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Die Tage zwischen den Protestkundgebungen zum 40. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1989 und der ersten freien Volkskammerwahl am 18. März 1990 sind als die Zeit der »Wende« in den Sprachgebrauch eingegangen.
In diesen 163 Tagen der friedlichen Revolution vollzog sich die Entmachtung der alten SED-Führung, der Aufbruch zu einer demokratisch reformierten DDR und die Entscheidung für eine Vereinigung mit der Bundesrepublik.
Die »Chronik der Wende« zeichnet die dramatischen Ereignisse Tag für Tag nach. Dabei geht es nicht um eine Interpretation aus heutiger Sicht, sondern um eine authentische Darstellung aus der Perspektive der damals Agierenden. Es wird über ihre Handlungen berichtet, aber auch ihre Vorstellungen, Hoffnungen und Ängste kommen zu Wort.
Die Autoren rekonstruieren, was genau zum Sturz des Honecker-Regimes geführt hat. Ihre Dokumentation ist ein wichtiges Stück Geschichtsschreibung.
Der Spiegel
Der angesehene Adolf-Grimme-Preis geht 1995 in Gold an die Fernsehserie »Chronik der Wende« nach dem gleichnamigen Bestseller des Ch. Links Verlages. Die Jury lobt zu Recht ein »journalistisches Meisterwerk«.
Associated Press
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Seitenzahl: 430
Titelseite
Impressum
Revolution als Wende
Vorwort der Autoren
Vereinigung der Erinnerung
Vorwort von Hansjürgen Rosenbauer
Oktober 1989
Sonnabend, 7. Oktober
Sonntag, 8. Oktober
Montag, 9. Oktober
Dienstag, 10. Oktober
Mittwoch, 11. Oktober
Dienstag, 12. Oktober
Freitag, 13. Oktober
Sonnabend, 14. Oktober
Sonntag, 15. Oktober
Montag, 16. Oktober
Dienstag, 17. Oktober
Mittwoch, 18. Oktober
Donnerstag, 19. Oktober
Freitag, 20. Oktober
Sonnabend, 21. Oktober
Sonntag, 22. Oktober
Montag, 23. Oktober
Dienstag, 24. Oktober
Mittwoch, 25. Oktober
Donnerstag, 26. Oktober
Freitag, 27. Oktober
Sonnabend, 28. Oktober
Sonntag, 29. Oktober
Montag, 30. Oktober
Dienstag, 31. Oktober
November 1989
Mittwoch, 1. November
Donnerstag, 2. November
Freitag, 3. November
Sonnabend, 4. November
Sonntag, 5. November
Montag, 6. November
Dienstag, 7. November
Mittwoch, 8. November
Donnerstag, 9. November
Freitag, 10. November
Sonnabend, 11. November
Sonntag, 12. November
Montag, 13. November
Dienstag, 14. November
Mittwoch, 15. November
Donnerstag, 16. November
Freitag, 17. November
Sonnabend, 18. November
Sonntag, 19. November
Montag, 20. November
Dienstag, 21. November
Mittwoch, 22. November
Donnerstag, 23. November
Freitag, 24. November
Sonnabend, 25. November
Sonntag, 26. November
Montag, 27. November
Dienstag, 28. November
Mittwoch, 29. November
Donnerstag, 30. November
Dezember 1989
Freitag, 1. Dezember
Sonnabend, 2. Dezember
Sonntag, 3. Dezember
Montag, 4. Dezember
Dienstag, 5. Dezember
Mittwoch, 6. Dezember
Donnerstag, 7. Dezember
Freitag, 8. Dezember
Sonnabend, 9. Dezember
Sonntag, 10. Dezember
Montag, 11. Dezember
Dienstag, 12. Dezember
Mittwoch, 13. Dezember
Donnerstag, 14. Dezember
Freitag, 15. Dezember
Sonnabend, 16. Dezember
Sonntag, 17. Dezember
Montag, 18. Dezember
Dienstag, 19. Dezember
Mittwoch, 20. Dezember
Donnerstag, 21. Dezember
Freitag, 22. Dezember
Sonnabend, 23. Dezember
Weihnachten, 24. bis 26. Dezember
Mittwoch, 27. Dezember
