terrassenförmig in einen alten, nicht mehr bewirtschafteten, Weinberg hineingebaut. Die ehemalige Milchküche diente jetzt als Campingplatzoffice. Im renovierten Kuhstall waren die Toiletten und weitere sanitäre Anlagen untergebracht.

Neben den Wohnmobilstellplätzen lag der Bauerngarten, ihr ganzer Stolz, obwohl ihr Rücken von der Gartenarbeit häufig schmerzte. Aber die Blumenpracht und die Gemüseernte entschädigten sie für die Mühen.

Alois kümmerte sich um die Weinberge. Sie hatte die Weinverkostungen in der Cave, dem renovierten Kartoffelkeller, übernommen.

Mit innerem Schmunzeln dachte sie an die neue Geschäftsidee von Alois, eine Schneckenfarm. Er hatte sich bei Rita Goller in Münsingen in deren Schneckengarten auf der Schwäbischen Alb informiert. Sie hatte ihm zwei Eimer mit Weinbergschnecken als Grundlage für seine Zucht verkauft. In ein bis zwei Jahren hoffte er auf die erste rentable Ernte.

Anfangs hatte sie ja das Projekt als eklig abgelehnt. Sie musste an die gefräßigen Nacktschnecken denken, die sie regelmäßig kurz vor Mitternacht im Taschenlampenlicht im Gemüsebeet abklaubte und mit der Gartenschaufel zerhackte. Da hörte ihre Tierliebe auf und sie kannte kein Pardon. Doch die ›Schwäbischen Austern‹, wie sie früher genannt wurden, mussten nur mit Brennnesseln, Löwenzahn oder Raps versorgt werden. Ludmilla hatte unter anfänglichem Protest die Fütterung der Weinbergschnecken in den Holzkästen übernommen, die mit Netzen überspannt waren.

So war eine Invasion des Bauerngarten unmöglich.

Alois hatte tags zuvor einen Großeinkauf in der Metro gemacht, den Kühlschrank im Office mit Getränken aufgefüllt und die Getränke- und Bierkästen daneben abgestellt.

Snacks und Süßigkeiten waren auf dem Regal neben der Tür aufgebaut.

Da kam Walburga Schneckenburger, ihre Praktikantin, aus der Küche.

»Essen für heute Abend ist vorbereitet. Jetzt können die Gäste kommen«, meinte sie gut gelaunt. Es gab schon eine Vorbestellung für den Campingplatz. Eine Gruppe Motorradfahrer würde gegen Mittag eintreffen.

»Klasse, dann kannst du ja die Begrüßung übernehmen. Ich hab noch ein paar Mails zu schreiben«, antwortete Ludmilla und verschwand im Haus. Sie hatte sich vorgenommen Arbeit zu delegieren, damit ihr dieser Betrieb nicht über den Kopf wuchs. Bevor sich Wally setzten konnte, ertönte schon Motorengebrumm. Fünf Motorradfahrer fuhren auf den Hof, bremsten vor der Scheune und stellten ihre hochbeinigen Enduros ab. Eine Maschine fiel durch ihre leuchtend orangefarbene Lackierung auf.

Der Fahrer, ein stämmiger Mann in schwarzbunter Endurokleidung, kam in wiegenden Schritten sofort auf Wally zu.

Er nahm seinen Helm ab, wobei sein schütteres, mausgraues Haupthaar zum Vorschein kam. Mit breitem Grinsen rief er: »Hallo, ich bin Emil Lenz, aber du kannst GruGru zu mir sagen.«

Wally musste lachen. GruGru, was war das denn für ein Spitzname? Die Motorradfahrer hatten wirklich alle einen an der Klatsche!

»Hallo GruGru, willkommen auf dem Huber Hof!« Sie wandte sich auch an seine Begleiter, die ebenfalls ihre Helme abnahmen. »Ihr seid die ersten Gäste auf unserem neuen Platz. Wollt Ihr ein Begrüßungsbier? Geht auf’s Haus!«, verkündete Wally. Sie wollte gerade ins Büro und zum Kühlschrank gehen, als ein roter Fiat lautlos auf den Hof rollte.

Das ›Tübinger Tagblatt‹ hatte kräftig in sein Umweltimage investiert und einen Fiat 500 e mit Elektroantrieb angeschafft, außerdem drei Elektroroller für Einsätze in Tübingen und der nächsten Umgebung.

