Fränkische Brausetablette - Wolfgang Grund - E-Book
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Wolfgang Grund

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Beschreibung

Der Schriftsteller Wolfgang Prakl kommt zu einem Motorradunfall. Die Fahrerin Chen sagt, bevor sie stirbt, ›Suche ›EVA TAB‹, nichts ist wichtiger!‹ zu ihm. Ab dann ist nichts mehr so wie es war für ihn. Er wird entführt, mit Wahrheitsserum behandelt und findet später in seinem Haus einen Toten. Dann trifft er auf die angebliche Schwester von Chen und macht sich mit ihr auf die Suche nach ›EVA TAB‹. Er kann bald seinen Gegenspieler enttarnen, Peter Mühlenbroich, der mit allen Mitteln versucht an ›EVA TAB‹ zu kommen. Wie er erfährt handelt es sich dabei um die Technologie, wie man Impfungen nicht mit Spritzen, sondern mit Sprudeltabletten durchführen kann. Auch die Menschenschlächterbande der Schmidts ist inzwischen hinter der Technologie her. Mit Hilfe der ›Schrecklichen Vier‹, der Motorradfahrerfreunden von Wolfgang kann letztendlich das schier unlösbare Geheimnis gelöst werden.

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Wolfgang Grund

Fränkische Brausetablette

Wer ist 'EVA TAB'?

Inhaltsverzeichnis

Wolfgang Prakl

Der Ausflug

Der Unfall

Die Schmidts

Die Schmidts bei Mühlenbroich

Die Maskierten

Home sweet home

Die Schmidts setzen auf Software

Wolfgang recherchiert

Peter Mühlenbroich und Sophia

Das Gespräch

Beim Rieneck

Nächtens im Rieneck

Das Spital

Mühlenbroich verzweifelt

Chens Firma

Auf zum Geocashing

In der Knechtshöhle

Die Schmidts und Kawen

Mühlenbroich trifft Prakl

Kawens Flucht

Heimkehr

Das Gespräch

Unerwarteter Besuch

Zwei Besuche und ein Todesfall

Der Plan von Wolfgang

Die Beerdigung

Die Verhandlung

Die Schmidts überlegen

Wolfgang auf der Suche nach der Kühltruhe

Erste Ergebnisse

Das Carnapping

Mühlenbroich und die Schmidts

Steini in Gefahr

Wer rettet Steini?

Champagner für alle

Johannes Mühlenbroich

Die überraschende Mutterschaft

Impressum

›Fränkische Brausetablette‹ von Wolfgang Grund

Wolfgang Prakl

»So etwas habe ich noch nie gesehen!«, Hauptkommissar Thalhammer war sichtlich geschockt. Der Chef der Mordkommission Nürnberg stand im Reichswald in der Nähe des Valznerweihers und starrte auf die Leiche, die vor ihm lag. Dem Mann fehlten beide Füße und Unterschenkel und sein Gesicht war schrecklich entstellt.

»Was ist dem armen Mann passiert?«, fragte Thalhammer den Pathologen Stefan Brandmeister.

»Ich würde sagen, der ist auf eine Mine getreten«, mutmaßte der.

»Eine Mine im Reichswald? Das ist doch mehr als unwahrscheinlich«, antwortete Thalhammer.

»Aber er zeigt alle Anzeichen. Die Unterschenkel sind hier überall verstreut und sein Gesicht ist von Bombensplittern ziemlich schlimm zugerichtet. Offenbar hat er nach unten gesehen, als es passierte«, analysierte Brandmeister.

»Also sammelt alles ein, was früher zu dem Mann gehört hat und transportiert ihn ab«, sagte Thalhammer zu den Polizisten, die im Hintergrund mit einem Metallsarg warteten. Er selbst ging einige Schritte zur Seite, um sich einen Überblick über den Schauplatz zu verschaffen.

›Klick‹ machte es plötzlich unter seinem rechten Fuß. Thalhammer sah nach unten. Da ragte ein metallisches Teil aus dem Boden. Thalhammer hatte einen Verdacht, was das sein konnte. Vorsichtig beugte er sich hinunter und sah den Stift, der unter seinem Schuh aus dem Boden ragte. Das war eindeutig eine Mine.

»Halt!«, brüllte er sofort und blieb wie angewurzelt stehen. »Das ist hier ein Scheiß Minenfeld! Keiner bewegt sich!«

Alle starrten ihn entsetzt an. Er deutete auf die Kante der Mine, auf der er stand. Niemand machte mehr eine Bewegung.

»Ich rufe das Bombenkommando«, stotterte Oberkommissarin Susanne Schmiedler, zog ihr Smartphone aus der Tasche und verständigte ihre Kollegen.

So standen drei Mitarbeiter der Mordkommission Nürnberg, ein Pathologe und fünf Polizisten wie Salzsäulen im Reichswald und warteten auf das, was da kommen würde.

Der Schriftsteller Wolfgang Prakl lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und seufzte tief. Das Verfassen von Regionalkrimis, die in seiner fränkischen Heimat spielten, bereitete ihm ein höllisches Vergnügen. Dass er vor kurzem selbst Teil eines sehr realen und sehr blutrünstigen Verbrechens gewesen war, versuchte er zu verdrängen. Er war heil aus der ganzen Sache herausgekommen und nur das zählte.

Durch das raumhohe Fenster vor seinem Schreibtisch blickte er sinnend in seinen Garten. Die naturbelassene Wiese endete an einem niedrigen Gebüsch, das die Grundstücksgrenze zum Rednitzgrund bildete. Träge floss das Flüsschen dahin. Das Ufer war gesäumt von Weidenbüschen und Schilfinseln. Die Sonne strahlte und spiegelte sich in den kleinen Wellen an der Wasseroberfläche.

Da Prakls Arbeitsplatz im ersten Stock war, hatte er eine hervorragende Sicht auf diese grüne Ader mitten in Fürth. Spaziergänger mit Hunden liefen schon frühmorgens auf dem Schotterweg am Fluss entlang und Radfahrer brausten zu ihren Zielen.

Seit über einem Jahr wohnte er jetzt mit seiner Verlobten Sophia Bernstein und deren Irish Setter Kant im Neumühlweg 4 in Fürth Gebersdorf. Das Haus war ein Neubau, weil ein wahnsinniges Mitglied des Schmidt Clans das alte Anwesen abgefackelt hatte. Kurz dachte er an all die Schrecklichkeiten, mit denen er sich damals hatte herum schlagen musste. Doch das war, Gott sei Dank, Vergangenheit.

Er las noch einmal den Anfang seines neuen Buches und fand ihn gar nicht so schlecht. Wie immer war der Text spannend und jeder fragte sich, wie der Plot sich entwickeln würde. Es gelang ihm die Spannung hoch zu halten, und trotzdem den roten Faden nicht zu verlieren.

