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Dana Kilborne ebundle #5 E-Book

DANA KILBORNE

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Beschreibung

3 Romane in einem Band zum Sparpreis!

Dieser Sammelband enthält die folgenden Jugendthriller:

In den Fängen der Bones
Megan ist unglücklich, seit sie in Littlebourne wohnt. Musste ihre Mutter denn unbedingt mit ihr in dieses kleine Kaff am Ende der Welt ziehen? Hier ist doch nichts los! Dann aber lernt sie nicht nur neue Freundinnen kennen, sondern auch den coolen Corey. Der ist Mitglied im sagenumwobenen Geheimbund „Bones“. Und sie soll auch bald dazugehören! Doch da erfährt sie Unglaubliches: Die Clique soll andere Jugendliche tyrannisieren und erpressen! Aber da würde Corey doch niemals mitmachen - oder? Und dann spitzt sich die Lage plötzlich zu, als Megans Freundin Phoebe, die immer eindringlich vor den „Bones“ gewarnt hat, spurlos verschwindet …

Das Geheimnis von Blackwater
Sidney kann nicht glauben, was ihre neue Freundin Chelsea da erzählt: Angeblich liegt ein Fluch auf dem versunkenen Ort Blackwater. Immer wieder sollen Mädchen am Ufer des Sees, aus dem nur noch die Spitze des Kirchturms herausragt, ums Leben gekommen sein. Ob an dieser Story wirklich etwas dran ist? Eines steht jedenfalls fest: Den Ausblick aus ihrem neuen Zimmer direkt auf den See hinaus findet Sid jetzt noch unheimlicher. Zudem ist ihre Neugier geweckt. Ist die Sache mit dem Fluch wirklich bloß Spinnerei? Als sie eines Nachts seltsame Lichter auf dem See sieht, will sie der Sache auf den Grund gehen und schleicht sich aus dem Haus. Da hört sie einen gellenden Schrei - noch ahnt sie nicht, was es damit auf sich hat ...

Die Nacht, in der Zoe starb
Erstaunt begegnet Ashton auf dem College ihrer gesamten alten Clique wieder: Faith, Jonathan, Geri und sogar Julian, in den sie damals so verliebt war! Zwei Jahre haben sie sich nicht mehr gesehen, und kaum, dass sie jetzt auf dem College sind, passieren schlimme Dinge: So wird das Make-up von Faith, einer angehenden Schauspielerin, mit einer ätzenden Substanz versetzt, und Jonathan wird auf dem Campusgelände angefahren - vorbei ist es mit seiner Karriere als Schauspieler. Schnell keimt ein schrecklicher Verdacht in Ashton auf, warum es jemand auf die Clique abgesehen könnte, und dieser Verdacht führt zwei Jahre zurück in die Vergangenheit. Denn damals waren sie alle dabei, als eine Mutprobe für die Außenseiterin Zoe tödlich endete: Sie stürzte von einer Brücke in den Fluss und brach sich das Genick ...

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Dana Kilborne

 

Dana Kilborne ebundle #5

 

 

 

Inhalt

 

Inhalt

In den Fängen der Bones

Das Geheimnis von Blackwater

Die Nacht, in der Zoe starb

Impressum

 

 

Dana Kilborne

In den Fängen der Bones

 

 

Es schüttete wie aus Kübeln. Schon den ganzen Tag über hatten dunkle Regenwolken drohend über Littlebourne gehangen. So als hätten sie die Tragödie, die über das kleine Städtchen hereinbrechen würde, bereits ankündigen wollen.

Fröstelnd zog Jennifer ihre Strickjacke enger um den schlanken Körper. Doch dem eisigen Wind, der mit Einbruch der Dämmerung aufgekommen war, hatte sie kaum etwas entgegenzusetzen. Er durchschnitt die groben Maschen wie Butter.

Zum Glück war es ja nicht weit bis zu ihrem Wagen, den sie am Straßenrand vor ihrem Elternhaus abgestellt hatte. Der altersschwache Pontiac war der ganze Stolz der Siebzehnjährigen. Er war beileibe keine Schönheit, doch Jennifer hatte die ganzen Sommerferien im Eisenwarenladen ihres Onkels gejobbt, um sich das Geld für einen eigenen Wagen zusammenzusparen.

Jetzt allerdings hatte sie kaum ein Auge dafür übrig. Es gab andere Dinge, die sie beschäftigten. Bedrohlichere Dinge. Mit einem Seufzen klemmte sie sich hinters Steuer und startete den Motor, der ausnahmsweise sogar gleich beim ersten Versuch ansprang. Dennoch fuhr sie nicht sofort los, sondern warf einen kurzen, verstohlenen Blick in den Rückspiegel.

Nichts regte sich.

Die Straße lag dunkel und verlassen da.

Fast hatte sie schon damit gerechnet, hinter sich die Scheinwerfer eines anderen Wagens aufflammen zu sehen. Doch da war nichts.

Absolut nichts.

Jennifer atmete erleichtert auf. Du fängst schon an, Gespenster zu sehen,dachte sie; dann fuhr sie los. Die Scheibenwischer liefen auf Hochtouren, schafften es aber trotzdem kaum, mit den vom Himmel herabstürzenden Wassermassen fertig zu werden. Die Schneise aus Helligkeit, die die Scheinwerfer in die Dunkelheit rissen, reichte kaum aus, um auch nur ein paar Meter die Straße voraus zu erhellen.

Was für eine Nacht …

Doch es waren ja nur noch ein paar Meilen bis Dixby. Ein paar Meilen, bis sie sich bei Brian befand.

Ein paar Meilen, bis sie in Sicherheit war.

Brian war der einzige Mensch auf der Welt, dem sie jetzt noch vertrauen konnte. Abgesehen vielleicht von ihren Eltern und ihrem Bruder, aber die konnten ihr jetzt auch nicht helfen. Wahrscheinlich würden sie ihr nicht einmal glauben …

Aber Brian würde ihr helfen. Ihm fiel immer etwas ein, auch wenn die Lage noch so hoffnungslos war. Und hoffnungslos erschien sie Jennifer in der Tat. Was hatten SIE an diesem Morgen zu ihr gesagt, als SIE sie auf der Mädchentoilette der Schule wie ein wildes Tier in die Enge getrieben hatten? Es wird dir noch leidtun, dich mit uns angelegt zu haben … sehr leid!

Jennifer wusste, dass diese Leute gefährlich waren. Und auch wenn sie sich noch vor ein paar Stunden mutig und selbstbewusst gestellt hatte, war ihr in Wahrheit beinahe vor Angst das Blut in den Adern gefroren!

Auch jetzt fiel es ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Was würden SIE mit ihr anstellen? Sie wusste zu viel, als dass sie noch darauf hoffen konnte, sich mit heiler Haut aus der Affäre ziehen zu können. Und wenn SIE sich bedroht fühlten, kannten SIE keine Gnade. Jennifer kannte SIE inzwischen gut genug, um zu wissen, dass sie kein Erbarmen von IHNEN erwarten durfte.

Wenn sie doch bloß endlich bei Brian wäre! Er würde Rat wissen!

Zumindest hoffte Jennifer es – denn er war ihre letzte Chance …

Die Siebzehnjährige zuckte erschrocken zusammen, als plötzlich hinter ihr die Scheinwerfer eines anderen Wagens aufblendeten. Das Herz raste ihr in der Brust, als wolle es zerspringen! SIE hatten sie gefunden! Jetzt hatte sich auch ihre letzte Hoffnung in Luft aufgelöst!

Jennifer beruhigte sich erst, als der Wagen auf einmal den Blinker setzte und in eine Seitenstraße einbog. Was hast du denn erwartet? Sie werden wohl kaum riskieren, dich in aller Öffentlichkeit um die Ecke zu bringen!

Sie schüttelte ärgerlich den Kopf. Normalerweise war sie nicht der Typ Mensch, der so leicht durchdrehte. Doch im Augenblick waren ihre Nerven einfach zum Zerreißen angespannt.

Sie erreichte den Wald. Der Regen ließ, abgeschirmt durch die dichten Baumkronen, ein wenig nach. Jetzt hatte sie es beinahe geschafft. In fünf Minuten würde sie Brian in die Arme schließen, und alles würde gut werden …

Doch Jennifer sollte diesen Augenblick nicht mehr erleben.

Direkt vor ihr zerriss mit einem Mal ein grelles Licht die Dunkelheit. Jennifer schrie erschrocken auf. Geblendet riss sie eine Hand vor die Augen. Als sie begriff, was dieses Licht bedeutete – irgendjemand fuhr geradewegs auf sie zu und drohte, sie zu rammen! –, handelte sie instinktiv und riss das Steuer herum. Sie sah noch den Baumstamm, an dem ihr heiß geliebter Pontiac nur einen Sekundenbruchteil später sein endgültiges Ende finden sollte. Den Aufprall spürte sie kaum noch.

Danach kam nur noch Dunkelheit.

Der bedrohliche Anblick der dunklen Gestalten, die aus dem entgegenkommenden Wagen stiegen und schweigend das schwelende Fahrzeugwrack umringten, blieb ihr erspart …

 

*

 

Megan Fairchild wischte mit dem Handrücken über die beschlagene Seitenscheibe des alten Fords und blickte ins Freie. Sie seufzte. Soweit das Auge reichte, nur Schnee, Schnee und noch mal Schnee. „Wie weit ist es denn noch, Mom?“

„Es kann nicht mehr allzu weit sein, Honey“, antwortete ihre Mutter, ohne den Blick von der vereisten Straße zu nehmen. „Der Makler hat mir den Weg genau beschrieben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass jeden Moment die ersten Häuser vor uns auftauchen müssten.“

Megan ließ sich tiefer in den Beifahrersitz sinken, verschränkte die Arme vor der Brust und runzelte die Stirn. Was hatte sie hier eigentlich zu suchen? Sie sollte zu Hause in New York sein und mit ihrer Clique die irrsten Sachen unternehmen! Stattdessen befand sie sich mit ihrer Mom auf dem Weg in ihr neues Heim – mitten im Herzen von Nirgendwo!