Eva Witten, die Reporterin des ›Tübinger Tagblatts‹, war wieder mal in Eile. Sie hatte heute noch viel vor und eigentlich gar keinen Kopf für die Eröffnung eines Campingplatzes. Aber Bernd, ihr Chefredakteur, hatte sie dazu verdonnert von diesem Campingquatsch zu berichten.

Zumindest konnte sie komfortabel im neuen Elektroauto der Redaktion fahren und dabei Russisches Brot knabbern. Die Plätzchenpackung auf dem Beifahrersitz war schon wieder fast leer. Heute hatte Eva während der Fahrt ein Potpourri aus der Operette ›Der Zigeunerbaron‹ gehört. Der Ohrwurm ›Borstenvieh und Schweinespeck ist der ideale Lebenszweck…‹ rotierte noch in ihrem Kopf.

Eva seufzte. Der Hosenbund ihrer alten, dunkelblauen Schlaghose kniff unangenehm. Die hatte früher auch mal weiter gesessen. Sie zog das lappige graue Shirt zurecht und band den Pferdeschwanz neu. In den abgetragenen Klamotten fühlte sie sich irgendwie unwohl. Aber was tat man nicht alles für eine gute Recherche.

Im Kofferraum des Fiats lagen Schlafsack, Zelt und Rucksack. Sie war bereit für ihre Undercover Mission beim Camp an der Weihermühle. Aber zuerst musste sie noch diese total langweilige Eröffnung hinter sich bringen. Das war eigentlich ein Einsatz für eine Praktikantin, nicht für eine Reporterin ihres Formats!

Dieser Brot- und Butterjob hielt sie davon ab, ihr Buchprojekt zu verwirklichen. Bis jetzt hatte sie nur Fragmente eines Exposees geschrieben und mit Berta diskutiert.

Eva seufzte und schaltete die Musik aus. Es half ja alles nichts, da musste sie jetzt durch. Sie stieg aus und ging auf Wally zu, die gerade ins Office wollte.

»Hallo Wally, großer Tag heute?«, rief Eva. Die Praktikantin trug schwarze Jeans und ein pinkfarbenes Shirt. Einige Strähnen hatten sich aus ihrem Zopf gelöst und fielen in ihr erhitztes Gesicht.

»Sieht so aus. Willst du auch ein Bier, geht aufs Haus?«, antwortete Wally.

»Nein danke, bin nur hier, um von der Eröffnung zu berichten«, antwortete Eva.

Wally beäugte etwas erstaunt die Kleidung der Reporterin. Die alte Jeans und das graue Sweatshirt hatten schon bessere Tage gesehen. Seltsam, Eva war doch sonst immer topp gestylt! Kurz überlegte sie, ob sie sie darauf ansprechen sollte, verwarf aber den Gedanken wieder.

Die Motorradfahrer drängten sich in das kleine Büro. GruGru erledigte die Anmeldeformalitäten.

Wally verteilte eiskaltes Bier an seine Kollegen.

»Dann stelle ich dir gleich mal unsere Mitglieder der ›Wilde Enduristen‹ vor«, sagte GruGru, »Das ist Lothar, auch Steini genannt, und mein Stellvertreter. Und das sind Bernd, der Bär, Horst, der Professor, und Clemens, unser Pfannenwirbler!«

Er deutete der Reihe nach auf einen schlanken, blonden jungen Mann mit einem silbernen Ohrring und raspelkurz geschnittenen dunklen Haaren, einen durchtrainierten Mitvierziger, einen, eher wie ein Pfarrer aussehenden, schmächtigen Typen und einen Mann in den Dreißigern, der eine Wampe vor sich her trug.

»Können wir heute Abend hier essen?«, fragte Steini.

»Gerne, wenn euch polnische Küche schmeckt!«, konterte Wally.

»Klar, nach einem Tag im Sattel schmeckt einem einfach alles!«, schmetterte Steini und merkte sofort, dass er in ein Fettnäpfchen getreten war. Er verstummte und verdrückte sich so schnell wie möglich aus dem Büro.

»So, jetzt Zelte aufbauen und dann fahren wir noch eine Runde. Ich kenne da ein paar Wege, die werden euch vom Bock hauen!«, kündigte GruGru an.

