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Als Co-Abhängigkeit im engeren Sinne wird das Verhalten der Bezugspersonen eines Abhängigen bezeichnet, mit dem sie dessen Sucht unterstützen, indem sie bestimmte Dinge tun oder unterlassen. Angehörige und Kollegen eines Alkoholkranken entschuldigen beispielsweise seine Abwesenheit in der Firma mit immer neuen Krankheiten, bessern stillschweigend seine Fehler aus und tun alles, um den Zustand des Betroffenen vor Nachbarn und Vorgesetzten zu verbergen. Sie versuchen mit allen Mitteln dem Suchtkranken zu helfen, ihn zu beschützen und sein Verhalten vor anderen zu rechtfertigen. Das hilft dem Betroffenen gar nicht und stürzt die Angehörigen oder andere Bezugspersonen wie Kollegen, Freunde oder auch professionelle Betreuer in große Schwierigkeiten. Lügen sie für den Betroffenen oder nehmen Schuld für Fehlverhalten auf sich, erzeugt dies psychischen Druck, dem niemand auf Dauer gewachsen ist.
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Seitenzahl: 68
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Die Abhängigkeit von einer Substanz oder einem bestimmten Verhalten wird umgangssprachlich meist als Sucht bezeichnet. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert sie einen seelischen oder körperlichen Zustand, in dem ein Mensch von dem unkontrollierbaren Verlangen nach einem Suchtmittel oder Suchtverhalten beherrscht wird und es trotz zu erwartender körperlicher, seelischer oder sozialer Folgeschäden weiter konsumiert.
Abhängigkeit ist kein Problem von Randgruppen: Sie kommt in unterschiedlichen Arten und Ausprägungen in allen Gesellschaftsschichten vor. Entgegen der landläufigen Meinung gibt es keine typische „Suchtpersönlichkeit“, einige Risikofaktoren wie emotionale Labilität, ein gering ausgeprägtes Selbstvertrauen und ein problematisches soziales Umfeld begünstigen aber die Entstehung einer Sucht. Die Wahrnehmung von Süchtigen hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert: Bis in die 1960er Jahre galten sie als willens- oder charakterschwach, heute sind Abhängigkeiten als Krankheit anerkannt und können erfolgreich therapiert werden.
Kennzeichnend für die Sucht ist das unbedingte Verlangen, einen bestimmten Zustand immer wieder zu erleben. Ziel ist es, negative Gefühle zu vermeiden und stattdessen einen als angenehm empfundenen Bewusstseinszustand zu erreichen: Die Grenze zur Abhängigkeit ist überschritten, wenn die Kontrolle über das eigene Handeln verloren geht und ein normaler Alltag ohne Suchtmittel oder Suchtverhalten nicht mehr aufrechterhalten werden kann.
Wird die Substanz nicht regelmäßig zugeführt oder das Verhalten nicht ausgeübt, treten Entzugserscheinungen wie Unruhe, Gereiztheit, depressive Verstimmungen, Angstzustände und Schlafstörungen auf, sogar Selbstmordgedanken können vorkommen. Diese psychische Unausgeglichenheit ist Zeichen einer seelischen Abhängigkeit und verschwindet, sobald die entsprechende Substanz in ausreichender Menge konsumiert oder das Verhalten wieder aufgenommen wird.
Körperliche Entzugserscheinungen treten insbesondere bei der Einnahme von Suchtgiften wie Alkohol, illegalen Drogen und Medikamenten auf. Charakteristisch sind geweitete Pupillen, Schweißausbrüche, Zittern, Frieren, Schwindel, Übelkeit und Müdigkeit, je nach Art der Substanz können andere spezifische Symptome dazukommen. Eine körperliche Abhängigkeit kann während einer Entzugsbehandlung mithilfe von Medikamenten überwunden werden: Sich aus einer seelischen Abhängigkeit zu befreien und das Leben langfristig ohne die Hilfe von Suchtgiften oder des süchtig machenden Verhaltens zu bewältigen, erfordert ein großes Maß an Willensstärke, Selbstvertrauen und der Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren und seinen Alltag von Grund auf neu zu ordnen.
