Dana Kilborne ebundle #6 - Dana Kilborne - E-Book
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Dana Kilborne ebundle #6 E-Book

DANA KILBORNE

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Beschreibung

3 Winterkrimis von Dana Kilborne in einem Band zum Sparpreis!

Dieser Sammelband enthält die folgenden Jugendthriller:

Rache für Mommy!
Beverly ist genervt: Sie muss sich von ihrem Freund verabschieden, weil ihre Mutter auf die dämliche Idee kommt, mit ihr aus der Stadt in ein kleines Kaff zu ziehen. Doch was zunächst langweilig klingt, entpuppt sich schon bald als mörderisch gefährlich! Mehrmals wird bei ihnen zu Hause eingebrochen, und dann werden sogar zwei Mädchen, die Beverly gerade erst kennengelernt hat, tot aufgefunden! Beverly ist geschockt. Steckt etwa der entflohene Sträfling dahinter, vor dem ständig in den Nachrichten gewarnt wird? Bevor sie das Rätsel lösen kann, schwebt sie bereits selbst in tödlicher Gefahr ...

Schneeweißer Tod
Das Hecheln der wütenden Hunde, die Schreie ihres Freundes Preston ... Panikattacken quälen Jinx seit jenem schrecklichen Tag vor drei Jahren! Ein Aufenthalt in der Klinik Candlewick Hall scheint die letzte Rettung. Doch auf der verschneiten Burg in Schottland ist die Zeit ihrer Angst noch nicht vorbei – sie beginnt erst richtig! Denn aus der geschlossenen Abteilung bricht ein Serienmörder aus, und ein Mädchen wird ermordet. Bei der Leiche entdeckt man einen Zettel mit Zeilen aus einem schottischen Kinderlied. Jinx ist wie erstarrt vor Angst. Genau dieses Lied hat Preston ihr immer vorgesungen ...

Weihnachtstod
Fest der Liebe – Fest des Todes!
Vier Jahre ist es her, seit Scarlett von einem Wintertag auf den anderen spurlos verschwand und erst zwei Monate später wieder auftauchte. Heute weiß sie nur noch, dass sie damals als Weihnachtswichtel verkleidet war. Und dass sie in der Vorweihnachtszeit immer eine entsetzliche Angst beschleicht – zu Recht! Denn plötzlich erhalten sie und ihre Freunde an der Uni makabre Weihnachtspäckchen. Scarlett ist sicher: Der Schlüssel zu dem Psychoterror liegt in ihrer Vergangenheit. Doch bevor sie das Rätsel lösen kann, geschieht ein Mord ...

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Dana Kilborne

Dana Kilborne eBundle #6

 

 

 

Inhalt

 

Dana Kilborne eBundle #6

Inhalt

Rache für Mommy!

Schneeweißer Tod

Weihnachtstod

Impressum

 

 

Dana Kilborne

Rache für Mommy!

 

 

 

 

Jennifer Darcy hätte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass ausgerechnet ER ein Tagebuch führte. Das passte doch gar nicht zu ihm. Entsprechend groß war die Überraschung gewesen, als sie es vorhin in seiner Schreibtischschublade entdeckt hatte.

Unschlüssig blickte sie das kleine Büchlein an. Sollte oder sollte sie nicht? Einerseits war ihr klar, dass man so was nicht machte, andererseits war sie schon immer ziemlich neugierig gewesen. Bereits als Vierjährige hatte sie ihr gesamtes Elternhaus auf der Suche nach den Weihnachtsgeschenken abgesucht, weil sie die Bescherung nicht abwarten konnte.

Ach, was soll's! Sie warf die letzten Zweifel über Bord und schlug das Büchlein auf. Er wird mich schon nicht gleich lynchen, wenn ich mal einen Blick hineinwerfe.

Sie hatte noch nicht einmal das erste Wort gelesen, als sie plötzlich innehielt. War da nicht etwas gewesen? Ein Geräusch?

Im nächsten Moment flog die Tür auf. Vor Schreck ließ Jennifer das Tagebuch fallen.

„Du?“, fragte sie verwirrt. „Was machst du denn schon wieder hier? Ich dachte, du wolltest …“

„Das hättest du nicht tun sollen.“ Er deutete auf das Tagebuch, und plötzlich wurde Jennifer schlecht. Sie spürte, dass er sauer war. Richtig sauer. So hatte sie ihn noch nie erlebt. „Du hättest wirklich nicht in meinen Sachen schnüffeln sollen, Kleines.“

„Ich … ähm … Ich hab nur nach einer Tablette gesucht“, stammelte sie. „Du weißt doch, meine Kopfschmerzen. Und da wollte ich …“

Erschrocken riss sie die Augen auf, als er nun ins Zimmer kam und die Tür hinter sich schloss. „Was … was hast du denn jetzt?“, fragte sie. Ihr Atem ging gepresst.

Doch er sagte nichts mehr. Kein Sterbenswörtchen. Dafür kam er langsam, ganz langsam auf sie zu. Immer weiter und weiter.

Jennifer wich zurück, doch sie kam nicht weit. Schon nach wenigen Schritten spürte sie die Wand im Rücken. „Hör mal, ich hab auch noch kein Wort gelesen“, versicherte sie hastig. „Und so schlimm ist es ja wohl auch nicht, wenn ich mal einen Blick …“

Blitzartig legten sich seine Hände um ihren Hals.

Jennifer schrie auf. „Was …?“

Doch sie kam nicht mehr dazu, die Frage zu Ende zu stellen, denn da begann er auch schon, fester zuzudrücken.

Angsterfüllt starrte sie ihn an. Seine Augen waren kalt und gefühllos, der Blick starr.

Jennifer wollte schreien, um Hilfe rufen, doch nur ein leises Krächzen verließ ihre raue Kehle. Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, hatte aber keine Chance.

Verzweifelt rang sie nach Luft. Sie spürte, wie ihre Kräfte erlahmten. Alle Energie schien aus ihrem Körper zu weichen. Das Letzte, was sie sah, war das Gesicht ihres Mörders. Und das Lächeln, das auf seinen Lippen lag.

Dann wurde es schwarz um sie herum.

 

***

 

Und hier sollen wir wohnen? In diesem Kaff?“ Skeptisch blickte Beverly ihre Mutter an. „Komm schon, Mom, du machst Witze.“

Lächelnd schüttelte Mrs. High den Kopf. „Nicht doch, Honey. Über so etwas würde ich niemals Witze machen.“ Sie setzte den Blinker und bog rechts ab. „Und glaub mir, du wirst dich schon an Middlesbury gewöhnen. Es ist gar nicht so schlimm, wie du denkst. Immerhin bin ich hier aufgewachsen.“

„Ja, du. Aber das ist auch ein paar Jahrzehnte her.“ Beverly wischte mit dem Handrücken über die beschlagene Seitenscheibe des alten Fords und blickte ins Freie. Schnee, so weit das Auge reichte. Sie stöhnte. Ihre Mutter hatte ihr ja in der letzten Zeit schon eine Menge über Middlesbury erzählt, und Beverly war darauf gefasst gewesen, dass sie nicht viel von ihrem neuen zu Hause zu erwarten hatte – aber dass dieses Städtchen so klein war, damit hatte sie nicht gerechnet. Erst vor zwei Minuten hatten sie den Ort erreicht, und schon hatten sie die Mainstreet komplett hinter sich gelassen. Das musste einfach ein schlechter Witz sein – oder ein ganz gruseliger Albtraum.

Was sollte sie denn hier? Sie war sechzehn. Sechzehn! Da gehörte ein Mädchen wie sie in die Stadt, aber nicht in ein Kaff, das für Kids vermutlich so gut wie nichts zu bieten hatte. Beverly konnte es nicht glauben. Sie war mit Sicherheit kein verwöhntes Girlie. Die letzten sechzehn Jahre hatte sie auch nicht in einer Großstadt verbracht, aber es war immerhin eine Stadt mit mehr als zehn Einwohnern gewesen, es gab dort ein paar nette Bistros, einen McDonalds und sogar eine Disco. Und ausgerechnet jetzt, wo sie hätte anfangen können, all das so richtig zu genießen, zog ihre Mom mit ihr nach Middlesbury. Zwar nur drei Autostunden von ihrer bisherigen Heimatstadt entfernt, gefühlsmäßig aber am Ende der Welt. Was für ein Tausch!

Klar, verstehen konnte sie ihre Mutter schon irgendwie. Nach der Trennung von Beverlys Dad brauchte Samantha High einfach dringend einen Tapetenwechsel, und da war das Angebot, den kleinen Schneiderladen in dem Ort, in dem sie aufgewachsen war, zu übernehmen, mehr als gelegen gekommen. Mrs. Brooks, die ehemalige Besitzerin des Geschäfts, war vor ein paar Monaten gestorben, und ihre Tochter hatte gleich an Beverlys Mom gedacht, die vor vielen Jahren in dem Laden ihre Lehre gemacht hatte. Mrs. High hatte gleich zugesagt, sie glaubte einfach, hier am besten den nötigen Abstand zu allem finden zu können. Das Dumme war bloß, dass Beverly eben nicht unbedingt scharf auf Abstand zu ihrem bisherigen Leben war.

Sie blickte kurz über ihre Schulter zu Sam, ihrem Hund, der friedlich auf der Rückbank schlief. Grübelnd spielte sie mit dem kleinen Taschenmesser in ihrer rechten Hosentasche herum. Sie hatte es von ihrem Grandpa gekommen, als sie acht Jahre alt gewesen war. Sie hatte ihn gefragt, wo sie es am besten aufbewahren sollte, und er hatte ihr geraten, es immer in der rechten Hosentasche zu tragen. Warum, wusste sie selbst nicht. Zwei Wochen später war ihr Grandpa gestorben, und seitdem steckte das Taschenmesser immer in ihrer rechten Hosentasche.

