Christmas Dreams and Winter Kisses - Antonia Wesseling - E-Book

Christmas Dreams and Winter Kisses E-Book

Antonia Wesseling

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Beschreibung

Herzklopfen für die schönste und romantischste Zeit des Jahres Mit 24 Kurzgeschichten aus den Genres Romance und Romantasy sorgt die Weihnachtsanthologie»Christmas Dreams and Winter Kisses« für eine zauberhafte Weihnachtszeit. Der romantische Adventskalender in Buchform enthält außerdem 24 wunderschöne Illustrationen von Megumi Maria Loy. Wenn draußen glitzernde Schneeflocken die Welt in ein Winterwunderland verwandeln und drinnen Kerzen warmes Licht verbreiten und Plätzchen verführerisch duften – dann ist es Zeit für Dates, Herzklopfen und Träume von der großen Liebe – ob in dieser oder fantastischen Welten! Was gibt es im Advent schließlich Schöneres, als in romantischen Geschichten zu versinken und die Vorfreude auf Weihnachten mit jeder Seite zu genießen? Dazu laden die 24 winterlichen und weihnachtlichen Kurzgeschichten in »Christmas Dreams and Winter Kisses« ein. Jede Kurzgeschichte ist außerdem mit einem wunderschönen Motiv liebevoll illustriert von Megumi Maria Loy.  Der perfekte Adventskalender für alle Fans von New Adult Romance und Romantasy Die weihnachtliche Kurzgeschichten-Sammlung enthält herzerwärmende, knisternde und einfach traumhaft schöne Liebesgeschichten von Ada Bailey, Andreas Dutter, Antonia Wesseling, Basma Hallak, Beril Kehribar, Christian Handel, Inka Lindberg, Janine Ukena, Jennifer Wiley, Julia Hausburg, Julia Niederstraßer, Justine Pust, Kristin MacIver, Laura Labas, Lea Kaib, Lin Rina, Maike Voß, Nica Stevens, Nina Bilinszki, Noah Stoffers, Regina Meissner, Sarah Saxx, Sophie Bichon und Valentina Fast.

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Seitenzahl: 369

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Knaur Romance (Hrsg.)

Christmas Dreams and Winter Kisses

24 romantische Storys für eine zauberhafte Weihnachtszeit

Illustriert von Megumi Maria Loy

Knaur eBooks

Über dieses Buch

24 x Herzklopfen für die schönste und romantischste Zeit des Jahres

Wenn draußen glitzernde Schneeflocken die Welt in ein Winterwunderland verwandeln und drinnen Kerzen warmes Licht verbreiten und Plätzchen verführerisch duften – dann ist es Zeit für Dates, Herzklopfen und Träume von der großen Liebe – ob in dieser oder fantastischen Welten! Was gibt es im Advent schließlich Schöneres, als in romantischen Geschichten zu versinken und die Vorfreude auf Weihnachten mit jeder Seite zu genießen? Dazu laden die 24 winterlichen und weihnachtlichen Kurzgeschichten in »Christmas Dreams and Winter Kisses« ein. Jede Kurzgeschichte ist außerdem mit einem wunderschönen Motiv liebevoll illustriert von Megumi Maria Loy. 

Der perfekte Adventskalender für alle Fans von New Adult Romance und Romantasy

Die weihnachtliche Kurzgeschichten-Sammlung enthält herzerwärmende, knisternde und einfach traumhaft schöne Liebesgeschichten von Ada Bailey, Andreas Dutter, Antonia Wesseling, Basma Hallak, Beril Kehribar, Christian Handel, Inka Lindberg, Janine Ukena, Jennifer Wiley, Julia Hausburg, Julia Niederstraßer, Justine Pust, Kristin MacIver, Laura Labas, Lea Kaib, Lin Rina, Maike Voß, Nica Stevens, Nina Bilinszki, Noah Stoffers, Regina Meissner, Sarah Saxx, Sophie Bichon und Valentina Fast.

 

 

Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de

Inhaltsübersicht

1 | Ada Bailey: The Chemistry of Christmas

2 | Laura Labas: Frostzauber

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

3 | Lin Rina: Apfel-Zimt-Waffeln zum Frühstück

4 | Julia Hausburg: Ein unerwarteter Fund zu Weihnachten

5 | Nina Bilinszki: The Butterfly Effect

6 | Beril Kehribar: Spieglein, Spieglein …

7 | Kristin MacIver: In der Weihnachtsdekorei

8 | Jennifer Wiley: No Christmas Cake Without You

9 | Lea Kaib: Der Klang von Eis

10 | Antonia Wesseling: Das Glück liegt auf der Straße

11 | Regina Meissner: Herzen im Duell

12 | Andreas Dutter: Christmas Motel for one Night

13 | Sophie Bichon: Schneeflockennächte

14 | Nica Stevens: Zeit der Sehnsucht

15 | Sarah Saxx: Apfelpunsch und Zuckerkuss

16 | Inka Lindberg: Eisblau ist einewarme Farbe

17 | Maike Voß: Until Forever

18 | Valentina Fast: Ein Date zu Weihnachten

19 | Julia Niederstraßer: Christmas Makes the Heart Grow Fonder

20 | Basma Hallak: Food Wars

21 | Noah Stoffers: Flammenzungen und Sternenstaub

22 | Justine Pust: Eisprinzessin

23 | Christian Handel: Drei Herzen

24 | Janine Ukena: Winterherz

1

Ada Bailey

The Chemistry of Christmas

Ada Bailey wurde 1996 in einem Ort an der Nordseeküste geboren und kann einfach nicht ohne das Meer, weshalb sie auch heute noch dort wohnt. Neben dem Lesen, Schreiben und Gaming bestimmen Kreativität und Reiselust ihr Leben, weshalb selten Langeweile aufkommt. Auf Social Media ist sie nicht nur unter adas.worlds, sondern auch als Teil des Mystery-Podcast Scarytales zu finden.

 

Ich, Libby Anders, bin ein Grinch. Woran man das merkt? Ich liebe es, jede freie Minute der Vorweihnachtszeit im Labor zu verbringen, während alle anderen Geschenke kaufen und miese Romcoms inhalieren. Auch jetzt ist die Stille der sonst belebten Forschungseinrichtung ein Segen. Das einzige Geräusch, das ich wahrnehme, ist das Quietschen meiner Sneaker auf dem grauen Linoleumboden des Laborflurs. Zumindest bis ausgerechnet Connor Riley, der gerade mit einem 3-D-Drucker hantiert, durch die geöffnete Glastür eines Raumes zu mir aufsieht. Lange habe ich geglaubt, mein Collegejob als Maskottchen eines Hotdogladens wäre der Tiefpunkt in meinem Leben gewesen. Doch da kannte ich Mr Sexiest Chemist Alive noch nicht. Seitdem ich mit ihm arbeiten muss, fühlt sich jeder Tag nach dem graphisch dargestellten Minimum einer Funktionsgleichung an. Woran das liegt? Nun, er tut auf charmant, nur um einem am Ende einen mit Informationen gefüllten Besserwisser-Dolch in den Rücken zu rammen.