Es sollte der dritte Band seiner ›Bernd Thalhammer Reihe‹ werden. Sein letztes Buch ›Nürnberger Klone‹ hatte wieder voll eingeschlagen und ihm ein nettes Sümmchen an Tantiemen beschert. Die Lesereise in Buchhandlungen in Franken, der Oberpfalz und Baden-Württemberg war anstrengend gewesen. Aber er schätzte den Kontakt zu seinen Lesern und signierte bis die Finger krachten.

Im Moment wartete seine Verlegerin Dayita Aggarwal schon sehnsüchtig auf das neue Manuskript. Sie wollte es bereits ins Herbstprogramm des Verlags aufnehmen, aber das fand er zu kurz angesetzt. Jetzt war schon Mai! Gut, er hatte vielleicht ein paar Tage im Vorfeld mit Motorradfahren an den ersten schönen Frühlingstagen vertrödelt.

Und wenn er gewusst hätte, was auf ihn in den nächsten Wochen zukommen würde, hätte er sofort Dayita angerufen und den Abgabetermin nach hinten geschoben.

Voller Freude dachte er an sein neues Bike, das er sich gegönnt hatte. Es war mal keine Enduro, sondern eine KTM Duke R, ein richtiger Flitzer. Morgen würde er sie abholen und hatte gleich einen Ausflug in die Fränkische Schweiz geplant. Bei dem Gedanken mit der neuen Kiste um die Kurven zu zirkeln und den Fahrtwind zu spüren wurde ihm ganz warm ums Herz. Laut Wetterbericht sollte der morgige Tage sonnig und frühsommerlich warm werden. Das waren ideale Bedingungen für eine Einweihungsfahrt!

Ein kalte Schnauze in seiner Hand brachte ihn in die Realität zurück.

Kant war auf leisen Pfoten ins Arbeitszimmer getappt. Er forderte sein Abendessen ein, indem er sich zärtlich die Hand seines Herrchens schnappte und versuchte ihn Richtung Küche zu ziehen.

»Ist ja gut Kant, ich muss sowieso das Abendessen vorbereiten«, sagte Wolfgang. Er tätschelte dem Hund den braunen Kopf und stand auf.

Energiesparend wie er war, fuhr er seinen Computer herunter und verließ sein Arbeitszimmer. Eine Holztreppe führte hinunter in den Wohn/Kochbereich. Kant blieb ihm dicht auf den Fersen. Zuerst holte er den Sack mit dem Trockenfutter aus der Vorratskammer und kippte eine Portion in den Napf von Kant. Der fiel darüber her, als ob er seit Wochen nichts bekommen hätte.

Dann nahm Wolfgang die Schüssel mit dem gekochten Hähnchen aus dem Kühlschrank. Er zog ein scharfes Messer aus dem Messerblock und begann an der Kücheninsel das Hähnchen zu zerlegen. Es sollte Rotes Brathähnchen-Curry geben. Da auch Sophia gerne asiatisch aß, hatten sie bei der Küchenplanung eine Gasflamme auf dem Herd integriert, auf die ihr großer Wok passte. Pfeifend schnitt er Lauch, Karotten, Pilze und Fenchel. Dann stellte er die vorbereiteten Zutaten in den Kühlschrank. Wenn Sophia später kam, war alles innerhalb von zehn Minuten fertig.

Wolfgang öffnete die große Schiebetür zur Terrasse, trat hinaus und genoss die letzten Sonnenstrahlen dieses Frühlingstages.

Plötzlich umschlangen zwei Arme von hinten seine Hüften und ein weicher Körper drückte sich an ihn. Das war zweifellos Sophia.

»Abend Liebster!«, sagte sie mit verführerischer Stimme, die ihn einiges erwarten ließ.

»Ich habe tierischen Hunger!«, hängte sie gleich an. Damit platzten Wolfgang Träume von einer schnellen Nummer auf der bereits aufgestellten Hollywoodschaukel.

Wolfgang drehte sich wortlos um und küsste seine Verlobte. Ihm war leicht schwindelig. Ja, sie waren verlobt! Er konnte es noch immer nicht recht glauben, aber der Silberring mit dem kleinen Diamanten an ihrem Finger bewies das ganz eindeutig. Das Schicksal hatte es gut mit ihm gemeint. Es hatte ihm, dem Grauhaarigen mit dem Schmerbäuchlein, eine attraktive Frau mit üppiger rötlicher Haarpracht beschert.

»Abend Liebste! Ich habe auch Hunger, aber auf dich!«, hielt Wolfgang dagegen und begann sie auf den Hals zu küssen.

»Später!«, wiegelte Sophia ab. Sie drückte ihn von sich weg. »Was gibt es denn Leckeres?« Sie dreht sich um und flüchtete in die Küche. Beinahe wäre sie über Kant gestolpert, als sie die Kühlschranktür öffnete.

Das Curry war schnell gemacht, der Wein genauso schnell ausgetrunken und dann verschwanden die beiden im Schlafzimmer. Kant blieb enttäuscht zurück. Er hatte auf einen Abendspaziergang an der Rednitz gehofft. Er sprang aufs weiße Ledersofa, was eigentlich absolut verboten war, und machte ein Nickerchen.

Der Ausflug

Wolfgang wachte von einem wohligen Gefühl auf. Ein warmes Händchen streichelte zärtlich seinen Penis.

»Man soll doch den neuen Tag so beginnen, wie der alte geendet hat«, behauptete Sophia im Bett neben ihm. Sie biss Wolfgang ins Ohrläppchen. Dabei bearbeitete sie weiter die Eichel seines Schwanzes. Der wurde langsam steif.

»Ich glaube, das gilt für Alkohol!« Wolfgang schnappte nach Luft.

»Egal!« Sophia rollte auf die Bettseite von Wolfgang, streifte ihr rotes Satin Negligé über den Kopf und zog kichernd Wolfgangs graue Schlafanzughose nach unten. Wie selbstverständlich setzte sich auf seinen, inzwischen vollständig erigierten, Penis. Dann begann sie sich rhythmisch zu bewegen.

Sie warf den Kopf zurück und stöhnte bei jeder Abwärtsbewegung auf. Wolfgang begann ihre vollen Brüste zu kneten. Das veranlasste sie schneller zu werden. Er versuchte nicht seinen Samenerguss zu kontrollieren. Kurz darauf kam er und spritzte ab. Das bemerkte auch Sophia und presste sich fest an Wolfgang. Dann kam sie auch. Ihr Unterkörper zuckte unkontrolliert und sie stieß mit einem leicht pfeifenden Geräusch die letzte Luft aus ihrer Lunge.

Mit einem Lächeln auf den Lippen kippte sie nach vorne und blieb einfach auf Wolfgangs Brust liegen.

»Schön!«, sagte sie nach einer kurzen Zeit des Innehaltens. Sie tätschelte seinen Schmerbauch, gab ihm einen Kuss und verschwand im Bad, das einen direkten Zugang zum Schlafzimmer hatte.