„So, da wären wir. Na, was sagst du?“ Mrs. High hielt vor einem kleinen Häuschen, das ganz in Weiß gestrichen war. Es sah wirklich total hübsch aus, aber auch unheimlich langweilig. Und wenn Beverly sich die Nachbarshäuser so ansah, glaubte sich nicht, dass dort irgendwelche aufregenden Leute wohnten.

Wenn ich hier meine Anlage voll aufdrehe, kriegt die halbe Straße 'nen Herzanfall, dachte sie seufzend. Auf was habe ich mich da bloß eingelassen?

 

***

 

„Hey, kannst du nicht aufpassen, wo du hinläufst?“

Beverly erstarrte, stammelte eine Entschuldigung und blickte dem Jungen hinterher, der jetzt weiterging. Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie ihn mit voller Wucht angerempelt hatte, als sie um die Ecke gebogen war. Hinzu kam noch diese verdammte Nervosität, da war es ja kein Wunder, wenn so etwas passierte.

Sie atmete tief durch und ermahnte sich, ruhig zu bleiben. Heute war ihr erster Tag an der neuen Schule, na und? Was war denn schon dabei? Es gab bestimmt Schlimmeres, als an eine neue Schule zu kommen, auch wenn ihr im Moment nicht einfallen wollte, was. Aber irgendwie würde sie das schon packen, immerhin hatte sie ja auch bereits zwei Wochen in Middlesbury hinter sich gebracht, was konnte da also noch schiefgehen?

Seufzend dachte sie an die letzten vierzehn Tage zurück. Die meisten Kids waren verreist, da noch Ferien waren, und so hatte Beverly keine Chance gehabt, irgendwelche Kontakte zu knüpfen. Ihre Mutter hatte nur Zeit für die Schneiderei gehabt, und so war Beverly nichts anderes übrig geblieben, als sich mit Bücherlesen und Fernsehgucken zu beschäftigen. Als sie sich einmal ihrer Mutter gegenüber beklagt hatte, hatte die fröhlich verkündet, dass es mit der Langeweile ohnehin bald für Beverly vorbei war.

„Erstens dauert es nicht mehr lange, bis die Schule wieder anfängt, und zweitens habe ich einen Nebenjob für dich gefunden.“

Beverly hatte sie angeguckt wie einen Alien. „Einen Nebenjob? Für mich? Was soll das denn jetzt?“

Daraufhin hatte ihre Mutter ihr erklärt, dass Beverly, sollte sie wirklich unbedingt ihren Führerschein machen wollen, erst mal eigenes Geld verdienen musste. Aha, daher weht also der Wind, dachte Beverly. Das Thema Führerschein war nämlich seit sie denken konnte ein Streitthema zwischen ihr und ihrer Mutter. Eigentlich hätte es Mrs. High ohnehin am liebsten gesehen, wenn ihre Tochter niemals selbst fahren würde. Aber warum? Beverly hatte keinen Schimmer. Ihre Mutter fuhr schließlich auch Auto. Was also fand sie so schrecklich daran, dass Beverly genau das ebenfalls vorhatte?

Auf jeden Fall glaubte sie inzwischen, dass die Sache mit dem Nebenjob nur einen Grund hatte: sie davon abzubringen, einen Führerschein machen zu wollen. Wahrscheinlich ging ihre Mutter davon, dass sie schon nach zwei Tagen keinen Bock mehr auf den Job hatte und dann lieber auf den Führerschein verzichtete und weiter faulenzte. Aber da hatte sie sich geschnitten! Sie würde den Job so lange machen, bis sie das nötige Geld zusammen hatte, da konnte kommen, was wolle!

„Du bist neu hier, stimmt's?“

Beverly hielt gerade suchend nach ihrer Klasse Ausschau, als die Stimme hinter ihr erklang. Sie drehte sich um und blickte in das hübsche, etwas rundliche Gesicht eines rothaarigen Mädchens in ihrem Alter. Auffallend war die ziemlich große und ein wenig unförmige Nase.

Fragend blickte das Mädchen sie an. „Was ist los? Bist du stumm oder so was? Ich hab dich eben schon auf dem Schulhof gesehen. Warum hast du denn niemanden angesprochen? Na ja, ist ja auch egal. Ich bin Lacey. Lacey Meyer.“ Sie streckte ihr die Hand hin.

Endlich brach auch bei Beverly der Damm. Sie strahlte. „Hi Lacey, ich heiße Beverly.“

„Cooler Name. In welche Klasse musst du denn?“

„Ähm, warte mal.“ Beverly kramte einen Zettel aus ihrer Tasche. Vor lauter Aufregung hatte sie die Nummer des Klassenzimmers, die sie vom Sekretariat bekommen hatte, schon wieder vergessen. „Hier steht's: Raum 666.“

„Cool, dann sind wir ja in einer Klasse! Aber mach dich auf was gefasst. Unser Klassenlehrer ist der alte Dickson, und der macht uns das Leben ganz schön schwer. Der kennt echt kein Erbarmen. Und Klassensprecherin ist Nora, ein echtes Biest. Vor der musst du dich vorsehen. Wenn der deine Nase nicht passt, hast du verspielt. Frag mich mal.“ Sie kicherte. „Aber ansonsten sind die Kids echt cool drauf.“ Cool schien Laceys Lieblingswort zu sein. „Also, dann komm mal mit. Ich führe dich in die Höhle des Löwen!“

Beverly strahlte. Sie war happy, endlich jemanden kennengelernt zu haben. Lacey schien echt nett zu sein, und plötzlich war sie auch gar nicht mehr so nervös. Der erste Schritt war getan, den Rest des Schultages würde sie auch noch überstehen.

 

***

 

In der großen Pause folgte Beverly ihrer neuen Freundin auf den Schulhof. Dort herrschte bereits ziemliches Gedränge: Überall standen die Schüler in kleinen Grüppchen herum, tranken Coke, aßen Snacks, lachten und waren froh, ein paar Minuten dem tristen Schulalltag entfliehen zu können. Es war eine ziemlich ausgelassene Stimmung, und Beverly empfand es als ein Riesenglück, Lacey an ihrer Seite zu haben; ganz allein hier wäre sie sich absolut verloren vorgekommen.

„Und, wie findest du unseren ach so tollen Klassenlehrer?“, erkundigte Lacey sich.

Beverly winkte ab. Sie durfte gar nicht an die ersten beiden Schulstunden zurückdenken. Es war die Hölle gewesen. Alle hatten sie angestarrt wie einen Außerirdischen, als Mr. Dickson sie der Klasse vorgestellt hatte. Jeder hatte erwartet, dass sie irgendetwas Tolles zur Begrüßung sagte. Herausbekommen hatte sie schließlich nur ein heiseres „Hallo“. Und dabei war sie dann auch noch knallrot angelaufen. Prima! Am liebsten wäre sie auf der Stelle im Boden versunken. Ein Glück nur, dass sie neben Lacey sitzen konnte, alles andere hätte ihr die Sache noch schwerer gemacht. Der Unterricht war dann auch nicht besser gewesen. So etwas Langweiliges hatte sie an ihrer alten Schule nie erlebt. Trocken bis zum Gehtnichtmehr!

„Na, wen haben wir denn da?“ Die glockengelle Stimme hinter ihr riss Beverly aus ihren Gedanken. „Unser Neuzugang zusammen mit unserem Knubbelnäschen. Na, haben sich die Ladies schon angefreundet?“

Lacey stöhnte genervt auf und drehte sich um. Beverly tat es ihr nach und erblickte ein großes, schlankes Mädchen. Nora Slaughters, die Klassensprecherin, von der Lacey bereits gesprochen hatte. Im Klassenzimmer vorhin hatte Beverly sie bereits gesehen, da sie aber ganz vorne saß, war es zu keinem Gespräch gekommen. Beverly musterte sie neugierig. Nora war ziemlich hübsch, wirkte aber so gar nicht natürlich. Das Gesicht, das von langem, blondem Haar umrahmt wurde, war schmal und mit tonnenweise Make-up bedeckt. Die Haut war schon ganz runzelig von wahrscheinlich unzähligen Sonnenbankbesuchen. Auf ihre Kleidung legte Nora ebenfalls viel wert, jedenfalls trug sie nur teure, besonders auffällige Klamotten. Vermutlich hat sie reiche Eltern und bildet sich wer weiß was darauf ein, dachte Beverly naserümpfend. Sie mochte Nora nicht, aber das beruhte ganz bestimmt auf Gegenseitigkeit.

„Was willst du, Nora?“, fauchte Lacey sie an. „Kannst du dich nicht zur Abwechslung mal um deinen eigenen Kram kümmern?“ Lauernd blickte sie sie an. „Oder ist dir das etwa zu langweilig?“

„Mein Leben ist aufregender als du es dir in deinen kühnsten Träumen vorstellen kannst, Meyer“, erwiderte Nora scharf. „Aber man wird ja wohl als Klassensprecherin einen Neuzugang begrüßen dürfen, oder etwa nicht?“ Jetzt wandte sie sich Beverly zu. „Hi, du bist also Beverly, stimmt's? Ich bin Nora. Nora Slaughters. Die Klassensprecherin.“

„Ich weiß“, erwiderte Beverly knapp und sah Lacey an. „Kommst du dann? Du wolltest mich doch noch ein bisschen rumführen.“

Lacey nickte. Gemeinsam wandten sie sich ab und ließen Nora einfach stehen, was der natürlich gar nicht passte.

