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Die elfjährige Cindy zieht mit ihren Eltern aufs Land. Bei ihren ersten Erkundungsgängen stößt sie auf ein leer stehendes Schloss, in dem sie Omar kennen lernt. Seit 100 Jahren ist es sein Schicksal, tagsüber als Geist zu leben und nur nachts darf er ein Mensch sein. Die Zeit ist für ihn stehen geblieben und seine einzige Hoffnung, aus diesem Zustand je erlöst zu werden, gründet sich auf Cindy. Aber er darf ihr nicht sagen, wie sie ihn erlösen kann sie muss es selbst herausfinden.
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Seitenzahl: 230
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Gewidmet meinen Söhnen Thomas und Peter, sowie den Enkelkindern, Elisa und Nino, zur Erinnerung an ihre Kindertage
Die elfjährige Cindy zieht mit ihren Eltern aufs Land. Bei ihren ersten Erkundungsgängen stößt sie auf ein leer stehendes Schloss, in dem sie Omar kennen lernt. Seit 100 Jahren ist es sein Schicksal, tagsüber als Geist zu leben und nur nachts darf er ein Mensch sein.
Die Zeit ist für ihn stehen geblieben – und seine einzige Hoffnung, aus diesem Zustand je erlöst zu werden, gründet sich auf Cindy. Aber er darf ihr nicht sagen, wie sie ihn erlösen kann – sie muss es selbst herausfinden.
Das verzauberte Schloss
In einem kleinen Dorf, nahe der Großstadt, stand inmitten eines Natur belassenen Gartens ein wunderschönes Altes Schloss. Ein hoher Zaun umgab dieses Anwesen, damit kein ungebetener Gast dieses Grundstück betreten konnte. Durch ein Tor, das jedoch verschlossen war, konnte man zum Schloss gelangen.
Die Dorfbewohner sahen so ab und zu durch die Gitterstäbe, wenn sie an dem Grundstück vorbeikamen. Sie waren neugierig, ob sie nicht doch einmal den Besitzer dieses so romantischen Anwesens erblicken könnten.
Doch keine Menschenseele, niemand war zu sehen, das Schloss schien unbewohnt zu sein. Die Dorfbewohner hatten keine Ahnung, in wessen Besitz dieses war. Man erzählte sich absonderliche Geschichten und so manchen schien es ein wenig unheimlich.
Wenn man in den Garten blickte, bekam man den Eindruck, dass er gepflegt wurde.
Man rätselte herum, was es wohl damit auf sich hatte, doch niemand fand eine Antwort.
Sie getrauten sich auch nicht, das Grundstück zu betreten, um dem auf die Spur zu kommen. Dieses sollte sich aber bald ändern.
In der nahe gelegenen Stadt bereitete sich die Familie Schönberg auf den Umzug vor. Sie hatten sich ein Haus am Lande gekauft, romantisch an einem Bach gelegen, denn, nur raus aus der Stadt, meinten sie, hier könne man nicht mehr atmen. Die vielen Autos, Fabriken verpesteten die Luft, auch gab es kein Plätzchen, wo man die Natur genießen konnte.
Sie hatten schon lange den Wunsch gehabt, sich ein Haus auf dem Lande zu ersteigern und nun hatten sie sich diesen erfüllt.
Die Freude war groß, außer bei Cindy. Sie, die einzige Tochter, bald 12 Jahre alt, zierlich gebaut, mit dunklen Locken, wunderschönen braunen Augen, war ein sehr hübsches, aber auch sensibles Mädchen, das keine Veränderungen liebte. Aus diesem Grunde konnte sie die Freude mit ihren Eltern nicht teilen. Cindy nahm die Gefühle anderer wahr. Wenn jemand traurig war oder Sorgen hatte, fühlte sie mit ihm und versuchte, diese mit ihrer kindlichen Unschuld zu zerstreuen. Cindy`s Eltern machten sich Sorgen um ihre „kleine Lady“, wie sie Cindy nannten, da sie sich wie eine Lady benahm. Sie schien ihnen zu schnell erwachsen zu werden.
Die Mitschülerinnen und Freundinnen von Cindy, verstanden sie zum Teil nicht. Cindy hatte keinen Unfug im Kopf, war nicht so ausgelassen und fröhlich wie sie. Sie saß lieber am Fenster, starrte in den Himmel, wo sie die Wolken, die vorbeizogen, beobachtete.