Nach einer erfrischenden Dusche und dem Ankleiden lief Sophia eine kurze Runde mit Kant und nahm beim Bäcker ›Der Beck‹, der gleich um die Ecke lag, frische Semmeln mit. Kurz darauf saßen beide an der Kücheninsel und tranken ›Caffe Borbone Blu‹. Den hatten sie im Sommerurlaub am Gardasee kennengelernt und es war ihrer Meinung nach der beste Kaffee der Welt. Aroma und Geschmack waren unvergleichlich. Das traf auch auf die Kirschmarmelade mit Balsamico zu, die Sophia selbst gekocht hatte.

»Und heute ist der große Tag?«, fragte Sophia und spielte damit auf die Lieferung der neuen Maschine an, während sie Marmelade auf ihr Semmelunterteil häufte. Die Oberteile bekam immer Wolfgang.

Aber Wolfgang antwortete nicht. Er starrte gebannt und mit zusammen gekniffenen Lippen auf einen Artikel im Regionalteil der Zeitung.

»Ein Jahr war Ruhe, und jetzt fangen sie wieder an. Denken sie, dass das alles vergessen ist?«, entrüstete sich Wolfgang, »Meinen die, ich erkenne das nicht? Halten die mich für so blöd?«

»Was meinst du?«, fragte Sophia erstaunt. So fassungslos und aufgeregt hatte sie Wolfgang lange nicht gesehen.

»Hier unten ist die Überschrift ›Sind die Menschenfresser zurück? Obdachloser vermisst!‹ Das ist die Handschrift dieser Bande. Ich dachte, nach all dem, was passiert ist, würden sie Ruhe geben!« Er warf die Zeitung vor Sophia auf die schwarze Marmorplatte. Seine Freundin überflog den Artikel.

»Du meinst wirklich, dass die Schmidts ihr Business wieder aufgenommen haben?« Sie schien nicht ganz überzeugt.

»Vielleicht hat der Reporter nur einen Aufreißertitel gesucht«, warf sie ein.

Aber Wolfgang war nicht zu bremsen.

»Das sind die Schmidts. Wer sonst! Aber da schiebe ich gleich einen Riegel vor. Ich fahre noch heute hin und konfrontiere sie mit den Tatsachen. Mir können sie nichts tun, sonst wäre allen sofort klar, wer dahinter steckt!« Wolfgang redete sich in Rage. Sophia streichelte ihm besänftigend über den Rücken.

»He, komm runter! Was geht das dich an? Heute wolltest du dein neues Motorrad abholen und eine kleine Tour machen! Lass dir das nicht verderben!«, versuchte Sophia ihn auf andere Gedanken zu bringen.

»Du hast recht, das neue Motorrad ist da. Das lasse ich mir von diesen Typen nicht vermiesen. Um 10:00 Uhr hole ich es ab. Meine alte Enduro geb ich in Zahlung. Wir haben zwar viel zusammen erlebt, aber irgendwann muss einmal Schluss sein!« Wolfgang sah in die Ferne.

»Hoffentlich sagst du das nicht irgendwann auch über mich.« Sophia machte einem Schmollmund.

»Nie! Du bist ein Modell, das für mich immer das beste und aktuellste sein wird!« beteuerte Wolfgang. Da habe ich gerade noch die Kurve gekriegt, dachte er. »Auf jeden Fall freue ich mich schon tierisch auf die neue Maschine. Ich mache damit einen Ausflug in die Fränkische«, verkündete Wolfgang ganz euphorisch.

»Aber sei vorsichtig und riskiere nichts! Fahr erst mal langsam und lerne das neue Motorrad kennen. Das ist nicht anders, wie mit einer neuen Frau!« Sophia schien besorgt, konnte aber ein Grinsen nicht unterdrücken.

»Du kennst mich doch. Wir haben uns doch auch eingegrooved!«, versuchte Wolfgang sie zu beruhigen.

»Kann ich mich nicht erinnern! Das sollten wir sofort austesten!« Sophia stand auf, lehnte sich nach vorne über die Kücheninsel und schob ihren Rock hoch. Wolfgang ließ sich nicht zweimal bitten. Er zog ihr den naturfarbenen Taillienslip herunter und ließ seine Schlafanzughose, die er unter dem Bademantel trug, zu Boden fallen. Dann drang er in sie ein, was sie prompt mit Stöhnen quittierte.

Nach einem heftigen Quickie trennten sie sich schwer atmend.

»Ich muss dann los!« Mit diesen Worten verschwand Sophia im Bad und kurz darauf hörte er die Haustür ins Schloss fallen.

»Jetzt sind wir zwei Hübschen allein!«, meinte Wolfgang zu Kant, der nach Semmelkrümeln am Boden suchte.

Nach einer Genussdusche zog Wolfgang seine Motorradklamotten an und holte seine Adventure aus der Garage. Zärtlich streichelte er über ihren Sitz. Sie hatten viel zusammen erlebt. Irgendwann war die Zeit für hochbeinige Enduros aber vorbei, hatte er beschlossen und ein Straßenmotorrad mit niedriger Sitzposition war die bessere Wahl.

Er ließ seine Maschine an und hörte ein letztes Mal auf das Bollern der Acrapovic Schalldämpfer. Die würde er vermissen. Seine neue Maschine hatte als Zubehör auch so ein Teil. Schweren Herzens fuhr er Richtung der ›Road Star Motorcycles GmbH‹, die auch in Fürth war.

Kurz darauf rollte er vor das orangefarben gestrichene Firmengebäude und stellte seine Adventure ab.

»Hallo Peter!«, begrüßte er den Firmeninhaber, als er die Räume der Motorradausstellung betrat.

»Hallo Wolfgang! Heute ist also der große Tag!«, antwortete der, »Komm gleich mit! Den Papierkram erledigen wir ein anderes Mal!« Nach kurzem Gang durchs Gebäude betraten sie eine Garage und dort stand das Prachtstück. Wolfgang war sprachlos. Geduckt, in blau schwarz mit orangen Rahmen und Speichen stand sie vor ihm. Sie war eine wahre Schönheit. Bis jetzt hatte er nur Bilder von ihr gesehen. Mit Kennerblick umrundete er das Fahrzeug und setzte sich probeweise auf den Sattel. Das fühlte sich gut an. Er griff den Lenker. Die Sitzposition war zwar gewöhnungsbedürftig, nicht so aufrecht wie auf seiner Adventure, aber gemütlich.

Dann reichte Peter ihm den Schlüssel und sagte: »Schmeiss sie mal an!«

Wolfgang steckte den Schlüssel ins Schloss und drückte auf den Anlasser. In dem kleinen Raum donnerte ein satter Sound, den er durch Gasgeben noch steigerte. Es war eindeutig richtig gewesen das ›AKRAPOVIČ-KIT EVOLUTION LINE‹ zu zu buchen.

Peter grinste und machte das Tor auf, gleichzeitig reichte er Wolfgang seinen Helm. Der setzte ihn, wie in Trance, auf.