»Halt!«, rief Wally, »Der Campingplatz ist noch nicht offiziell eröffnet!«

Zuerst musste eine halbwegs feierliche Zeremonie stattfinden. Ludmilla hatte schon am Abend zuvor mit einem breiten, roten Weihnachtsband das Tor des Campingplatzes abgesperrt. Jetzt erschien sie mit einem Tablett auf dem Sektgläser standen. Alois, noch in seinem Arbeitsoverall, hielt eine Flasche Sekt in der Hand. Wally stand mit gezückter Schere vor dem Band.

Ludmilla rief: »Auf eine erfolgreiche Campingsaison!« Wally zerschnitt das Band und Alois ließ gleichzeitig den Korken des Thälessekts knallen. Er goss die Gläser randvoll. Die drei stießen an und die Motorradfahrer prosteten ihnen mit ihren Bierflaschen zu.

Eva trank das angebotene Glas in einem Zug aus und versuchte die Gruppe für ein gemeinsames Foto aufzustellen, was ihr schließlich im zweiten Anlauf so halbwegs gelang.

»Cheese!«, befahl sie und drückte ab. Alle strahlten wie Honigkuchenpferde in die Kamera. Wallys rosa Shirt war der Hingucker, während Alois halb von seiner Frau verdeckt wurde. Die Motorradfahrer in ihren Kombis bildeten eine gute Kulisse. Eva schüttelte den Kopf um den lästigen Ohrwurm zu verscheuchen. Dieser Schweinespeck hatte sich festgesetzt. Sie musste sich doch auf das Interview mit den Hubers konzentrieren.

In diesem Augenblick traten die beiden Wohnmobilgäste neugierig zur Feier.

»Swenja, Leon! Kommt her und trinkt auch ein Glas mit!« Alois gefiel sich in der Rolle des Campingplatzbesitzer. Doch Leon verhielt sich seltsam. Er wich etwas zurück, als er GruGru erblickte. Er stupste Swenja in die Seite und flüsterte ihr etwas zu. Auch GruGru stutzte und verschluckte sich prompt am Sekt. Der Endurofahrer hustete, schnappte nach Luft und versuchte zu Atem zu kommen. Diese Unterbrechung nutzte Leon und zog seine Frau beiseite.

Den dreien kam es sehr gelegen, dass jetzt Elise, die junge Hündin der Hubers, auf der Bildfläche auftauchte. Sie zog die Blicke aller auf sich. Der freche Mischling schnupperte kurz. Da waren ja viele Gerüche von vielen neuen Leuten in der Luft. Da es aber nicht nach Fresschen roch, tappte sie auf die neu angesäte Rasenfläche vor dem Campingplatz, um nach Mäusen zu buddeln. Konzentriert begann Elise ein Loch zu graben, wurde aber gleich von Alois am Halsband weggezerrt.

Somit waren die Feierlichkeiten beendet.

Wenig später fuhren alle Motorräder vom Hof.

Unterdessen marschierte Eva zum Campingplatz. Es standen fünf Einmannzelte auf den Terrassen. Die Motorradfahrer hatten eine blaue Fahne mit dem roten Schriftzug ›Die wilden Enduristen‹ gehisst. Die spinnen, die Motorradfahrer, dachte Eva. Sie fotografierte alles und ging über den Hof in die Wohnküche zurück, um die Hubers im Schnelldurchgang zu interviewen. Dabei summte sie automatisch ›Borstenvieh und Schweinespeck sind der ideale Lebenszweck‹.

Weißmüllers Auftritt

Gegen sechs Uhr kamen die Enduristen von ihrem Ausflug auf den Hof zurück. Wally stand in der Tür des Bauernhauses und ließ sich das Spektakel nicht entgehen.

»Um halb sieben gibt es Essen!«, rief sie ihnen zu, als alle Motoren verstummt waren. Sie blieb wie angewurzelt stehen, als noch ein Nachzügler auf den Hof donnerte.

Die glänzend polierte rote BMW R1250 GS war, wie ihr Fahrer, ein Hingucker. Der Typ trug eine knallrote Motorradkombi und stieg großspurig ab. Der hochgewachsene Mann zog langsam den Helm vom Kopf und schüttelte seine grauen Locken zurecht. Dann fuhr er sich über seine fleischige Nase und grinste erwartungsvoll in die Runde.