Donnerstag, 28. Dezember
Freitag, 29. Dezember
Sonnabend, 30. Dezember
Sonntag, 31. Dezember
Januar 1990
Montag, 1. Januar
Dienstag, 2. Januar
Mittwoch, 3. Januar
Donnerstag, 4. Januar
Freitag, 5. Januar
Sonnabend, 6. Januar
Sonntag, 7. Januar
Montag, 8. Januar
Dienstag, 9. Januar
Mittwoch, 10. Januar
Donnerstag, 11. Januar
Freitag, 12. Januar
Sonnabend, 13. Januar
Sonntag, 14. Januar
Montag, 15. Januar
Dienstag, 16. Januar
Mittwoch, 17. Januar
Donnerstag, 18. Januar
Freitag, 19. Januar
Sonnabend, 20. Januar
Sonntag, 21. Januar
Montag, 22. Januar
Dienstag, 23. Januar
Mittwoch, 24. Januar
Donnerstag, 25. Januar
Freitag, 26. Januar
Sonnabend, 27. Januar
Sonntag, 28. Januar
Montag, 29. Januar
Dienstag, 30. Januar
Mittwoch, 31. Januar
Februar 1990
Donnerstag, 1. Februar
Freitag, 2. Februar
Sonnabend, 3. Februar
Sonntag, 4. Februar
Montag, 5. Februar
Dienstag, 6. Februar
Mittwoch, 7. Februar
Donnerstag, 8. Februar
Freitag, 9. Februar
Sonnabend, 10. Februar
Sonntag, 11. Februar
Montag, 12. Februar
Dienstag, 13. Februar
Mittwoch, 14. Februar
Donnerstag, 15. Februar
Freitag, 16. Februar
Sonnabend, 17. Februar
Sonntag, 18. Februar
Montag, 19. Februar
Dienstag, 20. Februar
Mittwoch, 21. Februar
Donnerstag, 22. Februar
Freitag, 23. Februar
Sonnabend, 24. Februar
Sonntag, 25. Februar
Montag, 26. Februar
Dienstag, 27. Februar
Mittwoch, 28. Februar
März 1990
Donnerstag, 1. März
Freitag, 2. März
Sonnabend, 3. März
Sonntag, 4. März
Montag, 5. März
Dienstag, 6. März
Mittwoch, 7. März
Donnerstag, 8. März
Freitag, 9. März
Sonnabend, 10. März
Sonntag, 11. März
Montag, 12. März
Dienstag, 13. März
Mittwoch, 14. März
Donnerstag, 15. März
Freitag, 16. März
Sonnabend, 17. März
Sonntag, 18. März
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Parteien und politische Organisationen
Personen
Zu den Autoren
Hannes Bahrmann Christoph Links
Die Ereignisse in der DDR zwischen 7. Oktober 1989 und 18. März 1990
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
1. Auflage, Juni 2012 (entspricht der 12. Druck-Auflage von Dezember 2009)
© Christoph Links Verlag GmbH, 1994 / 1999 / 2009
Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin, Tel.: (030) 44 02 32-0
www.christoph-links-verlag.de; [email protected]
Umschlaggestaltung: KahaneDesign, Berlin,
unter Verwendung eines Fotos von einer Montagsdemonstration
in Leipzig, Oktober 1989 (dpa /AFP)
eISBN: 978-3-86284-161-5
Die dramatischen Veränderungen in der DDR im Herbst 1989 sind rückblickend mit den verschiedensten Etiketten versehen worden: Da ist von Aufbruch die Rede, von radikaler Reform, von friedlicher Revolution. Doch unter allen wissenschaftlichen Definitionen und literarischen Umschreibungen hat sich kein Begriff so stark durchgesetzt wie der der »Wende«. Dabei ist er keineswegs der präziseste und war ursprünglich auch anders gemeint.
Egon Krenz gebrauchte ihn das erste Mal am 18. Oktober, als er sich nach seiner Wahl zum neuen SED-Generalsekretär verunsichert über das DDR-Fernsehen an die Bevölkerung wandte. Die Absetzung von Erich Honecker sollte nach seinen Vorstellungen eine Wende in der Parteiarbeit einleiten, um die »politische und ideologische Offensive wiederzuerlangen«. Doch das Volk interpretierte die Wende in seinem Sinne und ging selbst in die Offensive.