»Falls du den Drucker verwenden willst, der ist besetzt. Geh dir doch einen Kaffee holen. Ich sag Bescheid, wenn ich durch bin.«

Ich beuge mich zur Seite, um einen Blick an ihm vorbei auf den Druck zu werfen, doch ich erkenne nichts. »Nein danke. Zu viel Koffein schadet dem Herzen«, antworte ich gewollt beiläufig.

»Ich wünschte, ich wäre so vernünftig wie du, aber ich bin süchtig«, erwidert Connor seufzend und zieht meine Aufmerksamkeit damit wieder auf sich.

Ich versuche, die Augen nicht über seine vermutlich einzige Schwäche zu verdrehen, aber es gelingt mir nicht. »Oh, ich denke, darum brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Es kann schließlich nichts beschädigt werden, was gar nicht existiert.« Mit Sicherheit könnte er mich dafür feuern lassen, aber das würde er nicht tun. Dafür genießt er unsere Schlagabtausche einen Hauch zu sehr. Zu meinem Bedauern geht es mir ähnlich. Ein Rivale kann so erfrischend motivierend sein.

»Wahrscheinlich hast du recht, denn wenn ich ein Herz hätte, wäre ich jetzt sicher gekränkt.«

Ich hebe eine Augenbraue. »Seit wann kannst du denn Selbstironie?«

»Schön, dass es dir auffällt. Ich habe letzte Woche einen Kurs besucht, damit ich es in Zukunft besser mit dir aufnehmen kann.«

»Ach, wirklich? Das wäre dann sicher die erste wirklich beeindruckende Leistung in deinem Lebenslauf«, antworte ich ironisch, wohl wissend um seinen Caltech-Abschluss.

Connor lehnt sich an die Glastür vor dem 3-D-Drucker, wobei das Lächeln auf seinen schmalen Lippen von Sekunde zu Sekunde breiter wird. »Da bin ich sicher. Du solltest in Erwägung ziehen, den Kurs auch zu besuchen, dann sind deine Konter in Zukunft vielleicht weniger vorhersehbar.«

Unsere Blicke kreuzen sich einen Moment zu lange, weshalb ich mein Sichtfeld nach unten verlagere. Weg von den huskyblauen Augen und der naturroten GQ-Männermodel-Frisur. Böser Fehler. Denn jetzt sehe ich sein Stockfoto-Gesicht zwar nicht mehr, dafür aber den Stockfoto-Oberkörper, der unter seinem weißen Laborkittel ein grünes Hemd trägt. Ich hasse mich dafür, dass ich mir für den Bruchteil eines Augenblickes vorstelle, er würde es aufknöpfen und ausziehen. Jeder, der einem gegen Nervosität dazu rät, sich Menschen nackt vorzustellen, ist ein verdammter Sadist.

»Ist alles in Ordnung, Libby?« Automatisch schwingt mein Blick zurück nach oben. Er sieht mich nicht besorgt an, sondern so, als wüsste er genau, was mir gerade durch den Kopf geht.

»Klar, abgesehen davon, dass ich hier mit di…« Wie durch ein Wunder ertönt, gerade als ich etwas furchtbar Dummes sagen will, mein Klingelton. Ich versuche, ihn zu ignorieren, doch Connor lässt mich nicht. Er lehnt sich vor und zieht mein Smartphone aus dem Laborkittel. Ich rechne damit, dass er auflegt, doch stattdessen nimmt er den Anruf an. Mein Körper verfällt in eine opossumähnliche Schockstarre.

»Hallo, hier ist Connor. Libby kann gerade nicht ans Telefon kommen. Kann ich etwas ausrichten?« Ich überlege, ihm das Telefon aus der Hand zu reißen, doch ich kann mich nicht bewegen. »Oh, interessant. Eine Tausend-Dollar-Wette darüber, ob Libby Single ist?« Sein Mundwinkel zuckt amüsiert. »Oh nein, sie wird nicht allein kommen. Gerade eben erst hat sie mich gefragt, ob ich sie Weihnachten begleite. Ich freue mich darauf, die Familie meiner Zuckermaus endlich kennenzulernen.« Er zwinkert mir zu, und ich sehe ihn verwirrt an. Was zum Teufel?

»Richte ich aus. Dann bis die Tage! Liebe Grüße und schon mal frohe Weihnachten!« ist das Letzte, was Connor in den Hörer säuselt, bevor er mir das Smartphone mit einem »Gern geschehen« zurück in den Kittel steckt.

»Was genau war das?«

Eine rote Locke fällt ihm in die Stirn, als er die Arme vor der Brust verschränkt. »Deine Schwägerin Carla. Sie wollte wissen, ob du ein Date mitbringst. Dein Dad hat offenbar noch Hoffnung, aber dein Bruder? Puuuhhh.«

Um meinen Beziehungsstatus zu wetten, sieht Will ähnlich, aber dass Dad sich darauf eingelassen hat, bedeutet, dass seine Sorge ein neues Level erreicht hat. Während der Feiertage sehe ich jedes Mal die Befürchtung in den Augen meiner Familie, ich könnte irgendwann allein in einer Wohnung voller Katzen sterben. Als ob das so schlecht wäre. »Und da dachtest du, es wäre klug, sich einzumischen, um was genau zu bewirken?«

Connor grinst. »Ist das nicht offensichtlich?«

»Nein, sonst würde ich nicht fragen.«

»Ich hatte dich für klüger gehalten, Libby Anders«, haucht er verführerisch, um mich zu provozieren. Bevor ich darauf reagieren kann, schiebt er sich an mir vorbei auf den Flur, Richtung Fahrstuhl. Sein Modell hält er dabei so, dass ich noch immer keinen Blick darauf erhaschen kann.

Diesen Mann an Weihnachten mit nach Hause zu nehmen, würde für Fragen sorgen. Andererseits wären diese kalkulierbar. Wie habt ihr euch wo und wann kennengelernt? Das ganze Blabla, das nichts aussagt und dennoch alle zufriedenstellt. Schon allein zu sehen, wie mein Bruder tausend Dollar verliert, könnte es wert sein, Connors Anwesenheit ein paar weitere Tage zu ertragen. Will würde sich nie wieder etwas Derartiges erlauben.

»Angenommen, ich nehme dich mit … Was willst du dafür? Mein Erstgeborenes?«, rufe ich ihm hinterher.

Er bleibt eine Sekunde lang stehen. »Verlockend, aber nein. Fällt es dir so schwer zu glauben, ich könnte dir aus purer Freundlichkeit helfen?«

»Ja, definitiv.«

Connor schüttelt den Kopf. Als er in den offenen Fahrstuhl am Ende der Forschungsabteilung steigt, dreht er sich ein letztes Mal zu mir um. »Es ist Weihnachten, Libby. Manche Menschen versuchen da alles, was sie übers Jahr verbockt haben, mit einer guten Tat zu relativieren. Selbst die Herzlosesten unter ihnen.«

Die Fahrstuhltüren schließen sich. Dieses Mal bin ich wirklich die Einzige, die auf der Etage zurückbleibt. Connor Riley ist ein beschissenes Mysterium, aber so wie es aussieht, brauche ich ihn, um meiner Familie eine Lektion zu erteilen. Das kann ja was werden.

»Okay, bist du bereit?«, frage ich, während ich mir nervös auf die Oberschenkel klopfe. Ich sitze auf dem Beifahrersitz des Mannes, den ich meiner Familie gleich als meinen neuen Freund vorstellen werde, obwohl wir einander nicht leiden können. Das schlechte Gewissen, das sich in den letzten Tagen in meinem Kopf manifestiert hat, wächst gerade ins Unermessliche.