Littlebourne. Wie das schon klang! Megan brauchte das Nest gar nicht erst zu sehen, um zu wissen, dass sich hier Fuchs und Hase gute Nacht sagten. Was konnte man einer Fünfzehnjährigen Schlimmeres antun, als sie direkt vom Big Apple in ein kleines Provinznest zu verfrachten? Sie würde vor Langeweile sterben!

Das Vertrackte an der Sache war, dass sie ihre Mutter durchaus verstehen konnte. Sie hatte es einfach nicht länger in New York ausgehalten, wo sie jederzeit Gefahr lief, ihren Ex-Mann mit seiner neuen Flamme zu treffen. Um ehrlich zu sein, war auch Megan nicht gerade scharf auf eine solche Begegnung. Sie hatte diese Debbie nur einmal getroffen, aber das hatte gereicht. Dass sich ihr Dad mit so einer abgab, ging über ihren Verstand.

Aber dass sie die Beweggründe ihrer Mutter verstand, bedeutete nicht, dass sie mit ihrer Entscheidung besonders glücklich war. Musste es denn ausgerechnet ein winziges Kaff in den Mountains sein? Warum nicht Los Angeles? New Orleans? Oder Houston? Warum ausgerechnet Littlebourne?

Dann lag es nach einer scharfen Kurve in all seiner Pracht vor ihr. Die Dächer der Häuser mit Schnee gepudert und umgeben von dichten Nadelholzwäldern, wirkte Littlebourne auf Megan wie das Motiv für eine kitschige Ansichtskarte. „Na, das kann ja heiter werden“, stöhnte sie leise. „Was für ein Kaff!“

„Jetzt warte doch erst mal ab, Schatz.“ Mrs. Fairchild lächelte ihr aufmunternd zu. „In ein paar Wochen hast du dich eingewöhnt, und dann willst du gar nicht mehr aus Littlebourne fort.“

Mühsam rang sich auch Megan ein Lächeln ab. „Sicher, wahrscheinlich hast du recht, Mom.“

Sich selbst konnte sie mit diesen Worten allerdings nicht überzeugen.

 

*

 

Drei Wochen später.

Es war kurz nach fünf Uhr. Die letzte Unterrichtsstunde war zu Ende, und das Burger Palace platzte aus allen Nähten. Kein Wunder, dachte Megan. Schließlich war es so ziemlich der einzige Ort, an dem sich die Teens nach Schulschluss aufhalten konnten. Die Glücklichen, die bereits einen Führerschein besaßen, hatten es da schon ein bisschen besser. Sie konnten wenigstens auf die andere Seite des Tales nach Dixby fahren. Dort gab es immerhin ein Kino und zwei Tanzschuppen, die zwar keinen Vergleich zu New Yorker Discos standhielten, aber für diese hinterwäldlerische Gegend eine Sensation waren.

Megan seufzte. In den drei Wochen, die sie jetzt in Littlebourne lebte, hatten sich all ihre Befürchtungen bewahrheitet. Das Schlimmste aber war, dass es ihr beim besten Willen nicht gelang, Kontakte zu den hiesigen Teenagern zu knüpfen. Der Grund war ihr völlig schleierhaft. In New York hatte sie keine Schwierigkeiten gehabt, neue Bekanntschaften zu schließen.

„Was dagegen, wenn ich mich zu dir setze?“

Megan hatte das dunkelhaarige Mädchen überhaupt nicht bemerkt, das sich jetzt, ohne eine Antwort abzuwarten, auf die Sitzbank ihr gegenüber sinken ließ.

„Brr … Was für ein elendes Mistwetter“, schnaufte sie und streifte ein paar dicke pinkfarbene Fäustlinge von den Händen. „Also, wenn du mich fragst, dieser ewige Schnee geht mir ziemlich auf die Nerven. Seit über einem Monat nichts als Schnee, Schnee, Schnee. Wenn das so weitergeht, werde ich noch depressiv!“

Zu ihrer eigenen Überraschung war Megan sprachlos. Anscheinend war sie es nicht mehr gewöhnt, dass jemand – außer ihrer Mom – mehr als zwei Worte mit ihr wechselte.

„Du bist ja nicht gerade besonders gesprächig, was?“ Das Mädchen musterte sie und streckte ihr die Hand entgegen. „Joanna Baker. Aber nenn mich ruhig Jojo, das tun alle.”

„Megan Fairchild.“

„Ich hab dich heute an der Schule gesehen. Was, um Himmels willen, hat dich in unsere pulsierende Großstadt verschlagen?“, fragte Jojo neugierig. „Für ein echtes Landei ist dein Outfit jedenfalls viel zu freakig.“

Für zwei Sekunden starrten sich Megan und Jojo an, dann brachen sie in Gelächter aus. Als sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, musterte Megan ihre neue Bekannte eingehender. Jojo musste etwa in ihrem Alter sein, war aber einen Kopf kleiner als sie. Das kurze, schwarze Haar trug sie zu einer stacheligen Igelfrisur hoch gegelt. Ihren Nasenflügel zierte ein winziger funkelnder Glitzerstein. Allein das war wahrscheinlich in einer Kleinstadt wie Littlebourne schon Grund genug für eine Menge Tratsch und Klatsch.

„Was starrst du mich so an? Habe ich vielleicht einen Pickel auf der Nase?“

„Quatsch! Ich dachte bloß gerade, dass du auch nicht so ganz hierher passt. Na ja, ich meine …“

„Ich weiß schon, was du meinst.“ Jojo grinste. „Du hättest mal sehen sollen, wie mich die ganze Meute angestarrt hat, als ich zum ersten Mal mit meinem Piercing zur Schule gekommen bin!“ Sie zuckte mit den Schultern. „Aber was soll’s? Ich steh halt nicht so auf rosa Twinsets und Ballerinas.“

Megan war happy. Sie und Jojo lagen völlig auf einer Wellenlänge. Sie hörten dieselbe Musik, standen beide auf Justin Bieber, lasen gerne Thriller und Science-Fiction – kurz, zwischen ihnen gab es jede Menge Gemeinsamkeiten und Gesprächsstoff. Dabei hatte Megan die Hoffnung schon beinahe aufgegeben, nachdem sich der erste Schultag an der Hamilton High als absoluter Reinfall herausgestellt hatte.

„Hey Jojo! Hätte ich mir ja denken können, dass du dir den Neuzugang gleich unter den Nagel reißt.“ Ein Mädchen in der Arbeitskleidung des Burger Palace bahnte sich einen Weg durch die Menge. Ihr rundliches Gesicht war gerötet. Die Schürze spannte ein bisschen um die Hüften, ließ sie aber durchaus attraktiv wirken.

Jojo verdrehte die Augen. „Darf ich vorstellen, Megan?“ Sie nickte in Richtung des Mädchens, das jetzt zu ihnen an den Tisch getreten war. „Das ist Phoebe, meine durchgeknallte Cousine.“

„Das habe ich zu deinem Vorteil überhört, Jojo.“ Phoebe knuffte sie spielerisch in die Seite. „Was soll deine neue Freundin denn für einen Eindruck von mir kriegen?“

Alles in allem einen recht sympathischen, dachte Megan.

Jojo winkte lässig ab. „Also mal ehrlich, was will man von einer halten, die sich als strenge Vegetarierin propagiert und dann in einem Burgerschuppen ihr Taschengeld aufbessert?“

Schmollend verzog Phoebe das Gesicht. „Ich weiß gar nicht, wo da der Widerspruch sein soll. Dass ich gebratene Tierkadaver zwischen zwei Brötchenscheiben durch die Gegend trage, heißt ja noch lange nicht, dass ich das Zeug auch esse!“

„Genau das meine ich“, stöhnte Jojo. „Im Ernst, es wundert mich, dass Minette dich nicht schon längst vor die Tür gesetzt hat. Deine ständigen Vorträge müssen für den Burger Palace einfach geschäftsschädigend sein. Und außerdem …“

Megan klinkte sich aus. Das Thema schien ein ewiger, aber für Megan uninteressanter Zankapfel zwischen den Cousinen zu sein. In der Zwischenzeit unterzog sie lieber die Besucher des Diners einer genaueren Betrachtung. Hauptsächlich handelte es sich dabei um Kids, die ebenso wie sie keine Lust hatten, ihre kostbare Freizeit zu Hause vor der Glotze zu verplempern. Und da man es bei den derzeitigen frostigen Temperaturen im Freien unmöglich länger als zehn Minuten aushalten konnte, ohne sich schwere Erfrierungen an den verschiedensten Körperteilen zuzuziehen, traf man sich eben im Palace.

Megan starrte durch die Schaufensterscheiben in das dichte Schneetreiben, als die Eingangstür des Diners aufgestoßen wurde. Eine kräftige Böe beförderte zwei vermummte Gestalten und einen Schwall frischer Schneeflocken ins Innere des Palace. Einen Jungen und ein Mädchen, wie Megan feststellte, nachdem sich die beiden aus ihren dicken Wintermänteln gepellt hatten. Das Mädchen bekam sie allerdings nur ganz am Rande mit. Ihre Aufmerksamkeit wurde von dem Jungen gefesselt, der gerade von einer ganzen Horde Leute überschwänglich begrüßt wurde. Er glich Ryan Phillippe aus dem Film „Eiskalte Engel“, allerdings als dunkelhaarige Ausgabe mit strahlend blauen Augen. Einfach super süß und ziemlich sexy.

