Chronik der Wende 2 - Hannes Bahrmann - E-Book

Chronik der Wende 2 E-Book

Hannes Bahrmann

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Beschreibung

Während der erste Band der „Chronik der Wende“ die Zeit zwischen dem 7. Oktober 1989 und dem 18. März 1990 behandelte, knüpft der zweite Band chronologisch daran an und stellt die Ereignisse zwischen der ersten freien Volkskammerwahlen und dem überraschend schnellen Beitritt zur Bundesrepublik am 3. Oktober 1990 vor. Darin geht es unter anderem um den ersten Staatsvertrag über die Währungs- und Sozialunion am 1. Juli, den 1000 Seiten starken Einigungsvertrag von Ende August und den außenpolitisch entscheidenden 2+4-Vertrag sowie um die vielfältigen Demonstrationen, Besetzungen und Protestaktionen, die diesen Prozess begleiteten.
Durch eine knappe Faktendarstellung werden die damaligen Ereignisse noch einmal lebendig und ihrer Dramatik nachvollziehbar. Neben historischen Originaldokumenten stützen sich die Autoren auf eine Fülle von Zeitzeugenbefragungen.

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Seitenzahl: 189

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Hannes BahrmannChristoph Links

Chronik der Wende 2

März bis Oktober 1990Die letzten Monate der DDR

Ch. Links Verlag, Berlin

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

1. Auflage, Mai 2019

entspricht der Druckauflage von November 1995

© Christoph Links Verlag GmbH

Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin, Tel.: (030) 44 02 32-0

www.christoph-links-verlag.de; [email protected]

Umschlaggestaltung: Ch. Links Verlag, unter Verwendung eines Fotos von Andreas Kämper (Palast der Republik, Sitz des DDR-Parlaments, mit entferntem DDR-Staatswappen, 16. August 1990)

ISBN 978-3-86153-095-3

eISBN 978-3-86284-449-4

Inhalt

Vorwort zur E-Book-Ausgabe 2019

März 1990

Sonntag, 18. März

Montag, 19. März

Dienstag, 20. März

Mittwoch, 21. März

Donnerstag, 22. März

Freitag, 23. März

Samstag/ Sonntag, 24./ 25. März

Montag, 26. März

Dienstag, 27. März

Mittwoch, 28. März

Donnerstag, 29. März

Freitag, 30. März

Samstag, 31. März

April 1990

Sonntag, 1. April

Montag, 2. April

Dienstag, 3. April

Mittwoch, 4. April

Donnerstag, 5. April

Freitag, 6. April

Samstag / Sonntag, 7. / 8. April

Montag, 9. April

Dienstag, 10. April

Mittwoch, 11. April

Donnerstag, 12. April

Freitag–Montag, 13.–16. April (Ostern)

Dienstag, 17. April

Mittwoch, 18. April

Donnerstag, 19. April

Freitag, 20. April

Samstag / Sonntag, 21. / 22. April

Montag, 23. April

Dienstag, 24. April

Mittwoch, 25. April

Donnerstag, 26. April

Freitag, 27. April

Samstag, 28. April

Sonntag, 29. April

Montag, 30. April

Mai 1990

Dienstag, 1. Mai

Mittwoch, 2. Mai

Donnerstag, 3. Mai

Freitag, 4. Mai

Samstag, 5. Mai

Sonntag, 6. Mai

Montag, 7. Mai

Dienstag, 8. Mai

Mittwoch, 9. Mai

Donnerstag, 10. Mai

Freitag, 11. Mai

Samstag / Sonntag, 12./ 13. Mai

Montag, 14. Mai

Dienstag, 15. Mai

Mittwoch, 16. Mai

Donnerstag, 17. Mai

Freitag, 18. Mai

Samstag / Sonntag, 19. / 20. Mai

Montag, 21. Mai

Dienstag, 22. Mai

Mittwoch, 23. Mai

Donnerstag, 24. Mai

Freitag, 25. Mai

Samstag / Sonntag, 26./ 27. Mai

Montag, 28. Mai

Dienstag, 29. Mai

Mittwoch, 30. Mai

Donnerstag, 31. Mai

Juni 1990

Freitag, 1. Juni

Samstag, 2. Juni

Sonntag / Montag, 3./ 4. Juni (Pfingsten)