„Na, wenn das mal kein Fehler war“, bemerkte Lacey nach einer Weile. „Nora ist es nicht gewohnt, dass man ihr so wenig Beachtung schenkt, wie du es eben getan hast.“

Beverly hob die Schultern. „Dann wird sie sich daran halt gewöhnen müssen.“

 

***

 

„Und? Wie war dein erster Schultag, Honey? Gefällt dir deine neue Schule? Hast du dich schon mit jemandem angefreundet?“

Beverly lächelte ihrer Mom zu und warf ihren Rucksack in die Ecke. „Ja, da ist ein Mädchen, das ist ganz nett. Lacey. Ansonsten war es so lala. An der alten Schule hat's mir besser gefallen.“

„Na, das wird schon noch. Ach übrigens, Joshua hat angerufen. Du sollst ihn unbedingt mal zurückrufen.“

„Geht klar, Mom.“ Seufzend ging Beverly in ihr Zimmer. Joshua war ihr Freund, und sie hatte ihn echt gern. Auch ein Grund, weshalb sie nicht sonderlich davon begeistert gewesen war, nach Middlesbury zu ziehen. Schließlich lebten sie jetzt viele Autostunden voneinander entfernt – eine halbe Weltreise!

Natürlich rief sie ihn dann auch sofort an, aber das Telefonat verlief leider ziemlich kurz, wie fast immer in letzter Zeit. Irgendetwas stimmte mit Joshua im Moment nicht, Beverly hatte so ein merkwürdiges Gefühl. Er rief zwar immer an, aber sie hatte den Eindruck, dass er nur schnell seine Pflichtanrufe hinter sich bringen wollte. Alles war so anders als früher. Er war ihr Freund, und sie hatte ihn total lieb, aber zurzeit stellte sie sich immer öfter die Frage, ob da überhaupt noch etwas zwischen ihnen war.

Nach dem Telefonat aß sie rasch zu Mittag und machte sich dann auf den Weg zum „Burgers Heaven“, wo sie mit Lacey verabredet war. Draußen war es bitterkalt. Ein starker Wind wehte, Schnee wirbelte ihr ins Gesicht. Straßen und Autos waren mit einer weißen Schicht überzogen.

Bibbernd stellte Beverly den Kragen ihrer Winterjacke höher und vergrub die Hände, die ohnehin schon in Fäustlingen steckten, tief in die Seitentaschen. Zum Glück war es nicht weit bis zum Diner, und als sie ihn endlich erreicht hatte, blieb sie einen Moment vor dem Eingang stehen und betrachtete das Gebäude.

Es war ein recht kleiner Kastenbau mit viel Glas und blinkenden Lichtern. Überall leuchteten OPEN- und COME-IN-Schilder in grellen Farben. Ein typischer Diner halt. Beverly seufzte. Das wird also bald mein Arbeitsplatz sein, dachte sie mit gemischten Gefühlen.

Schnellen Schrittes ging sie jetzt auf den Eingang zu, zog die Tür auf und trat ein. Angenehme Wärme schlug ihr entgegen. Drinnen war jede Menge los. Fast alle Tische waren besetzt, und auch an der Theke tummelten sich die Leute, vorwiegend Jugendliche. Der Diner schien der Treffpunkt nach Schulschluss zu sein.

Suchend blickte sie sich um und atmete erleichtert auf, als sie Lacey an einem der hinteren Tische erblickte. Kurz darauf begrüßten sich die Freundinnen. Am Tisch saßen noch drei andere Kids, zwei Jungs und ein Mädchen.

„Darf ich vorstellen?“, sagte Lacey und deutete auf das Mädchen. „Das ist Erin. Und die zwei Jungs heißen Cameron und Trevor. Leute, das ist Beverly.“

Beverly nickte allen freundlich zu, setzte sich zu den anderen an den Tisch und musterte die anderen kurz. Erin war ein kleines, ziemlich rundliches Mädchen, das aber ein wirklich hübsches Gesicht hatte und einen unheimlich freundlichen Eindruck auf Beverly machte. Die zwei Jungs waren beide schlank und sahen nett, aber nicht gerade umwerfend aus. Die typischen Nachbarsjungen von nebenan halt.

„Hast du Hunger?“, fragte Lacey. „Hier gibt’s die besten Burger der ganzen Stadt. Na ja, und auch die einzigen“, fügte sie grinsend hinzu. „Woanders wirst du in Middlesbury nämlich keine Burger kriegen.“

Beverly schüttelte lachend den Kopf. „Danke, aber Hunger hab ich keinen. Nur einen mordsmäßigen Durst.“

„Bestens“, sagte Erin. „Dann empfehle ich dir einen Milchshake. Die sind hier echt klasse. Am besten ist Erdbeere, aber Schoko kann ich auch empfehlen.“

„Na, ich nehme lieber eine Cola“, entschied Beverly. Sie bestellten, und kurz darauf knallte die Bedienung, die offensichtlich ziemlich im Stress war, ihnen unfreundlich die Gläser auf den Tisch.“

„Hier zu arbeiten muss die Hölle sein“, bemerkte Lacey. „Zumindest wenn es so voll ist wie jetzt.“

Beverly lachte freudlos auf. „Na, dann werde ich diese Hölle wohl bald kennenlernen.“

Fragend sahen die anderen sie an, und Beverly klärte sie darüber auf, dass sie bald im Diner jobben würde.

„Machst du Scherze?“, fragte Lacey und sah sie geschockt an. „Wie bist du denn auf die Schnapsidee gekommen? Ich meine, reicht dir die Schule nicht? Muss man da noch unbedingt nebenbei arbeiten?“

Beverly seufzte. „Frag mal meine Mom. Es war nämlich ihre Idee. Sie hat den Job für mich an Land gezogen.“

„Und das lässt du so einfach mit dir machen?“, fragte Erin.

„Was bleibt mir anderes übrig? Ich will bald meinen Führerschein machen, und dazu brauche ich mein eigenes Geld. Meine Mom hat in der Hinsicht …“

„Pst, hört mal!“, rief in dem Moment irgendjemand laut aus. Beverly blickte auf. Die ganze Zeit über war das Radioprogramm leise aus den zahlreichen, in den Wänden integrierten Lautsprechern erklungen, jetzt wurde der Ton lauter gestellt. Es liefen gerade die lokalen Nachrichten.

„… wie wir soeben erfahren haben, ist am Vormittag ein gefährlicher Sträfling aus der Haftanstalt Norrisburg ausgebrochen. Die Polizei fahndet auf Hochtouren, hat aber bislang keine Spur. Allen Bewohnern in und um Norrisburg wird nahegelegt, vorsichtig zu sein und die Augen offen zu halten. Wichtige Hinweise sind an die Polizeidienststelle …“

Schlagartig war es ruhig geworden im Diner. Niemand sprach mehr ein Wort, die eben noch ausgelassene Stimmung hatte bedrückender Stille Platz gemacht.

Fragend blickte Beverly ihre neuen Freunde an. „Wo ist Norrisburg?“

„Wo das ist?“ Lacey lachte freudlos auf. Sie war ganz blass geworden. „Ganz hier in der Nähe, praktisch um die Ecke. Mein Gott, ich fass es nicht. Wie konnte denn so was passieren?“

Die anderen hoben die Schultern. „Jetzt können wir wohl nur hoffen, dass die Polizei diesen Typ so schnell wie möglich zu fassen kriegt“, sagte Erin.

Lacey nickte. „Und bis dahin sollten wir alle wohl wirklich vorsichtig sein. Wer weiß, wozu dieser Kerl in der Lage ist!“

Nachdenklich senkte Beverly den Blick. Sie hatte keine Ahnung, ob dieser entflohene Sträfling tatsächlich eine Bedrohung für sie und die anderen darstellte, aber eines spürte sie ganz deutlich – nämlich, dass nach dieser unschönen Nachricht noch ein weiterer, unsichtbarer Gast das Diner betreten hatte.

Die Angst …

 

***

 

„Der Cheeseburger muss zu Tisch drei, die Erdbeershakes zu Tisch sechs. Jetzt mach mal ein bisschen flott, Mädel, du wirst schließlich nicht fürs Rumstehen bezahlt!“

„Ja, ja, schon gut.“ Seufzend wischte Beverly sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, dann stellte sie Teller und Gläser auf ein Tablett, das sie gleich darauf zu den entsprechenden Tischen balancierte, um die Gäste zu bedienen.

Sie hasste es, wenn Bob Money, der Geschäftsführer des Diners, sie so hetzte, obwohl nicht viel los war. Zehn Tische gab es im Lokal, und von denen waren im Augenblick gerade mal drei besetzt. Das war nicht viel, aber üblich für den späten Nachmittag. Die Stoßzeit nach Schulschluss war vorbei, erst am Abend würde hier wieder richtig die Post abgehen. Trotzdem scheuchte er sie so herum, dass ihr die Teilnahme an einem Marathonlauf im Augenblick vermutlich nicht viel anstrengender vorgekommen wäre.

Sie lieferte die Milchshakes an Tisch sechs ab, an dem ein junges Pärchen saß. Beverly schätzte die beiden auf Anfang zwanzig, wobei er wahrscheinlich zwei bis drei Jahre älter war als seine Begleitung. Jedenfalls sahen die beiden ziemlich verknallt aus, wahrscheinlich waren sie frisch verliebt.