„Was für Augen …“ Megan seufzte und stütze verträumt das Kinn auf die Hände. Sie war völlig hin und weg. Wer hätte das gedacht? Megan Fairchild begegnete am Ende der Welt dem Jungen ihrer Träume …

Leises Kichern holte sie wieder in die Realität zurück.

„Siehst du auch, was ich sehe?“, fragte Jojo grinsend.

Phoebe nickte. „Und ob! Dümmliches Grinsen, rote Wangen, rasender Puls. Ich würde sagen, akuter Fall von Verknallitis, Frau Doktor.“

„Hahaha, sehr witzig“, erwiderte Megan, während ihr das Blut ins Gesicht schoss. „Macht euch ruhig lustig über mich!“

„Ach was, wer macht sich denn lustig? Ob du’s glaubst oder nicht: So geht’s fast jeder, die dem umwerfenden, unwiderstehlichen und unnahbaren Corey Ellis über den Weg läuft.“ Jojo grinste. „Er ist der Herzensbrecher der Hamilton High. Zeig mir eine, deren Herzschlag er noch nicht aus dem Takt gebracht hätte.“ Sie erntete einen bösen Seitenblick von Phoebe und hob beschwichtigend die Hände. „Oh, außer unserer lieben Phoebe hier. Sie ist anscheinend immun gegen Coreys Reize.“

Ärgerlich schüttelte Megan den Kopf. „Was wollt ihr eigentlich? Der Typ interessiert mich überhaupt nicht. Ich kenn ihn ja nicht mal!“

„Ist auch gut so“, sagte Phoebe. „Besser, du schlägst ihn dir gleich aus dem Kopf. Erstens klebt unsere Dorfschönheit Uma Veddic an ihm wie eine Klette, und zweitens ist Corey einer von ihnen.“

Jojo bedachte ihre Cousine mit einem bitterbösen Blick. Doch Megans Neugier war geweckt. „Ihnen?“, fragte sie. „Klärt mich vielleicht mal jemand auf?“

Plötzlich schienen die beiden redseligen Cousinen mit Stummheit geschlagen zu sein. Während Phoebe mit rotem Kopf nur herumdruckste, verschränkte Jojo die Arme vor der Brust und schwieg.

Megan runzelte die Stirn. „Kommt schon Leute, lasst mich nicht dumm sterben!“

„Also schön.“ Jojo seufzte frustriert. „Früher oder später findest du’s ja eh heraus. Sie nennen sich die Bones, und unser Schönling Corey Ellis gehört dazu. Ein Haufen Durchgeknallter, die sich für was Besseres halten und meistens in der Nähe der alten Mühle rumhängen. Bist du jetzt zufrieden?“

„Die alte Mühle?“, fragte Megan nach.

„Sag bloß, du hast davon noch nichts gehört?“, fragte Phoebe erstaunt. Dann schauderte sie. „Ein unheimlicher Ort für ein paar unheimliche Leute. Passt doch eigentlich ganz gut?“

Natürlich wollte Megan noch mehr wissen. Gerade sie, die doch von Rätseln und Geheimnissen anzogen wurde wie Motten vom Licht. Nicht, dass sie sich selbst als neugierig bezeichnet hätte! Aber sie interessierte sich nun einmal brennend für Dinge, von denen sie eigentlich nichts wissen sollte.

Und die Frage, wer oder was ein Bone war, ließ sie daher auch in der kommenden Nacht nicht zur Ruhe kommen, nachdem aus Jojo und ihrer Cousine nicht mehr viel herauszuquetschen gewesen war. Seit Stunden lag sie nun schon wach. Eigentlich hätte sie längst schlafen sollen, aber sie konnte einfach nicht! Gut, zum Teil mochte dies auch mit Corey Ellis zu tun haben, dessen süßes Gesicht sie jedes Mal vor sich sah, wenn sie die Augen schloss. Was für ein cooler Typ! Sofort begann ihr Herz, schneller zu klopfen. Schade nur, dass er schon eine Freundin hatte. Zumindest hatten Phoebe und Jojo so etwas in der Richtung angedeutet. Aber vielleicht, dachte sie verträumt, hatte sie ja doch eine Chance bei ihm. Dazu musste sie allerdings überhaupt erst einmal in seine Nähe kommen.

Verflixt! Wenn sie doch nur herausfinden könnte, was es mit diesen Bones auf sich hatte. Vielleicht war es so eine Art Schülergruppe oder Verein? Aber das erklärte nun wirklich nicht, warum Jojo und Phoebe ein solches Geheimnis daraus machten!

Megan gähnte. Neugierig oder nicht, so langsam nahm die Müdigkeit einfach überhand. Sie löschte das Licht und drehte sich auf die Seite. Trotzdem dauerte es noch eine halbe Ewigkeit, bis sie tatsächlich eingeschlafen war, und dann träumte sie natürlich von Corey.

Als der Wecker sie am nächsten Morgen mit einem grellen Schrillen aus dem Schlaf riss, fühlte sich Megan wie gerädert. Was für eine Nacht, dachte sie. Am liebsten wäre sie einfach liegen geblieben und hätte ein paar Stunden Schlaf nachgeholt. Doch schließlich gelang es ihr, sich aufzuraffen. Sie wollte nur höchst ungern zu spät zur Schule kommen. Und außerdem hatte sie vorher noch etwas mit Jojo zu besprechen.

Ihrer Mom zuliebe schlang Megan hastig einen Pancake mit Ahornsirup herunter, bevor sie aus dem Haus stürzte. Als sie den Bus-Stop erreichte, fluchte sie leise. Sie war gerade noch rechtzeitig angekommen, um den Bus vor ihrer Nase wegfahren zu sehen. So ein Mist! Jetzt blieb ihr wohl oder übel nichts anderes übrig, als ihre Mom zu bitten, sie zur Schule zu fahren.

Reichlich zerknirscht machte sie sich auf den Rückweg, als plötzlich ein Wagen direkt neben ihr an den Straßenrand fuhr. Es war ein vanillefarbener Chevrolet. Selbst Megan, die von Autos nicht viel Ahnung hatte, erkannte, dass es sich um einen liebevoll instand gehaltenen Oldtimer handelte. Das Fahrerfenster wurde heruntergekurbelt, und zu Megans Überraschung kannte sie den Fahrer des Chevys.

Es war Corey Ellis!

„Na? Den Bus verpasst?“, fragte er und lehnte sich mit einem coolen Lächeln aus dem Fenster. Megans Herz wummerte wie ein Vorschlaghammer in ihrer Brust. Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Reiß sich zusammen, Megan Fairchild, reiß dich jetzt bloß zusammen!

Sie nickte stumm und wollte schon weitergehen, als Corey sagte: „Hey, nicht so schnell! Soll ich dich zur Schule mitnehmen? Du gehst doch jetzt auch auf die Hamilton, oder?

Megan lächelte scheu. „Ja, ich bin neu hier.“ Sie konnte es noch immer nicht glauben: Sie stand hier und unterhielt sich mit Corey Ellis! Mit dem Jungen, der sich in der vergangenen Nacht immer wieder in ihre Träume geschlichen hatte. Und er wollte sie sogar zur Schule fahren! Wahnsinn!

„Na, wie sieht’s aus? Willst du jetzt mitfahren?“ Er grinste. „Du kannst aber auch auf den nächsten Bus warten, wenn’s dir lieber ist.“

Megan schüttelte rasch den Kopf. Sie hätte sich lieber das rechte Bein abgehackt, als sich diese Chance entgehen zu lassen. Hastig rutschte sie auf den glatten Ledersitz. „Cooler Wagen“, bemerkte sie, mehr um überhaupt etwas zu sagen. „War bestimmt ziemlich teuer, oder?“

„Ach, so schlimm war’s eigentlich gar nicht. Aber du hättest sehen sollen, in welchem Zustand er sich befand, als ich ihn gekauft habe. Ein Schrotthaufen war das!“

„Und du hast ihn ganz alleine wieder flott gemacht?“ Megan war ehrlich beeindruckt. „Wow, woher kennst du dich denn so gut mit Autos aus?“

Corey zuckte mit den Schultern. „Na ja, mein Onkel besitzt die Tankstelle am Ortseingang. Letzten Sommer hab ich die ganzen Ferien über dort in der Werkstatt gejobbt. Da schnappt man halt einiges auf.“

Megan strahlte. Jetzt, wo sie erst einmal mit Corey im Gespräch war, gestaltete es sich zu ihrer eigenen Überraschung als gar nicht so schwierig, sich mit ihm zu unterhalten. Als sie ein paar Minuten später das Schulgelände erreichten, war sie fast ein bisschen enttäuscht.

„Vielleicht sehen wir uns ja die Tage mal abends im Palace?“, fragte Corey, und Megans Herz machte einen Sprung. „Wäre bestimmt nett“, sagte er. „Ich könnte dir jede Menge Leute vorstellen. Schätze, du kennst bisher noch nicht so viele hier?“

„Na ja, um ehrlich zu sein …“

„Siehst du? Aber das nehme ich jetzt in die Hand!“ Er hob eine Braue. „Sag mal, wie heißt du eigentlich?“

„Megan Fairchild.“

„Cooler Name, Megan.“ Er hielt ihr die Hand hin. „Ich bin Corey. Corey Ellis.“

Megan überlief es heiß und kalt zugleich. Komplimente hatten sie schon immer ein bisschen verunsichert. Und noch dazu eines von Corey Ellis …

Sie war sich durchaus darüber im Klaren, dass sie ein ziemlich dämliches Grinsen vor sich hertrug, als sie zehn Minuten später auf dem Schulhof mit Phoebe zusammentraf.