Die Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 hatten das Faß zum Überlaufen gebracht. In einer Zeit, da die erstarrten gesellschaftlichen Verhältnisse im osteuropäischen Block endlich in Bewegung gerieten, da in der Sowjetunion von Gorbatschow Reformen eingeleitet wurden und in Polen Oppositionskandidaten auf den Wahllisten standen, waren die DDR-Bürger wieder angehalten, ein »einmütiges Bekenntnis für die Kandidaten der Nationalen Front« abzulegen – also die von der SED dominierte Einheitsliste unwidersprochen abzusegnen. Doch erstmals organisierten Bürgerrechtsgruppen und Kirchenkreise eine Kontrolle der Stimmauszählung, wobei einige Prozent mehr durchgestrichene Namen – also Nein-Stimmen – registriert wurden als bei der regierungsamtlichen Verkündung durch Wahlleiter Egon Krenz.
Der von der SED-Führung demonstrierte Reformunwillen, noch verstärkt durch die offizielle DDR-Unterstützung für die gewaltsame Niederschlagung der Demokratiebewegung in China Anfang Juni, führte zu einem Massenexodus von DDR-Bürgern in Richtung Bundesrepublik, die ohnehin für viele als verlockende Alternative galt. Über die ungarisch-österreichische Grenze bzw. die bundesdeutschen Botschaften in Prag, Warschau und Budapest gelangten bis zum Herbst Zehntausende in den Westen. Trotz dieser »Abstimmung mit den Füßen« wollte sich die greise SED-Führung in völliger Verkennung der realen Verhältnisse noch einmal selbst feiern lassen, wozu der 40. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1989 auserkoren wurde.
Doch das Jubelfest schlug ins Gegenteil um, es wurde zum Anfang vom Ende. In Leipzig, Dresden und Berlin kam es zu Protestaktionen in bislang ungekannter Stärke, die sich in den Folgetagen noch ausweiteten. Der herrschenden Partei wurde dabei das Recht abgesprochen, weiterhin im Namen des Volkes zu agieren. Zehntausende skandierten Ende Oktober auf den Straßen »Wir sind das Volk« und verlangten eine radikale Umgestaltung der Gesellschaft. Demokratische Freiheiten sollten endlich auch im Osten Deutschlands Wirklichkeit werden, und zwar dauerhaft. Man ließ sich nicht mehr abspeisen mit Versprechungen und einzelnen Zugeständnissen. Nach der Demonstrationsfreiheit, die trotzig auf den Straßen erstritten worden war, und der Reisefreiheit, die durch die überraschende Öffnung der Mauer am 9. November plötzlich als Selbstverständlichkeit galt, folgten Rede- und Versammlungsfreiheit sowie die schrittweise Entmachtung der Staatspartei und ihrer »Sicherheitsorgane«.
Zu Versuchen einer unmittelbaren Machtübernahme durch Oppositionsgruppen ist es zu keiner Zeit gekommen. Die Mehrheit war sich sicher, daß an ihr vorbei nicht weiter regiert werden könne und sie nur konsequent genug auf baldige freie Wahlen hinsteuern müsse. Die anhaltenden Kundgebungen vor allem in den südlichen Zentren der DDR stellten dies eindrucksvoll unter Beweis. Insofern war der zweite Teil der Umgestaltungen vor allem von Auseinandersetzungen um die Modalitäten dieser ersten freien Wahlen in der Geschichte der DDR geprägt, in die sich dann auch bundesdeutsche Parteien tonangebend einmischten. Der 18. März 1990 mit der klaren Entscheidung für das konservative Parteienbündnis »Allianz für Deutschland« und sein Programm des schnellen Beitritts der DDR zur Bundesrepublik markiert schließlich den Endpunkt der eigentlichen »Wende«. Es war ein wirklicher Machtwechsel geworden, vollzogen auf friedlichem Wege, der dann zur staatlichen Einheit am 3. Oktober 1990 führte.
In der »Chronik der Wende« werden die entscheidenden Ereignisse zwischen Oktober 1989 und März 1990 Tag für Tag in ihrer inneren Dynamik nachgezeichnet. Dabei geht es um eine möglichst authentische Rekonstruktion der damaligen Vorgänge und nicht um eine wertende Interpretation aus heutiger Sicht. Da die »Chronik« als Mitschrift und Faktensammlung während des Geschehens entstanden ist, trägt sie die Perspektive der unmittelbar Handelnden klar in sich. Seit der Erstveröffentlichung im Januar 1990 unter dem Titel »Wir sind das Volk« hat sie jedoch mehrere Überarbeitungen erfahren, in die dann auch neuere Erkenntnisse über die Hintergründe einzelner Aktionen und die Motive staatlicher Akteure eingeflossen sind.
