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Kapitel aus dem Band 'Recherche im Netz' Recherche ist eines der wichtigsten Handwerkszeuge der journalistischen Praxis. Doch wie recherchiert man richtig? Welche Techniken muss man beherrschen – speziell bei der Recherche im Netz? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gilt es zu beachten? Wie fundiert sind die Suchergebnisse von Google und anderen Suchmaschinen? Wie geht man mit Leaking und Fakes um? Welches Recherchepotential birgt das Soziale Netz? Wie funktionieren Crowdfounding, Crowdsourcing und Crossborder-Reporting, welche Rolle können diese Herangehensweisen in Zukunft spielen? Und: Worin besteht die Herausforderung für die demokratische Öffentlichkeit in der modernen Mediengesellschaft? Diese und weitere fragen werden in diesem Band von Medienexperten, Juristen und Journalismusforschern erörtert und beantwortet.
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Seitenzahl: 24
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Marlis Prinzing
Damals wie heute: Wer recherchiert, darf sich nicht vor Menschen fürchten
Europa Verlag AG Zürich
MARLISPRINZING
Ein Blick in die Geschichte und ein Interview zur Gegenwart der Recherche stimmen in das Thema ein und stellen die Weichen erstens für die Praxis und zweitens für die allgemeine Reflexion. Dieses Kapitel gibt Basistipps für eine zielgerichtete Recherche und eine konstruktive Recherchehaltung, für das Recherchieren an sich und implizit auch für das Recherchieren im Netz. Der Debatten-Impuls gibt einen Hinweis darauf, warum Recherche ein zentraler Bereich journalistischen Arbeitens sein muss und zugleich ein gesellschaftlicher Kernauftrag ist, also jeden angeht.
Die historische Dimension sowie den Stellenwert der Recherche für den journalistischen Arbeitsalltag und für die Gesellschaft erfassen.
Die Grundprinzipien des Recherchehandwerks verinnerlichen.
Französische Soldaten werden von den indischen Verbündeten der britischen Armee gefoltert! Diese Geschichte, die Benjamin Harris 1690 in seinem Nachrichtenblatt Publick Occurrences veröffentlichte, war eine Sensation – wegen der ungeheuerlichen Vorgänge, vor allen Dingen aber wegen der Umstände: Dass diese Geschichte in einer »Medienlandschaft«, die fast ausschließlich aus Handelsnachrichten bestand, und ausgerechnet in Amerika, einem Land, das noch unter der Herrschaft der britischen Krone stand, überhaupt veröffentlicht werden konnte. Harris musste sein Blatt vier Tage später einstellen. Doch bis heute halten amerikanische Autoren diesen Text für den Beginn des investigativ recherchierenden Journalismus (vgl. Nagel 2007: 65f.). Dieses Beispiel weist auch hin auf den bis heute virulenten Bezug zwischen Recherche und der Art der Gesellschaft, in der sie stattfindet: In autoritären Gesellschaften wird investigativer Journalismus nach Möglichkeit verboten, in einer demokratischen verärgert er zwar insbesondere diejenigen, deren Machenschaften dadurch öffentlich gemacht werden, gilt aber zugleich als ein Charakteristikum für Medienschaffen in einem demokratisch legitimierten politischen System (vgl. ebenda) und damit als Garant für Freiheit. In der amerikanischen Demokratie äußert sich dies bis heute auch dadurch, dass den Medien die Rolle eines bedeutsamen Wachhunds im politischen System der Gewaltenteilung und der »Checks and Balances« zugeschrieben wird.
Im 19. Jahrhundert galt der Augenzeugenbericht eines Reporters als sensationell (Haller 1993: 40). Die politischen Ereignisse waren zudem weit weniger komplex und verflochten als heute und entsprechend leichter zu fassen. Die Wirkungsmacht der Augenzeugen konnte hoch sein. Der Bericht von Times-Korrespondent William Howard Russell über die britische Armee im Krim-Krieg 1854/55