Des Nachts, wenn sie aufwachte, bestaunte sie den Sternenhimmel, sofern welche zu sehen waren. Ihr Vater meinte, wenn er sie am Fenster sah: „Du bist eine Träumerin, bleibe aber auch in unserer Welt, da ist es auch schön. Cindy sagte: „Ich kann nichts machen, der Himmel verzaubert mich.“
„Der Platz am Fenster und meine Freunde“, zu denen auch Erwachsene zählten, „werden mir fehlen“, sagte sie zu ihrer Mutter. Diese nannte Cindy immer altklug, da sie, wenn Erwachsene sich unterhielten, genau zuhörte und dann versuchte, so zu sprechen wie sie.
Ihre Mutter tröstete ihre Tochter mit den Worten: „Meine kluge Lady, am Lande kannst du ebenso den Himmel betrachten, er ist überall und deine Freunde können dich jederzeit besuchen kommen.
Sei also nicht mehr traurig, versuche dich zu freuen, du wirst sehen, wie schön es ist, durch die Wiese zu laufen und im Wald zu wandern. All das kannst du in der Stadt nicht erleben.“ Cindy stellte sich in ihrer kindlichen Phantasie alles so vor, wie ihre Mutter es gesagt hatte.
Langsam gewöhnte sie sich an den Gedanken, von hier fortzugehen. „Ich werde viel alleine sein“, sagte sie sich, denn die Mutter sowie der Vater waren berufstätig. Cindy sollte die Schule im Dorf besuchen und später, wenn sie einmal studieren wollte, in die Stadt zurückkehren.
Der Tag war angebrochen, wo Familie Schönberg schon am frühen Morgen das Auto mit Gebäck vollstopfte und Cindy ihre persönlichen Sachen, an denen sie sehr hing, nicht aus der Hand gab. Es könnte ja etwas verloren gehen, meinte sie in ihrer so altklugen Aussprache. Die Verwandten halfen, das Mobiliar und die gepackten Kisten auf einen LKW zu laden, damit sich die Schönbergs nicht so plagen mussten. Als alles verstaut war, fuhren sie los. Der Onkel begleitete sie, denn er wollte noch beim Ausladen helfen. Cindy sah so lange aus dem Heckfenster, bis sie aus der Stadt waren. Sie wurde traurig, wobei sie mit den Tränen kämpfte. Ihre Eltern sollten sie nicht weinen sehen. „Ich muss tapfer sein, wenn es mir auch wehtut“, dachte und kuschelte sich in ihre Decke, die ihr ein Gefühl der Geborgenheit gab.
Nach einer Stunde Autofahrt waren sie am Ziel angekommen. Das Haus, Cindys neues Zuhause, stand am Ende des Dorfes auf einer kleinen Anhöhe. Kein Zaun grenzte das Grundstück ab, so konnte man sich frei bewegen. Es gab rundherum nur Wiesen und Wälder. „Ist das herrlich!“, meinten Cindys Eltern, als sie aus dem Auto stiegen.
Sie atmeten tief durch, kein Benzingestank oder Lärm beeinträchtigte die Idylle. Cindy stand etwas abseits, sie schien nicht so beeindruckt zu sein wie ihre Eltern.
Der Vater ahnte, was im Kopf seiner Tochter so vor sich ging und meinte: „Das wird schon werden, du wirst dich bald eingewöhnen, wenn du erst neue Freunde gefunden hast.“ Cindy dachte: „Ich glaube kaum.“ Nun begannen sie alles auszuladen, denn am Abend wollten sie es schon ein bisschen gemütlich haben. Cindy musste ebenfalls mit anpacken. „Da bist du ein wenig abgelenkt“, meinte der Onkel, dem seine Nichte sehr leid tat. Er hatte sie sehr in sein Herz geschlossen. Für Cindy begannen die Sommerferien. Diese nützte man, um der Tochter das Eingewöhnen leichter zu machen. Die Mutter hatte drei Wochen Urlaub genommen, damit Cindy anfangs nicht alleine war. Als alles eingeräumt war und an seinem richtigen Platz stand, verabschiedete sich der Onkel und fuhr wieder in die Stadt zurück.