Die vorliegende Ausgabe stützt sich auf die Publikationen »Chronik der Wende« von 1994 sowie »Chronik der Wende 2« von 1995, die nochmals durchgesehen und nach den neuesten Forschungsergebnissen überarbeitet wurden. Sie umfaßt seitdem jene 163 Tage, die vom Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg auch in einer mehr als 40stündigen Filmdokumentation aufgearbeitet wurden, die 1995 in zahlreichen Programmen wiederholt ausgestrahlt wurde und deren Höhepunkte auch als DVD-Edition vom Sender Rundfuk Berlin-Brandenburg (rbb) angeboten wird. Parallel dazu erschien eine »Bilderchronik der Wende«, die ergänzend zu den hier dokumentierten Fakten vor allem das subjektive Erleben der Beteiligten in den Vordergrund stellt. Zeitzeugen schildern darin ihre Empfindungen im Moment des Geschehens und berichten von spektakulären Aktionen in ihrem unmittelbaren Umfeld.
Einen ähnlich erfolgreichen Aufstand des Volkes gegen eine nicht legitimierte Herrschaft hat es in Deutschland zuvor noch nicht gegeben. Diesen besonderen Vorgang in all seinen Facetten zu dokumentieren ist unser Anliegen.
Hannes Bahrmann/Christoph Links
Berlin, im Herbst 2009
Es war eine dieser Ideen, die in den ersten Jahren nach Wende und Einheit spontan entstehen konnten, als die Erinnerung noch frisch und das Staunen noch groß war. Eine Idee in einer Situation des Aufbruchs, der Neuerungen und des Wandels. Christoph Links und Hannes Bahrmann hatten mir ihr gerade veröffentlichtes Buch »Wir sind das Volk!« in die Hand gedrückt, das nüchtern, präzise und spannend zugleich die dramatischen Ereignisse im Herbst ’89 dokumentierte. Es wurde meine Urlaubslektüre in den ersten freien Tagen als Intendant des gerade erst auf Sendung gegangenen Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg.
Nur wenig später saßen wir zusammen in unserer grauen Fertigbaubaracke auf dem Babelsberger DEFA-Gelände. Warum keine »Chronik der Wende« für das Fernsehen, eine umfassende Dokumentation über jene Wochen, in der die Ostdeutschen die Diktatur überwanden und ein Staat fast über Nacht in sich zusammenfiel?
Der mutige Protest der Bürger, der Ruf nach demokratischen Rechten, die Konfrontation mit der Staatsmacht, der Sturz der alten SED-Führung, das Gefühl des Neuanfangs, die Öffnung der Mauer, die Trabi-Schlangen, die Diskussionen am »Runden Tisch« und die Bildung politischer Gruppen und Parteien, die Auflösung der alten Strukturen, der offene Meinungsstreit über den richtigen Weg: Eine filmische Erinnerung an eine historische Umbruchsituation, die fast alle Ostdeutschen als tiefen Einschnitt in ihrer Biografie empfinden. Ein großangelegtes Fernsehprojekt einer kleinen, neuen ARD-Anstalt, des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg (ORB), finanziert aus der Programmreserve der Intendanz .
Ein Team von jungen Fernsehmachern, angeleitet vom erfahrenen Regisseur Wolfgang Drescher, hat den Plan einer aufwendigen TV-Chronik über die Wende unter großem Zeitdruck und mit bewundernswertem Einsatz umgesetzt. Es entstanden 73 Kurzdokumentationen, die umfassend recherchiert die atemberaubenden Ereignisse Tag für Tag schilderten. Das Konzept war einfach, aber überzeugend: TV-Bilder, Fernsehberichte und Archiv-Dokumente aus Ost und West, ergänzt durch persönliche Erinnerungen an ganz bestimmte Ereignisse und Tage. Im Herbst 1994, fünf Jahre nach den umwälzenden Veränderungen, lief die »Chronik der Wende« in der ARD, im ORB, im Deutsche Welle Auslandsfernsehen und in mehreren Dritten Programmen. Später präsentierten der deutsch-französische Kultursender ARTE und das britische Auslands-TV BBC-World die Höhepunkte der Reihe, auch in Süd-Korea wurde die »Chronik der Wende« gezeigt. Der Lohn für die Mühen: 1995 gab es für die »Chronik der Wende« die wichtigste deutsche Fernsehauszeichnug, den Adolf-Grimme-Preis in Gold. Die Jury nannte das ORB-Projekt ein »journalistisches Meisterwerk«.