Dienstag, 5. Juni

Mittwoch, 6. Juni

Donnerstag, 7. Juni

Freitag, 8. Juni

Samstag/ Sonntag, 9./ 10. Juni

Montag, 11. Juni

Dienstag, 12. Juni

Mittwoch, 13. Juni

Donnerstag, 14. Juni

Freitag, 15. Juni

Samstag / Sonntag 16./ 17. Juni

Montag, 18. Juni

Dienstag, 19. Juni

Mittwoch, 20. Juni

Donnerstag, 21. Juni

Freitag, 22. Juni

Samstag / Sonntag, 23. / 24. Juni

Montag, 25. Juni

Dienstag, 26. Juni

Mittwoch, 27. Juni

Donnerstag, 28. Juni

Freitag, 29. Juni

Samstag, 30. Juni

Juli 1990

Sonntag, 1. Juli

Montag, 2. Juli

Dienstag, 3. Juli

Mittwoch, 4. Juli

Donnerstag, 5. Juli

Freitag, 6. Juli

Samstag / Sonntag, 7. / 8. Juli

Montag, 9. Juli

Dienstag, 10. Juli

Mittwoch, 11. Juli

Donnerstag, 12. Juli

Freitag, 13. Juli

Samstag / Sonntag, 14. / 15. Juli

Montag, 16. Juli

Dienstag, 17. Juli

Mittwoch, 18. Juli

Donnerstag, 19. Juli

Freitag, 20. Juli

Samstag/ Sonntag, 21./ 22. Juli

Montag, 23. Juli

Dienstag, 24. Juli

Mittwoch, 25. Juli

Donnerstag, 26. Juli

Freitag, 27. Juli

Samstag/ Sonntag, 28./ 29. Juli

Montag, 30. Juli

Dienstag, 31. Juli

August 1990

Mittwoch, 1. August

Donnerstag, 2. August

Freitag, 3. August

Samstag / Sonntag, 4. / 5. August

Montag, 6. August

Dienstag, 7. August

Mittwoch, 8. August

Donnerstag, 9. August

Freitag, 10. August

Samstag / Sonntag, 11./ 12. August

Montag, 13. August

Dienstag, 14. August

Mittwoch, 15. August

Donnerstag, 16. August

Freitag, 17. August

Samstag / Sonntag, 18./ 19. August

Montag, 20. August

Dienstag, 21. August

Mittwoch, 22. August

Donnerstag, 23. August

Freitag, 24. August

Samstag / Sonntag, 25./ 26. August

Montag, 27. August

Dienstag, 28. August

Mittwoch, 29. August

Donnerstag, 30. August

Freitag, 31. August

September 1990

Samstag / Sonntag, 1./ 2. September

Montag, 3. September

Dienstag, 4. September

Mittwoch, 5. September

Donnerstag, 6. September

Freitag, 7. September

Samstag / Sonntag, 8. / 9. September

Montag, 10. September

Dienstag, 11. September

Mittwoch, 12. September

Donnerstag, 13. September

Freitag, 14. September

Samstag / Sonntag, 15./ 16. September

Montag, 17. September

Dienstag, 18. September

Mittwoch, 19. September

Donnerstag, 20. September

Freitag, 21. September

Samstag / Sonntag, 22. / 23. September

Montag, 24. September

Dienstag, 25. September

Mittwoch, 26. September

Donnerstag, 27. September

Freitag, 28. September

Samstag, 29. September

Sonntag, 30. September

Oktober 1990

Montag, 1. Oktober

Dienstag, 2. Oktober

Mittwoch, 3. Oktober

Vorwort zur E-Book-Ausgabe 2019

30 Jahre ist es her, dass die politischen Verhältnisse in der DDR in Bewegung kamen. Im Januar 1990 legten wir die erste Ausgabe der „Chronik der Wende“, die im Peter Hammer Verlag in Wuppertal erschienen war, im Bonner Bundeshaus vor. Drei Monate später erschien die DDR-Ausgabe im Aufbau-Verlag. Später gingen die Rechte an den ersten Privatverlag der DDR, der Anfang Dezember 1989 seine Lizenz erhalten hatte: den Ch. Links Verlag. Der Intendant des Ostdeutschen Rundfunks, Hansjürgen Rosenbauer, entwickelte die Idee, die Ereignisse, wie sie in der Chronik beschrieben wurden, zum 5. Jahrestag in einer täglichen Serie darzustellen. Er realisierte das anspruchsvolle Vorhaben mithilfe von Mitteln der Anschubfinanzierung, die die öffentlich-rechtlichen Anstalten in den fünf neuen Bundesländern erhalten hatten. Am 7. Oktober 1994 wurde zum ersten Mal die berühmte Jalousie hochgezogen, ein neuer Tag begann. Es war eine von vielen großartigen Ideen des Regisseurs Wolfgang Drescher. An 62 Tagen wurde die „Chronik der Wende“ im Ersten Programm der ARD, in allen Dritten Programmen sowie in den Gemeinschaftssendern ausgestrahlt. Parallel erschien zum ersten Mal im Ch. Links Verlag das Begleitbuch.