Cindy bezog ein Zimmer im obersten Stock. Das Schlafzimmer der Eltern grenzte an das ihre, so fühlte sie sich nicht so einsam.
Da alle müde waren, den der Tag war anstrengend gewesen, gingen sie bald zu Bett. Die Eltern wünschten Cindy noch eine gute Nacht und schöne Träume, die eines Tages in Erfüllung gehen sollten.
Denn sie waren der Meinung, was man in der ersten Nacht in einem neuen Haus träumte, wird wahr werden. Cindy aber, konnte an diesem Abend nicht einschlafen.
Alles war so fremd, wenngleich sie im selben Bette lag und die Möbel ähnlich gestellt waren, wie sie es noch von der Stadtwohnung her gewohnt war.
Sie ging zum Fenster, das weit offen stand. Es war sehr warm draußen. Sie sah zum Himmel, wo an diesem Abend die Sterne besonders hell leuchteten. Als Lilo dies sah, fühlte sie sich ein klein wenig zuhause. Sie musste sich nur an den Weitblick gewöhnen, denn hier verstellten keine Häuser die schöne Aussicht.
Cindy begann, die Sterne zu zählen, wobei sie dachte: „Der Mond lächelt mir zu.“ Es war Vollmond, eben eine wunderbare Nacht. Vom vielen Zählen wurde sie nun doch müde, legte sich auf das Bett und schlief sofort ein.
Am nächsten Morgen wachte sie erst um 10 Uhr auf. Ihre Eltern räumten schon geschäftig im Haus herum, es gab noch viel zu tun. Alles sollte so sein, wie sie es sich vorgestellt hatten. Cindy sah zuerst aus dem Fenster, bevor sie in die Küche ging, um zu frühstücken.
Die Sonne lachte schon vom Himmel, als würde sie sagen: „Guten Morgen Langschläferin, es ist ein wunderschöner Tag, den du in der Natur genießen
solltest und nicht in deinen vier Wänden!“ Cindy dachte, hier ist alles so anders, es kommt mir vor, als würde der Himmel mit mir sprechen. Da sie Hunger verspürte, ging sie rasch hinunter, wo ihre Mutter schon alles vorbereitet hatte. Der Tisch im Garten war wunderhübsch gedeckt. Ihre Eltern warteten nur noch auf ihre kleine Lady, die soeben rief: „Guten Morgen, warum weckte mich niemand, in der Stadt habe ich nie so lange geschlafen!“ „Du solltest dich mal ruhig ausschlafen“, meinte der Vater, „und außerdem hast du ja Ferien!“ „Frühstück im Freien ist schon etwas Herrliches“, sagte die Mutter, wobei man ihr ansah, wie sie dieses genoss. Zu Cindy meinte sie: „Wir haben noch eine Menge Arbeit im Haus zu verrichten, du könntest dir ja inzwischen die Gegend ein bisschen ansehen.“
Cindy sagte mit einem Achselzucken: „Macht euch keine Sorgen um mich, ich komme schon zurecht, macht ihr nur eure Arbeit.“ Dann ging sie sogleich, nachdem sie mit ihrem Frühstück fertig war, in das Bad, putzte sich ihre Zähne, zog sich an und verließ das Haus.
Sie wusste zuerst nicht welchen Weg sie nehmen sollte. Der eine führte in das Dorf, der andere durch die Wiese zum Wald hin. Cindy dachte, ich gehe Richtung Wald, mal sehen wohin mich dieser Weg führt. Anfangs ging sie gemächlich, bis sie schließlich zu laufen begann. Am Waldrand blieb sie stehen.
„Soll ich da noch weitergehen?“, fragte sie sich. Nicht das sie Angst gehabt hätte, nein, die Sonne schien hindurch und machte den Wald hell und freundlich. Cindy entschloss sich also, weiterzugehen.
Etwas zog sie magisch an.
Nach zehn Minuten stand sie vor einer Wiese hindurch führte ein schmaler Weg, den sie weiterging. Plötzlich blieb sie stehen, denn in einiger Entfernung sah Cindy zwei kleine Türme in den Himmel ragen. „Da muss ein Haus stehen“, dachte sie, „das muss ich mir unbedingt ansehen.“ Langsam kam sie näher, bis sie vor einem hohen Zaun aus Eisengitter Halt machte. Cindy staunte, als sie durch das Gitter in den Garten blickte.