»Gute Fahrt und viel Spaß mit dem guten Stück!«, rief Peter und schlug Wolfgang auf den Rücken. Der gab Gas und fuhr, noch etwas unsicher auf die Straße.

Dann war er on the road again. Der Fahrtwind blies ihm um die Nase. Natürlich musste er sich an die neue Geometrie des Motorrades erst gewöhnen, aber das sollte ihm nicht allzu schwer fallen. Jetzt hieß es erst mal im Stadtverkehr zu bestehen.

Er folgte jedoch nicht der Beschilderung zur Süd West Tangente, sondern fuhr rechts in eine Parkbucht. Dort blieb er stehen und dachte nach. Bevor er sich einen schönen Tag in der Fränkischen machte, wollte er noch Unerfreuliches hinter sich bringen. Diese Schmidts gingen ihm nicht aus dem Kopf. Er würde ihnen einen Besuch abstatten, auch wenn es Sophia nicht gefiel. So brauste er nicht Richtung Hafen, sondern Richtung Langenzenn auf die Tangente, dann bis zur Ausfahrt Langenzenn Ost und schließlich auf die Landstraße Richtung Wilhermsdorf.

Gleich am Ortseingang von Wilhermsdorf ging es zur Alleestraße 33b ab, wo die Schmidts in einem Zweifamilienhaus wohnten. Der Vorgarten war gepflegt, der Rasen gemäht. Er stellte sein Motorrad neben eine Rabatte mit Osterglocken, nahm den Helm von Kopf, legte ihn auf die Sitzbank und ging zur Eingangstür. Dann klingelte er Alarm. Nichts rührte sich hinter der Holztür mit dem Glaseinsatz. Niemand öffnet, im Haus blieb es still.

»Hallo, jemand da?«, rief Wolfgang. Dann umrundete er einmal das Gebäude. Auf der Terrasse standen graue Sitzmöbel neben einem Sonnenschirmständer. Kurz hatte er das Gefühl, dass sich die Gardine an einem Fenster bewegt hatte. Er klingelte noch einmal, stieg dann wieder auf sein Bike und fuhr unverrichteter Dinge davon.

Aber sein Besuch war nicht unbemerkt geblieben.

Der Unfall

Bald erreichte er Ebermannstadt. Aber er war unkonzentriert. Seine Gedanken schweiften immer wieder zu den Schmidts ab. Das war gar nicht gut, denn seine neue Maschine erforderte eigentlich seine ganze Aufmerksamkeit.

Er konnte die Kurvenradien nur vage einschätzen und auch das Beschleunigen und die Wirksamkeit der Motorbremse musste er neu lernen. Aber das Fahrgefühl entwickelte sich immer besser. Er fühlte sich wohl auf der sehr bequemen Sitzbank. Gut gelaunt machte er einen Huptest und und ließ einen Jodler heraus. Das war doch das schönste Gefühl, das man haben konnte, sich den Wind um die Nase wehen zu lassen und den Motor seine Arbeit machen zu hören.

Die Sonne strahlte und es war keine Wolke am Himmel zu sehen. Gott war eindeutig ein Motorradfahrer!

Der Wetterbericht hatte nicht gelogen. Und der Verkehr war an diesem Freitag auch nur marginal.

Hinter der Stadt bog er ins Ailsbach Tal mit seinen weit geschwungenen Kurven ab.

Er erreichte Oberailsfeld, hielt sich in der Ortsmitte links, fuhr am alterwürdigen Haus der ›Held Bräu‹ vorbei und überlegte kurz, ob es für eine Pause noch zu früh war. Dann gab er aber Gas und schlängelt sich auf der, jetzt schmaler werdenden Straße einen Hügel hinauf.

Hinter einer engen Kehre fuhr er auf einen Motorradfahrer auf, der elegant eine enge Kurve meisterte. Der Fahrer auf der BMW GS gab ganz schön Gas und beschleunigte seine Maschine rasant aus den Scheitelpunkten heraus. Das ließ sich Wolfgang nicht zwei mal sagen und er klebte am Hinterrad des Vorausfahrenden.

Der GS Fahrer hatte gerade eine Kurve hinter sich gebracht und beschleunigte wieder, als er sich unverhofft aufrichtete und dabei versuchte seinen wild schlenkernden Lenker in den Griff zu bekommen. Das Vorderrad war außer Kontrolle geraten und es gelang ihm nicht es wieder einzufangen. Mit hoher Geschwindigkeit driftete er in Richtung des linken Banketts, überquerte es und raste unkontrolliert einen Abhang hinunter auf eine Gebüschgruppe zu.

Beim Überfahren einer Bodenwelle verlor der Fahrer endgültig die Kontrolle und er wurde in hohem Bogen aus dem Sattel geschleudert. Fahrerlos kippte das Fahrzeug um und blieb auf der Seite liegen. Das Hinterrad drehte weiter, offenbar lief der Motor noch.

Wolfgang bremste scharf, sprang von seinem Motorrad und klappte den Ständer aus. Hektisch rutschte er die Böschung hinunter und warf dabei den Helm einfach beiseite. Er erreichte die BMW, schaltete den Motor aus und machte dann die paar Schritte zum regungslos da liegenden Fahrer. Vorsichtig drehte er ihn auf den Rücken. Er rüttelte ihn leicht an den Schultern. Als kein Reaktion kam, klappte er das Visier auf.

Er sah in ein asiatisches Gesicht, das offenbar einer Frau gehörte. Sie blinzelte und öffnete ihre Augen. Ein Stöhnen kam aus ihrem Mund und Blut rann aus ihrer Nase. Sie bewegte krampfhaft die Lippen beim Versuch etwas zu sagen.

»Ruhig! Bleiben Sie ruhig! Ich rufe die Rettung!«, stieß Wolfgang hervor und kramte nach seinem Handy. Verdammt, wo war das blöde Ding? Wolfgang suchte verzweifelt alle Taschen seiner Kombi ab.

Dann hatte er einen Flash! Das Ding lag in seiner Garage. Dort hatte er es abgelegt, als er seine Maschine hinausschob. Inzwischen hatten oben an der Straße zwei Autos gehalten und die Insassen waren ausgestiegen.

»Rufen sie einen Krankenwagen! Schnell!«, rief Wolfgang ihnen entgegen.

Er wandte er sich wieder der Motorradfahrerin zu. Die versuchte immer noch sich zu artikulieren. Wolfgang ging mit dem Ohr ganz nah an ihren Mund.

»Was wollen Sie mir sagen?«, fragte er.

Von Stöhnen unterbrochen stieß sie kaum hörbar hervor: »Such ›EVA TAB‹«. Sie machte eine Pause und atmete schnell und ergänzte, »nichts ist wichtiger!« Dabei sah sie Wolfgang flehend an. Der Blutstrom aus ihrer Nase war stärker geworden.