GruGru, der gerade den Reißverschluss zu seinem Zelt öffnete, drehte sich um und richtete sich wieder auf. Mit entschlossenem Gesichtsausdruck schritt er auf den Ankömmling zu und blieb knapp vor ihm stehen.

»Weißmüller!«, presste er hervor.

»Eberhard Weißmüller, so viel Zeit muss sein«, erwiderte der mit dunkler Stimme, »Ich sehe schon, ihr habt euer Territorium bereits abgesteckt! Aber das hier ist mein Claim, das Land von ›Weißmüllers Motorradfreunden‹! Kapier’ das endlich!«

Es gefiel ihm, diesen grobschlächtigen GruGru mit seiner lächerlichen Endurogang zu provozieren. Spaß musste sein, obwohl er es nicht mehr nötig hatte, mit Motorradreisen Geld zu verdienen. Sein Streit mit GruGru beruhte auf einer lange zurückliegenden Fehde. Damals ging es wirklich noch darum, wer sich bei geführten Motorradreisen die meisten Kunden schnappen konnte.

Seit Jahren hatte er inoffiziell die Branche gewechselt und verdiente sein Geld auf leichtere Art. Er musste sich nicht mehr mit defekten Maschinen und nervigen Fahrern herumärgern.

Der Rubel rollte und er konnte sich die teure Sonderedition seiner BMW leisten, die 50 PS mehr hatte als das Serienmodell und eine Kombi aus Kalbsleder, das im Tragekomfort unschlagbar war.

»Zeig’ mir Dokumente, die das belegen! Dein Land! Dass ich nicht lache! Hier haben die ›Wilden Enduristen‹ die gleichen Rechte!«, meinte GruGru und spuckt ihm vor die Füße.

Wally fühlte sich wie im Wilden Westen. Jetzt fehlte es nur noch, dass die beiden ihre Colts zogen. Aber es blieb beim Wortgefecht.

»Verpiss dich hier!«, antwortete Weißmüller und lachte verächtlich.

»Ich fahre Motorrad wo und wann ich will!«, stieß GruGru hervor. Seine Männer standen jetzt hinter ihm und versuchten eine drohende Haltung einzunehmen.

»Mit deinen Kollegen im Rücken kannst du leicht rumprotzen!« Weißmüller verschränkte die Arme vor der Brust.

»Dann lass uns das doch von Mann zu Mann ausmachen«, schlug GruGru vor.

Weißmüller überlegte einen Augenblick.

»Gut, ein Rennen! Morgen im Wald bei der Keltenschanze um 16:00 Uhr. Ich organisiere eine neutrale Person. Die soll den Parcours abstecken«, meinte er dann überheblich.

»Du wirst so was von auf die Schnauze fallen«, spottete GruGru und seine Mannen grienten.

»Dich besiege ich auch mit verbundenen Augen!«, rief Weißmüller. Er sah nach Beifall heischend erst zu Wally und dann zum Wohnmobil hinüber. Dort saßen die Schweighardters in ihren Hochlehnern und lasen völlig ungerührt Zeitung. Anscheinend wollten sie von dem Auftritt der beiden nichts mitbekommen.

Weißmüller stutzte. Der Mann vor dem Wohnmobil kam ihm sehr bekannt. Die Welt war ein Dorf. Da musste er etwas unternehmen. Abrupt wandte er sich ab. Er setzte seinen Helm auf, saß auf und startete unter großem Getöse seinen getunten Motor. Auf dem Hinterrad balancierend rauschte er aus dem Hof.

Wally schüttelte den Kopf und ging ins Haus. Die Show war vorbei.

»Angeberarsch!«, brüllte ihm GruGru hinterher. Er fühlte sich in diesem Durchgang als Sieger und war kurz davor, im Testosteronrausch mit den Fäusten gegen seine Brust zu trommeln.

Dass Weißmüller hinter der nächsten Kurve anhielt, sich den Helm vom Kopf riss und sein Smartphone aus der Jacke holte, sah GruGru nicht mehr. Weißmüller wählte die Nummer von Zoran Schaffle.

»Hallo Schaffle!«, Weißmüller ließ ihm keine Zeit, sich zu melden, »Was soll das? Ich habe gerade den Schweighardter beim Huber gesehen! Weißt du davon? Was macht der hier? Das ist gegen alle Abmachungen!«, schrie er in den Hörer.