„Da steht ja ein Schloss!“, sagte sie laut zu sich selbst. Bei näherem Hinsehen bemerkte sie, das die Eingangstür ein wenig offen stand. Ein sonderbares Gefühl kam in ihr hoch, denn nichts regte sich, weder im Park noch im Schloss. Cindy war sehr aufgeregt, dieser Ort hatte eine Ausstrahlung, der sie sich nicht entziehen konnte.
Sie suchte einen Weg, um in den Park zu gelangen, doch nirgendwo fand sie eine Öffnung. Das große Eisentor war mit einer Kette versperrt, der Zaun zu hoch, um darüber klettern zu können. „Schade“, dachte sie, „ich hätte mir das gerne näher angesehen.“
So spazierte sie wieder nachhause, wobei sie mehrmals zurückblickte. Es kam ihr so vor, als würde jemand einige Schritte hinter ihr gehen. „Das bilde ich mir nur ein“, dachte sie und fing an zu laufen, bis sie vor ihrer Mutter stand, die im Garten Ordnung machte. „Wo warst du denn, warum bist du so gelaufen?“, fragte die Mutter. Cindy- ganz außer Atem- meinte nur: „Ich hatte einfach Lust, außerdem bin ich nur im Wald gewesen.“ Die Mutter war beruhigt und sagte: „Komm rein, du wirst sehen, wie schön alles geworden ist!“
Sie ging in das Haus und erwähnte mit keinem Wort ihre Entdeckung, es sollte ein Geheimnis bleiben. „Es sieht fast so aus wie in der Stadtwohnung“, meinte Cindy, „nur haben wir einen Garten und eigenen Besitz.“ Sie freundete sich mit ihrem neuen Zuhause an.
Der Grund ihres Sinneswandels war das Schloss, das sie unbedingt am nächsten Tag wieder besuchen wollte. Ihre Eltern hatten schon Bedenken, ob Cindy sich auch hier wohl fühlen würde, denn ihr Glück lag ihnen sehr am Herzen. Umso mehr freuten sie sich als sie sagte: „Mir gefällt es schon ganz gut hier und wenn ich zur Schule gehe, werde ich bestimmt neue Freunde finden.“
Am nächsten Tag, musste der Vater in die Stadt zur Arbeit. Cindy und ihre Mutter wollten das Dorf besuchen, wenn möglich auch gleich dort zu Mittag essen.
Cindy war schon sehr ungeduldig, sie wollte schon zum Schloss. Die Dorfbewohner begrüßten die beiden sehr freundlich, und stellten sich auch gleich vor, denn man werde sich ja in Zukunft des Öfteren begegnen.
Cindy drängte ihre Mutter, bald nachhause zu gehen, indem sie sagte: „Du kannst dich nachher ein bisschen ausruhen, ich werde mir einstweilen die Umgebung ansehen.“
Die Mutter meinte: „Keine schlechte Idee, der Umzug brachte viel Arbeit mit sich, da schadet es nicht, mir ein bisschen Ruhe zu gönnen.“ Zuhause angekommen, sagte Cindy zu ihrer Mutter: „Ich gehe schon mal und werde sicher bald zurück sein. So ging sie denselben Weg wie am Vortag. Sie begann zu laufen, die Neugier trieb sie voran.
Als sie vor dem Schloss stand, sah Cindy durch die Gitterstäbe und dachte, irgendwie müsste man doch in den Park gelangen.
Sie ging rund um das Grundstück, bis sie wieder vor dem Eingangstor stehen blieb. Sonderbar, dachte sie, gestern war dieses noch versperrt- und nun fehlte die Kette, sodass sie das Tor ein klein wenig öffnen konnte.
Sie betrat nun den Park und ging langsamen Schrittes weiter. „Es ist zauberhaft hier“, dachte Cindy. Inmitten des Parks stand ein Brunnen, aus dem eine knabenhafte Figur herausragte, aus deren Fingern Wasser sprudelte. Es sah aus wie ein Fächer. Viele rote und weiße Rosen zierten einen kleinen Pavillon, der in der Nähe stand. Sie blühten so wunderschön, keine einzige sah man verwelken.