„Sag mal, was ist denn mit dir los?“, fragte Jojos Cousine erstaunt. „Hattest du heute Morgen irgendwelche Muntermacher in deinem Frühstück?“

Megan schüttelte den Kopf. „Nein, viel besser.“ Sie seufzte. „Corey Ellis hat mich in seinem Wagen mitgenommen.“

„Oh, oh …“ Phoebe schüttelte den Kopf. „Du hast dich ganz schön in den Typen verknallt, oder?“

„Er ist echt furchtbar nett.“ Megan reckte trotzig das Kinn vor. „Ich weiß gar nicht, was Jojo und du gegen ihn habt. Ihr solltet ihm wenigstens eine Chance geben, finde ich!“

In dem Moment kam Jojo um die Ecke gebogen. „Ich hab wohl was verpasst, wie? Eine Chance geben? Wem denn?“

Phoebe warf Megan einen warnenden Blick zu, doch die hatte keine Lust, mit ihrer Meinung hinterm Berg zu halten. „Corey Ellis“, sagte sie. „Ich finde, er sieht nicht nur wahnsinnig gut aus, er ist auch wirklich nett. Und ja, ich bin der Meinung, dass ihr ihm eine Chance geben solltet. Was hat er euch denn getan, dass ihr so schlecht von ihm denkt?“

Megan wappnete sich innerlich schon auf eine verständnislose Reaktion seitens ihrer neuen Freundin. Doch die blieb überraschenderweise aus. Stattdessen nahm Jojo sie beim Arm und führte sie in eine ruhigere Ecke des Schulhofes, wo nicht so viele Kids herumstanden. Phoebe folgte ihnen.

„Ich kann dich ja verstehen“, erklärte Jojo. „Corey Ellis sieht wirklich zum Anbeißen aus, das weiß ich ja. Und er kann auch wirklich nett sein, wenn er sich Mühe gibt.“ Sie seufzte resigniert. „Im Grunde geht mich das auch alles überhaupt nichts an, aber ich möchte, dass du vorsichtig bist, Megan. Mit den Bones ist wirklich nicht zu spaßen. Das weiß hier jeder.“

Phoebe nickte bekräftigend. „Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Mit denen ist nicht gut Kirschen essen, wenn sie es erst mal auf dich abgesehen haben. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede.“

„Könnte mich jetzt vielleicht endlich mal jemand aufklären, was diese ominösen Bones eigentlich sind?“, fragte Megan säuerlich. Ihr ging es gewaltig auf den Wecker, so von ihren neuen Freundinnen bevormundet zu werden. Sie war schließlich alt genug, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Und Corey Ellis würde sie sich ganz gewiss von niemandem ausreden lassen!

Doch auf ihre Frage nach den Bones erhielt sie wieder einmal keine Antwort.

 

*

 

Megan war erleichtert, als das Klingeln das Ende der letzten Unterrichtsstunde vor der Mittagspause ankündigte. Endlich! Den ganzen Tag über hatte Megan schon das Gefühl, auf einem Ameisenhaufen zu sitzen, so kribbelig war sie. Rasch stopfte sie ihr Geschichtsbuch in den Rucksack, warf ihn über die Schulter und rannte aus dem Klassenzimmer.

Die meisten Schüler tummelten sich noch im Gang und bei den Schließfächern herum, als Megan ins Freie stürmte. Heute hatte sie es besonders eilig. Sie war mit Jojo und Phoebe in der Cafeteria verabredet. Nicht, dass das etwas Besonderes gewesen wäre. Schließlich verbrachte sie in letzter Zeit jede Mittagspause in Gesellschaft der beiden. Aber heute war ein besonderer Tag. Jojo hatte sich nämlich bereit erklärt, sie in das große Geheimnis einzuweihen.

Heute würde Megan endlich erfahren, was es mit den ominösen Bones auf sich hatte.

Megan war neugierig. Am liebsten hätte sie Jojo und Phoebe schon während des Unterrichtes ausgequetscht. Doch ausgerechnet heute Vormittag hatte sie keinen Kurs mit den Cousinen gehabt. So hatte sie sich die ganze Zeit über in Geduld üben müssen – und Geduld war nicht unbedingt eine von Megans Stärken.

Jetzt hielt sie es vor Neugierde kaum noch aus. Zwei Tage lang hatte sie auf Jojo eingeredet, bis sie sie endlich erweichen konnte. Am Ende hatte sie ein Argument gefunden, das ihre Freundin überzeugte. Es ganz einfach gewesen: Wenn Jojo glaubte, sie vor Corey warnen zu müssen, hatte Megan ja wohl auch das Recht, den Grund zu erfahren.

Das hatte gewirkt. Zwar hatte Jojo ein Gesicht gezogen, als habe sie gerade in eine Zitrone gebissen, schließlich jedoch eingewilligt. „Aber erst in der Mittagspause, in der Schulcafeteria“, verkündete Jojo und ließ sich nicht weiter erweichen.

Genau dorthin war Megan jetzt gerade so schnell unterwegs, dass sie gute Chancen hatte, die Weltbestzeit im 500-Meter-Lauf zu unterbieten. In der Cafeteria entdeckte sie Jojo und Phoebe dann in einer der hinteren Nischen, die normalerweise von verliebten Pärchen genutzt wurden, die für sich sein wollten. Genau das wollten die Cousinen offensichtlich auch, wenn auch aus anderen Gründen. Was die Geheimniskrämerei sollte, verstand Megan allerdings noch immer nicht. So topsecret konnte die ganze Sache ja nun auch wieder nicht sein!

„Und? Bist du sicher, dass du es hören willst?“, fragte Jojo. „Ich warne dich: Es ist wirklich keine schöne Geschichte.“

Megan verdrehte genervt die Augen. „Du meine Güte! Man könnte ja meinen, diese Bones seien ein Ableger der Mafia, bei dem Gewese, das ihr um sie macht!“

„Das, meine Liebe“, erklärte Phoebe ohne jeglichen Humor in der Stimme, „trifft den Nagel vielleicht nicht genau auf den Kopf, kommt der Wahrheit aber schon bedenklich nahe.“

„Wie bitte?“ Megan starrte sie mit großen Augen an. „Das soll ja wohl ein Scherz sein. Den Unsinn wollt ihr mir nicht wirklich verklickern!“

Doch Jojo nickte mit ernster Miene. „Ehrlich. So weit ab von der Realität ist der Vergleich mit der Mafia tatsächlich nicht. Natürlich in einem viel kleineren Stil, aber immerhin …“

Megan konnte es nicht fassen. Die beiden hatten doch einen Sprung in der Schüssel. Das organisierte Verbrechen! Ausgerechnet in einem Kaff wie Littlebourne? Lächerlich! In New York, ja, da hatte es so etwas gegeben, auch wenn sie selbst damit nie persönlich in Kontakt gekommen war. Aber hier in der tiefsten Provinz? Nein, nein – wenn Jojo und Phoebe ihr einen Bären aufbinden wollten, dann mussten sie sich schon etwas Besseres einfallen lassen.

„Ach, kommt schon“, sagte sie deshalb auch säuerlich. „Ihr wollt mich doch nur auf den Arm nehmen!“

Doch zu ihrer Überraschung wirkten die Cousinen auch weiterhin nicht gerade so, als wollten sie jeden Moment ein Schild mit der Aufschrift „Verstehen Sie Spaß“ hinter ihrem Rücken hervorholen.

Langsam schwante Megan, dass vielleicht doch mehr hinter der Sache steckte. „Das … Das ist tatsächlich kein Joke, oder?“

Phoebe und Jojo nickten. „Wir meinen es todernst. Du kannst uns ruhig glauben. Mit solchen Dingen machen wir keine Witze. Aber es ist kein Wunder, dass du skeptisch bist. Wir wollten zuerst auch nicht daran glauben, dass es die Bones tatsächlich gibt.“

Die Kellnerin trat an den Tisch, und die drei bestellten Coke. Als Jojo und Phoebe anschließend keine Anstalten machte, weiterzusprechen, räusperte sich Megan ungeduldig. „Jetzt kommt schon! Ich will jetzt endlich wissen, was hier gespielt wird, okay? Die ganze Wahrheit!“

Jojo seufzte und nickte dann. „Du hast ja recht. Vielleicht wäre es besser gewesen, dir von Anfang an reinen Wein einzuschenken.“ Sie holte tief Luft. „Also, die Bones sind quasi so eine Art Geheimbund an der Hamilton High. Und geheim heißt wirklich geheim! Es ist purer Zufall, dass wir, also Phoebe und ich, überhaupt davon erfahren haben. Also …“

Es dauerte mindestens eine halbe Stunde, bis Jojo schließlich aufhörte zu reden. Megan hatte sie die ganze Zeit über fassungslos angestarrt. Was ihre Freundin da erzählt hatte, war unglaublich. Ein Geheimbund hier an der Schule! Konnte das wirklich sein? Auf jeden Fall klang es in Megans Ohren megaspannend.

„Wow!“, stieß sie deshalb hervor und pfiff durch die Zähne. „Das ist echt cool!“

„Cool?“ Jojo verschluckte sich beinahe an ihrer Coke, die die Kellnerin inzwischen gebracht hatte. „Sag mal, kann es sein, dass du das alles ein bisschen zu romantisch siehst? Die Bones sind alles andere als cool! Das sind keine Pfadfinder! Glaub mir, die kennen keine Skrupel!“

„Meinst du nicht, dass du das ein bisschen übertreibst?“ Megan blieb weiterhin gelassen.