»Wir haben uns auf der Arbeit kennengelernt, und unser erstes Date war bei einem Star Wars-Kino-Marathon«, rattert Connor herunter, während er seinen Peugeot hinter dem Van meines Dads parkt.

»Richtig. Danach hast du mich nach Hause gefahren und nicht geküsst, weil du ein Gentleman bist.«

Connor grinst unanständig. »In der Realität hätte ich das sicher so nicht getan, aber das hier ist deine Lüge.«

»Stimmt, und du bist mein Werkzeug, also mime gefälligst den Gentleman.«

»Oh ja, benutz mich!«, stöhnt er gespielt beim Anziehen der Handbremse.

Aus Reflex boxe ich ihm in die Seite. »Benimm dich.«

»Da drinnen werde ich es tun, hier draußen genieße ich noch für einen Moment deine Verzweiflung. Du bist heiß, wenn du verzweifelt bist.« Er weiß genau, wie er einem das Blut in die Wangen treibt. Bevor er sehen kann, wie gut es ihm gelingt, drücke ich die Autotür auf. Draußen habe ich wenigstens die Möglichkeit, die Rotfärbung meines Gesichts auf die Dezemberkälte zu schieben.

Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zur Eingangstür meines Elternhauses. Die dünne Schneedecke knirscht unter unseren Schuhen und sorgt für das erste bisschen Weihnachtsstimmung. Tief in meinem Inneren bin ich froh, dass Connor hier ist, auch wenn ich das niemals zugeben würde. Schweigend drücke ich die Klingel. Der weihnachtliche Kranz wackelt, als die Haustür aufschwingt und meine Eltern uns in aufeinander abgestimmten Weihnachtspullovern anstrahlen. Ich bin mir sicher, dass sie hinter der Tür gelauert haben wie Hyänen, weil sie nicht glauben konnten, dass ausgerechnet ihr ewiges-Single-Grinch-Kind jemanden über die Feiertage mitbringt. Manchmal wünschte ich mir, sie würden mich weniger gut kennen.

Dad klatscht überraschend euphorisch in die Hände, bevor er erst mich und dann Connor in eine Umarmung zieht. »Da seid ihr ja endlich!« Normalerweise gehört er eher zu der ruhigen, beobachtenden Sorte Vater, doch heute gewinnt er tausend Dollar.

»Das Essen steht schon auf dem Tisch. Wir freuen uns so, dich kennenzulernen, Connor«, begrüßt Mom meine Begleitung, bevor auch sie uns kurz in die Arme schließt. Wir streifen die Jacken ab und folgen meinen Eltern ins Esszimmer, wo Will und Carla bereits auf uns warten. Bunt blinkende Lichterketten, selbst gebastelte Strohengel und Mistelzweige schmücken nicht nur den Weihnachtsbaum. Es sieht aus, als wäre ein Hersteller kitschiger Weihnachtsdekorationen hier explodiert und meine Eltern hätten das einfach so hingenommen. Bevor Connor sich setzt, reicht er meinem Bruder und seiner Frau die Hand.

»Es freut mich. Libby hat schon viel von euch erzählt.«

»Ach, wirklich? Von dir hat sie gar nicht erzählt«, entgegnet Will etwas grimmiger, als ich es sonst von ihm gewohnt bin. Das kleine bisschen Schadenfreude, das ich empfinde, zeigt mir, wofür ich das hier tue.

»Komm schon, William! Freu dich doch für deine Schwester. Es ist Weihnachten, du alter Miesepeter«, tadelt ihn Carla liebevoll. Mein Blick heftet sich an Connor, der seine Rolle spielt, als hätte ich sie ihm auf den Leib geschneidert.

»Ich weiß. Ich habe sie darum gebeten. In der Vergangenheit hatte ich nicht viel Glück in der Liebe. Da warte ich immer erst mal, ob sich wirklich etwas Ernsteres entwickelt.«

»Na, wenn das so ist, herzlich willkommen in der Familie«, antwortet Will beinahe aufrichtig, während Carla ihm stolz die Hand tätschelt. Man sieht ihnen ihre Liebe an, was die Frage aufwirft, wie durchschaubar es ist, dass Connor und ich hier eine Show abziehen? So offensichtlich wie möglich greife ich nach seiner Hand. Er streichelt mit seinem Daumen sanft über meinen, während Dad den dampfenden Braten tranchiert. Schnell ist das Einzige, was man hört, das von Weihnachtsklassikern untermalte Klirren von Besteck.

Ganz automatisch sehe ich immer wieder zu Connor, als wäre er ein Kühlschrank und ich einer dieser Magnete in Buchstabenform. Er scheint sich wohlzufühlen. Als er meinen Blick bemerkt, schenkt er mir ein Lächeln und lehnt sich zu mir herüber. »Du hast mir gar nicht von dem Dresscode erzählt. Schäm dich! Ich besitze einen äußerst hässlichen Pullover mit einem leuchtenden Christbaum. In dem hätte ich locker mithalten können.« Er ist in der Tat der Einzige von uns, der keine Ausgeburt der Weihnachtshölle trägt. Während mein Long Bob ebenso braun ist wie das Wollmonster, das ich trage, ist sein Hemd so blau wie seine im Kerzenlicht glänzenden Augen. Ich hasse es, wie schwer Connor es mir macht, zu verleugnen, wie attraktiv ich ihn finde.

»Oh, und ich dachte, ich hätte dir etwas erspart. Aber wenn du unbedingt willst, können wir hier und jetzt tauschen. Meinen Rudolph-Pullover gegen dein Designerteil«, flüstere ich stichelnd wie immer.

Ich versuche das Kribbeln in meiner Bauchregion zu ignorieren, als er flüsternd antwortet: »Na, na, Libby. Meinst du nicht, dass das hier der falsche Ort für einen Striptease ist?«

Dad unterbricht uns mit einem aufgesetzten Räuspern. Ich kann spüren, wie mir die Röte in die Wangen schießt. Schon wieder. Schnell schiebe ich mir eine Salzkartoffel in den Mund. »Und Connor, wie hast du mein kleines Mädchen kennengelernt?«

»Oh ja, das würde mich auch interessieren. Es ist so schön, dass sie mal einen echten Freund hat«, ergänzt meine Mom meinen Dad. Mir schwant Übles.

»Einen echten Freund?« Natürlich springt Connor sofort darauf an.

»Na ja, wir haben uns lange Sorgen gemacht, sie würde niemanden finden. Sie hat Jahre keinen Mann mehr mitgebracht …« Sie hält Dad die Schale mit Bohnen hin, die er ihr nicht abnehmen kann, ohne sie anzulächeln. Früher habe ich immer gedacht, alle Beziehungen wären so perfekt wie die meiner Eltern. Jeder, der auch nur eine Minute bei einem Tinder-Date verbracht hat, weiß, dass das ein romantisches Hirngespinst ist.

»… und unser Mädchen verbringt zu viel Zeit auf der Arbeit. Es gibt nichts Wichtigeres, nicht mal die Familie.«

»Mom, Dad, ich bin auch hier«, ermahne ich meine Eltern, doch mein Dad winkt ab.