Den Cheeseburger brachte sie zu Tisch drei. Dort saß ein Großvater mit seinem Enkel. Der Kleine war höchstens sechs Jahre alt und machte sich jetzt über den Burger her wie ein hungriger Wolf.

Beverly atmete auf. Geschafft. Alle Gäste waren bedient, jetzt konnte sie es etwas ruhiger angehen lassen, sofern dem Big Boss nicht irgendetwas anderes einfiel, mit dem er sie auf Trab halten konnte.

Sie hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, als die Tür des Diners nach innen aufschwang. Eine kräftige Böe beförderte einen Jungen und einen ganzen Schwall Schneeflocken ins Innere des Lokals.

Der Junge war groß, und eigentlich war von ihm kaum etwas zu erkennen, weil er aufgrund der Kälte draußen wie alle Leute ziemlich dick eingepackt war. Und doch hämmerte Beverlys Herz sofort wie verrückt. Sie hatte selbst keine Ahnung, warum das so war – aber dieser Typ faszinierte sie vom ersten Augenblick an.

Er war sicher einsneunzig groß, schlank und etwa drei oder vier Jahre älter als sie selbst. Sie schätzte ihn auf neunzehn oder zwanzig. Als er jetzt seine Kapuze vom Kopf nahm, sah sie, dass sein Haar blond und kurz geschnitten war. Sein Gesicht war kantig, ein Dreitagebart ließ ihn so männlich wirken, dass Beverly ihn nur wortlos anstarrten konnte.

Kurz sah er sich um, dann hockte er sich an den ersten Tisch und blickte durch das Fenster nach draußen. Noch einen Augenblick lang starrte Beverly ihn verträumt an, dann zwang sie sich, zur Theke zu gehen und das Tablett abzustellen, das sie noch immer in der Hand hielt.

„Was ist?“, maulte Money sogleich. „Willst du den Gast nicht bedienen, Mädchen? Du weißt doch, was ich dir eingetrichtert habe: Kundschaft darf man nie …“

„… lange warten lassen, ja, ja“, vollendete sie seinen Satz genervt. Dann nahm sie ihren Block zur Hand, atmete noch einmal tief durch und ging auf Tisch eins zu, wobei ihre Beine leicht zitterten.

Reiß dich bloß zusammen, rief sie sich innerlich zur Ruhe. Das ist nur ein Gast. Einfach nur ein ganz gewöhnlicher, stinknormaler Gast …

Trotzdem zitterten ihre Knie immer noch, als sie den Tisch erreichte, und das Herz pochte ihr bis zum Hals. Tief atmete sie durch, dann sagte sie: „Hal… Hallo, was darf's sein?“

Hallo, was darf's sein?, wiederholte sie ihre Worte im Stillen. Das hat bestimmt irre cool geklungen, ärgerte sie sich. Das hast du ja echt mal wieder ganz klasse hingekriegt, Bev!

Er blickte auf, und Beverly glaubte, jeden Moment umkippen zu müssen, als sie ihm in die Augen sah. Sie waren groß und dunkel, und die Pupillen glitzerten irgendwie geheimnisvoll. Was für ein Typ!, dachte sie fasziniert.

„Ich nehme einen Cheeseburger und eine Coke“, sagte er. Beim Klang seiner männlich rauen Stimme rann Beverly ein wohliger Schauer über den Rücken.

„Coke … Cheeseburger …“ Sie nickte und notierte die Bestellung, wobei sie sich zusammenreißen musste, überhaupt ein lesbares Wort auf den Zettel zu schreiben, so sehr zitterten ihre Finger.

Sie schaute ihn an. „Alles klar, geht in Ordnung.“

„Freut mich.“ Der Typ lächelte jetzt noch breiter. „Willst du die Bestellung nicht weiterreichen?“, fragte er amüsiert.

Erst jetzt begriff Beverly, dass sie ihn die ganze Zeit über total verträumt anstarrte, und das Blut schoss ihr ins Gesicht. „Was? Äh … klar!“ Hastig drehte sie sich um und stürzte auf den Tresen zu, wo Mr. Money schon ungeduldig wartete. Sie reichte ihm den Bestellzettel, er machte sich an die Arbeit, und Beverly atmete erst einmal tief durch. Sie musste sich auf einen Hocker setzen, weil sich ihre Knie noch immer weich wie Pudding anfühlten. Was für ein Typ!, dachte sie hingerissen, verfluchte sich aber gleichzeitig dafür, wie sie sich eben aufgeführt hatte. Wahrscheinlich hatte sie wie ein bis über beide Ohren verknallter Teenie auf ihn gewirkt. Echt oberpeinlich!

„Die Hocker sind für die Gäste da.“ Mr. Money Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Sitzen kannst du später, wenn du Feierabend hast, Mädchen.“

Genervt verdrehte sie die Augen und nahm das Tablett mit Cheeseburger, Pommes und Coke entgegen, das er ihr reichte. „Und sieh zu, dass der Gast sein Essen bekommt, bevor es kalt oder er verhungert ist.“

Schon gut, schon gut … Seufzend ging Beverly los. Es war total dämlich, aber sie war aufgeregt wie nie zuvor in ihrem Leben. Und das nur, weil sie einem allein an einem Tisch sitzenden Jungen die Bestellung brachte. Aber was für ein Junge das war! Die Wirkung, die sein bloßer Anblick auf sie ausübte, war einfach überwältigend, nicht in Worte zu fassen.

Sie erreichte den Tisch und stellte zunächst den Teller mit Cheeseburger und Pommes ab, dann das Glas, das allerdings so ungeschickt, dass etwas von der Coke über den Rand schwappte.

„Oh, sorry“, murmelte sie verlegen. „Das tut mir leid. Warte, ich hole einen Lappen.“

„Nicht nötig.“ Lächelnd schüttelte der Junge den Kopf, nahm eine Papierserviette aus dem Spender, der auf dem Tisch stand, und beseitigte das Malheur. „Ist doch kein Problem.“

„Super, danke. Äh, sag mal, bis du neu in der Gegend? Ich hab dich noch nie hier gesehen.“

Er nickte nur. „Und du? Bist du hier aufgewachsen?“

„Gott bewahre, nein!“ Sie lachte. „Ich bin erst vor Kurzem hierher gezogen. Meine Mom wollte es so. Na ja, aber es lässt sich hier aushalten. Ich bin übrigens …“

„Beverly, ich weiß.“

Erstaunt sah sie ihn an. „Du kennst mich?“

„Nur deinen Namen.“

„Aber woher? Ich …“ Sie sah, dass er auf ihre Bluse starrte, und schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. „Das Namensschild, natürlich.“ Gott, wie dämlich!, fügte sie im Stillen hinzu. „Na ja, ich verkrümel mich wohl mal am besten, bevor dein Burger kalt wird.“ Und bevor Mr. Money, der Schinder, mir wieder die Hölle heiß macht.

Er lächelte ihr noch einmal zu, dann drehte sie sich um ging zurück zur Theke. Erst dort fiel ihr ein, dass sie den Jungen gar nicht nach seinem Namen gefragt hatte.

 

***

 

Den ganzen Rest ihrer Schicht über bekam Beverly den Jungen nicht mehr aus dem Kopf. Während er gegessen hatte, hatten vier weitere Gäste das Diner betreten, und Beverly hatte erst einmal alle Hände voll zu tun gehabt. Irgendwann war der Junge dann einfach verschwunden gewesen – das Geld für das Essen hatte er auf den Tisch gelegt.

Beverly ärgerte sich, dass sie keine Gelegenheit gehabt hatte, noch einmal mit ihm zu reden. Zu gern hätte sie gewusst, wie er hieß und was er so machte. Aber wenn er jetzt hier wohnte, würden sie sich bestimmt früher oder später wieder begegnen. Middlesbury war schließlich alles andere als eine Großstadt.

Sie fragte sich, was es genau war, das sie an dem Jungen überhaupt so fasziniert hatte. Sicher, er sah toll aus, total sexy, aber irgendwie war da noch mehr. Es war seine Ausstrahlung, die ihr den Kopf verdreht hatte. Irgendetwas Geheimnisvolles, Mysteriöses ging von ihm aus.

Auf dem Weg nach Hause hatte sie die ganze Zeit über ein ungutes Gefühl. Es war dunkel, die Wege waren schlecht beleuchtet, und seit der Nachricht, dass ein gefährlicher Sträfling entflohen war und sich womöglich hier in der Gegend aufhielt, hatte sich die Stimmung in Middlesbury verändert. Die Leute hatten Angst, vermuteten hinter jeder Ecke Gefahr, und das alles ging auch an Beverly nicht spurlos vorüber. Zwar sah sie keinen Grund, in Panik auszubrechen, aber wohl fühlte auch sie sich nicht gerade. Bei dem Gedanken an den Vorfall legte sie automatisch einen Schritt zu, und hin und wieder blickte sie sich nervös um, weil sie das Gefühl hatte, verfolgt zu werden. Aber das war sicher bloß pure Einbildung, nicht mehr und nicht weniger.