Schon damals hatten wir das Gefühl: Mit der ersten Staffel, die das Geschehen vom 7. Oktober ’89, dem 40. Jahrestag der DDR, bis zum 18. Dezember ’89, dem Tag der letzten Montagsdemonstration des Wendejahres, beschreibt, ist die Geschichte nicht zu Ende erzählt. Die Veränderungen und Umwälzungen waren weitergegangen, und bis zum 18. März 1990, dem Tag der ersten freien Volkskammerwahlen, hatte sich noch nicht entgültig entschieden, ob das Neue über das Alte würde siegen können. So entschlossen wir uns, die »Chronik der Wende« fortzusetzen.
In der Zwischenzeit hat das Team um Wolfgang Drescher weitere 90 Folgen realisiert. Die gesamte »Chronik der Wende« dokumentiert nun 163 Tage, die – wie es so schön heißt – die Welt veränderten. Christoph Links und Hannes Bahrmann haben ihre »Chronik der Wende« in Buchform erweitert, angereichert und auf den neuesten Stand gebracht. Was die Fernsehreihe nur anreißen kann oder was unerwähnt blieb, weil die Bilder fehlten – im Buch kann es nachgelesen und vertieft werden.
Wolfgang Thierse, im Herbst ’89 Mitbegründer der DDR-SPD und heute Präsident des deutschen Bundestages, forderte auf einem Historiker-Forum in Berlin eine »Vereinigung der Erinnerung«. Die Deutschen in Ost und West sollten sich ihrer gemeinsamen Geschichte stärker bewußt werden, um die geteilte Vergangenheit zu überwinden. Die »Chronik der Wende« kann zu einer solchen »Vereinigung der Erinnerung« ein geeigneter Beitrag sein. Ich wünsche deshalb der Fernsehreihe und diesem Buch ein aufmerksames und interessiertes Publikum. »Erinnerung ist die Währung, mit der sich eine Gesellschaft organisiert«, meint der Historiker Dan Diner. Ich denke, diese Währung ist kostbar, weil nur sie uns helfen kann, Fehler der Vergangenheit zu vermeiden.
Hansjürgen Rosenbauer, Mai 1999
Intendant des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg
Die DDR wird an diesem Tag 40 Jahre alt. Das SED-Zentralorgan »Neues Deutschland« erscheint als einzige Zeitung mit einer Sonderausgabe. Über der ganzen Titelseite prangt in großen Lettern: »Die Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik wird auch in Zukunft das Werk des ganzen Volkes sein«. Dies sollte sich bewahrheiten. Doch anders als gedacht.
Der Tag beginnt in Ostberlin mit Aufräumarbeiten. Straßenkehrmaschinen beseitigen die Überreste des Fackelzuges der Freien Deutschen Jugend, bei dem am Abend zuvor 100000 Jugendliche an Staats- und Parteichef Erich Honecker und den Ehrengästen vorbeigezogen waren, um »ihre Liebe und Treue zur Partei der Arbeiterklasse zu bekunden«.
Um 10.00 Uhr beginnt auf der Karl-Marx-Allee eine Militärparade. Am Nachmittag dann Volksfeste in allen Stadtbezirken. Doch Begeisterung will nicht recht aufkommen. Auf dem Land lastet ein bisher nicht gekannter Druck. Seit dem 10. September verlassen täglich Tausende vor allem junge Menschen die Deutsche Demokratische Republik. Sie nehmen den Weg über Ungarn und die Botschaften der Bundesrepublik Deutschland in Prag und Warschau. Unzufriedenheit über mangelnde Reisemöglichkeiten, eingeschränkte Rechte bei der Meinungsäußerung und politischen Betätigung, die Manipulation bei den Kommunalwahlen am 7. Mai, die offizielle Begrüßung der Gewalttaten in China, die Verlogenheit der Medien, die im Vergleich zu Westdeutschland schlechtere Versorgungslage sowie Verfall zahlreicher Städte und Betriebe haben Verdruß erzeugt – und Entschlossenheit.
Gegen 17.00 Uhr finden sich, wie an jedem 7. der letzten Monate, einige hundert Jugendliche auf dem Ostberliner Alexanderplatz ein, um »auf die Wahlen zu pfeifen«. Zunächst wird diskutiert, dann werden die ersten Sprechchöre laut. Im Gegensatz zu früheren Kundgebungen, bei denen zu hören war »Wir wollen raus!«, heißt es diesmal »Wir bleiben hier!«. Schnell ist die Gruppe von Neugierigen umringt, westliche Kamerateams, von Sicherheitskräften stark behindert, kommen zu ihren Bildern.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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