„Nein, verdammt! Ich übertreibe keineswegs! Mit denen ist nicht zu spaßen. Megan. Sie erpressen von Schülern Schutzgeld und verkaufen Drogen. Und diejenigen, die ihnen nicht in den Kram passen, haben nichts zu lachen!“

„Du meinst … Aber das kann doch nicht sein! Wenn es so wäre, hätte doch sicher schon längst jemand die Polizei eingeschaltet.“

Jojo schüttelte den Kopf. „Die meisten Schüler halten lieber den Mund, wenn’s um die Machenschaften der Bones geht. Im Grunde hat jeder schon mal gerüchteweise von ihnen gehört, aber keiner würde es wagen, etwas gegen sie zu unternehmen. Und denen, die es doch versuchen, ergeht es wie Phoebe.“

„Phoebe?“ Megan blickte Jojos Cousine an. „Aber wieso …?“

Statt zu antworten, klemmte sich Phoebe eine Haarsträhne hinters Ohr und drehte den Kopf, sodass Megan ihr Profil sehen konnte. Zum ersten Mal entdeckte sie die dünne, ausgefranste Narbe, die von Phoebes Schläfe bis knapp unterhalb des Wangenknochens reichte. „Na? Bist du jetzt endlich überzeugt?“

Megan riss die Augen auf. „Ihr wollt mir tatsächlich erzählen, dass die Bones dir das angetan haben? Aber … warum sollten sie denn so etwas tun?“

Phoebe musterte Megan mit schmalen Lippen. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. „Sag doch gleich, dass du mir nicht glaubst! Wahrscheinlich behauptest du auch noch, ich hätte es herausgefordert, was?“

„Nein, ich …“ Bevor Megan etwas erwidern konnte, war Phoebe schon von ihrem Stuhl aufgesprungen, packte ihre Jacke und stürmte kurz daraus nach draußen.

Megan atmete tief durch. Hilfesuchend starrte sie Jojo an. „Ich wollte nicht … Es tut mir leid.“

Jojo zuckte mit den Schultern. „Keine Sorge, die kriegt sich schon wieder ein. Was dieses Thema angeht, ist Phoebe ein wenig empfindlich.“

„Was haben die Bones denn mit ihr angestellt? Haben sie sie verprügelt?“

Jojo lachte freudlos auf. „Und das nicht zu knapp, das kann ich dir sagen. Ich hab die arme Phoebe hinterher kaum wieder erkannt. Aber die körperlichen Wunden waren nicht das Schlimmste. Seelisch wird sie einfach nicht damit fertig. Du hättest sie früher mal erleben sollen! Phoebe hat sich nie etwas bieten lassen. Und vor den Bones wollte sie auch nicht kuschen.“ Jojo hob die Schultern. „Na ja, man sieht ja, was es ihr eingebracht hat. Heute hält sie auch lieber die Klappe.“ Sie sah Megan an. „Keine besonders schöne Geschichte, was?“

„Und ihr seid wirklich sicher, dass …“

„Dass die Bones dahinterstecken?“ Sie schüttelte den Kopf. „Hör mal, ich hab wirklich nicht vor, mich als dein Babysitter aufzuführen. Aber ich mag dich, und ich will nicht, dass du dich in Gefahr bringst. Deshalb sage ich es jetzt noch einmal ganz klar, ob du es nun hören willst oder nicht: Die Bones sind gefährlich, Megan. Sehr gefährlich!“

„Und Corey Ellis?“

Sie hob die Schultern. „Ich weiß nicht. Vielleicht ist er ja wirklich ganz nett. Ich kann das nicht beurteilen, ich kenne ihn kaum. Aber eines weiß ich.“

„Nämlich?“

„Dass er einer von ihnen ist.“ Jojo seufzte. „Hör zu, Megan. Mir ist klar, dass ich dir den Typen nicht ausreden kann. Wie sollte ich auch? Ich sehe doch, dass du bis über beide Ohren in ihn verknallt bist.“ Sie lächelte gezwungen. „Sei einfach vorsichtig, ja?“

Megan winkte ab. „Ja, ja, keine Sorge.“ Doch insgeheim wusste sie ganz genau, dass sie die Warnungen ihrer Freundin in den Wind schießen würde. Auch wenn Jojos Worte sie gerade ziemlich entsetzt hatten – sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass die Bones wirklich so übel sein sollten. Und deshalb fasste sie einen Entschluss: Sie wollte versuchen, dieser Geheimgesellschaft beizutreten. Sollte sich wider Erwarten herausstellen, dass Jojo und Phoebe wirklich nicht übertrieben hatten, blieb ihr immer noch genug Zeit, sich irgendwie wieder aus der Affäre zu ziehen.

Und ansonsten würde sie bald einfach nur in derselben Clique sein wie Corey Ellis.

 

*

 

„Bist du heute Abend zum Essen zu Hause?“, fragte Mrs. Fairchild, als ihre Tochter zwei Tage später nach der Schule nach Hause kam. „Es gibt Chilli con Carne, extra scharf. Na?“

Megan schüttelte den Kopf. „Sorry, Mom. Du weißt, ich sterbe für dein Chilli, aber ich habe heute Abend schon eine Verabredung.“

„Ich wusste doch, dass du dich rasch in Littlebourne eingewöhnen würdest!“ Ihre Mutter lächelte wissend. „Ich nehme an, du hast Freundinnen gefunden. Gibt’s vielleicht auch einen Jungen, der dich interessiert?“

„Mom!“ Megan stöhnte, doch sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. „Na ja, es gibt da schon einen, den ich ganz nett finde“, gab sie notgedrungen zu.

„Das freut mich für dich, Schatz.“ Ihre Mom zwinkerte ihr verschwörerisch zu.

Grinsend ging Megan in ihr Zimmer. Es gab noch eine Menge zu erledigen, und sie hatte nicht mehr viel Zeit. Denn sie war tatsächlich verabredet. Und zwar mit Corey Ellis!

Sie konnte es immer noch nicht so richtig glauben. Ausgerechnet mit Corey Ellis, dem Schwarm aller weiblichen Wesen zwischen sechs und sechzig in Littlebourne, hatte sie heute Abend ein Date!

Nun, es war vielleicht kein richtiges Date. Zumindest keines im romantischen Sinne. Nein, Corey hatte sie nach der Mittagspause in der Schule gefragt, ob sie Lust hatte, mit ihm am Abend im Burger Palace sein Referat in Geschichte durchzugehen. Das war zwar vielleicht nicht unbedingt das, was Megan sich erträumt hatte, aber doch immerhin ein Anfang!

Das Herz klopfte ihr schon bei dem Gedanken bis zum Hals, dass sie sich in einer knappen halben Stunde mit Corey treffen würde. Ihr, ganz allein ihr, würde er seine Aufmerksamkeit widmen. Und sie würde alles daransetzen, um umwerfend auszusehen!

Eilig durchwühlte sie ihren Kleiderschrank auf der Suche nach dem neuen Oberteil, das ihre Mutter ihr am letzten Wochenende aus der Stadt mitgebracht hatte. Es musste doch irgendwo hier sein! Doch sie konnte es einfach nicht finden. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Sie hatte es am Montag, nachdem sie es bekommen hatte, in der Schule getragen. Und in der Cafeteria hatte sie es sich prompt mit ein paar fetten Spritzern Tomatensauce dekoriert. So ein Mist!

Es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich etwas anderes zu suchen. Aber was? Alles andere kam ihr plötzlich altbacken und langweilig vor. Nichts, das unter Corey Ellis’ sicher sehr verwöhnten Augen würde bestehen können.

„Honey?“

„Hm“, brummte Megan geistesabwesend, ohne den Blick vom Inneren des Schrankes abzuwenden.

„Ich dachte, du könntest das hier heute Abend vielleicht gebrauchen.“

Megan blickte erst auf, als ihre Mutter das Zimmer schon wieder verlassen hatte. Und da entdeckte sie es! Das neue schwarze Shirt mit den Trompetenärmeln. Ihre Mutter hatte es gewaschen!

Mom, du bist ein echter Engel, dachte sie und schwor feierlich, ihrer Mutter bei Gelegenheit eine kleine Freude zu bereiten. Dann zwängte sie sich in das enge Shirt und betrachtete ihr Spiegelbild von allen Seiten. Einfach klasse!

„Ja“, murmelte Megan zufrieden. „Besser geht’s nicht.“

 

*

 

„Hey, freut mich, dass du kommen konntest, Meg!“ Corey grinste jungenhaft. „Wow, dein Outfit macht wirklich was her. Schwarz steht dir – betont deine Augen …“

Megan musste sich zusammenreißen, um nicht auf der Stelle vor Freude in Ohnmacht zu fallen. Er hatte sie Meg genannt! Meg! Wenn das kein Zeichen war! Und er hatte ihre Augen bemerkt …

Das Herz pochte ihr bis zum Hals, als sie auf den freien Platz auf der Sitzbank neben ihm rutschte. Beinahe hätte sie dabei mit ihrer Tasche die Flasche Tomatenketchup umgestoßen, die auf dem Tisch stand. Beherrsch dich, Megan!, ermahnte sie sich. Oder willst du dich vor deinem Traumtypen zum kompletten Volltrottel machen?

Sie blickte zu Corey herüber und lächelte nervös. „Tja, womit sollen wir anfangen?“

Corey lachte auf. „Hey, immer langsam! Lass uns doch erstmal was bestellen, ja? Du hast doch hoffentlich Hunger? Ich nämlich auf jeden Fall!“

„Klar … ähm … natürlich … Kein Problem.“

Die Bedienung kam, und sie bestellten. Megan dankte dem lieben Gott dafür, dass Phoebe an diesem Abend keinen Dienst im Palace hatte. Sie konnte sich schon vorstellen, dass Jojos Cousine nicht gerade begeistert gewesen wäre, sie hier zusammen mit Corey anzutreffen.

„Und? Wie gefällt dir Littlebourne?“, erkundigte sich Corey. „Ist nicht gerade der Nabel der Welt, was?“

Megan musste lachen. „Das nun wirklich nicht. Aber es ist halb so schlimm, wie ich zuerst geglaubt hab.“

„Mag sein, aber mit New York kann es wohl nicht mithalten.“ Er legte den Kopf schief und schenkte Megan seine volle Aufmerksamkeit – was diese noch nervöser machte, als sie ohnehin schon war. „Erzähl mir vom Big Apple. Ich wollte schon immer mal dahin. Ist es wirklich so cool, wie es immer heißt?“

Megans Augen glänzten, als sie von ihrer Heimatstadt zu erzählen begann. „Ernsthaft, New York City ist so ziemlich die coolste Stadt, die man sich vorstellen kann!“ Endlich war bei ihr der Knoten geplatzt. Sie redete und redete, ohne überhaupt großartig etwas davon zu bemerken, bis die Kellnerin plötzlich mit der Bestellung vor ihnen stand.