»Libby, Spatz, dein Freund muss wissen, worauf er sich einlässt, sonst wird das doch wieder nichts mit der Verlobung.«

Bei dem Wort Verlobung erstarre ich und sehe zu Connor hinüber. Ich erwarte, in weit aufgerissene Augen zu blicken, doch er lehnt sich zurück und setzt sein Zauber-Grübchen-Lächeln auf, für das ihn sämtliche Frauen im Labor umschwärmen. Und scheiße, ich kann es ihnen nicht verdenken.

»Glauben Sie mir, ich weiß, worauf ich mich eingelassen habe, immerhin habe ich eine ganze Zeit um die Aufmerksamkeit Ihrer Tochter gebuhlt.« Demonstrativ krault er sanft über meinen Rücken, und ein leichtes Kribbeln überzieht meine Haut. Das ist nur Biologie. Das würde mir bei jedem passieren, nicht nur bei Connor Riley. Oder?

»Ach ja?«, fragt Will immer noch misstrauisch.

»Oh ja. Sie ist störrisch, sarkastisch, rechthaberisch und lebt für die Arbeit. Und es macht keinen Unterschied, ob man sie beleidigt oder ihr ein Kompliment macht. Von beidem fühlt sie sich angegriffen.«

Will lacht. »Klingt nach meiner Schwester.«

Ich stoße ein »Hey« aus, doch bevor ich hochkoche wie eine Mentos-Cola-Reaktion, beginnt Connor wieder zu reden. »Und das Schlimmste daran ist, dass sie die erste Person ist, bei der ich jede dieser Eigenschaften attraktiv finde. Libby gibt alles für die Forschung, weil sie an das glaubt, was sie tut. Sie macht sich nichts aus dem, was andere über sie denken, weil sie es meistens tatsächlich besser weiß. Als ich im Labor angefangen habe, hat sie mich herumgeführt und war genervt darüber, weil sie gerade irgendwas Spannendes entdeckt hatte. In diesem Moment bin ich ihr verfallen.«

Dass ich ihn damals durchs Labor geführt habe, hatte ich vergessen. An dem Tag habe ich ein neues Spektrum in der Zellerneuerung von Chamäleons entdeckt und gedacht, dass das meine Forschung revolutionieren wird. Er hat mich damit aufgezogen, was ich für Arroganz gehalten habe. Damit haben die Sticheleien zwischen uns begonnen. Anfangs war es süß. Im Nachhinein schäme ich mich etwas dafür, dass ich sogar gehofft habe, dieses Necken würde sich in etwas anderes als Rivalität verwandeln. Wie oft habe ich mir vorgestellt, er würde mich nach einem Schlagabtausch gegen die Wand drücken und küssen, aber er hat es nie getan.

»Es gibt niemanden, für den ich mehr empfinde oder den ich mehr bewundere, und sie merkt es nicht mal.« Connor sieht mich an, während er die letzten Worte spricht. Seine Augen lügen nicht. Ich realisiere, dass er meint, was er sagt. Mein Herz stolpert ein paarmal, bevor es zurück in seinen gewohnten Takt findet. Heilige Scheiße.

Meine Mom legt die Hand auf die Brust und sieht mich stolz an, während Dad zustimmend nickt. Selbst Will scheint seine Zweifel zu begraben, während Carla »Oh, ist das schön« in eine Serviette schluchzt.

In diesem Moment realisiere ich, dass ich jedem Einzelnen an diesem Tisch das Herz brechen werde, sobald meine Lüge auffliegt. Ich habe Mist gebaut. Großen Mist.

»Entschuldigt mich einen Moment.« Ich rücke den Stuhl zurück, hole mir meinen Mantel und flüchte in die winterliche Kälte. Der Mond taucht den Schnee in bläuliches Licht und strahlt mit der Vorgarten-Weihnachtsbeleuchtung meiner Eltern um die Wette. Mir fällt auf, dass eines ihrer blinkenden Rentiere umgekippt ist. Genauso fühle ich mich, weshalb ich zu ihm hinüberstapfe und es aufrichte. »Zumindest eine von uns sollte heute Abend Contenance bewahren«, murmle ich der nun schief stehenden Weihnachtsdekoration zu, als könnte sie mich hören.

»Vielleicht kein schlechter Plan«, höre ich eine vertraute Stimme hinter mir. Connor. »Ist alles in Ordnung?«

»Klar. Wir können jetzt wieder rein.«

Als ich mich zu ihm umdrehe, rechne ich damit, ihn lächeln zu sehen. Amüsiert darüber, dass ich kurz davor bin, meiner Familie alles zu gestehen, weil mich mein schlechtes Gewissen plagt. Doch er runzelt besorgt die Stirn. Schneeflocken verfangen sich in seinen roten Haarspitzen. »Komm schon, Libby. Rede mit mir.« Sein Blick ist warm. Vertraut. Wann hat Connor Riley angefangen, mich so anzusehen?

»Das, was wir hier tun, ist falsch«, bringe ich gepresst hervor.

Connor macht ein paar Schritte auf mich zu. »Da gebe ich dir recht, und es tut mir leid, dass ich dir diese Situation eingebrockt habe.« Nun ist er mir so nah, dass ich seinen warmen Atem nicht nur sehen, sondern auch auf meinen kalten Lippen spüren kann. Ich versuche es zu hassen, doch ich will nicht. Nicht mehr.

»Es ist nicht deine Schuld. Gerade bin ich einfach überfordert, weil ich meiner Familie genauso gut hätte sagen können, dass du mein Arbeits-Erzfeind bist und mich am Telefon reinreiten wolltest. Aber das habe ich nicht. Und jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich sie anlüge. Dann hast du all diese netten Dinge gesagt, und das hat etwas in mir ausgelöst. Wir können uns nicht ausstehen, nerven uns und sind fies zueinander. Aber irgendwie …« Kühle Luft füllt meine Lungenflügel, als mein Mund einfach offen stehen bleibt. Aber Connor scheint mir anzusehen, was in mir vorgeht. Ich hätte nie gedacht, einmal dankbar für meine eigene Durchschaubarkeit zu sein. Sein durchdringender Blick wird offener.

»… ist da noch etwas anderes.«

Mehr als ein Nicken bringe ich nicht zustande, aber sein Grübchen zeigt mir, dass es ausreicht. Zärtlich legt er einen Zeigefinger unter mein Kinn und hebt es an.

»Weißt du, warum ich wirklich hier bin?«

»Um dein Karma zu reinigen?«

Connor schüttelt leise lachend den Kopf. »Meine Absichten sind eindeutig zu eigennützig dafür. Nein.« Sein Blick fällt auf meine Lippen. Mein Mund wird plötzlich ganz trocken, und ich könnte schwören, dass ich den gesamten Reifeprozess einer Tomate durchlebe. Monatelang habe ich mir eingeredet, Connor Rileys Charme und seine Neckereien hätten keine Wirkung auf mich. Und nun reichen ein Fake Date und der pure Gedanke an seine Hände auf meiner Haut, um genau das zu hinterfragen. »Du bist die klügste Person, die ich kenne. Es wundert mich, dass du meine Gefühle für dich nicht längst bemerkt hast. Ich meine, ich habe beantragt, Teil deines Forschungsteams zu werden. Ich dachte, viel offensichtlicher geht es nicht.«

»Und ich dachte, du wolltest mir einfach rund um die Uhr auf die Nerven gehen.«

»Vielleicht ein wenig, aber eigentlich habe ich versucht, dir nah zu sein. Und jetzt stehe ich hier, lege dir mein Herz zu Füßen und hoffe, dass du nicht vorhast, in deinen Absatzstiefeln draufzutreten.«

Ich greife nach seiner Hand. Sie ist eiskalt. Es wäre klug, wieder reinzugehen. Vernünftig. Und trotzdem rühren wir uns keinen Millimeter. »Ich bin gut im Forschen, aber nicht mit Gefühlen. Ich hätte es vermutlich nicht mal erkannt, wenn du mit einem Pappschild mit der Aufschrift Ich-bin-dein-Dopamin-Libby-Anders vor mir gestanden hättest«, gestehe ich.