Kleine Bäume, Sträucher, wild wachsende Blumen, die sie nie zuvor gesehen hatte, sowie Gräser wuchsen dicht nebeneinander.
Cindy fühlte sich bei diesem Anblick verzaubert. Etwas Sonderbares ging von diesem Garten aus, „ist doch niemand hier“, dachte sie und ging schnellen Schrittes weiter, bis sie vor dem Schloss stand. Es kam ihr riesig vor. An der Außenwand wuchs Efeu, das schon die beiden Türme erreicht hatte. Die Eingangstür stand, wie am Vortag, ein klein wenig offen, sodass Cindy eintreten konnte.
Es wird wohl jemand hier sein, dachte sie und ging ein paar Schritte weiter. Cindy stand nun in einer großen Halle, aus der eine breite Treppe nach oben führte. Von den Wänden, an denen Gemälde hingen, sahen düstere Gesichter auf sie herunter.
Nun verspürte sie doch ein wenig Angst und rief laut, nur um sich zu beruhigen: „Ist da jemand?“ Sie bekam keine Antwort. Cindy dachte: „Ich gehe lieber, bevor mich hier jemand entdeckt.“
Als sie sich umdrehte, hörte sie plötzlich eine Stimme sagen: „Komm nur näher und hab keine Angst, ich habe dich schon erwartet.“ Cindy bekam einen Schreck, sie konnte niemand sehen. Zögernd ging sie ein paar Schritte weiter und blieb vor der Treppe stehen.
„Wer und wo sind Sie?“, fragte Cindy, „und woher wussten Sie, dass ich komme?“ Die Stimme sprach: „Wenn du versprichst, keine Angst vor mir zu haben, so werde ich mich dir zeigen.“
Cindy, die schon immer vom Himmel und anderen Dingen verzaubert war, hatte keine Angst vor einem Menschen, wie sie dachte. Noch dazu hatte er eine so beruhigende Stimme. Für sie gab es keine schrecklichen Erlebnisse, da sie die Gefühle anderer spüren konnte.
„Sie können sich schon zeigen“, sagte sie, ich habe keine Angst.“ Sie sah nach oben, denn aus dieser Richtung kam die Stimme. Es dauerte ein paar Minuten, bis plötzlich eine Gestalt- in einen weißen Mantel gehüllt- herunter schwebte.
Cindy traute ihren Augen kaum, sie konnte keine Arme und Beine erkennen, die Kapuze auf seinem Kopf ließ nur die Augen frei. „Was ist das?“, sagte sie laut. „So etwas habe ich ja noch nie gesehen!“ Nun war sie doch ein wenig erschrocken. Als dieses Wesen vor ihr Halt machte, sah sie, dass er den Boden nicht berührte.
Sie stieg ein paar Treppen hoch und es sprach: „Mein Name ist Omar, ich bin der gute Geist dieses Schlosses.“ „Ein Geist“, dachte Cindy und hielt sich am Geländer fest, denn so etwas hatte sie nicht erwartet.
Sie kannte Geister nur aus ihren Büchern und nun stand einer in voller Lebensgröße vor ihr.
Sie bekam kein Wort heraus, sah nur in seine Augen, die, wie sie fühlte, traurig blickten. „Habe ich dich erschreckt?“, fragte Omar. „Wenn ja, so tut es mir leid, denn du bist der einzige Mensch, dem ich mich zeigen kann.“
Cindy verstand nicht, was das zu bedeuten hatte, was aber auch nicht wichtig war. Sie fühlte so etwas wie Mitleid mit Omar und sagte: „Ein wenig schon, aber nun nicht mehr.“
Seine Stimme klang so vertrauensvoll, dass sie sich mit ihrem Namen vorstellte, indem sie sagte: „Ich heiße Cindy und bin vor einigen Tagen aus der Stadt, in die Nähe ihres Schlosses gezogen.“
Omar sprach: „Ich habe gewusst, dass mich eines Tages ein Mädchen besuchen wird, eine gute Fee erzählte mir das.“
Mehr sagte er nicht. „Die Zeit ist noch nicht gekommen, um ihr alles erzählen zu können“, dachte er, „aber eines Tages wird sie mich von meiner Gefangenschaft befreien.“ Denn gefangen war er und das schon eine sehr lange Zeit. „Ich habe auch die Türen für dich geöffnet, damit du zu mir kommen kannst, denn noch niemand hat so viel Mut bewiesen wie du. Kein Mensch getraute sich mein Anwesen zu betreten“, sprach Omar. „Wenn du willst, zeige ich dir meine Welt, aber nicht heute, denn du musst wieder nachhause gehen, damit deine Eltern sich keine Sorgen machen müssen.“
Cindy hörte ihm gerne zu, wenn er sprach. Es kam ihr so vor, als würde sie ihn schon ihr ganzes Leben lang kennen, so vertraut war ihr seine Stimme. „Nun gut, dann gehe ich jetzt“, sagte sie, „aber ich komme morgen wieder und dann zeigen Sie mir alles! Versprochen?“, fragte sie noch.