Binnen drei Monaten erschienen sechs Auflagen, konnten rund 50 000 Exemplare verkauft werden. Uns erreichten Berge von Post, immer wieder wurden wir zu Lesungen und Diskussionsabenden eingeladen. Die 73-teilige Fernsehserie, deren Videozusammenschnitt ebenfalls großen Absatz fand, erhielt Deutschlands angesehenste Fernsehauszeichnung, den Adolf-Grimme-Preis mit Gold.

Offensichtlich war es Buch wie Film gelungen, ein authentisches Bild der damaligen Vorgänge zu liefern – ohne nachträgliche Wertungen oder gar politische Umdeutungen. Die innere Dynamik der Abläufe war das entscheidende Gestaltungsprinzip, die Dramatik wurde aus den Ereignissen selbst gewonnen. Besonderer Wert legten auf den »Blick von unten«, auf die Einbeziehung der Akteure, auf die Frage, was die jeweiligen politischen Entscheidungen für die Betroffenen brachten.

Diesem Prinzip fühlte sich auch der zweite Teil verpflichtet, der auf Anregung vieler Leser und Zuschauer entstand. Mit dem Ende der ersten Welle der Montagsdemonstrationen am 18. Dezember 1989 endete ja keineswegs der begonnene Umgestaltungsprozess, und vor allem war noch nicht entschieden, auf welche Weise und wie schnell es zur deutschen Einheit kommen würde. Zwar waren die alte SED-Führung abgelöst und die Mauer geöffnet worden, doch die eigentliche Machtfrage war noch weitgehend ungeklärt. Die Bürgerbewegung befand sich nach wenigen Wochen schon in der Defensive, der Runde Tisch operierte in einem politischen Vakuum. Neue Gegensätze brachen auf, unterschiedliche Alternativen zeichneten sich ab.

Wie es dann zu dieser Form von Einheit in diesem Tempo kam, ist Gegenstand des vorliegenden zweiten Teils. Er folgt bis zur entscheidenden Volkskammerwahl am 18. März 1990 dem Ansatz des ersten Teils, die Ereignisse des jeweiligen Tages möglichst umfassend in ihrer inneren Widersprüchlichkeit darzustellen. In den Monaten danach werden dann vor allem die Eckpunkte der Einheit nachgezeichnet. Die Auseinandersetzungen um die beiden Staatsverträge mit den strittigen Fragen des Geldumtausches, der Rückübertragung von Eigentum, der Anpassung des Strafrechts und des Umganges mit den Stasi-Akten sowie die internationalen Kontroversen um die zukünftige Bündniszugehörigkeit des vereinten Deutschland sind so vielfältig, dass eine Berücksichtigung aller innenpolitischen Vorgänge den Umfang eines solchen Buches gesprengt hätte.

Parallel zum Manuskript wurde 1999 gemeinsam mit dem ORB eine weitere Produktion entwickelt, die die Zeit bis zu den ersten freien Wahlen am 18. März 1990 reicht. Mit nunmehr insgesamt 163 Teilen ist die „Chronik der Wende“ eine der größten Dokumentationen der deutschen Fernsehgeschichte geworden. Die TV-Dokumentation wurde von einem umfangreichen Internetauftritt begleitet (www.chronik-der-wende.de) und die Höhepunkte der Reihe (24 Folgen) auch auf DVD produziert. Den Wende-Tagen bis zum Frühjahr 1990 folgten abschließend die neunteile Serie des ORB „Stationen der Einheit“, die die letzten Monaten der DDR nachzeichnet.