Sein Daumen malt feine Kreise auf meinen Handrücken, bevor er mich näher an sich zieht. »Was sagst du zu einem Neustart? Einem Date? Ich bastle dir auch dein eigenes Dopaminschild.«

»Klingt nach einem Deal.«

»Aber eine Sache muss ich noch tun.«

Als sich seine Lippen auf meine legen, durchzieht mich ein Feuerwerk. Oxytocin, Serotonin und Dopamin fluten meine Blutbahnen. Ich ziehe ihn weiter an mich, bis wir einander umschlingen und uns in diesem Kuss verlieren. Als er sich von mir löst, scheint nichts von dem übrig zu sein, was monatelang zwischen uns stand. Sanft streicht er mir eine Strähne hinters Ohr. »Sieht so aus, als könnten wir das Fake streichen.«

»Ja, sieht so aus.«

Zufrieden greift Connor nach meiner Hand und führt mich zurück zum Haus. Doch bevor wir hineingehen, halte ich inne. Ich erlaube mir, diesen Moment zuzulassen. Zu akzeptieren, dass dieses Weihnachten mein Leben verändern wird.

2

Laura Labas

Frostzauber

 

Laura Labas wohnt mit ihren zwei Katern in der schönen Kaiserstadt Aachen. Schon früh verlor sie sich im geschriebenen Wort und kreierte eigene Geschichten, die sie mit ihren Freunden teilte. Mit vierzehn Jahren beendete sie ihren ersten Roman. Spätestens da wusste sie genau, was sie für den Rest ihres Lebens machen wollte: neue Welten kreieren. Heute schreibt sie nach ihrem Master of Arts in Englisch und Deutscher Literaturwissenschaft immer noch mit der größten Begeisterung und Liebe und vertieft sich in Fantasy, Drama und Romance. Ihre neue Dilogie Night of Shadows and Flames bringt Hexen und Vampire zu einem ganz neuen Mix zusammen. Wenn du mehr über die Hintergründe ihrer Bücher erfahren und immer auf dem neuesten Stand sein willst, folge Laura Labas auf Instagram (@laura_labas_) oder schaue auf ihrer Website vorbei (https:// www.laura-labas.com).

1

Der gläserne Fürstenpalast glitzerte im Schein des Vollmonds. Ein paar helle Wolken schoben sich bereits vor die unzähligen Sterne und würden auch bald den leuchtenden Planeten verschlingen. Noch aber bot dieser im Hintergrund einen beeindruckenden Anblick, während unsere Kutsche über die Einfahrt zum Palast ruckelte.

»Ich kann nicht glauben, dass du mich dazu genötigt hast, mitzukommen«, sagte ich zu Mutter.

Sie saß mir gegenüber neben Vater, als sie mir ein nachsichtiges Lächeln schenkte. »Deine Abneigung gegenüber dem Sohn des Fürsten ist unangebracht, Frances«, ermahnte sie mich ohne Schärfe.

Ich wollte bereits widersprechen, doch sie hob eine Hand.

»Selbst wenn er wirklich ein Troll ist, wie du behauptest, solltest du dir nicht einen bezaubernden Abend wie diesen hier entgehen lassen«, fügte sie hinzu.

Flehend sah ich zu Vater.

»Das, was deine Mutter sagt«, brummte er, bevor er wieder die Augen schloss, um die wenigen Minuten bis zu unserer Ankunft zum Ausruhen zu nutzen.

Ich machte ein abfälliges Geräusch und verschränkte die Arme, die bis zu den Ellbogen in roséfarbenen Seidenhandschuhen steckten. Passend zu meinem Kleid, das dazu noch eine Lage Tüll besaß sowie eine Reihe blumiger Stickereien am Saum und diversen Nähten aufwies. Es schmiegte sich eng an meinen Oberkörper und ließ die Schultern frei. Zum Glück hatte ich eine Stola mitgenommen. Anders als die Frostfae, zu denen wir heute eingeladen waren, spürte ich die Kälte nämlich deutlich.

Im Ballsaal würde es warm sein. Wenn auch stickig.

Normalerweise ließen mich meine Eltern in Frieden, wenn ich sie nicht zu einer ihrer unzähligen Veranstaltungen während der Saison begleiten wollte. Ich war mit neunzehn Jahren erwachsen und konnte meine eigenen Entscheidungen treffen. Doch Mutter wusste, wie ich zu Maddox, dem Sohn des Fürsten, stand, und sie hatte gesagt, dass ich heute lernen sollte, meine eigene Freude nicht von der Existenz loser Bekanntschaften abhängig zu machen. Ein Rat, der mich nicht überzeugte, aber letztlich hatte ich nachgegeben, denn der Palast war wunderschön. Und ich liebte es, zu tanzen.

Nur nicht in Anwesenheit eines arroganten Mistkerls wie Maddox, den ich als Sohn unserer Gastgeber nicht einfach ignorieren konnte.

Vor einem Jahr hatte ich ihn das erste Mal gesehen, als er zu demselben Bankett eingeladen worden war wie ich. Es war mir nicht peinlich, zuzugeben, dass ich bei unserer Begegnung ein Flattern in meiner Brust gespürt hatte. Sein Antlitz hatte mir den Atem geraubt. Ich hatte gewusst, dass Frostfae besonders attraktiv waren, doch vor ihm hatte ich noch nie einen gesehen. Seine und meine Familie hielten sich normalerweise nicht in denselben Kreisen auf. Während er irgendwann den Fürstentitel seines Vaters erben würde, wäre mir – wenn überhaupt – nur eine Heirat mit einem Lord vergönnt. Und das war schon weit nach oben gegriffen. Meine Familie war wohlhabend, besaß aber keinen Titel.

Deshalb hatte ich an jenem Tag auch nicht mit dem Fürstensohn gerechnet. Seine eisblauen Augen hatten direkt bis in meine Seele geblickt und mich zunächst von seinen scharfkantigen Gesichtszügen abgelenkt. Der blassbraunen Haut und den schmalen, aber ausdrucksstarken Lippen, die sich arrogant gekräuselt hatten. Mit einer Hand hatte er sich durchs schwarze, leicht wellige Haar gestrichen, um sich dann wortlos von mir abzuwenden.

Und das war’s.

Den Rest des Banketts hatte er überall verbracht, nur nicht in meiner Nähe. Nicht dass ich mich für so unwiderstehlich gehalten hätte, doch es war schon auffällig, dass er jedes Mal förmlich flüchtete, wenn wir uns im Verlaufe des Abends in der gleichen Gruppe wiederfanden.