Als sie ihr zu Hause erreichte, hatte sie nur noch den Wunsch, endlich ins Bett zu kommen. Es war zwar noch nicht allzu spät, aber sie war einfach ziemlich erschöpft. Die Arbeit im Diner war doch anstrengender, als sie gedacht hatte. Kurz sagte sie ihrer Mutter hallo, dann ging sie nach oben. Als sie ihr Zimmer betrat, kam ihr plötzlich Joshua in den Sinn, und sofort meldete sich ihr schlechtes Gewissen. Was tat sie da eigentlich? Josh war ihr Freund, und sie führte sich einem anderen Jungen gegenüber wie ein bis über beide Ohren verknallter Teenager auf. Sie hatte Josh doch total lieb, und auch wenn es im Moment nicht so bombig zwischen ihnen lief, gab ihr das doch noch lange nicht das Recht, gleich mit einem anderen rumzumachen. Sicher, noch hatte sie mit dem fremden Jungen nicht herumgemacht, nicht einmal geflirtet hatte sie mit ihm. Aber verdammt, sie hätte gern.

Sie stieg unter die Dusche und drehte trotz der eisigen Temperaturen, die draußen herrschten, kalt auf, um einen klaren Kopf zu bekommen.

Es half nichts. Bibbernd schlüpfte sie in ihren flauschigen Pyjama und kroch unter die Bettdecke. Sie griff nach einem Buch, aber so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte sich nicht auf den eigentlich ziemlich spannenden Krimi konzentrieren. Der fremde Junge ging ihr nicht aus dem Kopf. Immerzu musste sie an ihn denken. Und später, als ihr irgendwann die Augen zufielen, tauchte er sogar in ihren Träumen auf.

 

***

 

„Hey, Beverly. So sieht man sich wieder.“

Beverly kam gerade aus dem kleinen Lebensmittelladen, wo sie ein paar Sachen für ihre Mutter gekauft hatte, und war nun dabei, die Einkaufstüte in den Korb ihres Fahrrads zu packen, als sie die Stimme hinter sich vernahm. Hastig drehte sie sich um – und schnappte überrascht nach Luft, als sie den fremden Jungen aus dem Diner erblickte.

„Oh … hallo“, sagte sie lächelnd und ärgerte sich im nächsten Moment über sich selbst, weil sie beim Anblick des Jungen gleich wieder zu stottern begann. „Wie geht’s denn so?“

„Man schlägt sich so durch. Und du? Musst du heute nicht arbeiten?“

Sie seufzte. „Doch, leider. Meine Schicht fängt in einer Stunde an. Vorher muss ich noch den Kram hier zu meiner Mutter bringen.“ Sie deutete auf die Einkäufe. „Ist echt ein Akt, sich mit dem Rad durch die verschneiten Straßen zu kämpfen.“

„Schade. Ich dachte, man könnte vielleicht mal was zusammen unternehmen.“

Sofort hellte sich ihre Miene auf. Dieser wahnsinnig attraktive Typ wollte etwas unternehmen – mit ihr? Das war der pure Wahnsinn! Aber sie bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen, und sagte: „Wäre schon okay. Aber wie gesagt, heute geht’s nicht.“

„Und Samstagabend? Wir könnten ausgehen oder so.“

Ja!, dachte Beverly nur. Ja, ja, und nochmal ja! „Hm“, sagte sie betont nachdenklich. Sie wollte auf keinen Fall, dass es so aussah, als wäre sie ganz wild auf ein Date. „Samstag passt ganz gut. Da habe ich noch nichts vor. Ich muss aber bis sieben arbeiten.“

„Okay, dann hole ich dich dann einfach von der Arbeit ab, was sagst du?“

„Geht klar. Also, dann bis Samstag?“

Er nickte und wandte sich ab. Da fiel ihr ein, dass sie noch immer nicht wusste, wie er hieß. „Ach, sag mal“, rief sie ihm hinterher, „wie heißt du eigentlich?“

Er drehte sich noch einmal zu ihr um. „Nenn mich einfach Nothing“, antwortete er, lächelte ihr noch einmal zu und ging weiter.

Überrascht blickte sie ihm nach. Nothing?, dachte sie. Was sollte das denn für ein Namen sein? Unwillkürlich fragte sie sich, ob es wirklich eine gute Idee war, sich mit ihm zu verabreden. So nett dieser Typ auch sein mochte – ein bisschen seltsam war er schon.

Ach, was soll's? Achselzuckend stieg sie auf ihr Rad und fuhr los. Während der – wegen des Schnees sehr langsamen – Fahrt stellte sie fest, dass sie es kaum noch erwarten konnte, Nothing Samstagabend endlich wiederzusehen.

 

***

 

„Du hast ein Date?“, fragte Lacey in der großen Pause auf dem Schulhof. „Echt? Mit wem denn? Nun lass dir nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen. Red schon!“

Einen Moment lang genoss Beverly noch die erwartungsvollen Blicke, die ihre Freundin auf sie abfeuerte, dann gab sie sich geschlagen. „Also gut, ich hab den Typen neulich im Diner kennengelernt. Er ist echt wahnsinnig süß und total cool.“

„Und wie heißt er?“

Sie hob die Schultern. „Ich hab keine Ahnung.“

„Wie bitte?“ Fassungslos starrte Lacey sie an. „Du hast dich mit einem Typen verabredet und kennst nicht mal seinen Namen?“

„Nun ja, um ehrlich zu sein, er …“

„Ja?“

„Er hat sich mir als Nothing vorgestellt. Ist wohl so eine Art Spitzname oder so was.“

„Nothing? Was ist denn das für ein hirnrissiger Name?“ Jetzt stutzte Lacey. „Sag mal, wie sieht dieser Typ genau aus?“

Beverly hob die Schultern und beschrieb ihn, so gut sie konnte, wobei sie automatisch immer wieder ins Schwärmen geriet.

„Den Typ kenne ich“, sagte Lacey. „Wenn mich nicht alles täuscht, habe ich den vor Kurzem schon mal gesehen. Ich war zusammen mit Erin, Cameron und Trevor unterwegs, als er uns begegnete. Klar fiel er uns gleich auf, du weißt ja, wie das hier ist. Fremde bleiben in Middlesbury nun mal nicht lange unentdeckt.“

„Und? Wie fandest du ihn? Sag schon!“

Lacey hob die Schultern. „Wir haben ihn ja nur flüchtig gesehen, aber ehrlich gesagt waren wir uns einig, dass …“

„Ja?“

„Nun ja, er war uns irgendwie unheimlich.“

„Unheimlich? Wieso das denn?“

„Wie soll ich sagen? Er hat so total grimmig geguckt, und als er an ein paar spielenden Kindern vorbei ging und ihm deren Ball zuflog, hat er ihn einfach genommen und auf die andere Straßenseite gekickt und dann ganz gemein gelacht. Also, ich fand ihn jedenfalls ziemlich seltsam.“

Beverly runzelte die Stirn. Was Lacey ihr da erzählte, konnte sie sich nun gar nicht vorstellen. Gemein war Nothing ganz bestimmt nicht. Sicher war er anders als die meisten Jungs in seinem Alter hier. Die Jungs in Middlesbury waren alle total normal, und wenn da mal jemand anders war, fiel er direkt negativ auf. Sie konnte sich gut vorstellen, dass Trevor und Cameron vielleicht sogar ein bisschen neidisch auf Nothing waren, weil er so gut aussah und cool war.

„Also, ich finde ihn einfach nur nett, und ich freu mich total auf das Date mit ihm“, sagte sie, und damit hätte sie das Thema am liebsten beendet.

„Und was ist mit deinem Joshua?“, fragte Lacey da, und Beverly zuckte zusammen. „Findest du es gut, einfach mit einem anderen Typen auszugehen, während dein Freund zu Hause hockt und dich womöglich ganz schrecklich vermisst? Oder seid ihr gar nicht mehr zusammen?“

„Doch, sind wir“, erwiderte sie genervt und lauter als eigentlich beabsichtigt. „Aber dass ich mit einem anderen Jungen ausgehe, heißt ja wohl noch lange nicht, dass ich auch gleich mit ihm rummache, oder? Ich tue doch nichts Verbotenes, wenn ich mich ein bisschen amüsiere!“

„Ist ja schon gut, Süße.“ Abwehrend hob Lacey die Hände. „Hey, ich wollte dir echt nicht zu nahe treten, okay?“

Beverly senkte den Blick. „Sorry, ich hab wohl etwas überreagiert. Tut mir leid. Lass uns jetzt einfach über was anderes reden, okay?“

Doch ihre Laune blieb in den nächsten Stunden irgendwo knapp über dem Nullpunkt. Grund war ihr schlechtes Gewissen. Lacey Worte hatten sie nachdenklicher gemacht, als ihr lieb war.

Natürlich machte sie sich insgeheim selbst Vorwürfe wegen Joshua. Er war ein netter Kerl, und sie hatte ihn auch total lieb, andererseits hatte er sich in der letzten Zeit aber auch irgendwie verändert. Er war nicht mehr so wie früher, als sie sich in ihn verliebt hatte. Damals war er immer für sie da gewesen, hatte sich immer aufs Neue Mühe gegeben, sie glücklich zu machen, und gemeinsam hatte sie jede Menge Spaß gehabt. Das hatte schon einige Zeit begonnen, bevor sie nach Middlesbury gezogen war. Nicht nur einmal hatte sie das Gefühl gehabt, dass sie nur noch aus reiner Gewohnheit zusammen waren, doch sie hatte den Gedanken daran stets verdrängt. Seit sie nun so weit entfernt voneinander lebten, war alles noch anders geworden. Sicher, sie konnten sich kaum noch sehen, das war klar – aber irgendwie hatte sie schon erwartet, dass Joshua sich zumindest freute, wenn sie mal anrief, oder dass er ihr regelmäßig liebe E-Mails schrieb, aber das alles war nicht der Fall. Er schien nur noch genervt zu sein, wenn sie anrief, und selbst meldete er sich nur selten in der letzten Zeit. Was war nur los mit ihm? Hatte er vielleicht sogar eine andere?