Das vorliegende E-Book schließt an den ersten elektronischen Buchteil (ISBN: 978-3-86284-161-5) an und basiert auf dem längst vergriffenen gedruckten Buch „Chronik der Wende 2“ von 1995. Es behandelt die Ereignisse zwischen der ersten freien Volkskammerwahl am 18. März 1990 bis zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990, sodass nunmehr auch das gesamte letzte Jahr der DDR als detaillierte Chronik in digitaler Form vorliegt.

Hannes Bahrmann /Christoph Links, Mai 2019

März 1990

Sonntag, 18. März

Die CDU ist bei den ersten demokratischen Wahlen in der DDR seit 40 Jahren mit 40,6 Prozent der Stimmen der eindeutige Sieger. In zwölf von 15 Bezirken landet die Union auf dem ersten Platz. Die SPD gelangt mit 21,8 Prozent abgeschlagen auf Platz zwei. Die PDS erzielt 16,3 Prozent. In Ost-Berlin erreicht sie ihr bestes Ergebnis mit fast 30 Prozent. Die Bürgerrechtsgruppierungen, deren Vertreter die populären Sprecher der Volksbewegung in den Wochen der Wende waren, landen weit abgeschlagen: Bündnis 90 erreicht 2,9 Prozent der Stimmen, die Grünen und der Unabhängige Frauenverband zusammen 1,9 Prozent.

Willy Brandt meint zum Wahlausgang, da sei die deutsche Einheit „rasch und ohne Wenn und Aber“ gewählt worden. „Ich hoffe, daß wir schon im Sommer mit richtigem Geld reisen können“, erklärt der CDU-Spitzenkandidat Lothar de Maizière in der Wahlnacht. Wolfgang Ullmann von Demokratie Jetzt ist bitter enttäuscht. Der Schriftsteller Stefan Heym kommentiert das Wahlergebnis im DDR-Fernsehen mit den Worten: „Es wird keine DDR mehr geben. Sie wird nichts sein als eine Fußnote in der Weltgeschichte.“ Otto Schily (SPD, ehemals Grüner) hält eine exotische Frucht vor die Fernsehkamera: Die Leute in der DDR hätten „Banane“ gewählt. Oskar Lafontaine (SPD) macht für die Wahlniederlage seiner Partei die Lust der Dresdener und Leipziger auf „Kohl und Kohle“ verantwortlich.

Montag, 19. März

Das Ergebnis der Volkskammerwahl bezeichnet der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Tyll Necker, als einen Vertrauensbeweis in die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik. Er fordert die künftige DDR-Regierung auf, unzureichende Regelungen wie das Joint-venture-Gesetz zu korrigieren und Gesetze wie das Gewerkschaftsgesetz abzuschaffen.

Angesichts des zunehmenden Tempos des Zusammenwachsens der beiden deutschen Staaten spricht sich der geschäftsführende Vorstand der Gewerkschaft Öffentliche Dienste dafür aus, den Prozeß der direkten Vereinigung mit den jeweiligen Partnergewerkschaften im DGB zu beschleunigen, um den Aktionen der Unternehmer nicht hilflos gegenüberzustehen.

Dienstag, 20. März

Das Präsidium der CDU der DDR lädt die Sozialdemokraten zu Gesprächen über eine Große Koalition ein, ungeachtet dessen, daß die SPD sich bis dato weigert, mit der CDU zu kooperieren.

Die SPD-Fraktion wählt auf ihrer konstituierenden Sitzung Ibrahim Böhme bei nur einer Gegenstimme sowie fünf Enthaltungen zu ihrem Vorsitzenden. Die Entscheidung über Ja oder Nein zu einer Beteiligung an der Allianz-Regierung muß jedoch vertagt werden. SPD-Vorstand und Parteirat empfehlen der Fraktion, konstruktiv in der Opposition zu arbeiten. Nur so könnten die sozialen Belange der DDR-Bürger vertreten und der Vereinigungsprozeß verantwortlich gefördert werden.

Die Vorsitzenden der im Bund Freier Demokraten zusammengeschlossenen Parteien – LDPD, FDP und DFP – verständigen sich auf ihre Vereinigung. Als neuer gemeinsamer Name ist vorgesehen Freie Demokratische Partei – Die Liberalen. Unter dieser Bezeichnung wollen sie bereits an den Koalitionsverhandlungen teilnehmen.