„Weißt du, ich finde dich echt nett“, erklärte Corey zwischen zwei Pommes, die er sich in den Mund schob. „Du bist so anders als die anderen Mädchen in Littlebourne.“

Megan spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Das war nun ganz eindeutig ein Kompliment gewesen. Ein Kompliment von Corey Ellis! Träumte sie etwa?

„Wie auch immer. Mein Geschichtsreferat“, sagte Corey dann. „Ist wirklich nett, dass du für mich mal drüber schauen willst. Ehrlich gesagt ist es mir ein bisschen peinlich. Immerhin bin ich eine Stufe über dir. Aber Geschichte war halt noch nie mein Fall, weißt du?“

„Kein Problem.“ Sie winkte gelassen ab. „Geschichte war schon immer eines meiner Lieblingsfächer. Und die Lehrerin an meiner alten Schule war wirklich ziemlich cool.“

„Echt? Ich steh mehr auf Sport. Baseball und Basketball. Das Übliche eben.“ Er lächelte. „Aber wer weiß? Vielleicht schaffst du es ja, mich zu bekehren und einen echten Geschichtsfreak aus mir zu machen.“

Megan lachte. „Na ja, wenn es dich bis jetzt nicht interessiert hat, werde ich wohl auch nicht mehr viel dran ändern können … Aber worum geht es überhaupt? Dein Referat, meine ich.“

„Sieh es dir am besten selbst mal an.“ Er kramte einen Stapel Papier aus seiner Tasche hervor und reichte ihn Megan.

Die ächzte. „So viel? Wie lang soll das Referat werden? Vier Stunden?“

Corey grinste verlegen. „Nun, ich dachte eigentlich mehr an eine halbe Stunde oder so. Ich fürchte, das meiste von dem, was ich zu Papier gebracht habe, ist ziemlicher Blödsinn.“

„Was soll’s.“ Megan hob die Schultern. „Ich sehe es morgen nach der Schule mal durch. Okay?“

Corey nickte erleichtert. „Sorry, ich wollte dir echt nicht so viel Mühe machen, aber …“

„Kein Ding.“ Sie grinste. „Ich werde wohl kaum Gefahr laufen, etwas Aufregendes zu verpassen, wenn ich mal einen Nachmittag am Schreibtisch verbringe, oder?“

Sie unterhielten sich noch eine Weile über dies und das. Megan spürte, dass Corey ihr immer sympathischer wurde. Was Phoebe und Jojo bloß gegen ihn hatten? Sie konnte beim besten Willen nicht verstehen, warum die beiden so schlecht auf Corey Ellis zu sprechen waren. Soweit sie das beurteilen konnte, war er wirklich ein ziemlich cooler Typ. Und super süß obendrein!

„Willst du mir deine neue Freundin nicht mal vorstellen, Corey?“

Erschrocken zuckte Megan zusammen. Sie hatte überhaupt nicht mitbekommen, dass jemand an ihren Tisch getreten war. Aber bei dem Krach, der im völlig überfüllten Burger Palace herrschte, war das auch kein Wunder!

Auch Corey schien ein wenig überrascht zu sein, lächelte dann aber. „Hey, Uma! Ich dachte, du hast heute Nachmittag Cheerleader-Training?“

Megan erstarrte. Das Mädchen war ihr gleich bekannt vorgekommen – und jetzt wusste sie auch, wieso! Es war Uma Veddic. Und die war, wenn man Phoebes und Jojos Worten Glauben schenken durfte, niemand anderes als Coreys feste Freundin!

Kein Wunder also, dass sie Megan so argwöhnisch musterte, bevor sie sich wieder an Corey wandte. „Die Beleuchtung in der Sporthalle hat den Geist aufgegeben, deshalb mussten wir früher Schluss machen.“ Sie lächelte zuckersüß. „Und da dachte ich mir, wir könnten vielleicht noch was zusammen unternehmen, Babe.“

„Sorry, aber wie du siehst, bin ich bereits anderweitig beschäftigt.“ Er schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. „Mann, wie unhöflich von mir. Megan, das ist Uma. Uma – Megan.“

Megan rang sich ein freundliches Lächeln ab und streckte Uma die Hand entgegen. Doch als sie ihren eisigen Blick bemerkte, ließ sie sie rasch wieder sinken.

Wow, Meg, sieht so aus, als hättest du dir deinen ersten Feind in Littlebourne gemacht. Und das nach so kurzer Zeit!

Doch bevor Corey etwas davon bemerken konnte, hatte Uma auch schon wieder ihr honigsüßes Lächeln aufgelegt. „Na ja, vielleicht können wir ja gleich noch was machen, Darling. Wie lange brauchst du denn hier noch?“ Sie klimperte aufreizend mit den Wimpern. „Meine Eltern sind mit ein paar Freunden zum Bowling. Vor elf sind sie auf keinen Fall zurück.“

„Ein anderes Mal vielleicht, okay? Das hier kann noch ‘ne Weile dauern, und es wäre doch sehr unhöflich, Meg jetzt einfach sitzen zu lassen, findest du nicht?“

Megan wollte gerade widersprechen – natürlich aus purer Höflichkeit, denn sie war nicht gerade scharf darauf, dieser unfreundlichen Uma kampflos das Feld zu überlassen –, als sie sah, wie Corey kaum merklich mit dem Kopf schüttelte.

Uma schürzte sie die Lippen, wandte sich abrupt ab und stolzierte davon. Als sie außer Sichtweite war, lachte Corey.

„Uma kann echt eine Nervensäge sein.“ Er zwinkerte Megan zu. „Dieses ewige Honey, Darling, Babe … Na, du weißt schon, was ich meine. Irgendwie glaubt sie wohl, dass da was zwischen uns läuft. Ist mir völlig schleierhaft, wieso …“

Megan horchte auf, bemühte sich aber, sich ihre Aufregung nicht anmerken zu lassen. „Und das … tut es nicht?“, fragte sie betont beiläufig. „Entschuldige, ich weiß, eigentlich geht’s mich nichts an. Aber ich dachte auch, dass … na ja, dass ihr miteinander geht.“

„Uma und ich?“ Corey riss die Augen auf. „Wie kommst du denn darauf? Okay, sie sieht ganz nett aus, aber um ehrlich zu sein, ist sie irgendwie nicht auf meiner Wellenlänge. Ich kann mich mit mir ihr nicht halb so gut unterhalten wie mit dir.“

Megan fühlte sich geschmeichelt, aber sie wollte es ihm nicht zu deutlich zeigen. Versonnen grinsend, spielte sie mit einer Strähne ihres langen, kastanienfarbenen Haares. Sie war froh, dass Corey nicht auf Uma stand. Wirklich sehr froh! Denn das hieß, dass sie vielleicht doch eine gute Chance bei ihm hatte. Offensichtlich war er ja nicht vollkommen uninteressiert an ihr …

„Was ist los?“, riss Corey sie aus ihren Gedanken. „Du bist plötzlich so schweigsam.“

Megan winkte ab. „Ach, es ist nichts. Entschuldigst du mich kurz? Ich muss mal für kleine Königstiger.“

Sie bahnte sich einen Weg durchs Palace, was bei dem herrschenden Gedränge nicht ganz einfach war. Es schien wirklich, als habe sich die ganze Jugend von Littlebourne im Diner versammelt. Erleichtert atmete sie auf, als sie endlich die Waschräume erreichte, doch das war wohl ein bisschen zu voreilig. Drinnen war es nämlich beinahe genauso voll wie draußen!

Gerade als es ihr gelang, einen freien Platz am Spiegel zu ergattern, um ihr Make-up ein bisschen aufzubessern, verpasste ihr jemand einen unsanften Schubs gegen die Schulter.

Erschrocken wirbelte Megan herum – und blickte direkt in Uma Veddics Funken sprühende Augen!

„Hey, Miststück!“ zischte sie boshaft. „Glaubst du im Ernst, dass du mir so einfach meinen Freund ausspannen kannst? Da hast du dich aber böse geschnitten, meine Liebe!“

Megan reckte kämpferisch das Kinn vor. „Sag mal, was willst du eigentlich von mir? Zu deiner Information: Corey hat mich gefragt, ob ich ihm bei seinem Geschichtsreferat helfe.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Und übrigens, von wegen Freund – Corey scheint das ein klein bisschen anders zu sehen …“

Uma kniff die Augen zusammen. „Was meinst du?“

„Na, dass ihr miteinander geht. Jedenfalls hat er mir vorhin klipp und klar gesagt, dass er nicht mit dir zusammen ist! Also, lass mich gefälligst in Ruhe, okay?“

Damit ließ sie die wutschnaubende Uma einfach stehen und stürmte aus dem Waschraum.