»Gleich kommt Hilfe!«, beruhigte sie Wolfgang, »Aber wer ist Eva Tab?«

»Suchen...«, murmelte die Verletzte und schloss die Augen. Dann kippte ihr Kopf kraftlos zur Seite. Wolfgang versuchte an ihrem Hals den Puls zu finden. Tatsächlich spürte er ein leichtes, flaches Klopfen. Wenigstens lebte sie noch.

Die folgende halbe Stunde gingen an Wolfgang vorbei wie unter einer Glasglocke. Die Autofahrer waren zu ihm hinunter gestiegen und redeten auf ihn ein. Er fühlte sich komplett hilflos. Er konnte, außer bei der Verletzten zu bleiben, nichts tun. Bewegen wollte er sie auch nicht, weil er nicht wusste, ob sie Rückenverletzungen hatte.

Plötzlich sagte irgendwer, »Der Krankenwagen kommt«. Kurz darauf stand plötzlich ein Sanitäter neben ihm.

»Bitte verlassen Sie die Unfallstelle!«, hörte er ihn sagen. Wolfgang setzte sich neben sein Motorrad an die Böschung und sah benommen dem Treiben zu.

Warum machten die Sanitäter nichts? Warum standen sie nur herum? Es dauerte etwas, bis ihm bewusst wurde, dass es offenbar zu spät für die glücklose Fahrerin war.

Erst als der Wagen der ›Trauerhilfe Huber‹ vorfuhr und zwei Männer mit einem Metallsarg die Böschung hinunter krabbelten, realisierte er die Situation völlig und brach in Tränen aus.

Ein Polizist fragte ihn: »Brauchen Sie Hilfe? Soll ich die Unfallseelsorge verständigen?« »Nein, geht schon!«, hörte er sich sagen.

Dann nahm der Polizist seine Personalien auf und bat ihn zeitnah auf die Polizeistation zu kommen und seine Aussage zu machen. Schließlich waren alle verschwunden. Er saß allein im Gras, nur die Maschine lag noch auf der Seite auf dem Rasen. Da läuft doch Benzin aus, dachte er, war aber noch zu geschockt, um etwas zu unternehmen.

Irgendwann setzte Wolfgang seinen Helm auf und ließ seine Maschine an. Irgendwie kam er nach Hause. Ihm war die Lust vergangen mit seinem neuen Motorrad in der Gegend herum zu fahren.

Sophia war noch nicht da. Auch zum Kochen konnte er sich nicht aufraffen. Sie würden sich beim Lieferdienst etwas bestellen müssen.

Wolfgang ging mit Kant, der sich wie wild gebärdete, Gassi. Er gab ihm eine Extraportion Trockenfutter, nachdem er schon wieder auf ärmster Hund machte.

Dann setzte sich Wolfgang in die Hollywood Schaukel auf die Terrasse und ließ das Geschehen noch einmal an sich vorüberziehen. Was hatte die Frau gesagt? ›Suche Eva Tab, nichts ist wichtiger!‹

Was hatte das zu bedeuten? Wer war Eva Tab? Und warum sollte er sie suchen? Und warum war das so wichtig?

Das Klingeln des Smartphone unterbrach seine Gedanken.

»Prakl!«, meldete er sich.

»Sophia hier, wie war die erste Ausfahrt? Aber weswegen ich eigentlich anrufe, ich habe dir doch von dem neuen Werbekonzept erzählt, an dem wir arbeiten. Wir haben gerade einen kreativen Durchbruch hier. Wird wahrscheinlich später heute! Liebe dich!«, sagte Sophia hektisch. Im Hintergrund hörte er Stimmengemurmel.

»Gut, alles klar. Aber...«, Wolfgang kam nicht dazu weiter zu reden. Sophia hatte schon aufgelegt.

Die Schmidts

»Er ist da!«, rief Chantalle Schmidt, ein zartes Persönchen mit kurzen blonden Haaren, aus der Küche nach oben und wischte sich die nassen Hände an der karierten Schürze ab, »Sigrid, wie du es prophezeit hast!«

Sigrid, die Führerin des Schmidt Clans, eilte auf ihren Gesundheitsclogs die Treppe herunter. Sie hatte noch feuchte Haare vom Duschen und auch ihr beiger Hausanzug hatte einige Wasserflecken. Sie stellte sich neben ihre Schwester, zog eine Messer aus dem Block und begann eine Zwiebel abzuschälen. Sie liebte Saure Zipfel, das fränkische Nationalgericht, mit besonders vielen Zwiebeln. Sie half gerne, obwohl Kochen nicht ihr Ding war.

»Ich habe es vermutet, nein, gewusst!«, begann sie ihre Tirade und schnitt feine Ringe, »Eigentlich habe ich aber gedacht, nein, gehofft, dass ein Jahr genügen würde, um Gras über die Sache wachsen zu lassen. Dieser Schreiberling ist immer noch so lästig wie damals. Und wir können nichts gegen ihn machen, das wäre zu auffällig. Sofort wären die Bullen von ganz Mittelfranken hinter uns her!«

Sigrid wischte sich die Tränen aus den Augen und warf das Schnittgut in den Topf mit dem Essigsud. Sie überragte Chantalle um gut einen Kopf.

Sie hatte die Führung der Familie und die Leitung des Geschäfts übernommen. Die anderen Geschwister hatten mit mehr oder weniger Murren zugestimmt.

Ihr Bruder Jochen war von einem Rentner erschossen worden, der versuchte hatte, die Schmidts wegen des Handels mit Menschenfleisch zu erpressen. Das Fleisch war durch ein Versehen in seine Hände gelangt.

Durch die Ermittlungen von Prakl war die ganze Menschenfleischsache aufgeflogen und Ferdi und Josephine waren zu langen Gefängnisstrafen verurteilt worden.

Danach ließ Sigrid die Firmenaktivitäten ein Jahr lang ruhen.

Doch vor kurzem hatte sie ihre alten Verbindungen wieder aktiviert und sich Spender aus ganz Deutschland organisiert. Wie schon vor dem Supergau, als Prakl ihre Organisation sprengte, hatten sie ihr Handwerk wieder aufgenommen. Sie zerlegten die Spender in Sepps Schlachthof in mundgerechte Fleischstücke und verwursteten die Reste.

Nur das Kühllager und den Versand hatten sie verlegt, da sie die Örtlichkeit in der Bussardstraße nicht mehr nutzen konnten. Das wäre doch zu auffällig gewesen.

Sie hatten eine leerstehende Scheune in Siedelbach gemietet, die Kühltruhe dorthin gebracht und ein Büro eingerichtet. Und schon kamen wieder die ersten Bestellungen herein. Komischerweise hatte niemand die Marktlücke übernommen.

Die Polizei glaubte, dass die Schmidts nicht mehr im Menschenfleisch Business tätig waren.

Es war wieder so schön angelaufen. Und jetzt saß ihnen dieser Prakl schon wieder auf der Pelle.

»Bist du ganz sicher, dass er gerade geklingelt hat?«, fragte Sigrid bei Chantalle nach und warf Lorbeerblätter und Wacholderbeeren in die brodelnde Flüssigkeit.