Unterschieden wird die stoffgebundene Abhängigkeit von der stoffungebundenen Sucht. Bei der stoffgebundenen Sucht wird das Hochgefühl durch den Konsum bestimmter Substanzen hervorgerufen: Es sind zunehmend höhere Dosen erforderlich, um die erwünschte Wirkung zu erreichen. Weit verbreitet ist die Abhängigkeit von gesellschaftlich anerkannten Genussmitteln wie Alkohol und Nikotin, auch frei verkäufliche oder aufgrund einer Krankheit vom Arzt verschriebene Medikamente werden oft als Suchtmittel missbraucht. Neben Schlaf- und Beruhigungsmitteln kann die unkontrollierte Einnahme von Schmerzmitteln, Aufputschmitteln und Hustenstillern mit bestimmten Inhaltsstoffen zur Abhängigkeit führen.
Unter den illegalen Drogen wird Cannabis in Form von Haschisch oder Marihuana am häufigsten konsumiert. Cannabis gilt als sogenannte „weiche“ Droge, der ein geringes Suchtpotenzial zugesprochen wird. Zu den illegalen Drogen mit großer Suchtgefährdung zählen Opiate (Heroin), Kokain und verschiedene Arten der synthetisch hergestellten Drogen (Ecstasy, Speed, Crystal Meth).
Zudem werden zahlreiche als „Legal Highs“ oder „Herbal Highs“ bekannte Substanzen als Rauschmittel eingesetzt, die legal als Kräutermischungen, Badesalze, Reinigungsmittel oder Lufterfrischer angeboten werden. Diese scheinbar harmlosen Stoffe werden als „Neue Psychoaktive Substanzen“ bezeichnet: Sie enthalten synthetisch hergestellte Wirkstoffe, die ähnliche Rauschzustände wie Cannabis, Kokain oder Amphetamine hervorrufen können. Wie bei diesen Substanzen kann bei regelmäßigem Gebrauch eine psychische Abhängigkeit eintreten.
Während bei der stoffgebundenen Sucht eine bestimmte Substanz konsumiert wird, ist der Süchtige bei der stoffungebundenen Sucht von der Ausübung eines bestimmten Verhaltens abhängig. Die Grenzen von der Begeisterung für eine Tätigkeit zum Suchtverhalten sind fließend und nicht immer leicht zu erkennen: Eine Abhängigkeit besteht in der Regel, wenn die entsprechende Beschäftigung zwanghaft ausgeübt werden muss und andere Lebensbereiche bis zur völligen Aufgabe vernachlässigt werden.
Zur stoff- oder substanzungebundenen Abhängigkeit zählen:
Spielsucht
Abhängigkeit von Medien (Internet, Computer, Fernsehen, Handy)
Kaufsucht
Arbeitssucht (Workaholism)
Sexsucht
Sportsucht
Sammelsucht (Messie-Syndrom)
Putzsucht
Essstörungen wie Magersucht (Anorexia nervosa) oder die Ess-Brech-Sucht (Bulimie) weisen ebenfalls Suchtcharakter auf. Suchtmerkmale besitzt auch die emotionale Abhängigkeit, bei der Betroffene Selbstzweifel und ein geringes Selbstwertgefühl durch die Beziehung zum Partner kompensieren. Ein gewisses Maß an emotionaler Abhängigkeit findet sich in jeder gesunden Beziehung: Von einer krankhaften Abhängigkeit muss ausgegangen werden, wenn eine unglückliche Partnerschaft entgegen besseren Wissens aufrechterhalten wird und der Gedanke an ein mögliches Beziehungsende tiefe Verzweiflung bis hin zu Selbstmordgedanken auslöst.
Die Folgen einer Sucht sind abhängig von der Art der konsumierten Substanz oder des zwanghaft ausgeübten Verhaltens: Der unkontrollierte Konsum legaler oder illegaler Drogen zieht in der Regel schwerwiegende körperliche Schäden nach sich, die psychische Gesundheit ist meist ebenfalls beeinträchtigt. Finanzielle Probleme, die häufig einen beruflichen und sozialen Abstieg mit sich bringen, gehen sowohl mit stoffgebundener Abhängigkeit als auch mit Verhaltenssüchten einher. Eine weitere Gemeinsamkeit beider Arten von Abhängigkeit ist die Beeinträchtigung der Partnerschaft, des Familienlebens und des gesamten sozialen Umfeldes: Nicht selten geraten nahe Angehörige und Freunde beim Versuch, dem Betroffenen zu helfen, selbst in einen Teufelskreis, der als Co-Abhängigkeit bezeichnet wird.