„Ja“, sagte Omar, „aber nun musst du gehen.“ Cindy wollte ihm ihre Hand zum Abschied reichen, da wich er etwas zurück und sagte: „Du kannst mich nicht berühren, ich bin nicht so wie du, aus Fleisch und Blut, eben ein Geist.“
Cindy konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen, sie hätte ihm so gerne die Hand gereicht. Omar fühlte, was in ihr vorging und sagte: „Eines Tages vielleicht, wird dies auch möglich sein, doch jetzt müssen wir es dabei belassen. Du darfst auch niemanden von mir erzählen. Solltest du es doch tun, dürfen wir uns nicht mehr wiedersehen.“
Um sie noch etwas zu trösten, meinte er: „Für dich bin ich Omar, der dir von nun an, seine Freundschaft anbietet.“
Lilo freute sich und meinte wieder sehr altklug: „Ich will ebenso deine Freundin sein und kann warten.“ Ihre innere Stimme sagte ihr, sie würde ihm einmal sehr nahe sein.
Sie fühlte, dass ihn etwas traurig stimmte und sagte noch zum Abschied: „Danke, dass du mein Freund sein willst“, sagte sie und ging zum Ausgang. An der Tür rief sie noch: „Bis morgen Omar, ich verspreche dir, niemand wird erfahren, dass es dich gibt!“ Cindy lief, so schnell sie konnte, nachhause. Sie hielt immer ihre Versprechen, so auch dieses.
Omar zog sich wieder nach oben zurück, denn es wurde bald Abend. Zu dieser Zeit, wenn es dunkel war, verwandelte er sich in einen Menschen. Es war sein Schicksal, am Tage Geist zu sein, und in der Nacht durfte er wieder Mensch werden, der er bis vor über 100 Jahren gewesen war.
Er wurde dadurch auch nie älter. 19 Jahre zählte er, bevor die so traurige Geschichte begann. Diese wollte er Cindy eines Tages, wenn sie es verstehen konnte, erzählen.
Dies war des Rätsels Lösung, denn nachts pflegte Omar seinen Park, wo ihn niemand sehen konnte. Immer alleine zu sein, sich verstecken zu müssen, machte Omar sehr traurig und das konnte Cindy fühlen.
Am Tage bewohnte er eine geistige Welt, über die er herrschen konnte, doch diese befriedigte ihn nicht, denn vor 100 Jahren war er der Herrscher dieses Schlosses gewesen- und ein Mensch. Ab diesem Tage, an dem er Cindy begegnete, gab es für Omar wieder Hoffnung, denn er wusste, sie war die Richtige, die ihn von diesem Dasein erlösen würde.
Nur durfte er ihr nicht erzählen, wie sie ihn retten konnte. Das musste sie selbst herausfinden. Cindy war inzwischen zuhause angekommen, wo ihre Mutter schon in Sorge war. „Wo warst du denn? Ich habe schon Ausschau nach dir gehalten“, sagte sie.
Cindy musste sich schnell etwas einfallen lassen und sagte: „Ich habe einige Mädchen aus dem Dorf getroffen, wir haben uns unterhalten sodass ich die Zeit übersehen habe.“ Die Mutter war beruhigt und sagte: „Dein Vater müsste auch bald hier sein, dann werden wir zu Abend essen.“
Cindy ging einstweilen in ihr Zimmer, denn sie musste nachdenken. Dies war heute ein besonderer Tag, denn wer hätte gedacht, dass sie einmal einem Geist begegnen würde.