»Ich habe während des Prozesses gegen unsere Geschwister lange genug in sein blödes Gesicht gestarrt!«, bestätigte sie.

»Also, was machen wir? Hol Robert! Kriegsrat!« sagte Sigrid. Mit der Geschäftsführung hatte sie auch die Unerbittlichkeit von ihrer inhaftierten Schwester Josephine übernommen.

Chantalle verschwand die Treppe hinauf. Sigrid drehte die Herdplatte aus und warf die Bratwürstchen in den Topf. Die konnten jetzt durchziehen. Das Essen musste warten, das Geschäft hatte Vorrang.

Sie sog den leckeren Duft ein. Ihr lief schon das Wasser im Mund zusammen. Seufzend setzte sich auf die Eckbank in der Küche.

Auch nach dem Tod von Jochen und er Verurteilung von Ferdi und Josephine hatten sie in der Küche nichts verändert. Es war immer noch die altmodische Einrichtung von ihren Eltern und die geblümten, leicht vergilbten Küchentapeten. Nur der Herd war neu. Sie hatten den alten Gasherd gegen einen neuen Induktionsherd ausgetauscht.

Dann kamen Chantalle und Robert herein und setzten sich an den Tisch zu Sigrid.

Robert hatte noch nicht geduscht und sein langes Haar und der Bart waren noch etwas zerknautscht. Wahrscheinlich hatte er wieder bis in die Morgenstunden Formel 1 Rennen geguckt.

»Also, was machen wir mit diesem Prakl? Er hat uns zwar einiges angetan, aber jetzt müssen wir uns irgendwie mit ihm arrangieren«, begann Sigrid. Ihre Geschwister nickten. »Wir sollten mit ihm zu reden und ihn davon zu überzeugen, dass wir nicht mehr im Menschenfleischbusiness sind.« Sigrid sah in ratlose Gesichter.

Keiner sagte etwas, alle überlegten.

»Ich kann nicht lügen«, meinte Robert in seiner einfältigen Art.

Chantalle nickte plötzlich, als ob sie einen Geistesblitz hätte und sagte: »Vorschlag! Wir schnappen uns den Typ und bringen ihn ins Schlachthaus. Steaks nerven nicht!«. Sie lachte.

»Bin sofort dabei!« Robert war eher ein Mitläufer.

»Schnauze! Wir reden erst mal mit ihm. Zu Steaks können wir ihn immer noch verarbeiten«, legte Sigrid fest.

»Und vergiss nicht seine leckere Freundin! Die übernehme ich!«, Robert mischte sich wieder ein und leckte mit der Zunge über die Lippen.

»Träum weiter! Heute Abend fahren ich und Robert zu ihm. Seine Adresse kennen wir ja«. Sigrid stand auf und beendete damit die Versammlung.

Gegen 19:00 Uhr kamen sie vor dem Haus im Neumühlweg an. Sigrid fuhr den schwarzen Opel Astra und Robert saß auf dem Beifahrersitz. Sie parkten direkt vor dem Haus, hatten sie ja nichts zu verheimlichen. Den schwarzen SUV mit den zwei Männern, der in einigem Abstand auf der anderen Straßenseite stand, beachteten sie nicht.

»Sieht nicht so aus, als ob der Prakl oder seine Freundin da wären«, stellte Robert fest, nachdem alle Fenster dunkel waren und kein Auto vor dem Haus stand.

»Egal, wir klingeln mal, ansonsten warten wir!« Sigrid stieg aus, öffnete das Gartentor und lief mit Robert im Schlepptau den Gartenweg zu dem weiß gestrichenen Haus hinauf.

»Das hat ganz schön gewonnen, seit ich das letzte mal hier war!«, sagte Robert mit Bewunderung in der Stimme.

»Das hat er alles Ferdi zu verantworten. Du erinnerst dich vielleicht dunkel!«, mahnte Sigrid.

»Hat bestimmt schön gebrannt! Schade, dass ich nicht dabei war!« Offenbar war Robert stolz auf die Brandstiftung seines Bruders.

»Halt jetzt die Klappe! Dann würdest du jetzt mit Ferdi zusammen im Gefängnis sitzen. Schwachkopf!«, blaffte ihn Sigrid an und klingelte.

»Selber Schwachkopf!«, moserte Robert leise.

Im Haus rührte sich nichts. Sie klingelte noch mal. Wieder Schweigen. Enttäuscht gingen sie zum Auto zurück und stiegen ein.

»Und wie lange willst du jetzt hier rumsitzen und auf den Dödel warten?«, fragte Robert.

»Jetzt sei nicht so ungeduldig! Vielleicht kommt ja auch seine Freundin zuerst. Dann können wir die schon mal etwas unter Druck setzten.« Sigrid grinste und schaltete das Radio ein, »Das würde dir doch gefallen!«

»Ja, ich bin der richtige Mann für so was!« Robert sah man die Vorfreude an.

Während Sigrid und Robert ihre Pläne schmiedeten unterhielten sich im schwarzen SUV die beiden Männer.

»Was sind denn das für Gestalten?«, fragte Nummer 12 die Nummer 13. Dass sie folgende Nummern hatten, war nur Zufall und nicht absichtlich gewollt.

»Keine Ahnung! Vielleicht sollten wir mit Nummer 1 darüber reden!«, schlug die 13 vor.

»Ruf ihn an!«, sagte 12.

13 wählte.

»Ja!«, meldete sich die Nummer 1, alias Peter Mühlenbroich.

»Hallo, die 13. Wir sind hier vor dem Haus von dem Prakl. Zwar ist der noch nicht aufgetaucht, aber dafür zwei Gestalten, die offenbar auch mit ihm reden wollen. Und die sitzen jetzt in ihrem Auto und beobachten das Haus. Was sollen wir machen?«, fragte Nummer 13.

»Und ihr kennt die nicht?«, wollte Nummer 1 wissen.

»Unbekannt!«, das war die 13.

»Ich kümmere mich drum!«, meinte Mühlenbroich. Aufgelegt.

Die Schmidts bei Mühlenbroich

Kurz nach dem Anruf von Nummer 13 bei Mühlenbroich näherte sich ein schwarzer SUV den beiden wartenden Autos und blieb hinter dem geparkten SUV stehen. Ein schwarz gekleideter Mann stieg aus, ging zum Beifahrerfenster und klopfte an die Scheibe. Die wurde sofort heruntergefahren. Die beiden Männer unterhielten sich kurz.

Nummer 13 nickte und ging dann zu seinem Auto zurück. Nachdem er sich mit dem Fahrer abgestimmt hatte, wechselte er die Straßenseite und lief von hinten auf den Astra der Schmidts zu. Auf der Höhe der hinteren Autotür zog er seine Pistole aus dem Schulterhalfter auf seiner linken Seite, riss unvermittelt die Tür auf und stieg ein. Er hielt seine Waffe an den Hinterkopf der Fahrerin und gab Befehle. Dann fuhr der Opel los. Ihm folgte ein SUV.