Beverly erschrak, als sie feststellte, dass ihr der Gedanke daran gar nicht mal so schrecklich vorkam. Allerdings nur aus rein egoistischen Gründen, denn wenn er Dates mit einem anderen Mädchen hatte, würde sie sich auf ohne schlechtes Gewissen mit Nothing treffen können.

Sie schüttelte den Kopf. Was war nur los mit ihr, dass in ihrem Kopf auf einmal so ein heilloses Chaos herrschte? Sie hatte Josh doch wirklich lieb, warum dachte sie jetzt bloß über so einen Unfug nach?

Nachdem sie am Nachmittag ihre Hausaufgaben erledigt hatte, checkte sie noch ihre E-Mails, aber es war keine Nachricht von Josh in ihrem Postfach. Wieder mal. Beverly seufzte. Komisch war es schon, dass er sich kaum noch meldete. Sie überlegte, ob sie ihm eine Mail schreiben sollte, dann kam ihr Nothing in den Sinn, und aus irgendeinem Grund hinderte sie der Gedanke an ihn daran, ihrem Freund zu schreiben.

So las sie ein wenig in dem Buch, das sie noch immer nicht durch hatte, und am frühen Abend machte sie sich auf den Weg zum Diner. Zwar hatte sie heute keine Schicht, aber sie hoffte, Lacey und die anderen dort anzutreffen, was sie sicher ein wenig von den wirren Gedanken ablenken würde, die ihr die ganze Zeit über im Kopf herumspukten.

Als sie das Haus ihrer Mom verließ, war es bereits dunkel, obwohl es gerade mal Nachmittag war. Zudem hatte es erneut geschneit, die Straße und die Autos waren mit einer pudrigen Schneeschicht bedeckt.

Fröstelnd schlug sie den Kragen ihrer dicken Winterjacke hoch und vergrub ihre Hände tief in die Jackentaschen. Der eisige Wind schlug ihr hart ins Gesicht, als sie sich in Bewegung setzte.

Auf den Straßen war keine Menschenseele zu sehen. Die meisten Leute machten es sich in ihren Häusern gemütlich, kein Wunder bei der Kälte, die draußen herrschte. Zudem hatten viele Angst, überhaupt nach Einbruch der Dunkelheit vor die Tür zu gehen. Die Sache mit dem entflohenen Sträfling zerrte an den Nerven der Bewohner von Middlesbury.

Unwillkürlich legte Beverly einen Schritt zu, als sie daran dachte. Auch ihr war nicht wohl dabei, allein im Dunkeln durch die Straßen zu gehen. Am liebsten wäre sie noch schneller gelaufen, doch ihre Turnschuhe rutschten ohnehin schon auf dem glatten Schnee. Es war komisch. Eigentlich war sie absolut kein ängstlicher Mensch, aber irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, verfolgt zu werden. Immer wieder blickte sie sich hastig, doch niemand war zu sehen. Verlassen lag die schneebedeckte Straße hinter ihr.

Mach dich nicht lächerlich, sagte sie zu sich selbst. Hier ist niemand. Und wer weiß schon, wo sich der Entflohene überhaupt aufhält? Vielleicht ist er längst über alle Berge.

Da waren plötzlich Schritte hinter ihr zu hören. Das Knirschen von Schritten im weichen Schnee. Schnelle Schritte, die hinter ihr herkamen.

Beverly zuckte zusammen, wagte nicht, sich umzudrehen.

Die Schritte wurden noch schneller, kamen immer näher.

Sie hielt den Atem an und beschleunigte ihr Tempo noch mehr. Sie musste höllisch aufpassen, nicht auszurutschen und sich alle Knochen zu brechen, dennoch war die Versuchung, einfach loszurennen, groß.

Auf der Straße war es totenstill. Nichts war zu hören. Nichts außer den Schritten, die hinter ihr erklangen und immer näher kamen. Beverly hatte nur noch einen Wunsch: so schnell wie möglich die Mainstreet zu erreichen, auf der sicherlich mehr los war als in den Seitenstraßen.

Doch plötzlich stockte sie. Was tat sie hier eigentlich? Warum hatte sie so große Angst? Glaubte sie wirklich, der Sträfling trieb sich hier herum und verfolgte ausgerechnet sie? War es nicht viel wahrscheinlicher, dass sie gar nicht verfolgt wurde? Schließlich lebten noch mehr Menschen hier, und die Wahrscheinlichkeit, dass jemand denselben Weg einschlug wie sie, war nicht gerade gering.

Zum Teufel mit dieser lächerlichen Angst! Trotzig reckte sie das Kinn hoch, blieb abrupft stehen und wirbelte herum.

Überrascht riss sie die Augen auf, als sie erkannte, um wen es sich bei der Person, die ihr gefolgt war, handelte.

„Josh!“, stieß sie verblüfft hervor und starrte ihn an wie einen Geist. „Was zur Hölle machst du hier?“

 

***

 

„Musstest du mich so erschrecken? Ich hab mir fast in die Hosen gemacht vor Angst!“

„Sorry.“ Joshua senkte den Blick. „Ich kam gerade bei dir zu Hause an und sah dich weggehen. Da bin ich dir einfach hinterher und wollte dich einholen.“

„Hättest du nicht rufen können? Na ja, ist ja auch egal.“ Sie schüttelte den Kopf. „Aber was machst du denn überhaupt hier?“

„Ich wollte dich überraschen. Hab meinen Dad überreden können, mir seinen Wagen zu leihen, um das Wochenende mit dir zu verbringen. Morgen ist bei uns schulfrei wegen einer Lehrerkonferenz. Das heißt, wir haben Freitag, Samstag und den halben Sonntag für uns. Na, was sagst du?“ Erwartungsvoll schaute er sie an. „Überraschung gelungen?“

„Äh … ja, super.“ Beverly war total verwirrt. Mit einigem hätte sie gerechnet – aber nicht damit, dass Josh hier einfach so auftauchte und das Wochenende mit ihr verbringen wollte! Einerseits fand sie das ja total süß von ihm, das musste sie schon zugeben. Andererseits dachte sie aber auch an Nothing und das bevorstehende Date am Samstag, das sie mit ihm hatte. Was sollte sie denn jetzt bloß machen?

„Na, begeistert klingst du aber nicht gerade“, stellte Joshua enttäuscht fest. „Freust du dich denn gar nicht?“

„Doch, wirklich“, bemühte sie sich zu versichern. Sie holte tief Luft. „Ehrlich, die Überraschung ist dir gelungen.“

„Irgendwie habe ich aber nicht so das Gefühl. Ich komm mir eher vor, als störe ich irgendwie. Hast du denn was vor am Wochenende? Wir könnten Samstag ausgehen.“

„Samstag geht nicht“, sagte Beverly sofort. „Da bin ich schon … mit ein paar Freundinnen verabredet.“

„Ich könnte doch mitkommen? Dann lern ich deine neuen Freundinnen mal kennen.“

„Das soll aber ein reiner Mädchenabend werden, sorry. Aber wenn du Lust hast, kannst du dich in der Zeit ja mit meinem Computer beschäftigen. Der läuft nicht so, wie er soll.“ Joshua war ein Computerfreak, und Beverly war sicher, dass er total begeistert sein würde, ihren PC auf Vordermann zu bringen.

Doch Josh sah sie eher misstrauisch an. „Ich weiß nicht“, sagte er. „Eigentlich würde ich ja lieber mit dir was unternehmen. Können wir dann wenigstens morgen ausgehen?“

„Morgen muss ich arbeiten. Doppelschicht, weil eine Kollegin ausfällt. Ich bin bis spätabends im Diner.“

„Du arbeitest im Diner?“, fragte er überrascht. „Davon hast du mir ja gar nichts gesagt.“

Sie hob die Schultern. „Muss ich wohl vergessen haben.“

„Dann bin ich also völlig umsonst hergekommen?“ Er senkte den Blick. „Wenn ich dich kaum sehen kann, kann ich auch ebenso gut gleich wieder nach Hause fahren.“

„Dann hättest du halt vorher Bescheid sagen müssen“, erwiderte Beverly gereizt und lauter als eigentlich beabsichtigt. „Ich kann auch nichts dafür, wenn du ohne Voranmeldung plötzlich vor der Tür stehst!“ Sie seufzte. „Komm, ich lad dich im Diner auf eine Cola ein, dann können wir dort weiterreden.“

„Von mir aus.“ Joshua zuckte mit den Schultern, stockte dann aber. „Sag mal“, wollte er wissen, „verschweigst du mir etwas?“

Beverly zuckte unwillkürlich zusammen. Sie fühlte sich ertappt. „Wie kommst du denn darauf?“, fragte sie und bemühte sich, ihrer Stimme einen unschuldigen Klang zu verleihen. „Was meinst du?“

„Ich weiß nicht. Irgendwie bist du so komisch. Schon seit du in Middlesbury bist. Du meldest dich ja kaum noch, und jetzt …“

„Ich melde mich kaum noch?“ Empört verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Dasselbe könnte ich von dir sagen! Wann krieg ich denn mal einen Anruf oder eine Mail von dir? Und wenn wir dann mal reden, bist du immer kurz angebunden. Also hör du mal auf, mir irgendwelche Vorwürfe zu machen, ja?“

Er senkte den Blick. „Irgendwie hast du ja recht. Weißt du, ich hatte ein paar Probleme, und …“

„Probleme?“, hakte sie aufhorchend nach.

