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Kaum hat Lee-Ann das Haus ihrer Tante betreten, beschleicht sie ein ungutes Gefühl. Schon bald hört sie unheimliche Geräusche und fühlt sich beobachtet. Doch keiner nimmt sie ernst. Als sie ihren Cousin Mike tot auf der Veranda findet, glaubt sie nicht an einen Unfall. Und tatsächlich - kurz darauf wird auch auf sie ein Anschlag verübt, dem sie nur knapp entkommen kann. Panisch rennt sie zum Telefon, aber mit Entsetzen hört Lee-Ann nur die mit heiserer Stimme ausgesprochene Drohung: "Ihr werdet alle sterben!" Dann ist die Leitung tot ... Lernt jetzt mit dieser Kurzgeschichte die Erfolgsserie "Deadman's Landing" von Dana Kilborne kennen! Alle Romane dieser Reihe sind einzeln und unabhängig voneinander lesbar.
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Seitenzahl: 43
Wie ein düsterer Gigant überragte das große Haus auf dem Hügel alle anderen Gebäude von Dedmon‘s Landing und warf, wenn die Sonne an einem bestimmten Punkt im Nordosten stand, seinen finsteren Schatten über die gesamte Ortschaft. Der einst weiße Anstrich war im Laufe der Jahrzehnte immer mehr verblichen, sodass die Fassade jetzt in einem schmutzigen Grauton schimmerte. Dieser Eindruck wurde noch dadurch verstärkt, dass die Farbe an vielen Stellen abblätterte. Aus der Ferne betrachtet wirkte das dunkle Holz, das darunter zum Vorschein kam, wie ein wucherndes Geschwür auf dem blassgrauen Körper eines Kranken.
Lee-Ann Mackenzie erschauderte wie jedes Mal, wenn ihr Dad den Wagen durch das breite, windschiefe Tor steuerte, das die einzige Zufahrt zu dem von einem hohen Holzzaun umgebenen Gelände des Hidden Hall bildete. Seufzend warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr. Seit sechs Tagen, drei Stunden und fünfzehn Minuten hielten sich ihr Vater, ihre Mutter und sie selbst nun schon an diesem schrecklichen Ort auf. Lee-Ann wusste das deshalb so genau, weil ihr jede einzelne Sekunde wie eine Ewigkeit vorkam. Das Haus hatte etwas an sich, das sie beunruhigte. Es besaß die Aura eines Gebäudes, in dem sich in der Vergangenheit furchtbare Dinge zugetragen hatten. Allerdings schien sie das als Einzige so zu sehen.
»Dieses Haus ist ein echter Traum«, schwärmte Mrs. Mackenzie und sah ihren Mann an. »Ich finde es wirklich beeindruckend, was dein Bruder Warren und seine Frau aus dem alten, verfallenen Kasten gemacht haben, der das Hidden Hall früher war. Ich würde Gwen sogar glatt darum beneiden, wenn das Schicksal ihr ansonsten nicht so übel mitgespielt hätte.«
»Ich weiß, was du meinst«, erwiderte Lee-Anns Dad düster. »Ich kann immer noch nicht fassen, dass Warren tatsächlich tot sein soll. Er war doch gerade einmal ein paar Jahre älter als ich. Wie viel Energie er in die Renovierung dieses Hauses gesteckt hat. Und dann dieser schreckliche Unfall! Wenn ich bloß wüsste, wie wir Gwen und Mike helfen könnten.«
Lee-Ann seufzte. Mike war der Sohn ihrer Tante Gwen und ihres verstorbenen Onkels, und somit ihr Cousin. Sie wusste, dass er in der letzten Zeit viel durchgemacht hatte und mit den Nerven ganz schön runter sein musste, aber trotzdem wollte es ihr nicht gelingen, ihn auch nur ein bisschen sympathisch zu finden. Nein, Mike war ein echter Kotzbrocken, so viel stand fest. Er war zwei Jahre älter als sie, also achtzehn, und ungefähr so sanftmütig und liebenswert, wie er aussah – nämlich gar nicht. Mike war ein echter Chaot, der es sich vorgenommen zu haben schien, ihr das Leben schwer zu machen.
Schon seit sie mit ihren Eltern vor knapp einer Woche in Dedmon‘s Landing angekommen war, ärgerte er sie, wo er nur konnte. Natürlich tat es ihr leid, dass er seinen Vater verloren hatte, aber er schien damit eigentlich sehr gut zurechtzukommen. Für ihn hätte ihr Dad sie jedenfalls nicht vierzehn Tage vor Beginn der Ferien aus der Schule nehmen müssen. Es mochte sein, dass Tante Gwen im Augenblick ihre Unterstützung brauchte, Mike ganz bestimmt nicht.
Wenn man vom Teufel spricht! Lee-Anns Dad hatte den Wagen kaum in der kleinen Parkbucht seitlich des Hidden Hall abgestellt, als Mike auf die Veranda hinaustrat.
»Hey, Blondie, da bist du ja wieder«, sagte er, als Mr. und Mrs. Mackenzie schon im Inneren des Hauses verschwunden waren. Er packte Lee-Ann am Oberarm und zog sie zu sich heran.
Angewidert verzog sie das Gesicht. »Lass mich los«, zischte sie und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, aber er hielt sie eisern fest.
»Jetzt sei mal nicht so abweisend, Blondie.« Er grinste breit. »Du bist schließlich hier, um mich aufzuheitern, oder nicht? Also, bemüh dich mal ein bisschen.«
»Hast du mich nicht verstanden?« Energisch streckte sie das Kinn vor. »Du sollst mich loslassen, sonst …«
»Sonst was, Blondie?« Er lachte gehässig, doch gleichzeitig spürte Lee-Ann, wie sich sein Griff lockerte. Sie riss sich los und rannte ins Haus. Frustriert warf sie sich in ihrem Zimmer aufs Bett und starrte an die Decke, die von hässlichen Wasserflecken bedeckt war. Eines stand fest, lange würde sie es in diesem schrecklichen Haus nicht mehr aushalten. Außerdem hatte sie sich so ihre Sommerferien wirklich nicht vorgestellt! Zum Glück fand morgen Onkel Warrens Beerdigung statt, danach waren es höchstens noch ein paar Tage, bis sie mit ihren Eltern wieder nach Hause fuhr.
Mit diesem Hoffnungsschimmer schloss sie die Augen, und schon ein paar Minuten später war sie eingeschlafen.
Im Korridor war es stockdunkel, obwohl die altmodischen Leuchter, die alle paar Meter an der Wand hingen, brannten. Aber irgendwie schien das Licht, das sie erzeugten, von der Dunkelheit aufgesaugt zu werden.
Lee-Ann stand in der Tür zu ihrem Zimmer und spähte angestrengt in die Finsternis. Sie fühlte sich mehr als unbehaglich. Irgendetwas lag in der Luft. Der Korridor – ach was, das ganze Haus! – war immer düster und bedrückend, doch etwas war anders. Nur was?