Zirka eine Stunde später fuhren die beiden Wagen in die Tiefgarage des ›Landhotels Jöbstel‹ in Waischenfeld. Alle stiegen schweigend aus und nahmen den Aufzug in den zweiten Stock. Der Mann in der schwarzen Kleidung dirigierte Sigrid und Robert mit vorgehaltener Waffe in die Suite 216 und dort in ein Zimmer mit einem ovalem Besprechungstisch.

»Setzen Sie sich!«, sagte Mühlenbroich, der schon am Tisch saß und an seinem Laptop arbeitete.

»Und was...«, begann Sigrid zu fragen, erhielt aber keine Antwort von dem muskulösen Mann. Er wirkte sehr bedrohlich mit seinen fast zwei Metern. Adrett kurz geschnittene graue Haare umrahmten ein schmales, kantiges Gesicht. Dass er der Chef eines international agierenden Konzerns war, nahm man ihm sofort ab.

Stocksauer war er auf seine Männer, die nichts auf die Reihe brachten. Jetzt musste er als Chef in diesem hinterwäldlerischem Gasthof seine wertvolle Zeit vertrödeln. Aber die Suche nach ›EVA TAB‹ ließ ihm keine Wahl. Er musste in die Niederungen seiner Angestellten herabsteigen.

Momentan war sein Stützpunkt diese Suite im Landhotel. Für jeden anderen wäre es ein luxuriöser Ferienaufenthalt gewesen. Mühlenbroich bezeichnete es nur als ein Loch. Fünf Sternen plus war sein Maßstab.

Aber zumindest das Essen war gut, das musste er zugeben. Er mochte die rustikale, fränkische Küche, vermisste jedoch Labskaus und frisch gepulte Krabbe aus seiner Heimatstadt Hamburg.

Jetzt sah er die beiden Schmidts abschätzend an. Die Frau im braunen Hosenanzug wirkte resolut. Der Ältere mit den langen Haaren und dem Bart schien ihm eher ein Schlappsack zu sein, obwohl er groß und bullig war.

»Wer sind Sie und was wollen Sie von Prakl?«, fragte er streng.

»Und wer sind Sie, dass Sie uns einfach hierher verschleppen und ausfragen?« Sigrid hob den Kopf und starrte ihr Gegenüber feindselig an. Sie hatte Rückenschmerzen und wollte sich so eine Behandlung nicht weiter gefallen lassen. Schließlich war sie eine Stunde mit einer Waffe am Kopf durch die Lande gefahren.

Mühlenbroich gefiel die aufmüpfige Art der Frau, deshalb grinste er nur und ließ sie erst einmal protestieren.

»Ich bin Peter Mühlenbroich und ihr ärgster Alptraum oder ihr bester Freund, je nachdem wie Sie sich verhalten«, sagte er ganz ruhig.

Sigrid war einen Augenblick ratlos. Robert blickte zu ihr hinüber. Er würde sich für besten Freund entscheiden.

»Ich bin Sigrid Schmidt und das ist mein Bruder Robert Schmidt und wir haben mit Prakl etwas zu klären«, meinte sie dann, um ein positives Zeichen der Zusammenarbeit zu setzten.

»Was zu klären? Hat es mit ›EVA TAB‹ zu tun?«, fragte Mühlenbroich.

»EVA?«, wiederholte Sigrid, »nein, es geht nicht um eine Frau, sondern um unsere frühere Beziehung zu Prakl und wir wollen ein Missverständnis aufklären«, log Sigrid und begann ausschweifende Fantasiegeschichten von ihrer Vergangenheit mit Prakl zu erzählen. Man sah, dass Mühlenbroich das zunehmend ermüdete.

»Genug! Das interessiert mich alles nicht«, unterbrach er Sigrid, »Haben sie etwas zu ›EVA TAB‹ zu sagen?«

»Was wollen Sie dauernd mit dieser Frau? Vielleicht können wir Ihnen ja dabei helfen, sie zu finden«, lenkte Sigrid ein. Sie wollte den Typen schnellstens loswerden.

Mühlenbroich sah Sigrid an. War die Frau größenwahnsinnig? Bis jetzt hatte er es nicht geschafft irgendwas über den Verbleib von ›EVA TAB‹ zu erfahren, und die wollte ihn jetzt übertrumpfen. Er beschloss, sie auf die Schippe zu nehmen.

»›EVA TAB‹ ist keine Frau, sondern eine Technologie und eine Abkürzung. Außerdem ein Milliardengeschäft. Finden Sie sie ruhig. Ich kaufe sie Ihnen dann ab! Und jetzt verschwinden Sie bitte!«, Mühlenbroich hatte die Schnauze voll von diesen Kretins. Das waren keine Gegenspieler, sondern kleine Möchtegernganoven. Oder war die taffe Lady eine Stalkerin von diesem Prakl? Es war einfach nur ätzend.

Nummer 13 machte eine schneidende Bewegung vor seiner Kehle und sah Mühlenbroich fragend an.

»Nein, schmeißt sie einfach raus!«, meinte der genervt und goss sein Whiskyglas randvoll. Das brauchte er jetzt.

Nummer 13 drängte die Schmidts aus der Hotelsuite und knallte die Tür hinter ihnen zu. Kurz darauf saßen die beiden wie betäubt in ihrem Auto und sahen sich fragend an.

Sigrid fischte einen Kaubonbon aus der Ablage und wickelte ihn gedankenverloren aus.

»Was war jetzt das?«, fragte Robert. Sigrid steckte den Bonbon in den Mund und kaute angestrengt.

»Mm, Himbeergeschmack!«, begann sie. Dann lehnte sie sich zurück. »Das war doch sehr interessant. Es geht um Milliarden! Klingt gut. Ich habe zwar keine Ahnung, wie wir uns da mit ranhängen können, aber offenbar ist Prakl schon irgendwie darin verwickelt«, philosophierte Sigrid.

»Und wie geht es jetzt weiter?«, wollte Robert wissen und nahm sich den letzten Bonbon aus der Packung.

Sigrid riss ihm die Süßigkeit aus der Hand. »Denk an deine Zahnprothese, Idiot! Wir fahren nach Fürth zurück. Ich habe ein paar Fragen an diesen Prakl!«

Sigrid hatte Blut geleckt und Robert schmollte.

Die Maskierten

Sophia kam nachts kurz vor halb zwölf nach Hause in ein dunkles Haus zurück. Sie war von den Überstunden erschöpft, versuchte aber extra leise zu sein, um ihren Liebsten nicht zu wecken, der offenbar schon den Schlaf des Gerechten schlief. Fast hätte Kant den Plan zunichte gemacht. Er wartete im Flur hinter der Haustür und drängte an ihr vorbei ins Freie, als sie aufsperrte.

Offenbar war Wolfgang nicht mit dem Hund draußen gewesen. Das würde einen Anschiss geben.