Einen Augenblick herrschte Funkstille am Telefon. Doch dann reagiert der Gesprächspartner mit erstaunlich beherrschter Stimme.

»Beruhige dich, der arbeitet für mich. Ich hab ihn auf Huber und die anderen Bauherrn angesetzt. Das hat mit dir überhaupt nichts zu tun!«, beruhigte ihn Schaffle.

»Dein Wort in Gottes Ohr. Ich will keine Schwierigkeiten!« Weißmüller war immer noch geladen.

»Wirst du nicht kriegen, beruhige dich wieder.« Schaffle wusste, wie man mit Cholerikern umging.

»OK!«, Weißmüller legte auf, setzte seinen Helm wieder auf und raste in Richtung Bad Urach davon.

Eva hatte von dem martialischen Auftritt von Weißmüller und GruGru nichts mitbekommen.

Sie hatte sich nach der Eröffnung und dem Interview nach hinten auf die Bank im Bauerngarten zurück gezogen und den Artikel für das Tagblatt geschrieben. Zusammen mit dem Foto mailte sie kurz darauf alles an die Redaktion.

Jetzt war sie bereit für ihr Undercover Abenteuer beim Camp der NABA an der Weihermühle.

Nur ihren Ohrwurm musste sie noch loswerden.

Eva und der Tote

Es war schon später Nachmittag, als Eva mit knurrendem Magen an der Weihermühle eintraf. Der Anblick der sich friedlich dahinschlängelnden Kleinen Oster, dem Mühlbach, konnte ihre Laune nicht verbessern. Seit dem Frühstück hatte sie nur die spärlichen Reste einer Packung Russisch Brot vertilgt. Sie würde sich erst mal einen Cappuccino und ein Stück Kuchen bei Hortensia im Mühlencafé gönnen und so gestärkt ihre Mission beginnen.

Das Café war gut gefüllt und Eva ergatterte gerade noch einen Platz auf der Terrasse. Sie setzte sich zu einem älteren Paar in Wanderkleidung. Die beiden begannen sofort ein Gespräch und schwärmten von ihrem Ausflug zum Wasserfall der Kleinen Oster.

Wandern gehörte nicht zu Evas bevorzugten Freizeitbeschäftigungen. Trotzdem hörte sie freundlich lächelnd zu.

Hortensia kam an ihren Tisch und empfahl die frischgebackene Biskuitrolle mit Bioerdbeeren vom Biohof Lehnert in Kusterdingen. Eva lief das Wasser im Mund zusammen und sie bestellte spontan gleich zwei Stücke. Erdbeerkuchen erinnerte sie an ihre Kindheit. Wie oft war sie im elterlichen Garten durch die Beete gestrolcht und hatte die Beeren gleich in den Mund gepflückt. Eva genoss jeden Bissen des Gebäcks und blendete die beiden Wanderer aus.

Von ihrem Sitzplatz konnte sie das Camp des NABA, des Naturschutzbundes Baden Württemberg, sehen. Die Aktivisten hatten es neben dem ehemaligen Traktoren Museum aufgebaut. Die verkohlten Reste des abgebrannten Gebäudes waren schon lange entsorgt und es standen nur noch einige beschädigte Traktoren auf dem Gelände. Hier sollte der Neubau des Museums von Josef Kranzinger unter der Bauleitung von Hubertus Hollerer entstehen.

Neben den Zelten, die wie eine Wagenburg aufgebaut waren, standen mehrere Transparente mit den Parolen der Naturschützer. ›Rettet die Smaragdeidechse‹, ›Kein Schießplatz im Weinberg‹ und ›Gegen Monstermuseum‹ stand da. ›Nieder mit Schaffle‹ fehlte noch. Aber dafür wollte Eva ja sorgen. Dieser Baumfrevel sollte nicht ungesühnt bleiben.

Jetzt kam Eva Witten, nein, jetzt kam Heidrun Kälble mit geballter Kraft, um diesen verschlafenen NABA Leutchen mal Dampf unterm Hintern machen.

Eva trank noch einen zweiten Cappuccino, lobte den Kuchen und versprach den Wanderern die Tour zum Wasserfall am nächsten Wochenende zu machen. Gestärkt holte sie Zelt, Schlafsack und Rucksack aus dem Kofferraum ihres Autos und machte sich auf den Weg zum Camp.