Schließlich, kurz vor Ende, hörte ich ein Gespräch mit, das er mit seinen Freunden führte. Es ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.

»… Miss Frances? Niemals«, sagte er und schüttelte amüsiert den Kopf.

Ich stand mit dem Rücken zugewandt direkt hinter ihm, doch eine hohe Topfpflanze verhinderte, dass ich erkannt wurde. Panik stieg in mir auf. Ich wollte das nicht hören. Ich suchte nach einem Fluchtweg, doch Mutter und Tante flankierten mich. Sie würden Fragen stellen.

»Niemals? Warum denn nicht?«, fragte Lord Forrest. Ein Waldfae, mit dem ich meinen letzten Walzer getanzt hatte. »Sie ist schöner als die meisten, und ihre Klugheit sorgt für unterhaltsame Gespräche.«

Ich schloss die Augen und bedankte mich für meine Charakterkenntnis. Lord Forrest war mir immer sehr höflich und sympathisch vorgekommen. Seine Aussage bestätigte meine Einschätzung.

»Sie steht unter ihm, Forrest«, sagte ein anderer, dessen Stimme ich nicht zuordnen konnte. »Ihr Vater ist nicht mal ein Lord. Das ist der Grund, nicht wahr?«

Maddox’ Antwort ging unter, als meine Tante laut auflachte, weil mein Cousin einen besonders grandiosen Scherz zum Besten gegeben hatte. Und ich war dankbar dafür, denn ich wollte sie nicht hören.

Es sollte mich nicht grämen. Schließlich war es eine Tatsache, dass Vater kein Lord war. Außerdem hatte ich ohnehin nie vorgehabt, Maddox näher kennenzulernen. Umso besser, im Vorhinein zu wissen, dass ich mich nicht um eine Freundschaft zu bemühen brauchte.

Das redete ich mir in den kommenden Monaten ein. Jedes Mal, wenn wir auf Veranstaltungen aufeinandertrafen, ignorierten wir einander. Dann war die Frühlingssaison zu Ende, und ich hatte ihn seitdem nicht mehr gesehen. Heute wurde sein dreiundzwanzigster Geburtstag gefeiert, und ich hatte nicht den blassesten Schimmer, warum ich hier sein musste.

Immerhin war mir das Glück beim Eintreten hold, denn wir waren so spät dran, dass niemand auf uns achtete. Der Herold rief unseren Namen aus, traf aber auf taube Ohren. Es floss bereits bitterer Kräuterschnaps, und die Tanzfläche in dem weiß-blau geschmückten Saal war gefüllt. Ein Streichquartett spielte ein flottes Stück, das die Menge gut unterhielt. Wir mischten uns darunter, doch als meine Eltern den Gastgeber begrüßen wollten, stahl ich mich davon.

Ich wollte mir durch Maddox’ Anblick nicht den Abend verderben lassen.

Mein Blick huschte zu den offen stehenden Türen, die auf eine Terrasse führten. Schnee fiel in kleinen Flocken herab.

Obwohl ich eine Wiesenfae war, liebte ich den Schnee. Er dämpfte zwar meine Verbundenheit zur Natur, doch ich war ein Opfer der makellosen Schönheit, die sich nach einer schneereichen Nacht am Morgen präsentierte. Ich wurde von den Flocken angezogen wie eine Motte vom Licht, und als ich erfolgreich vor meinen Eltern fliehen konnte, hielt mich nichts mehr zurück. Auch nicht die Kälte, der ich mich gerade erst entzogen hatte.

2

Die halbmondförmige Terrasse mit den magisch erhaltenen Rosen war vollkommen verlassen, sodass ich ohne musternde Blicke über die Steintreppe in die Gärten flüchten konnte. Im Gehen hielt ich die wärmende Stola fest vor meiner Brust.

Die Gärten standen dem Palast in nichts nach. Soweit ich das von meinem kurzen Aufenthalt beurteilen konnte, waren sie riesig, gepflegt und im Frühling sicher noch beeindruckender.

Die Rosen, die sich um die Spaliere rankten, befanden sich im Gegensatz zu denen auf der Terrasse in einem tiefen Winterschlaf, doch das saftige Grün der Blätter und Zweige stand im starken Kontrast zum gepuderten Weiß. Ich schritt über einen Kiesweg, der von hohen Hecken flankiert wurde. Das Licht des Palastes reichte gerade noch aus, um den Pfad zu beleuchten und das Ende zu erkennen. Ein Springbrunnen in Form einer Meerjungfrau, dessen Wasser im Becken gefroren war, erwartete mich. Doch das war nicht das Einzige.

Ein Stück dahinter hielt sich ein männlicher Fae auf. In einen schwarzen Anzug gekleidet, der die gleiche Farbe aufwies wie sein Haar. Er stand von mir abgewandt und nahm mich offenbar nicht wahr, als er mit dem Schnee magische Formationen in den Himmel entließ. Seine langgliedrigen Finger bewegten sich elegant vor seinem Körper, während die Flocken scheinbar glücklich aufstoben und in einem Wirbelwind nach oben kreisten. Dort formierten sie sich zu einem Reh, das davongaloppierte.

Als Nächstes erschien eine Kugel, die an den Mond erinnerte, der von den Wolken verschluckt worden war. Kurz darauf lösten sie sich zugunsten kleiner weißer Feuerwerke auf. Der Fremde drehte seine Hand, und unter ihm wurden die Pflastersteine von hartem Frost bedeckt. Eine Spur, die sich von ihm bis zu mir zog. Kurz vor den Spitzen meiner Samtschuhe stoppte der Frost.

Begeistert und mit erhitzten Wangen sah ich wieder auf. Das Lachen blieb mir sogleich im Hals stecken. Der Frostfae hatte sich zu mir umgedreht und die Hände sinken gelassen.

»Maddox«, flüsterte ich.

Selbst im schwachen Schein, der bis zu uns reichte, konnte ich die Einzigartigkeit seiner Augen erkennen. Es fröstelte mich.

»Hast du dich verirrt?«, fragte er. Den Kopf legte er leicht schief, als stellte ich ein Rätsel für ihn da.

»Nicht unbedingt«, murmelte ich ausweichend.

Stirnrunzelnd verschränkte er die Hände hinter seinem Rücken und trat näher. Gemächlich und trotzdem … bedrohlich.

Ich weigerte mich, Schwäche zu zeigen, und blieb, wo ich war.

»Eine kuriose Antwort«, merkte er an. Rund einen Meter vor mir blieb er stehen. Der Frost hatte ihn beim Gehen nicht beeinflusst. Nicht für eine Sekunde hatte er so ausgesehen, als würde er ausrutschen. Natürlich nicht. Frost war sein Element. »Findest du allein nicht mehr zurück?«

»Doch. Ich denke schon.« Warum sah er mich derart intensiv an? »Deine Magie ist beeindruckend. Ich habe so was noch nie zuvor gesehen«, entschlüpfte es mir, bevor ich mich zurückhalten konnte.

Beinahe verlegen kratzte er sich am Kinn. Aber das konnte nicht sein, oder? Jemand wie er wurde nicht meinetwegen verlegen.