Wahrscheinlich hatte er sein neues Motorrad gefeiert und war angetrunken eingeschlafen. Wegen seines Alkoholkonsums würde sie gleich Anschiss zwei dranhängen. Genau jetzt war sie in der richtigen Stimmung. Sie knipste alle Lichter im Flur an und hastete zum Schlafzimmer. Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen, wie ihre Oma immer sagte.

Die aufbrausende Art war die negative, dunkle Seite von Sophia. Wenn sie sich aufregte, konnte sie ungerecht und verletzend sein. Aber Gott sei Dank, hatte sie ihre Emotionen mittlerweile ganz gut im Griff.

Leise öffnete sie die Schlafzimmertür. Kant war wieder mal schneller als sie. Er zwängte sich an ihr vorbei und sprang aufs Bett. Sophia erwartete einen Aufschrei von Wolfgang, aber es blieb ganz still. War er so hacke dicht, dass er nicht mal Kant auf seiner Brust bemerkte. Sie schaltete die Deckenbeleuchtung ein. Das musste sie sehen. Aber sie sah nichts, zumindest keinen Wolfgang. Das Bett war sauber gemacht, sein Bademantel hin fein säuberlich am Bügel, die Hausschlappen standen unter dem Nachtkästchen.

Vielleicht schlief Wolfgang im Wohnzimmer auf der Couch. War er beim Fernsehen eingenickt? Sophia durchquerte den Flur und machte im Wohnzimmer das Licht an. Alles war tipptopp aufgeräumt. Nur ein Tablett mit einem leeren Teller und einer umgekippten Bierdose stand auf dem Couchtisch. Ein Stuhl an der Kücheninsel war umgekippt.

»Wolfgang, wo bist du?« rief sie ins Haus.

Wo war der Mann? Sie öffnete die Terrassentür, spähte in den Garten, und klopfte an die Toilettentür. Dann inspizierte sie den Keller. Kein Wolfgang! Auch im Arbeitszimmer war keine Spur von ihm.

Langsam begann sie sich Sorgen zu machen. Die nahmen gewaltig zu, nachdem sie versucht hatte ihn am Handy zu erreichen. Sie hörte das Smartphone in der Küche klingeln.

Was war hier los? Wen konnte sie noch anrufen? Für die Polizei war es zu früh. 24 Stunden musste jemand vermisst sein, das sah man immer wieder im Fernsehen.

Sie tätschelte Kants Kopf.

»Wir gehen erst mal schlafen«, meinte sie. Kant bellte zustimmend. Bestimmt gab es für alles eine harmlose Erklärung.

Sie beschloss bis zum Morgen zu warten. Vielleicht löste sich das Problem von selbst und Wolfgang kehrte mit einem dicken Kopf von einer Feier zum neuen Motorrad mit seinen Freunden zurück.

Aber das war wohl eher unwahrscheinlich, da Wolfgang, an einen Stuhl gefesselt, in einem finsteren Keller saß.

Wolfgang hatte nach dem Unfalltrauma eine Stunde auf der Hollywood Schaukel auf der Terrasse gesessen. Dann hatte er sich wieder einigermaßen beruhigt und sein Magen knurrte laut und vernehmlich. Er ging in die Küche und inspizierte den Kühlschrank. Da es schon Abendessenszeit war, machte er sich zwei Leberwurstbrote und legte ein paar Cocktailgurken dazu auf den Teller. Dazu würde am besten Bier passen. Sophia hatte wieder das billige Dosenbier vom LIDL gekauft. Gut gekühlt war es einigermaßen trinkbar. Mit dem Sparen konnte man es auch übertreiben, dachte Wolfgang.

Nachdem Kant die angebotene Gurke verschmähte, bekam er einen Kaustreifen, der ihn offenbar mehr befriedigte. Wolfgang balancierte den Teller mit den Broten und der Bierdose auf einem Tablett in Richtung Couch. Mit großem Durst trank er die Bierdose leer.

Beim letzten Schluck klingelte es an der Haustür. Hatte Sophia ihren Schlüssel vergessen? Er schlurfte zur Tür und öffnete sie.

Zwei schwarz gekleidete Männer mit Sturmhauben standen auf dem Abstreifer. Jeder hielt eine Pistole in der Hand und zielte in unverschämter Weise auf ihn. Waren das zwei gut erzogene Einbrecher, die vor dem Raub klingelten?

Wolfgang versuchte geistesgegenwärtig die Tür wieder zu schließen, was ihm aber nicht gelang, da der größere seinen Fuß in die Tür stellte. Dass der Mann auf ihn schießen könnte, kam ihm in diesem Moment nicht in den Sinn.

Er versuchte sein Heil in der Flucht, wie auch Kant, der unter die Couch gekrochen war. Diese Männer rochen nach Gefahr für Leib und Hundeleben. Wolfgang rannte in Richtung Terrassentür. Aber ein Pistolenträger erreichte ihn nach ein paar Schritten und zog ihm den Knauf seiner Waffe über den Schädel. Der andere fing Wolfgang auf und schleppte ihn aus dem Flur ins Freie.

Der mit der Pistole schloss schnell die Haustür. Kant war verwirrt. Wo war sein Herrchen? Erst saß er kurze Zeit vor der geschlossenen Tür und erinnerte sich dann an den Teller mit den Broten im Wohnzimmer und die waren unbewacht und leichte Beute.

Draußen war der Neumühlweg menschenleer.

Gemeinsam trugen die Männer den bewusstlosen Wolfgang zu ihrem SUV und deponierten ihn im Kofferraum. Dann fuhren sie so selbstverständlich wie möglich die Straße hinunter um ihren Gefangenen in sein Gefängnis zu bringen.

Dort erwachte Wolfgang mit brummenden Schädel und versuchte im Dämmerlicht etwas zu erkennen. Langsam schälten sich Umrisse aus der Dunkelheit. Die Luft war abgestanden. Es roch moderig und feucht. Er konnte Regale an den Wänden erahnen und Fenster, die offenbar vergittert waren. In der Mitte des Raumes stand eine Liege, die an ein mittelalterliches Folterinstrument erinnerte und Schlaufen zum Fixieren der Arme und Beine aufwies.

Er selbst saß auf einem massiven Holzstuhl und war ebenfalls mit Schlaufen daran festgezurrt. An Flucht war also nicht zu denken. Auch schreiend konnte er sich nicht bemerkbar machen, da Klebeband über seinem Mund pappte.

Was wollten die Männer von ihm? Er hatte nicht die geringste Ahnung. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als der Dinge zu harren, die da auf ihn zukommen würden. Es würde nichts bringen, sich jetzt extrem aufzuregen. Also schloss er wieder die Augen und versuchte sich weiter zu beruhigen.

Das war eins der wenigen Dinge, die ihm während seiner vielen und teilweise gefährlichen Reisen in Fleisch und Blut übergegangen war. Ruhe bewahren! Nichts ist gefährlicher als in Panik zu verfallen.

---ENDE DER LESEPROBE---