Der Konsistorialpräsident der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Manfred Stolpe, der von einigen Medien als neuer DDR-Ministerpräsident gehandelt wird, weist dies zurück. Er wäre nur in einer „Notsituation“ bereit, in ein Kabinett einzutreten, sagt Stolpe in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung. Diese Situation sei aber nur dann gegeben, wenn sich sonst kein Kandidat finden würde, was er aber nicht sehe.

Die deutsche Währungsunion mit Wirtschafts- und Sozialgemeinschaft soll nach Bonner Vorstellungen bis zur parlamentarischen Sommerpause unter Dach und Fach sein. Das Bundeskabinett hat sich auf die Einführung der D-Mark in der DDR bis zu diesem Zeitpunkt eingerichtet, erklärt Bundesfinanzminister Waigel vor der Presse. Zurückhaltender äußert sich dagegen Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl, für den noch viele „praktische Fragen zu klären“ sind.

Für einen zügigen Abschluß der Wirtschafts- und Währungsunion „möglichst zum Sommer“ spricht sich auch der Präsident des bundesdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Helmut Geiger, aus. Die DDR-Wirtschaft halte den jetzigen Schwebezustand nicht mehr lange aus. Nachdrücklich befürwortet er eine Umwandlung der Sparguthaben in der DDR im Verhältnis 1:1 mit einer stufenweisen Freigabe.

Die Bundesregierung beschließt die Abschaffung des Notaufnahmeverfahrens für Übersiedler aus der DDR zum 1. Juli. Damit soll die Massenabwanderung gestoppt werden. Die ersatzlose Aufhebung des Aufnahmeverfahrens bedeutet für die Übersiedler aus der DDR, daß keine 200 D-Mark Überbrückungsgeld mehr gezahlt und kein zinsloses Einrichtungsdarlehen gewährt werden, daß die zentrale Registrierung und die Verteilung auf die Bundesländer entfallen. Damit sind Übersiedler solchen Bundesbürgern gleichgestellt, für die als Obdachlose die Kommunen zuständig sind.

Mittwoch, 21. März

Die Vorsitzenden der in der Allianz für Deutschland vertretenen Parteien CDU, DSU und DA, de Maizière, Ebeling und Eppelmann, treffen sich in Bonn mit Kanzler Kohl und Bundesfinanzminister Waigel, um Grundsatzfragen der künftigen DDR-Regierungspolitik und der geplanten Währungsunion abzustimmen.

Bündnis 90, Grüne Partei und Unabhängiger Frauenverband kommen überein, in der Volkskammer eine gemeinsame Fraktion zu bilden.

Donnerstag, 22. März

Die neu gewählte DDR-Volkskammer soll nach dem Willen der SPD in ihrer ersten Sitzung eine Garantieerklärung zum Bestand der polnischen Westgrenze abgeben. Einen entsprechenden Beschluß faßt die SPD-Fraktion.

Die Volkskammerfraktion Bündnis 90/Grüne fordert die Sicherheitsüberprüfung aller 400 Abgeordneten. Konrad Weiß, Vertreter der neugebildeten Fraktion von Bündnis 90, Grüner Partei und Frauenverband, erklärt: „Wenn sich beispielsweise jetzt bei der Überprüfung herausstellen sollte, daß eine hohe Prozentzahl der gewählten Abgeordneten stasibelastet ist, würde ich dafür plädieren, daß es zu Neuwahlen kommt. Ganz persönlich meine ich, wenn das zehn Prozent der Abgeordneten sein sollten, halte ich das Parlament nicht für legitimiert. Dann müßte man Neuwahlen ausschreiben und bis dahin den Runden Tisch wieder arbeiten lassen.“

Freitag, 23. März

Der Vorsitzende der CDU, Lothar de Maizière, erklärt öffentlich, daß er Ministerpräsident werden will. Gegenüber der SPD erneuert er das Angebot zu einer gemeinsamen Regierungskoalition unter seiner Führung.

Bürger der DDR dürfen nach einer Verfügung der Bundesbank in Frankfurt / Main ab sofort frei verfügbare Geschäftskonten bei Banken in der Bundesrepublik eröffnen. Über diese Konten können insbesondere die Zahlungen in freier Währung im Zusammenhang mit Waren- und Dienstleistungs- sowie sonstigen genehmigten Transaktionen, zum Beispiel Transithandelsgeschäf- ten, abgewickelt werden.