Als Co-Abhängigkeit im engeren Sinne wird das Verhalten der Bezugspersonen eines Abhängigen bezeichnet, mit dem sie dessen Sucht unterstützen, indem sie bestimmte Dinge tun oder unterlassen. Angehörige und Kollegen eines Alkoholkranken entschuldigen beispielsweise seine Abwesenheit in der Firma mit immer neuen Krankheiten, bessern stillschweigend seine Fehler aus und tun alles, um den Zustand des Betroffenen vor Nachbarn und Vorgesetzten zu verbergen. Sie versuchen mit allen Mitteln dem Suchtkranken zu helfen, ihn zu beschützen und sein Verhalten vor anderen zu rechtfertigen. Durch die gut gemeinte Unterstützung wird der Betroffene aus der Verantwortung genommen, sich seiner Sucht zu stellen: Da er keine Konsequenzen spürt, sieht er keine Veranlassung, sein Verhalten zu ändern.
Unter Wissenschaftlern gibt es mehrere Ansätze, Co-Abhängigkeit zu erklären: Während sie ein Teil der Experten als ein eigenes Krankheitsbild mit Suchtcharakter sieht, stellt sie für andere ein Synonym für „suchtförderndes Verhalten“ dar, welches nicht in jedem Fall als krankhaft zu werten ist. Darüber hinaus bezeichnet Co-Abhängigkeit eine Beziehungsstörung, bei der sich ein Mensch ausschließlich über seine Beziehung zu anderen definiert und in ständiger emotionaler Abhängigkeit von ihnen lebt. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um gesunde oder suchtkranke Menschen handelt.
Erstmals verwendet wurde der Begriff „Co-Abhängigkeit“ Mitte des letzten Jahrhunderts im Zusammenhang mit Alkoholismus. Zu jener Zeit setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Abhängigkeit von Alkohol nicht als Willensschwäche, sondern als Krankheit anzusehen ist; diese zieht zwangsläufig das Leben der ganzen Familie in Mitleidenschaft. Man erkannte, dass das soziale Umfeld durch Vertuschen hilft, das Leiden aufrecht zu erhalten und große Einbußen der Lebensqualität in Kauf nimmt. Langzeitbeobachtungen zeigten die höhere Rückfallrate von Alkoholkranken, deren Familien aufgrund fehlender psychologischer Unterstützung ihre Verhaltensweisen nach der erfolgreichen Entzugsbehandlung unverändert beibehielten: Angehörige hatten demnach zumindest eine Mitschuld am Fortdauern der Sucht.
Dieses Konzept veränderte sich mit der Zeit, Familienmitglieder wurden zunehmend als hilfsbedürftig wahrgenommen und zur Aufrechterhaltung ihrer psychischen und physischen Gesundheit in die Therapie einbezogen. Daneben entwickelte sich die These, dass es sich bei der Co-Abhängigkeit um ein eigenes Krankheitsbild mit Merkmalen einer Persönlichkeitsstörung handelt. In der Folge wurde der Begriff auf ein spezifisches Verhalten von Angehörigen Suchtkranker gleich welcher Art und als krankhaft wahrgenommene emotionale Abhängigkeit in der Partnerschaft ausgeweitet.
Eine einheitliche Definition der Bezeichnung existiert bis heute nicht. Vereinfacht gesagt, kann Co-Abhängigkeit im Zusammenhang mit Suchtkrankheiten als ein Verhalten verstanden werden, durch das Angehörige von Suchtkranken dessen Abhängigkeit auslösen, sie verstärken oder helfen, die Sucht aufrechtzuerhalten. Nicht alle Bezugspersonen von Abhängigen sind zwangsläufig co-abhängig oder weisen eine krankhafte Persönlichkeitsstruktur auf: Es setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass Co-Abhängigkeit als eine eigenständige, durch Suchtmerkmale geprägte Erkrankung zu sehen ist. Im Vordergrund stehen überfürsorgliche Verhaltensweisen und der selbstlose Einsatz für den Erkrankten. Co-Abhängige leiden unter der Situation, vermeiden aber durch die Konzentration auf den Süchtigen, sich mit ihren eigenen Gefühlen und Bedürfnissen auseinandersetzen zu müssen. Aus dieser unbedingten Hingabe des Co-Abhängigen können für ihn schwerwiegende körperliche und psychische Schäden erwachsen: Betroffene sollten sich nicht scheuen, bei Bewusstwerden der Problematik fachkundige Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Co-Abhängige, die sich in der Beziehung zum Suchtkranken aufreiben, wuchsen überdurchschnittlich oft mit mindestens einem suchtkranken Elternteil auf. Bereits als Kind erfuhren sie nur Liebe und Zuwendung, wenn sie das Wohlbefinden dieses Menschen in den Mittelpunkt stellten und auf die Befriedigung ihrer Bedürfnisse verzichteten.