 

*

 

„Hey, Megan! Hab gehört, du hattest gestern Abend ein Date mit Corey Ellis?“

Megan verdrehte genervt die Augen. „Mein Gott, lässt du mich jetzt etwa auch schon beschatten, oder was?“

Jojo lachte und nahm einen weiteren Bissen von ihrem Donut, bevor sie weitersprach. „Um ehrlich zu sein, das war gar nicht nötig. Die ganze Schule spricht schon davon, Sweetheart!“

„Wie bitte?“ Megan verschluckte sich um ein Haar an ihrer Coke. „Wieso denn das? Gibt’s denn in diesem Kaff hier nichts Spannenderes? Außerdem, nur zu deiner Info: Ich hatte gar kein Date mit Corey. Ich habe lediglich mit ihm an seinem Geschichtsreferat gearbeitet.“

„Ja, klar“, erwiderte Jojo grinsend. „Und? War’s wenigstens nett mit Mister Unwiderstehlich? Ich meine, wenn du meine Warnungen schon allesamt in den Wind schlägst …“

Megan wollte protestieren, doch irgendwie brachte sie nur ein ziemlich dümmliches Grinsen zustande. „Na ja, um ehrlich zu sein, es war schon ganz nett …“

„Du musst selbst wissen, was du tust.“

„Was soll das denn schon wieder heißen?“

„Nichts weiter.“

Ärgerlich verschränkte Megan die Arme vor der Brust. „Nichts? Hör mal, du kannst mir ja viel erzählen, aber das nun wirklich nicht! Los, rück schon raus mit der Sprache: Was hast du diesmal für Horrorstorys über Corey auf Lager?“

Jojo wurde schlagartig ernst. „Hey, wenn du keinen Wert auf meine Meinung legst, dann sag’s das nächste Mal gleich, okay? Ich meine es nur gut mit dir. Und diese so genannten Horrorstorys sind alle wahr.“ Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. „Ob du’s nun hören willst oder nicht.“

Megan winkte ab. Sie mochte Jojo, sehr sogar. Und sie war wirklich froh, in ihr eine Freundin gefunden zu haben. Aber diese ganzen Geschichten über Corey Ellis hingen ihr langsam aber sicher zum Halse raus. Corey war der süßeste Typ, dem sie in ihrem ganzen Leben über den Weg gelaufen war. Sie wollte diesen ganzen an den Haaren herbeigezogenen Unsinn über ihn nicht hören. Andererseits fragte sie sich erneut, warum Jojo und Phoebe so einen Unsinn erzählen sollten. Was versprachen sie sich davon?

Megan schüttelte den Kopf. Die ganze Grübelei brachte sie auch nicht weiter. Wenn sie es schaffte, bei den Bones einzusteigen, würde sich wahrscheinlich bald alles von ganz allein aufklären.

Leider hatte sie aber noch nicht die geringste Ahnung, wie sie das anstellen sollte.

 

*

 

Megan saß am Küchentisch und stocherte lustlos mit der Gabel in ihrem Frühstücksspeck. Früh aufstehen war noch nie ihr Fall gewesen, und mehr als eine trockene Scheibe Toast brachte sie vor zehn Uhr selten herunter. Ihre Mutter schien das nicht zu interessieren. Sie wurde es einfach nicht müde, ihrer Tochter die verschiedensten Leckereien vorzusetzen, um sie zum Essen zu animieren. Viel erreichte sie damit allerdings nicht. Schon gar nicht an diesem Morgen …

Seit Tagen versuchte Megan nun schon alles Mögliche, um irgendwie mit den Bones in Kontakt zu treten. Zuerst hatte sie auf gut Glück ein paar Leute angesprochen, aber recht schnell bemerkt, dass das nicht viel Sinn machte. Immer wenn sie das Thema Bones zur Sprache brachte, hatten es plötzlich alle ganz furchtbar eilig. Ein paar redeten seitdem nicht einmal mehr mit ihr. Deshalb war sie dazu übergegangen, einfach die Ohren offen zu halten. Die Existenz der Geheimgesellschaft war eine Art offenes Geheimnis – Megan konnte sich nicht vorstellen, dass keiner hinter vorgehaltener Hand darüber sprach. Das Dumme war nur: Sie bekam einfach nicht das Geringste davon mit. Es war zum Verzweifeln!

Einmal hatte sie es sogar gewagt, Corey höchstpersönlich zu fragen. Er war der einzige Mensch, von dem sie wusste – oder zumindest zu wissen glaubte –, dass er zu den Bones gehörte. Doch ihr Schwarm hatte bloß wissend gelächelt und eine Sekunde später einfach das Thema gewechselt. Wahrscheinlich wollte er, dass sie es aus eigener Kraft schaffte, und im Grunde wollte Megan das ja auch. Nicht zuletzt machte sie sich die ganze Mühe ja vor allem, um ihren Traumtypen zu beeindrucken.

Jetzt war Megan allerdings kurz davor, schlicht und einfach aufzugeben. Sie hatte ja geahnt, dass es schwer werden würde, mit den Bones Kontakt aufzunehmen. Schließlich handelte es sich um eine Geheimgesellschaft – da lag es in der Natur der Sache, dass die Mitglieder ihre Mitgliedschaft nicht einfach in der Gegend herumposaunten. Trotzdem war sie enttäuscht. Sie wollte dazugehören – unbedingt! Schon allein, um Jojo und Phoebe zu beweisen, dass ihr ganzes Gerede weder Hand noch Fuß hatte.

„Alles in Ordnung mit dir, Honey?“

„Was?“

Ihre Mutter musterte sie besorgt. „Ich fragte, ob mit dir alles in Ordnung ist.“

Megan machte eine wegwerfende Handbewegung. „Sicher, Mom. Bei mir ist alles klar.“ Sie lächelte entschuldigend. „Mach dir keine Sorgen, ich hab einfach keinen besonders großen Hunger.“

 

*

 

Vierte Unterrichtsstunde – Französisch.

Megan langweilte sich fast zu Tode. Nicht, dass sie Französisch nicht mochte. Im Gegenteil, an ihrer alten Schule in Manhattan waren Fremdsprachen sogar immer ihre besondere Stärke gewesen. Aber an der Hamilton High wehte ein gänzlich anderer Wind.

Der Grund hierfür war die hiesige Lehrerin, eine rundliche Matrone in den Fünfzigern mit Namen Madame Gernault. Mit ihrer monotonen Leierstimme schaffte sie es spielend, ihre Schüler in den Schlaf zu wiegen. Zudem hatte Megan das Meiste von dem, was hier auf dem Stundenplan stand, schon in ihrem zweiten Jahr auf der High School gelernt. Das machte die Sache auch nicht gerade aufregender.

Doch Madame Gernault kannte keine Gnade.

„Encore une fois, mes enfants. Comment tu t’apelle?“

„Comment tu t’apelle“, echote die Klasse gelangweilt.

„Et votre response?“

Megan war kurz davor, ihrer Müdigkeit nachzugeben, als sie ein leises Flüstern vernahm. „Ist die Alte nicht einfach tödlich?“

Verwundert blickte sie sich um. Das rothaarige Mädchen in der Bank neben ihr lachte leise. „Ich kann auch nichts dafür. Jedes Mal, wenn ich der Gernault länger als fünf Minuten zuhöre, fallen mir die Augen zu.“ Sie zwinkerte Megan zu. „Mein Name ist Heather. Heather O’Brian. Und du bist Megan, stimmt’s?“

Megan blinzelte überrascht. „Ja, stimmt. Ich hätte nicht erwartet, dass irgendjemand sich meinen Namen gemerkt hat.“

„Na hör mal! Littlebourne ist ein Dorf! Und wer mit Corey Ellis ausgeht, ist an der Hamilton High ohnehin bekannt wie ein bunter Hund!“

„Ich gehe nicht mit …“ Megan hatte gerade protestieren wollen, als Madame Gernault sich vernehmlich räusperte.

„Ich muss doch sehr bitten, meine Damen! S’il vous plaisez!“ 

Megan und Heather schauten sich kurz an, dann kicherten sie leise. Endlich erklang das heiß ersehnte Schrillen der Schulglocke. Nebeneinander traten die beiden Mädchen auf den Korridor hinaus.

„Isch muuss doch seeehr biiitten“, äffte Heather die Französischlehrerin nach. „Ehrlich, das war die beste Französischstunde seit langem.“ Sie hielt inne – und schüttelte den Kopf. „Nein, das ist nicht wahr – es war bislang die einzig erträgliche Unterrichtsstunde der Gernault überhaupt!“

Lauthals lachend erreichten sie die Schließfächer. „Und? Wie ist er so? Corey, meine ich.“ Heather seufzte schwer. „Mensch, du hast wirklich das große Los gezogen, weißt du das? Jedes Girl auf der Hamilton träumt von einem Date mit ihm! Ich schwör dir: jedes!“

Megan lächelte. „Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, Heather. Aber zwischen mir und Corey läuft nichts.“

„Nicht? Aber ich dachte …“ Dann zuckte sie mit den Achseln. „Ist ja auch egal.“ Wie zufällig stieß sie Megan an, sodass ihr eines der Bücher herunterfiel, die sie gerade aus ihrem Schließfach genommen hatte. „Oh, sorry! Warte, ich heb es sofort für dich auf.“

Heather nahm das Buch vom Boden auf und reichte es Megan. Dann warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr und rief: „Mein Gott! So spät schon? Sorry, ich muss los. Hat mich gefreut, dich kennen zu lernen.“

Sie winkte ihr noch kurz zu und stürmte dann über den Korridor in Richtung Eingangshalle. Megan krauste irritiert die Stirn. Heather schien wirklich ganz nett zu sein, aber ihr plötzlicher Aufbruch war schon ein bisschen merkwürdig gewesen …

Nachdenklich schob sie die Bücher, die sie für die nächste Stunde nicht benötigte, zurück in den Spind. Dabei rutschte ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus dem Stapel heraus und fiel zu Boden. Megan stutze. Sie konnte sich nicht erinnern, das Papier jemals zuvor gesehen zu haben. Und doch war es zwischen ihren Schulbüchern gewesen.

Seltsam …

Sie beugte sich hinunter und schnappte sich das Blatt vom Boden, bevor es unter die Füße eines anderen Schülers geraten konnte. Dann faltete sie es auseinander und keuchte überrascht, als sie die in seltsam verschnörkelter Schrift verfassten Zeilen las:

 

Wenn düstere Schatten die Sonne verdunkeln

Wenn glühende Augen in der Finsternis funkeln

Verzweifle nicht, Bruder! Schwester fürchte dich nicht!