Samstag/ Sonntag, 24./ 25. März

SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine erklärt in Bonn, er wolle einer Regierungsbeteiligung der DDR-SPD nicht im Wege stehen. Eine künftige Regierung der DDR werde auch mit Beteiligung der SPD die Versprechen einklagen, die Bundeskanzler Kohl im Wahlkampf abgegeben habe.

Die Vorbereitungen für die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion von BRD und DDR seien so weit gediehen, daß mit einem Stichtag für das Inkrafttreten um den 1. Juli zu rechnen sei. Das berichtet die „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf interne Beratungen von Bundeskanzler Helmut Kohl und Finanzminister Theo Waigel mit den Vorsitzenden der DDR-Parteien CDU, DSU und DA unmittelbar nach der Volkskammerwahl in Bonn. Danach seien mit Industrie und Handel der BRD stillschweigend Vorsorgemaßnahmen getroffen worden, damit ab 1. Juli in der DDR für D-Mark alles gekauft werden könne, was auch in der Bundesrepublik erhältlich sei. Bei den Beratungen im Kanzleramt ist der Zeitung zufolge eine Art Fahrplan für den schnellsten Weg zu einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion verabredet worden.

Montag, 26. März

Der Partei- und Fraktionsvorsitzende der DDR-SPD, Ibrahim Böhme, wird seine Parteiämter und sein Volkskammermandat ruhen lassen, bis die gegen ihn vom „Spiegel“ erhobenen Vorwürfe einer Informantentätigkeit für den ehemaligen Staatssicherheitsdienst geklärt sind. Böhme, dem inzwischen von der Partei nachdrücklich das Vertrauen ausgesprochen wurde, erklärt vor Journalisten in Berlin, er habe bereits mit Ministerpräsident Modrow (PDS) gesprochen und dort nachgesucht, seine Akten vor einem unabhängigen Gremium offenlegen zu lassen. Amtierender Parteivorsitzender soll nach Böhmes Wunsch Markus Meckel, amtierender Fraktionschef Richard Schröder werden. Böhme weist alle Anschuldigungen einer Stasi-Tätigkeit zurück.

Der amtierende Vorsitzende des DDR-Staatsrats, Prof. Dr. Manfred Gerlach, spricht sich für eine Überprüfung aller Volkskammerabgeordneten und Nachfolgekandidaten sowie der Regierungsmitglieder durch Stasi-Akteneinsicht aus – möglichst noch vor dem Zusammentritt der Volkskammer.

Dienstag, 27. März

Auf eine Schonfrist im bevorstehenden direkten Wettbewerb mit westdeutschen Unternehmen hoffen die Unternehmer in der DDR. Darauf verweist Rudolf Stadermann, Präsident des DDR-Unternehmerverbandes, in einem Interview mit dem BRD-Magazin „impulse“. Viele DDR-Unternehmen hätten angesichts der schnellen Währungsunion ohne einen notwendigen Anpassungsprozeß zu Recht Angst um ihre Existenz und würden unter wesentlich schlechteren Startbedingungen antreten als ihre westdeutschen Konkurrenten. „Deshalb hoffen wir auf eine gewisse Schonfrist, bis unsere Unternehmer ihren Finanzbedarf gedeckt haben“, betont der DDR-Unternehmerpräsident.

Mittwoch, 28. März

Der französische Staatschef François Mitterand und die britische Premierministerin Margaret Thatcher sprechen sich in Fernseherklärungen für die deutsche Einheit aus.

Bundeskanzler Kohl informiert, daß es nach der Garantieerklärung für die Oder-Neiße-Grenze nun auch von polnischer und tschechischer Seite keine Widerstände mehr gegen die Vereinigung gebe.

Die National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) existiert nicht mehr als eigenständige Partei. Auf einmütigen Beschluß des NDPD-Parteivorstandes schließt sich die rund 80 000 Mitglieder zählende Partei durch korporativen Beitritt dem Bund Freier Demokraten – Die Liberalen an.