„Ach, nicht der Rede wert. Jedenfalls habe ich mich anfangs schon ziemlich oft bei dir gemeldet, aber irgendwie … ich weiß auch nicht, du warst immer so anders als sonst. Na ja, und dann hab ich mir gedacht, mich erst mal seltener zu melden und dich dann mit meinem Besuch zu überraschen. Aber ehrlich gesagt bereue ich das jetzt schon wieder. Du scheinst dich nicht sehr zu freuen, mich zu sehen. Hast du schlechte Laune oder …“ Er hielt kurz inne und sah sie musternd an. „Oder triffst du dich etwa mit einem anderen Jungen?“

Beverly zuckte zusammen. Für einen kurzen Augenblick blieb ihr die Luft weg, dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle. „Sag mal, hast du sie noch alle? Wie kommst du denn auf den Blödsinn? Denkst wohl, ich mache mit jedem rum, was? Find ich echt voll mies von dir. Und außerdem: Wer sagt mir denn, dass du zu Hause nicht mit anderen Mädchen rummachst? Du bist schließlich seit einiger Zeit auch ziemlich komisch. Und das war übrigens schon so, bevor ich mit meiner Mom hierher gezogen bin.“

„Ach, weiß du was? Geh doch allein deine Cola trinken. Ist wohl am besten, wenn ich mich gleich wieder auf den Weg nach Hause mache!“

Er feuerte noch einen bitterbösen Blick auf sie ab, dann drehte er sich abrupt um und ging schnellen Schrittes zurück.

„Hey, jetzt warte doch mal“, rief sie ihm nach. „So war das auch wieder nicht gemeint. Jetzt bleib schon hier, du hast eine stundenlange Fahrt hinter dir, da kannst du doch nicht schon wieder hinters Steuer.“

Er blieb stehen und blickte sich um. „Mach dir um mich mal keinen Kopf, ich komm schon klar.“

„Aber …“

„Hör zu“, fuhr er sie an, und seine Stimme wurde deutlich lauter. „Ich hab echt keinen Nerv mehr, ja? Ich bin hierhergekommen, weil ich dich überraschen wollte und dachte, du freust dich. Hab ich mich halt getäuscht. Ich weiß nur eins: Irgendwas stimmt mit dir nicht. Du sagst mir nicht die Wahrheit, und ich hab keinen Bock auf Lügen.“ Er seufzte. „Ich glaube, es ist wirklich besser, wenn ich wieder nach Hause fahre. Wenn du mal Lust zu reden haben solltest, kannst du dich ja melden. Eines aber solltest du nicht vergessen: Ich hab dich lieb.“

Beverly schlug die Augen nieder. „Ich hab dich auch lieb, Josh“, murmelte sie, bevor ihr Freund sich umdrehte und davonging. Dieses Mal machte sie keine Anstalten, ihn aufzuhalten. Ihr war total elend zumute. Sie fühlte sich schuldig, weil sie Josh die Überraschung verdorben hatte und ihn einfach gehen ließ. Aber sie konnte nicht anders. Sie wollte jetzt nicht weiter mit ihm reden, sie wollte nicht mehr mit ihm streiten. Das Einzige, was sie im Moment wollte, war, ihre Ruhe zu haben.

Verblüfft stellte sie fest, dass es ihr kaum etwas ausmachte, zuzusehen, wie Josh langsam aus ihrem Blickfeld verschwand. Da war nichts, das wehtat, kein Gefühl des Schmerzes.

Als ihr dann aber plötzlich Nothing in den Sinn kam, spürte sie, wie ihr Herz aufgeregt zu hämmern begann.

 

***

 

„Das war echt klasse“, rief Beverly begeistert aus, als sie gemeinsam mit Nothing die Disco verließ. „Vor Kurzem war ich schon mal hier in dieser Dorfdisco, damals war es total langweilig, aber wenn du dabei bist, macht es einfach nur Spaß! Du hast es echt drauf.“

Das war keineswegs übertrieben, Beverly fand Nothings ganze Art total irre, er war so cool und dennoch irgendwie charmant, der Abend mit ihm in der Disco hatte richtig Spaß gemacht. Immer wieder hatte sie ihn verträumt anstarren müssen, und sobald er ihr zulächelte, schlug ihr Herz höher. Und wie er tanzte – noch nie hatte sie einen Jungen so toll tanzen sehen. Nothing war einfach ganz anders als sämtliche Jungs in seinem Alter, die sie bisher kennengelernt hatte.

„Und? Was machen wir jetzt?“, fragte er, als sie nach draußen traten. Eisige Kälte schlug ihnen entgegen.

„Jetzt?“ Beverly runzelte die Stirn. „Also, ich glaube, ich müsste gleich mal nach Hause. Es ist schon ziemlich spät, und wenn meine Mom sich Sorgen macht, kann ich mich morgen auf ein Donnerwetter gefasst machen.“

„Hey, du bist doch so gut wie erwachsen.“ Er lächelte ihr zu. „Das solltest du deiner Mom mal klar machen!“

Sie lachte. „Das sehe ich ja auch so. Dummerweise denkt sie da ein bisschen anders drüber.“ Sie holte tief Luft. „Aber was soll's? Irgendwann wird sie ohnehin einsehen müssen, dass ihr kleine Tochter inzwischen groß geworden ist. Also, was schlägst du vor?“

Doch er nahm nur ihre Hand und zog sie mit sich. Gemeinsam gingen sie zum Parkplatz der kleinen Disco, wo er seinen Wagen geparkt hatte. Auf dem Parkplatz war es stockdunkel. Nirgends war eine Laterne, und auch der fast volle Mond spendete kaum mal ein bisschen Licht, weil sich immer wieder dichte Wolken davor schoben.

Beverly war froh, als sie endlich Nothings Wagen, einen alten Dodge, erreichten. Fröstelnd ließ sie sich in den Beifahrersitz senken, und Nothing startete den Motor. „Wird eine Weile dauern, bis die Heizung auf Touren kommt“, sagte er. „Soll ich schauen, ob ich im Kofferraum noch eine Decke oder so finde?“

Sie winkte ab. „Ach was, so schlimm kalt ist mir gar nicht.“ Doch das Klappern ihrer Zähne strafte ihre Worte Lügen.

Nothing drehte die Musik lauter und fuhr an. Während sie den Klängen von Megadeth lauschte, lehnte Beverly sich entspannt zurück. Es war seltsam: Obwohl sie Nothing kaum kannte und sie heute das erste Mal mit ihm ausgegangen war, fragte sie sich keine Sekunde lang, wohin er jetzt mit ihr fuhr. Sie machte sich auch keine Sorgen, dass er vielleicht etwas Böses im Schilde führen könnte. Ihr war klar, dass in der heutigen Zeit viel passierte und man jemanden, den man kaum kannte, nie trauen sollte, aber genau das tat sie: Sie vertraute ihm. Und das, obwohl er ihr noch nicht einmal seinen richtigen Namen verraten hatte.

„Sag mal, wieso nennst du dich eigentlich Nothing?“, wollte sie wissen. Aus reiner Neugier und auch, weil sie hoffte, dass er ihr nun auch verriet, wie er wirklich hieß.

Er winkte ab. „Ach, ist ein alberner Spitzname aus Kindertagen. Weiß auch nicht mehr genau, wie das kam, aber irgendwie haben mich alle so genannt.“

„Aber dein richtiger Name klingt doch bestimmt auch cool“, wagte sie sich einen Schritt vor.

„Sei dir da mal nicht so sicher.“ Er lachte. „Besser, du nennst mich weiterhin Nothing, okay?“

Beverly nickte nur. Komisch war es ja schon irgendwie, dass er so ein Geheimnis aus seinem Namen machte. Aber was soll's?, dachte sie schließlich. Er wird schon seine Gründe haben.

Langsam sprang die Heizung an, und wohlige Wärme breitete sich im Wagen aus. Verträumt schaute sie Nothing von der Seite an. Doch plötzlich war etwas anders. Es war sein Gesichtsausdruck, der sich mit einem Mal verändert hatte. Nothing wirkte plötzlich ganz ernst und warf immer wieder hastige Blickte in den Rückspiegel.

„Ist was?“, fragte Beverly, leicht beunruhigt.

„Das kann man wohl sagen.“ Nothing nickte und blickte erneut in den Rückspiegel. „Wie es aussieht, werden wir verfolgt.“

 

***

 

„Verfolgt?“ Verwirrt starrte Beverly ihn an. „Was meinst du damit? Wer sollte uns denn verfolgen?“ Sie lachte. „Sind dir vielleicht die Cops auf den Fersen?“

Unwillkürlich zuckte Beverly zusammen, als sich Nothings Miene noch mehr verdüsterte. Hatte sie etwas Falsches gesagt?

„Wer sagt denn, dass man mir auf den Fersen ist?“, gab er gereizt zurück. „Vielleicht wirst du ja verfolgt.“

„Ich?“ Sie lachte schallend. „Wer sollte mich denn verfolgen?“

„Das frage ich dich. Vielleicht hast du ja einen eifersüchtigen Freund, dem es nicht gefällt, dass du mit einem anderen Jungen ausgehst.“

Sofort dachte Beverly an Josh. Konnte es wirklich möglich sein, dass … Aber nein, das ist unmöglich!, verschlug sie den Gedanken wieder, ehe sie ihn zu Ende gedacht hatte. Josh ist längst wieder zu Hause!