Sie musste dies erst verarbeiten, wobei sie sich selbst fragte, ob sie das nur geträumt habe. Sie stellte sich Omar in Gedanken vor und wusste, dass es kein Traum war. Was Geist sein bedeutet, begriff sie noch nicht. Es war Cindy auch egal, er wollte ihr Freund sein und das zählte.
„Omar muss etwas Trauriges erlebt haben“, dachte sie, „ich kann es in seinen Augen erkennen.“ „Ich werde es herausfinden“, sagte sie laut zu sich und fühlte sich schon sehr erwachsen. In der Zwischenzeit war ihr Vater nachhause gekommen und rief: „Cindy, komm runter, wir essen gleich zu Abend.“ Cindy begrüßte ihn sehr freudig. Er meinte: „Na, hast du dich schon ein wenig eingelebt?“ Sie antwortete darauf: „Es gefällt mir schon ganz gut hier, die Gegend habe ich mir auch schon ein bisschen angesehen.“
Der Vater war erfreut über die Aussage seiner Tochter und hatte keine Ahnung, dass er die plötzliche Einsicht, einem Geist Namens Omar verdankte.
Cindy hielt ihr Versprechen und erwähnte mit keinem Wort Ihren neuen Freund. Sie erzählten sich noch ihren Tagesablauf, wonach Cindy sagte: „Ich gehe schon zu Bett da ich müde bin.“
Etwas erstaunt wünschten ihr die Eltern eine gute Nacht, denn ihre Tochter ging früher nicht ohne Aufforderung in das Bett.
Sie wollte immer, solange es ging, bei den Erwachsenen sein, da sie sich auch schon so fühlte.
Ihre Eltern fanden es immer schade, dass Cindy nicht Kind sein wollte, denn erwachsen werde man ja noch früh genug. Sie spielte nicht so, wie es Kinder in ihrem Alter tun. Cindy war auch nicht so unbeschwert und ausgelassen wie andere. „Es ist ihr Leben“, sagten sich die Eltern, „wenn sie glücklich dabei ist, ist es auch nicht verkehrt.“
Als Cindy in ihrem Zimmer war, setzte sie sich auf die Fensterbank und schaute, wie jeden Abend, zum Himmel. Ihre Gedanken waren bei ihrem neuen Freund Omar. Sie fühlte sich ihm so nahe und konnte sich das Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. „Ich muss nun ganz schnell einschlafen, damit es bald morgen ist, denn gleich zu Mittag werde ich zu ihm gehen.“
Cindy ging zu Bett, wo sie, wie durch ein Wunder, sofort einschlief.
Als sie morgens wach wurde, war der Vater schon aus dem Haus. Lilo hörte ihre Mutter, die schon fleißig aufräumte, nebenan, und ging zu ihr. „Guten Morgen, du Langschläferin“, sagte die Mutter, als sie Cindy sah.
Cindy gab der Mutter ein Küsschen auf die Wange und sagte ebenfalls: „Guten Morgen, Mama, ich kann nicht verstehen, warum ich hier immer so spät wach werde.“
Die Mutter meinte: „Das wird wohl an der Landluft liegen, außerdem gibt es hier keine Autos die einem schon am frühen Morgen den Nerv töten.“
Cindy ging in den Garten, holte tief Luft und fühlte sich wunderbar. Das Frühstück stand schon auf dem Tisch, worauf sie sich auch gleich einen Kakao einschenkte und ein Brötchen schmierte. Die Mutter kam hinzu. Sie sagte: „Geh doch bitte, wenn du hier fertig bist, in das Dorf einkaufen, ich brauche so einiges.“ Cindy war sofort bereit, sie musste ihrer Mutter diesen Gefallen tun, da sie ja am Nachmittag Omar besuchen wollte.
So beeilte sie sich, ging hinunter in das Dorf, wo ihr einige Mädchen ihres Alters begegneten. „Du kommst doch zu uns in die Schule“, sagten sie zu Cindy und fragten, ob sie am Nachmittag mit ihnen spielen wollte. Cindy hatte natürlich keine Lust und meinte: „Heute nicht, vielleicht ein anderes Mal.“
Sie war etwas abweisend, die Sehnsucht nach Omar ließ sie schnell nachhause eilen. Nach dem Mittagessen verabschiedete sie sich von ihrer Mutter, die sie verwundert ansah, denn so eilig hatte sie es noch nie. „Ich komme bestimmt nicht zu spät nachhause“, versprach sie, „und pflücke dir auch ein paar Blumen“ und weg war sie. Cindy lief so schnell sie konnte, zum Schloss.