Vertreter des Bürgerkomitees Erfurt berichten, daß sie Unterlagen der Stasi gefunden hätten, aus denen die geplante Einrichtung von mindestens 24 Internierungslagern für „Staatsfeinde und Andersdenkende“ hervorgehe.

Donnerstag, 29. März

Einige zehntausend Menschen kommen zu Demonstrationen in mehreren Städten der DDR zusammen, um eine sofortige Überprüfung der Volkskammerabgeordneten auf ihre eventuelle Stasi-Vergangenheit zu fordern. Es sei verhängnisvoll, so Werner Schulz vom Neuen Forum, wenn die Staatsanwaltschaft eine Überprüfung aller Volksvertreter als verfassungswidrig zurückweise. In Berlin verliest er einen „Offenen Brief der Volkskammerfraktion Bündnis 90/Grüne“ an alle im Parlament vertretenen Parteien, sich der Überprüfung ihrer Abgeordneten zu stellen.

Freitag, 30. März

Der Zentralbankrat der deutschen Bundesbank plant bei Einführung der D-Mark in der DDR ein Umtauschverhältnis von 2:1. Lediglich Sparguthaben bis zu 2 000 Mark sollen 1:1 umgetauscht werden. Diese Ankündigung löst bei vielen DDR-Bürgern große Unruhe aus. Pressekommentare verweisen auf frühere Versprechungen von Bonner Politikern über einen generellen Umtauschkurs von 1:1.

Die DDR und die Türkei schließen ein Abkommen über die Aufhebung der Visapflicht ab. Die Bundesregierung protestiert wegen des nunmehr möglichen ungehinderten Zustroms türkischer Einreisender in die Bundesrepublik über die DDR gegen das Abkommen.

Samstag, 31. März

In Berlin findet die erste Landesdelegiertenkonferenz des Arbeitslosenverbandes der DDR statt. Nach dort bekanntgegebenen Schätzungen sind derzeit 60 000 bis 70 000 Menschen in der DDR arbeitslos. Hinzu käme eine wesentlich größere Zahl von Kurzarbeitern.

April 1990

Sonntag, 1. April

Die DDR-SPD muß nach Ansicht des Vorsitzenden des Demokratischen Aufbruch, Rainer Eppelmann, „um der nationalen Verantwortung willen“ die erste demokratisch gewählte DDR-Regierung mittragen. Die SPD solle „die Kröte DSU schlucken“, sagt er dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Zugleich spricht sich Eppelmann für eine Überprüfung der DDR-Parlamentarier auf eine etwaige Stasi-Mitarbeit aus, doch danach sei ein „Generalpardon“ angebracht, denn es war nach seiner Vermutung rund ein Drittel der DDR-Bevölkerung, „das mehr oder weniger intensiv mit der Stasi zusammengearbeitet hat“. Die Akten des Ministeriums sollten jedoch nicht vernichtet werden, um jedem Opfer zu ermöglichen, individuell zu seinem Recht zu kommen.

Frankreichs Ex-Präsident Valéry Giscard d‘Estaing weist auf mögliche Probleme bei der deutschen Vereinigung hin. Die DDR sei „von 45 Jahren Kommunismus tiefgreifend gezeichnet“. Die deutsche Einheit sei daher „weniger einfach zu verwirklichen, als man denkt“, sagt Giscard im französischen Fernsehen. Er fordert Bonn auf, einer europäischen Währungsunion und einer gemeinsamen Notenbank auf der Grundlage des ECU zuzustimmen.

Nach Mitteilung des DDR-Verkehrsministeriums tritt an diesem Tag der Verkehrsvertrag mit der Bundesrepublik in Kraft, der den grenzüberschreitenden Verkehr komplikationsloser regelt und erstmals auch wieder freie Fahrt für Sportboote eröffnet.

Montag, 2. April

Dorothee Wilms, Bundesministerin für innerdeutsche Beziehungen, weist in der heftiger werdenden Diskussion zum Umtausch der DDR-Mark in DM die „immer häufiger verbreitete Behauptung, der Bundeskanzler habe hinsichtlich des künftigen Umtausches von Mark der DDR in DM Versprechungen oder Zusagen gemacht“, mit aller Entschiedenheit „als völlig aus der Luft gegriffen“ zurück.