»Das liegt vermutlich daran, dass es kaum noch Frostfae gibt.«

»Vielleicht.«

»Vielleicht? Was ist daran vielleicht?« Er wirkte ehrlich verwirrt.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals, weil ich mich immer noch zu ihm hingezogen fühlte. Obwohl er meine Familie als unter seiner Würde empfand, konnte ich meine körperliche Reaktion nicht abstellen.

Komm schon, Frances. Mach jetzt keinen Rückzieher!

Ich nahm all meinen Mut zusammen und bewegte mich beim Reden von ihm weg, allerdings ohne ihm vollends den Rücken zuzuwenden. Es schneite weiter heftig, was mir seltsamerweise half, mich freier zu fühlen. Als wäre Schnee mein Element und nicht seines.

»Vielleicht fühlen sich Frostfae einfach als etwas Besseres und halten ihre Fähigkeiten versteckt, anstatt sie mit anderen zu teilen«, antwortete ich. »So wie wir Wiesenfae es zum Frühlingserwachen tun, in dem wir Blütenblätter im Wind fliegen lassen. Oder Waldfae, die uns einmal im Jahr gestatten, dabei zuzusehen, wie sich Setzlinge aus dem feuchten Waldboden erheben.«

Maddox presste die Lippen zusammen. Schon glaubte ich, es zu weit getrieben zu haben, doch er beschimpfte mich nicht. Nein. Es dauerte nur einen Moment, dann brach er in Gelächter aus.

»Götter, du hast recht«, sagte er und überraschte mich damit mehr als mit seinem warmen Lachen. »Wir sind schon ein arrogantes Pack, hm? Verdammt.«

»Das findest du lustig?« Erstaunt blieb ich neben dem Brunnen stehen.

»Sehr. Aber nur, weil es stimmt.« Mit dem Zeigefinger fuhr er sich unter den Augen entlang, als hätte er vor Lachen Tränen vergossen. »Danke, dass du die Wahrheit gesagt hast.«

Ich errötete. »Ich gehe jetzt besser.«

»Warte! Bleib doch noch etwas.« Er sah mich an und offenbarte eine Verwundbarkeit, die ich nicht ganz greifen konnte.

»Warum? Es ziemt sich nicht, und außerdem will ich dich in keine Bredouille bringen.«

»Bredouille?« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe das Gefühl, egal, was ich erwarte, du wirst mich überraschen.«

Abweisend verschränkte ich die Arme vor der Brust. Ich war schon so weit gekommen, jetzt musste ich das Gespräch auch zu Ende bringen und ein für alle Mal mit Maddox abschließen.

»Wenn wir zusammen gesehen werden, ganz ohne Begleitung, könnte man … es für unangebracht halten. Ich möchte nicht, dass du dir mit deinen Freunden das Maul über meinen Stand zerreißt. Das ist alles.« Bravo! Meine Stimme hatte nur ein klein wenig gezittert.

»Hm, mich beschleicht das Gefühl, dass du etwas weißt, das ich nicht weiß.« Mit dem Zeigefinger wirbelte er in der Luft, und die Flocken folgten seiner Bewegung. Sie bildeten einen vierzackigen Stern, der sogleich wieder verschwand. »Du würdest dir also nicht das Maul über mich zerreißen?«

»Natürlich nicht.«

»Und warum sollte ich das dann tun?«

Räuspernd blickte ich auf den gefrorenen Brunnen. Mir wurde zunehmend kälter. Das Wunder von Maddox’ Magie lenkte mich nicht mehr ab.

»Es ist besser, wenn ich gehe.«

»Bitte erklär es mir, Frances.« Mein Name aus seinem Mund ließ mich erstarren. Ein nicht unangenehmer Schauer rann meinen Rücken hinab. »Ich will es verstehen.«

3

Ich entließ den kurzzeitig angehaltenen Atem. »Ich habe gehört, wie du dich mit deinen Freunden über mich unterhalten hast. Dass ich deiner nicht würdig wäre, weil mein Vater kein Lord ist. Ich will dir meine Anwesenheit nicht aufdrängen.«

»Frances«, sagte er leise. »Bitte sieh mich an.«

Widerwillig gehorchte ich. Es half, dass er mir die Wahl ließ. Dass er weder näher rückte noch laut wurde. Er wartete einfach ab. Als ich in sein Gesicht blickte, wurde mir ganz flau im Magen. So viele Gefühle.

»Hast du mich etwas dergleichen sagen hören?«, fragte er dann leise.

»Nun …« Verwirrt kramte ich in meinen Erinnerungen. »Du hast damals auf dem Bankett der Viturius’ gesagt: Frances? Niemals. Und dann haben deine Freunde über die Gründe spekuliert und …«

»Ich erinnere mich daran.« Langsam näherte er sich mir wieder, und ich konnte nicht anders, als ihn anzustarren. Ich war ihm ausgeliefert. Das Eis seiner Augen hatte mich gefangen genommen. »Weißt du, worum es ging?«

»Ich dachte …«

Sein Mundwinkel zuckte. »Es ging darum, mit wem meine kleine Schwester mich verkuppeln wollte. Sie war sechs. Mittlerweile ist sie sieben.«

»W-was?«

»Es tut mir leid, dir das sagen zu müssen, aber Ciera ist von Adelstiteln geblendet. Sie findet, dass nur eine Prinzessin gut genug für mich ist.« Direkt vor mir blieb er stehen. Mit meinen Absätzen befanden wir uns fast auf Augenhöhe. »Seitdem ist nun fast ein Jahr vergangen. Ich denke, sie wäre mittlerweile mit dir einverstanden. Vorausgesetzt, du begleitest sie auf ihren Streifzügen durch den Palast.«

Mein Verstand hatte teilweise aufgehört zu arbeiten. So ganz begriff ich noch nicht, dass ich die Unterhaltung vollkommen falsch aufgefasst hatte.

»Aber … du bist mir aus dem Weg gegangen. Während jeder Veranstaltung hast du es dir zur Aufgabe gemacht, mich zu ignorieren und zu verschwinden, sobald ich in deine Nähe kam. Das habe ich mir sicher nicht eingebildet.«

Nachsichtig lächelnd legte er eine Hand an meine Wange. Entgegen meiner Erwartung war sie warm.

»Das stimmt. Weil ich deinen finsteren Blick nicht ausblenden konnte und weil …« Er senkte seine Stimme.

»Weil?«, hauchte ich atemlos.

»Weil ich dich mag und dachte, du könntest es mir von der Nasenspitze ablesen.«

»Was?«

»Ich mag dich, Frances. Als du damals über Barrys Füße gestolpert bist und dich bei der Blumenvase entschuldigt hast, gegen die du dann gelaufen bist …« Ich sah mich selbst nicht, aber ich war sicher, dass das Rot meiner Wangen schlimmer wurde. »Besteht die Chance, dass du mich auch mögen könntest? Ich weiß, du hast bisher das Schlimmste von mir gedacht, aber lass mich dir versprechen, dass ich nichts auf den Stand gebe. Selbst wenn wir Frostfae arrogant sind.«

Schneeflocken verfingen sich in seinen Wimpern und landeten auf seinen Wangen.