„Ich habe keinen Freund“, log sie. „Und ich wüsste auch sonst niemanden, der einen Grund hätte, mich zu verfolgen.“

Nothing erwiderte nichts, sondern nickte nur und gab mehr Gas. Einen Moment lang schloss Beverly die Augen. Ihr war nicht wohl bei der ganzen Sache. Zum einen fragte sie sich, was das alles sollte, wer sie verfolgen könnte, und zum anderen gefiel ihr das Tempo nicht, mit dem Nothing durch die Nacht bretterte. Die Straße war schlecht ausgebaut und zudem rutschig vom Schnee, und hinzu kam noch, dass die Sicht aufgrund der Dunkelheit mehr als schlecht war.

„Kann es nicht auch sein, dass wir gar nicht verfolgt werden?“ Beverly klammerte sich am Haltegriff der Tür fest. Ängstlich blickte sie hinüber zu Nothing. „Vielleicht fährt der Wagen hinter uns auch nur zufällig dieselbe Strecke wie wir.“

Nothing schüttelte den Kopf. „Sieht nicht so aus.“

Beverly drehte sich um, in der Hoffnung, etwas von dem Wagen erkennen zu können, doch dazu war es zu dunkel. Sie konnte nur die grellen Scheinwerfer sehen, die sie jetzt so sehr blendeten, dass sie die Augen zusammenkneifen musste.

Nothing gab noch mehr Gas, um die Distanz zwischen ihnen und dem anderen Auto zu vergrößern. Beverly war inzwischen richtig mulmig zumute. Sie konnte nur hoffen, dass Nothing ein so guter Fahrer war, dass er seinen Wagen auch bei dem Tempo und solchen Witterungsverhältnissen unter Kontrolle hatte. Aber würde er sonst so fahren? Würde er es riskieren, einen Unfall zu verursachen, bei dem sie und er selbst möglicherweise verletzt wurden?

Irgendwann machte die Straße einen Bogen, und direkt dahinter war eine Kreuzung. Nothing trat auf die Bremse, die Reifen quietschten und der Wagen rutschte ein wenig, kam aber noch rechtzeitig zum Stehen. „Rechts oder links?“, murmelte er und entschied sich gleich darauf, links abzubiegen. Er fuhr ein Stück weiter in die Straße hinein, fuhr dann scharf rechts ran, hielt an und schaltete die Scheinwerfer aus.

Gespannt warteten sie ab. Würde der andere Wagen gleich wieder auftauchen? Minuten verstrichen, doch nichts tat sich.

„Haben wir ihn abgehängt?“, fragte Beverly leise.

Nothing hob die Schultern. Sie sah, dass ihm feine Schweißperlen auf der Stirn standen. „Entweder das – oder ich habe mich doch getäuscht und wir wurden gar nicht verfolgt.“

 

***

 

Eine Weile warteten sie noch ab, dann fuhren sie weiter. Sie hatten Middlesbury längst hinter sich gelassen, und Beverly fragte sich gerade, wo Nothing sie hinführte, als er den Wagen plötzlich stoppte.

„So, da wären wir“, sagte er und lächelte ihr zu. Da war es wieder, dieses Lächeln, das ihr schlagartig die Knie weich werden ließ! Ein Glück, dass sie saß, sonst wäre sie vermutlich einfach umgekippt.

Sie blickte durch die leicht beschlagene Scheibe, konnte aber nicht viel erkennen. „Wo sind wir hier?“, wollte sie wissen.

„Steig aus und sieh dich um“, sagte Nothing geheimnisvoll, löste seinen Sicherheitsgurt und öffnete die Wagentür. Nachdem er ausgestiegen war, verließ auch Beverly den Wagen.

Als sie sah, wo sie sich befanden, runzelte sie irritiert die Stirn. Direkt vor ihnen lag ein großer See, dessen Oberfläche komplett zugefroren war. Der Schein des vollen Mondes fiel direkt auf die spiegelglatte Oberfläche und tauchte sie in silbriges Licht. Um den See herum gab es nur mit feinem Pulverschnee bedeckte Bäume und Sträucher. Sonst nichts. Was wollte Nothing hier? Für ein Picknick bei Mondschein war es wohl ein bisschen zu kalt.

Fragend blickte sie sich zu ihm um und beobachtete, wie er sich am Kofferraum seines Wagens zu schaffen machte. Als sie sah, was er einen Moment später daraus hervorholte, stockte ihr der Atem.

„Schlittschuhe!“, rief sie begeistert aus. „Du hast Schlittschuhe mitgebracht?“

„Ich hoffe, das Paar hier passt dir. Müsste eigentlich deine Größe sein. Probier sie mal an, ja? Und zieh deine Handschuhe an, ich will schließlich nicht, dass du mir auf dem Eis erfrierst!“

Sie nahm das Paar Schlittschuhe entgegen, wobei ihr die Hände zitterten, allerdings nicht vor Kälte, sondern vor Aufregung. Schlittschuhlaufen im Mondschein. Was für eine tolle Idee! Vor lauter Rührung kamen ihr beinahe die Tränen.

Hastig wandte sie sich ab, setzte sich auf einen großen Stein und zog ihre Turnschuhe aus. Die Schlittschuhe passten tatsächlich so gut, als wären sie extra für sie gemacht. Als sie sie endlich zu Ende zugeschnürt hatte, stand Nothing vor ihr, er hatte seine Schlittschuhe ebenfalls bereits an. Lächelnd hielt er ihr eine Hand hin, und Beverly ließ sich von ihm aufhelfen.

Sie war seit einer Ewigkeit nicht mehr Schlittschuhlaufen gewesen, und entsprechend wackelig stand sie jetzt auf den Beinen. Hätte Nothing sie nicht gestützt, während sie zum zugefrorenen See hinübergingen, hätte sie sich wahrscheinlich mehr als einmal langgelegt.

Sie erreichten den See, und Beverly sah sich im Schein des Mondes die Eisfläche genauer an. „Meinst du, das Eis ist auch dick genug zum Schlittschuhlaufen?“, fragte sie ein wenig besorgt.

Nothing lachte. „Bei den Temperaturen brauchst du dir da wohl keine Sorgen machen. Komm, ich beweise es dir.“ Einen Lidschlag später befand er sich auch schon auf dem Eis und drehte seine Runden. Beverly staunte nicht schlecht, als sie sah, wie toll er Schlittschuhlaufen konnte. Seine Bewegungen wirkten so leicht, dass man meinen konnte, er täte den ganzen Tag nichts anderes.

„Komm schon“, rief er ihr zu. „Trau dich!“

Sie atmete tief durch, dann wagte auch sie sich aufs Eis. Erst hatte sie Mühe, sich überhaupt auf den Beinen halten zu können, aber nach und nach klappte es immer besser, und schließlich drehte auch sie ihre Runden, ohne dabei das Gleichgewicht zu verlieren. Zwar stellte sie sich dabei längst nicht so gut an wie Nothing – davon, dass sie sich blamierte, konnte aber auch keine Rede sein.

Irgendwann kam er zu ihr und nahm ihre Hand. „Komm, wir drehen gemeinsam ein paar Runden“, sagte er, und Beverlys Herz klopfte wie verrückt. Es war einfach wunderschön, gemeinsam mit Nothing im Schein des Mondes auf dem See Schlittschuh zu laufen, etwas Vergleichbares hatte sie mit keinem Jungen zuvor erlebt. In ihrem Bauch schienen tausend Schmetterlinge zu flattern, und trotz der Kälte war ihr plötzlich richtig warm ums Herz.

Nothing stoppte und drehte sich zu ihr. Aus seinen großen, dunklen Augen sah er sie an, dann legte er ihr einen Finger unters Kinn und drückte sanft ihren Kopf hoch.

Langsam näherte sich sein Mund dem ihrem. Sie spürte seinen warmen Atem, und es durchlief sie heiß und kalt zugleich, doch bevor ihre Lippen sich berühren konnten, kam ihr Joshua in den Sinn.

Abrupt wandte sie sich ab.

„Sorry“, sagte Nothing und senkte betrübt den Blick. „Ich wollte nicht … Also, ich glaube, ich bin da etwas übers Ziel hinausgeschossen. Tut mir leid, okay?“

Sie schüttelte den Kopf. „Du brauchst dich nicht entschuldigen. Es ist wirklich total schön mit dir. So was hat noch nie ein Junge für mich gemacht. Es ist nur … Also ich glaube, ich bin einfach noch nicht so weit, weißt du? Sei mir bitte nicht böse, ja?“

„Hey, alles cool, kein Ding.“ Nothing lächelte. „Was meinst du, sollen wir zurück ins Auto? Es wird langsam doch ziemlich kalt.“

„Gute Idee. Irgendwann sollte ich ohnehin mal wieder zu Hause aufkreuzen, sonst killt meine Mom mich echt noch.“

Gemeinsam verließen sie den See und zogen sich am Ufer die Schlittschuhe aus. Während Beverly sich die Turnschuhe wieder zuschnürte, räusperte Nothing sich. „Ähm … Also, ich schlag mich mal kurz in die Büsche, ja? Ich muss mal für kleine Jungs.“

Beverly lachte. „Tu dir keinen Zwang an.“ Während er verschwand, grinste sie in sich hinein. Nothing war echt total süß. Und so unverschämt cool. Sie dachte daran, dass sie sich eben beinahe geküsst hätten. Ein Teil in ihr bedauerte, dass es nicht dazu gekommen war, doch der andere Teil dachte auch an Joshua.

Beverly seufzte. Was war denn bloß mit ihr los? Ihre Gefühle spielten im Moment dermaßen verrückt, dass sie gar keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.