Es wirkte sehr entspannt und idyllisch. Einige Leute saßen mit Getränkeflaschen in den Händen auf umgedrehten Getränkekästen um eine erloschene Feuerstätte und unterhielten sich angeregt. Als Eva näher kam, verstummten die Gespräche. Mit Besuch hatte offenbar niemand gerechnet.

»Hallo zusammen!«, grüßte Eva lässig, »ich bin Heidrun Kälble, also die Heidrun aus Tübingen.« Dann verstummte sie gespielt schüchtern, wobei sie alle im Blick behielt.

»Hallo«, antwortete eine ausgemergelt wirkende Blondine gedehnt, »NABA ist für alle da.«

Die anderen nickten und ein Bärtiger mit breitkrempigem Pfadfinderhut schob Eva einen Getränkekasten hin.

Eva lächelte dankbar.

»Ich würde gerne bei euch mitmachen!«, sagte sie schnell und setzte sich in die Runde. Alle sahen sie erwartungsvoll an. Jetzt musste sie eine gute Begründung bieten.

»Ihr kennt bestimmt Immobilien Schaffle & Partner«, begann sie. Die Blonde nickte sofort. Auch die anderen schienen ihn zu kennen.

»Also der ist dafür verantwortlich, dass die Streuobstwiese meines Partners in einer Nacht- und Nebelaktion einfach so abgeholzt wurde. Ich hab den letzten Kirschbaum besetzt!«, fügte Eva triumphierend hinzu.

»Was hat der Schaffle mit uns zu tun? Wir kämpfen gegen die überzogenen Bauvorhaben hier. Ich sag nur: Huber, Klotzki, Kranzinger und deren Bauleiter Hubertus Hollerer«, ereiferte sich die etwa 40 jährige Blonde und versuchte dabei mit beiden Händen ihre Haarfülle in eine Pferdeschwanzfrisur zu bändigen.

Eva erschrak. Sie hatte nicht geahnt, dass Hubertus auch in die Schusslinie geraten war.

»Ganz im Vertrauen«, Eva senkte ihre Stimme zu einem heiseren Flüstern, »der Schaffle ist derjenige, der alle Vorhaben in sein Imperium übernehmen will. Das weiß ich aus zuverlässiger Quelle.« Eva spürte die skeptische Haltung der Umsitzenden. Sie hatte sie offenbar noch nicht überzeugt.

»Da weißt du mehr als wir«, mischte sich ein Typ mit grüner Schirmmütze ein, »Willst du auch eine Bionade?«

»Gerne!«, sagte Eva. Er öffnete den Kronkorken der Flasche routiniert am Kasten und reichte sie ihr.

»Ich bin der Klaus und das sind Cynthia, Margarethe, Horst und Caroline«, stellte er die Anwesenden reihum vor.

»Angenehm, Heidrun!«, antwortete Eva. Sie prostete allen zu und wischte sich heimlich den Schweiß von der Stirn. Sie hatte gerade noch die Kurve gekriegt und sich nicht mit Eva vorgestellt. In der Runde begann jetzt eine rege Diskussion über die Ziele der Protestierer. Eva ließ immer wieder Vergehen gegen die Bauvorschriften der Immobilienfirma Schaffle einfließen. Sie hatte sich informiert und alles entsprach den Tatsachen. Langsam begann es zu dämmern.

»Jetzt sollte ich aber mein Zelt aufbauen«, bemerkte sie schließlich, das Einverständnis zu ihrem Bleiben implizit voraussetzend.

»Ich helf dir!« Klaus schnappte sich das Zelt von Eva. »Am besten du baust dort drüben auf!« Er deutete neben ein rotes Zelt. Eva vermutete, dass es sich um seines handelte.

Als sie nach einer Viertelstunde an die Feuerstelle zurückkamen, loderten dort schon Flammen und ein Topf hing an einem Dreibein.

»Das sind hervorragende Bioravioli, original erhitzt von Margarethe«, witzelte Klaus.

Es roch lecker nach Tomatensoße. Eva lieh sich eine Gabel von Horst, da sie zwar einen Teller dabei hatte, aber das Besteck vergessen hatte. Die Ravioli schmeckten nicht schlecht, nur etwas Salz fehlte.