Als „vollends untauglich“ bezeichnet der amtierende Ministerpräsident der DDR, Hans Modrow, eine Vereinigung der beiden deutschen Staaten nach Artikel 23 des Bonner Grundgesetzes. Die Vereinigung sei ein Prozeß von internationalem Rang. Er warnt davor, daß sich der Prozeß der Vereinigung der beiden deutschen Staaten verselbständigt und von seinem internationalen Umfeld abkoppelt. Modrow bekräftigt seine Meinung, Polen in die Verhandlungen einzubeziehen. Die deutsche Einheit müßte durch Zusammenschluß und nicht durch Anschluß hergestellt werden. Modrow: „Dazu ist ein völkerrechtlich gültiger Vertrag erforderlich, den die zwei Regierungen vereinbaren. Dieser Vertrag muß von den Parlamenten beider Staaten ratifiziert werden. Es wäre gut, ihn davor zur Volksabstimmung zu stellen.“

SPD-Partei- und Fraktionschef Ibrahim Böhme legt wegen Stasi-Verdachts alle Ämter nieder. In Dresden demonstrieren mehrere Tausend Personen für eine sofortige Überprüfung aller Volkskammerabgeordneten auf Stasi-Mitarbeit.

Dienstag, 3. April

Die Einführung der D-Mark in der DDR beschäftigt nun auch die internationale Presse. So schreibt die in Amsterdam erscheinende liberale „De Volkskrant“: „Die westdeutsche Regierung, die noch einen Beschluß über den genauen Umtauschsatz vornehmen muß, steht vor einem lästigen Dilemma. Der Vorschlag von Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl (Umtauschsatz 1:2) ist eine bittere Pille für die Ostdeutschen, die nichts lieber wollen als den Wohlstand der Bundesrepublik. Politisch würde es wohl sehr schwierig werden, Pöhls Vorschlag zu verwirklichen, zumal alle Parteien in der DDR an ihm harte Kritik übten. Doch wäre es unvernünftig, Pöhls Vorschlag ohne weiteres zu verwerfen, denn er hat in finanziell-ökonomischer Hinsicht seine Vorteile. Die Schulden des Staates und der ostdeutschen Betriebe würden halbiert, die Kosten der Einheit für die westdeutsche Staatskasse geringer. Das vermindert die Gefahr einer wachsenden Geldentwertung in der Bundesrepublik, was auch für Europa wichtig ist.

Es ist nun an den Ostdeutschen, ihre Startposition zu bestimmen. Sie haben die Wahl zwischen mehr D-Mark bei einem langen, mühsamen wirtschaftlichen Anpassungsprozeß mit großer Arbeitslosigkeit oder weniger D-Mark bei einem schnelleren Anpassungsprozeß mit weniger Arbeitslosigkeit. Es ist die Wahl zwischen D-Mark empfangen oder sie selbst verdienen. Auch die Ostdeutschen stehen vor einem Dilemma.“

Die SPD verzichtet auf ihre Forderung, die DSU bei einer Regierungskoalition auszuschließen und macht damit den Weg für eine Große Koalition frei. In der ersten Runde der Verhandlungen zwischen der SPD und den Parteien der Allianz sowie den Liberalen wird Einigkeit darüber erzielt, daß die neue Regierung bis Ostern gebildet werden soll. Ferner wird die Schaffung von fünf Arbeitsgruppen vereinbart, in denen unter Hinzuziehung von Experten weitere Sachfragen geklärt werden sollen. Außerdem entscheiden die Parteien, auf der nächsten Volkskammertagung keinen Staatsrat mehr zu wählen. Statt dessen will man ein Präsidentenamt einführen.

Bundespräsident Richard von Weizsäcker ist Zeitungsberichten zufolge in West-Berlin mit dem noch amtierenden DDR-Ministerpräsidenten Hans Modrow zusammengetroffen, um staatsrechtliche Probleme der Vereinigung zu erörtern. Das Kanzleramt in Bonn war von dem „Geheimtreffen“, zu dem die beiden Politiker im Berliner Amtssitz des Bundespräsidenten zusammenkamen, nicht informiert. Der deutschlandpolitische Sprecher der Unionsfraktion des Bundestages, Eduard Lintner, kritisiert die Begegnung scharf. Der Bundespräsident sollte sich seiner Meinung nach nicht dazu hergeben, „Modrow eine weiße Weste zu verschaffen“.

Mittwoch, 4. April