Die Türen standen wieder offen. Dieses Mal trat sie ohne zu zögern ein. „Hier bin ich, Omar!“ rief sie laut, als sie vor der Treppe stand. Omar kam sogleich zu ihr, man sah, dass er sich freute, sie zu sehen. Obgleich sie nur in seine Augen blicken konnte, sah sie ein Lächeln. „Ich habe mich beeilt“, sagte sie, „und bin nun hier wie versprochen.“ Omar spürte, dass sie ihn zu mögen begann und dachte: „Das ist gut so, dadurch wird sie eines Tages den Weg zu meiner Erlösung finden.“
Er fühlte sich nun nicht mehr so einsam, mit Cindy konnte er sprechen und musste sich nicht mehr verstecken. Ab und zu kam ein Dorfbewohner am Grundstück vorbei, getraute sich aber nicht, näher zu kommen. „Ich freue mich, dich zu sehen“, sagte Omar. „Und nun folge mir, ich möchte dir etwas zeigen.“
Cindy war sehr aufgeregt, als er mit ihr eine weiße Treppe, die, wie es schien, in den Keller führte, hinunterging. Bei Omar konnte man es nicht als gehen bezeichnen, er schwebte über dem Boden.
Unten angekommen, öffnete Omar eine weiße Tür, durch die sie hinaustraten. Lilo musste die Augen schließen, ein grelles Licht blendete sie, sodass sie in diesem Augenblick nichts erkennen konnte.
Omar sagte: „Du wirst dich daran gewöhnen, nun öffne langsam deine Augen und sehe hin. Du darfst nicht vergessen, dies ist nur meine Welt und nicht die deine. Kein Mensch erblickte diese vor dir, doch du bist dazu auserwählt, da du die Liebe in deinem Herzen fühlst und mit dem Himmel verbunden bist, der dich immer wieder verzaubert.“
Cindy zwinkerte zuerst, bevor sie ihre Augen öffnete, doch was war das? Sie konnte nun einiges erkennen, dass sie sprachlos machte. Eine Landschaft tat sich vor ihr auf, wie sie sie noch nie zuvor gesehen hatte. In weiter Ferne standen Berge, die aussahen, als wären sie aus Glas, man konnte durch sie hindurchsehen. Am Fuße dieser Berge lag ein See, der so tiefblau war, wie der Himmel über ihr. Wiesen und Wälder, in den Farben Grün und Gelb, umrahmten den See.
Inmitten der Wiesen standen kleine Häuschen, die von Gnomen bewohnt wurden. Cindy sah, wie sie sich geschäftig unterhielten und zu ihnen blickten.
Feenhafte Gestalten sowie Vögel von eigener Art, große und kleine, schwirrten in der Luft umher, wobei sie immer näher kamen, um die Neue zu betrachten. Sie schienen Omar zu kennen, denn niemand nahm Notiz von ihm. In dieser so unwirklichen Welt, schien auch die Sonne, nur in etwas anderer Farbe, mehr rot, nicht gelb, so wie Cindy sie kannte.
Die Farben dieser Landschaft mischten sich ineinander, es war ein verzaubernder Anblick Cindy sagte nun endlich zu Omar: „Gibt es das wirklich, oder träume ich nur, denn dieses kenne ich nur aus meinen Märchen, die ich leidenschaftlich gerne lese.“
Omar antwortete ihr: „Dies ist die Welt der Fantasie und des Geistes. Du hast beides, somit öffnet sich für dich eine geistige Welt, die nicht jeder erblicken kann.“ „Nun gehen wir aber weiter, es gibt noch mehr zu sehen.“ Inmitten dieser Landschaft führte ein breiter Pfad hindurch, der sie an dem See vorbeiführte.
Cindy blickte in das Wasser, wo sie eine Meerjungfrau entdeckte, die liebevoll eine Melodie summte und ihr zuwinkte. „Können mich alle hier