Die Gemeinschaft hält schützend ihre Hand aus Knochen über dich …

 

Du willst also zu uns gehören? Erweise dich als würdig – bestehe die

Prüfung! Heute, Punkt Mitternacht, an der alten Mühle.

Sei pünktlich – es gibt keine zweite Chance!

Bones

 

Minutenlang starrte Megan den Zettel an. Sie wusste nicht, ob sie sich freuen oder besser ängstlich sein sollte. Das war ihre große Chance! Die Bones wollten sie, Megan Fairchild, in ihrer Gruppe haben.

Und doch verblieb ein Rest von Unbehagen.

Bestehe die Prüfung … Das klang in Megans Ohren nicht besonders Vertrauen erweckend. Irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass diese Prüfung keiner gleichkam, die sie bisher abgelegt hatte. Und doch dachte sie nicht daran, sich diese Gelegenheit entgehen zu lassen. Sie wollte schließlich dazugehören. Sie wollte es unbedingt. Und sie war bereit, alles dafür zu tun – und wenn sie lebende Regenwürmer essen musste! Wenn andere es vor ihr geschafft hatten, würde sie ganz sicher nicht scheitern.

Und ganz offensichtlich hatten es andere geschafft. Heather zum Beispiel. Denn wer sollte den Zettel sonst zwischen ihren Büchern versteckt haben? Keine Frage, sie musste es gewesen sein. Merkwürdig, dachte Megan. Sie hätte mich doch auch einfach ansprechen können …

„Ich an deiner Stelle wäre vorsichtig.“

Erschrocken fuhr sie herum, konnte jedoch zunächst niemanden entdecken. Dann erblickte sie im Schatten der Schließfächer einen dunklen Umriss. Sie kniff die Augen zusammen, trat näher – und blickte in das Gesicht eines Jungen, den sie nie zuvor gesehen hatte.

Er war ziemlich attraktiv. Cool lehnte er mit dem Rücken an der Wand, einen Fuß gegen dieselbe gestemmt, und musterte Megan interessiert.

Die knüllte hastig den Zettel zusammen und stopfte ihn in die Taschen ihrer Jeans. Dann funkelte sie den Jungen wütend an. „Sag mal, hast du sie noch alle, mich so zu erschrecken? Ich hätte beinahe einen Herzanfall gekriegt!“ Sie stemmte die Fäuste in die Seite und reckte sich kampfbereit. „Und überhaupt: Was willst du eigentlich von mir?“

Der Typ lächelte. In seinen klaren, wasserblauen Augen blitzte es amüsiert. „Jetzt komm mal wieder runter, okay? Ich habe dir lediglich einen guten Rat gegeben. Was du damit anfängst, ist ganz allein deine Sache.“ Mit einer lässigen Geste fuhr er sich durch das mattschwarz glänzende Haar, das aussah, als wäre er gerade erst unter der Bettdecke hervorgekrochen. „Na ja, ich wollte es dir bloß gesagt haben.“

„Wovon sprichst du überhaupt? Ich habe nicht den leisesten Schimmer, was du mir zu sagen versuchst!“

„Hör mal, es kann mir ja eigentlich ziemlich egal sein. Ich kenn dich schließlich nicht. Aber es ist nicht mein Ding, andere blindlings in ihr Verderben laufen zu lassen. Deshalb noch einmal: Lass die Finger davon – oder du wirst sie dir früher oder später verbrennen.“

Er zwinkerte Megan zu und tauchte in der Menge der Schüler unter, die zum Ende der Pause in Richtung der Klassenräume stürmten.

Ratlos schüttelte Megan den Kopf. Merkwürdiger Kerl …

Merkwürdig, aber gleichzeitig auch ziemlich süß!

Aber was wollte er wirklich von ihr? Megan konnte sich keinen Reim darauf machen. Er konnte den Zettel, den Heather ihr untergeschoben hatte, unmöglich gesehen haben. Und selbst wenn – die Schrift war so klein, dass er sie auf keinen Fall hätte entziffern können!

Sie hob die Schultern. Warum sollte sie sich darüber den Kopf zerbrechen? Sie hatte das erreicht, worauf sie es die ganze Zeit abgesehen hatte. Sie hatte Kontakt zu den Bones. Endlich. Und deshalb würde sie auch den Teufel tun, sich von dem Gerede eines wildfremden Typen von irgendetwas abbringen zu lassen!

 

*

 

„Mann, ich dachte schon, der Tag geht gar nicht mehr rum!“ Jojo trat neben Megan aus dem Gebäude der Hamilton High auf den verschneiten Pausenhof. „Sag mal, hast du Lust, heute Abend mit ins Kino nach Dixby zu kommen? Meine Schwester Pam nimmt uns mit.“ Jojo grinste. „Blieb ihr allerdings auch nichts anders übrig, nachdem ich meiner Mom so lange in den Ohren gelegen habe, bis sie sie quasi gezwungen hat!“ Sie runzelte die Stirn. „Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?“

„Hm?“ Irritiert blickte Megan auf. „Sorry, was hast du gesagt?“

Jojo runzelte die Stirn. „Sag mal, was ist eigentlich los mit dir? Du bist schon den ganzen Tag so schweigsam. Hast du was?“

„Quatsch.“ Megan winkte ab. „Ich hatte einfach eine schlechte Nacht. Zu viel Cola, weißt du? Es muss drei Uhr gewesen sein, bevor ich endlich ein Auge zugekriegt habe.“

Jojo nickte wissend. „Kenn ich. Das heißt dann wohl, dass du heute Abend nicht unbedingt scharf auf Kino bist, was? Schade, es laufen ein paar tolle neue Filme …“

„Sorry, Jojo. Ein anderes Mal vielleicht.“ Megan gähnte, obwohl sie in Wirklichkeit topfit war. „Ich hau mich am besten gleich nach der Schule in die Falle. Dann bin ich vielleicht wenigstens morgen wieder zu gebrauchen.“

„Hast wahrscheinlich recht. Schade ist’s trotzdem. Phoebe kommt nämlich auch mit.“

„Und sie wusste, dass du vorhast, mich auch mitzunehmen?“, fragte Megan erstaunt. „Ist sie denn gar nicht mehr sauer auf mich?“

„Ach was! Phoebe mag ja ziemlich schnell auf die Palme zu bringen sein, dafür regt sie sich aber auch genauso schnell wieder ab. Mach dir also deshalb mal keine Sorgen, okay?“

„Wenn du meinst.“

„Glaub mir! Ich kenn mein Cousinchen in und auswendig. Man kann Phoebe ja einiges nachsagen, aber nachtragend ist sie ganz gewiss nicht!“

„Okay, aber heute Abend wird’s leider wirklich nichts. Bin echt zu kaputt.“

Jojo zuckte mit den Schultern. „Kann man nichts machen.“

Megan war erleichtert – auch wenn sie jetzt ein ziemlich schlechtes Gewissen hatte. Es gefiel ihr ganz und gar nicht, ihrer neuen Freundin etwas vorzumachen. Jojo war die beste Freundin, die sich ein Mädchen wünschen konnte. Trotzdem konnte und wollte Megan ihr nichts von ihrer Aufnahmeprüfung bei den Bones erzählen. Es hätte Jojo nicht nur nicht gefallen – sie wäre schlichtweg ausgeflippt! Und vielleicht hatte sie ja auch recht, aber Megan wäre nicht sie selbst gewesen, hätte sie sich so leicht von einem einmal gefassten Vorhaben abbringen lassen.

Sie würde ein Bone werden. Und wenn sich Jojo auf den Kopf stellte! Aber Megan musste es ihr ja auch nicht unbedingt auf die Nase binden.

Vor ihrem Haus angekommen, verabschiedete sie sich von Jojo. Sie ging, nachdem sie ihrer Mutter kurz hallo gesagt hatte, sofort in ihr Zimmer. Dort warf sie sich aufs Bett und starrte die Decke an. Sofort verfiel sie wieder in dumpfes Grübeln. Dabei wanderte ihre Hand wie unbewusst immer wieder zu dem Zettel in ihrer Hosentasche.

Die Stunden bis Mitternacht kamen ihr unendlich lang vor.

 

*

 

Halb zwölf.

Megan lauschte angestrengt in die Finsternis. Ihre Mutter war bereits vor gut einer halben Stunde zu Bett gegangen. Seitdem lag das Haus dunkel und verlassen da. Außer dem leisen Knacken und Knirschen des Gebälks und dem eisigen Wind, der um die Häuser strich, war kein Laut zu hören. Es war, als habe die Welt um Megan herum einfach aufgehört zu existieren. Aber das war natürlich Blödsinn! Es war kurz vor Mitternacht – in einem kleinen Ort wie Littlebourne lagen um diese Zeit die meisten braven Bürger schon in den Federn und schliefen den Schlaf der Gerechten.

So auch Megan. Unter normalen Umständen jedenfalls.

In dieser Nacht jedoch war alles ein wenig anders als normal. Megan hatte noch eine Verabredung. Und sie gedachte, diese auch einzuhalten.

Sie schlug die Bettdecke beiseite, unter der sie bereits seit Stunden vollständig angekleidet gelegen hatte. Das leise Quietschen der Bettfedern erschien ihr in der Stille ohrenbetäubend laut. So behutsam wie möglich schlich sie zur Tür und öffnete sie einen Spalt weit.

Alles blieb still.

Megan atmete auf.

Eisige Luft schlug ihr entgegen, als sie durch die Hintertür in den Garten hinaustrat. Es hatte vor ein paar Stunden aufgehört zu schneien, aber der Boden war noch immer mit einer dichten Schneeschicht bedeckt, die die Geräusche ihrer Schritte verschluckte.