»Ja«, flüsterte ich. Einerseits war ich erschöpft wegen der verschiedenen Gefühle in den letzten Minuten, andererseits war ich aufgedreht. »Ich könnte dich mögen.«

Das Lächeln, das sich auf seinen Lippen ausbreitete, erhellte mein Innerstes. Mit dem Daumen strich er über mein Kinn.

»Darf ich dich küssen? Etwas, worüber ich viel zu oft nachgedacht habe …«

Ich nickte, weil ich meiner Stimme nicht traute. Der Schnee wirbelte um uns herum, bevor ich meine Lider schloss und Maddox meinen Mund mit seinem bedeckte. Mein Herz hämmerte in meiner Brust, doch eigentlich nahm ich nur noch Maddox’ Wärme wahr. Seine Hand an meiner Taille und die Unnachgiebigkeit seiner Brust unter meinen eigenen Handflächen.

Der Kuss war kurz und bittersüß. Ich verlangte nach mehr, aber ich gab mich für den Moment damit zufrieden.

»Es wird nicht der letzte sein, oder?«, fragte ich.

»Nicht, wenn es nach mir geht«, antwortete er. »Sollen wir wieder zurückgehen? Du fühlst dich kalt an.«

Ich lächelte, und er legte meine Hand in seine Armbeuge.

3

Lin Rina

Apfel-Zimt-Waffeln zum Frühstück

Ein Lächeln auf den Lippen, eine Tasse Tee in der Hand und den Kopf voller Geschichten: Wenn Lin Rina schreibt, träumt sie sich in andere Welten. Mit ihrem Roman Animant Crumbs Staubchronik hat sie internationale Beliebtheit erreicht und sogar einen tschechischen Buchpreis gewonnen. Bei Knaur ist bisher der New-Adult-Roman You found me in Paris erschienen. Ihren Alltag verbringt sie mit Träumen, Tanzen und Zeichnen. Sie lebt mit Kindern, Freundin und Hund in einem Cottage im Schwarzwald.

Ich halte meine eisigen Finger über den Toaster und reibe die Handflächen aneinander, während ich darauf warte, dass die heiße Toastscheibe heraushüpft. Es ist die einzige, die ich in dieser Küche finden konnte. Wenn Oma irgendwo noch mehr Toastbrot aufbewahrt, dann weiß zumindest ich nicht, wo. Es gibt auch keine Streichhölzer und daher auch kein Feuer im Kaminofen. Und da ich keine Ahnung habe, wie man den Boiler einschaltet, auch keine funktionierende Heizung. Was dieses kleine, sehr alte Fachwerkhaus am Berg unweigerlich zu einer Eishöhle erstarren lässt. Es ist so dermaßen kalt, dass ich mir den Hintern abfriere.

Und dennoch bin ich froh, dass ich hier bin. Auch wenn Oma protestiert hat, dass sie trotz gebrochenem Arm alles allein schafft. Aber das entspricht einfach nicht der Wahrheit. Der Abwasch stapelt sich im Waschbecken, das untere Klo ist verstopft, Lebensmittel sind Mangelware, und draußen sind die Straßen so zugeschneit wie schon seit Jahren nicht mehr. Kein Durchkommen mit einem Gehstock. Und in Omas Zustand im Vorweihnachtstrubel allein einkaufen? Besser nicht. Außerdem ist meine Mitbewohnerin Melinda über Weihnachten eh bei ihrer Familie in Südtirol, und ganz allein werde ich nach ein paar Tagen merkwürdig.

Ich ziehe meine Winterjacke enger um meinen Körper, hole einen geblümten Teller mit Goldrand aus einem der Küchenschränke und durchforste dann den Kühlschrank, ob ich nicht doch noch etwas finde, das nicht abgelaufen ist.

Die armselige einzelne Toastscheibe hüpft lautstark aus dem Toaster, und mir rutscht vor Schreck beinahe die Himbeermarmelade aus den Händen, als ich mich umdrehe.

Da steht ein Huhn neben dem Toaster auf der Küchenablage. Es starrt mich mit schlangengelben Augen an wie ein Wesen aus der Hölle, das Gefieder so schwarz, dass es bläulich im trüben Vormittagslicht schimmert.

Ein Déjà-vu der letzten Tage.

»Du schon wieder«, zische ich, stelle das Marmeladenglas beiseite und stürze mich auf das Tier. Die Henne flattert, gibt schluckaufartige Geräusche von sich und schlägt mir ihre Flügel ins Gesicht. »Meine Güte! Hör auf! Wie kommst du hier immer rein?«, schimpfe ich. Zu spät denke ich daran, dass ich damit meine Oma aus dem Bett hole – und das alles nur, weil ich Angesicht zu Angesicht mit einem aufmüpfigen Huhn irgendwie Angst um meine Augen habe.

Oben rumpelt es laut, und ich seufze genervt. So hatte ich mir meinen ersten Morgen hier nicht vorgestellt. Seit ich Oma aus dem Krankenhaus abgeholt und heimgefahren habe, bin ich jeden Tag der letzten Woche hergekommen, um ihr Mittagessen zu bringen und ein bisschen mit ihr zu quatschen. Aber da es nun seit einiger Zeit nicht mehr aufhört zu schneien, dachte ich in meiner absoluten Naivität, es wäre sinnvoller, das anstehende Wochenende hier zu schlafen und alles auf Vordermann zu bringen, so kurz vor Weihnachten. Ganz in Ruhe ein bisschen Deko aufhängen und ohne Uni-Stress Zeit mit meiner Oma verbringen. Wer rechnet auch damit, ständig einer Höllenhenne zu begegnen?

Eine Sekunde bin ich unaufmerksam, da flattert sie zu meinem Toast und krallt ihn sich.

»Hey, nein! Das ist meiner«, rufe ich empört, auch wenn ich ehrlich nicht weiß, wie viel das Huhn versteht. Ich versuche, ihr die Scheibe abzunehmen, doch sie stürzt sich damit von der Arbeitsplatte.

Das ist ja wohl die Höhe! Ein Huhn stiehlt mein Frühstück!

Ich jage der Henne hinterher, falle beinahe über meine Schuhe, die ich gestern achtlos abgestreift habe, und erwische das Vieh, bevor es in den Flur ausbüxen kann.

Es schlägt um sich wie eine Kriegerin und schafft es zweimal fast, sich aus meinen Händen zu befreien, bis ich es endlich richtig zu packen bekomme. Die Federn sind weich und warm, die Krallen graben sich in meine Winterjacke, und ich kann froh sein, dass es sich verzweifelt mit dem Schnabel an mein Toastbrot klammert, sonst wäre mein Arm wahrscheinlich durchlöchert.

»Toni? Ist alles in Ordnung bei dir?«, ruft Oma die Treppe hinunter, während ich in meine Schuhe schlüpfe.

»Ja«, gebe ich zurück. »Die Henne von nebenan ist schon wieder reingekommen. Du kannst ruhig weiterschlafen. Ich kümmere mich darum.«

»Danke, mein Schatz«, kommt es verschlafen von oben, und ich höre sie zurück zum Bett schlurfen.

Ich drücke die Klinke mit dem Ellenbogen runter und trete nach draußen in den Schnee. Es ist so kalt, dass meine Augen zu tränen beginnen und die Henne sich in meine Jacke kuschelt.

Jaja, dieses verlogene Biest. Da wärmt es sich an mir, immer noch meinen Toast im Schnabel. Heimtückisch.