Soweit sich Eva erinnern konnte, hatte sie Ravioli das letzte Mal während ihres Studiums gegessen. Nostalgische Gefühle kamen in ihr hoch. Aber nein, das lag noch weiter zurück. Nach dem Abitur hatten sie zwei Wochen am Gardasee gezeltet und da gab es aus Ersparnisgründen meistens diese gefüllten Teigtaschen.

Cynthia riss sie aus ihren Träumen: »So, ab in die Federn, morgen früh wird wieder demonstriert. Da müssen wir fit sein!« Sie war die Anführerin der Gruppe, soviel hatte Eva schon heraus bekommen.

Sie schlüpfte in ihren blauen, ausgewaschenen Jogginganzug. Es dauerte lange, bis sie auf der Luftmatratze und in ihrem Schlafsack die richtige Liegeposition gefunden hatte. Immer wieder lag ein Körperteil frei, an den die kalte Nachtluft kommen konnte und dann begann auch noch jemand zu schnarchen, dass das Zelt wackelte.

Gerade war sie eingenickt, als sie ihre Blase weckte. Die leckere zweite Bionade war wohl zu viel gewesen. Sie verfluchte ihre Genusssucht. Mehrfach drehte sie sich hin und her. Aber es half alles nichts. Der Druck wurde immer größer. Sie musste raus aus ihrem gemütlichen Schlafsack. Möglichst leise zog sie den Reißverschluss ihres Zeltes auf und steckte den Kopf hinaus.

Draußen war es zappenduster. Die Nachtwolken hatten Sterne und Mond fast völlig verschluckt. Ein Käuzchen schrie. Das Schnarchen hatte aufgehört. Ohne Headlamp war eine Orientierung unmöglich. Sie glaubte sich zu erinnern, dass sie das Ding in die Rucksackvortasche gesteckt hatte. Suchend tastete sie darin herum und hatte schnell die Lampe in der Hand. Nachdem sie deren Gummiband über den Kopf gezogen hatte, schaltete sie das Teil ein. Ein leichtes Glimmen war die Reaktion.

Merde, fluchte sie in Wotan Wildes Art in sich hinein. Eine leere Batterie fehlte ihr jetzt gerade noch. Sie schaltete von Dauerleuchten auf Intervall. Die Lichtausbeute wurde etwas besser. Dann war sie halt ein wandelndes Blicklicht. Öfter mal was Neues. Kurz überlegte sie, ob sie ihr Handy als Taschenlampe benutzen sollte, verwarf aber die Idee, da sie nicht abschätzen konnte, wann sie eine Steckdose zum Laden finden würde.

Eva wagte einen kurzen Blick aufs Display ihres Smartphones, die Uhr zeigte halb zwei.

So leise wie möglich und mit schlangenartigen Bewegungen wand sie sich aus dem Zelt. Sie schlüpfte in ihre Schlappen, die sie schon für den nächsten Morgen bereit gelegt hatte. Wohin jetzt? Hier gab es weder Büsche noch Bäume als Deckung. Es war zwar stockfinstere Nacht, aber trotzdem konnte sie sich nicht dazu durchringen, sich einfach irgendwo hin zu setzen.

Die Umrisse der Traktoren, die Kranzinger aus seinem abgebrannten Traktoren Museum gerettet hatte, zeichneten sich wie Skelette toter Dinosaurier gegen das schwache Nachtleuchten ab. Die Fahrzeuge standen in einer losen Gruppe neben der Scheune. Das war jetzt ihr Ziel.

Eva stolperte zu den Maschinen hinüber, immer im Blinklicht der Headlamp. Beim ersten Traktor schien ihre Blase kurz vor der Explosion. Hastig stapfte sie in das kniehohe Gras zwischen den Schleppern.

Plötzlich stieß ihr linker Fuß gegen ein Bündel am Boden. Sie strauchelte, fiel auf die Knie und kippte mit dem Oberkörper nach vorne. Reflexartig streckte sie die Arme aus und und landete ungebremst auf etwas Weichem. An ihren Händen fühlte sie Feuchtigkeit. Zu Tode erschrocken verharrte sie kurz. Sie schnappte nach Luft und richtete sich auf. Mit zitternden Fingern knipste sie das Dauerlicht ihrer Lampe an.

---ENDE DER LESEPROBE---