19,99 €
Dankbarkeit als Lebensstil In unverfälschter, von Herzen kommender Dankbarkeit liegt eine ungeheure Kraft. Sie nährt unsere Beziehungen, verdeutlicht uns, was im Leben wichtig ist und worauf wir verzichten können. Allerdings haben die meisten Menschen eine Denkweise verinnerlicht, die dem natürlichen Dankbarkeitsfluss im Weg steht. So denken wir, wir verdienen etwas und es sei nicht mehr als recht und billig, das zu bekommen, was uns zusteht. Durch eine solche Haltung gehen uns die Fähigkeit zur Dankbarkeit und ihr produktives Potenzial immer mehr verloren. In diesem Buch ist ein 52-wöchiges Übungsprogramm enthalten, das hilft, die „Dankbarkeitsmuskeln“ zu stärken. Es basiert u.a. auf Ansätzen aus der Gewaltfreien Kommunikation und der Positiven Psychologie.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 219
Liv LarssonDankbarkeit, Wertschätzung und GlückAuf dem Weg zu einem neuen Lebensstil
In unverfälschter, von Herzen kommender Dankbarkeit liegt eine ungeheure Kraft. Sie nährt unsere Beziehungen, verdeutlicht uns, was im Leben wichtig ist und worauf wir verzichten können. Allerdings haben die meisten Menschen eine Denkweise verinnerlicht, die dem natürlichen Dankbarkeitsfluss im Weg steht. So denken wir, wir verdienen etwas und es sei nicht mehr als recht und billig, das zu bekommen, was uns zusteht. Durch eine solche Haltung gehen uns die Fähigkeit zur Dankbarkeit und ihr produktives Potenzial immer mehr verloren.
In diesem Buch ist ein 52-wöchiges Übungsprogramm enthalten, das hilft, die »Dankbarkeitsmuskeln« zu stärken. Es basiert u. a. auf Ansätzen aus der Gewaltfreien Kommunikation und der Positiven Psychologie.
Liv Larsson ist CNVC-zertifizierte GFK-Trainerin. In Schweden sowie in europäischen und asiatischen Ländern gibt sie ihre GFK-Kenntnisse an viele Menschen weiter: an Führungskräfte, UN-Mitarbeiter, Friedensarbeiter, Mediatoren, Theatergruppen, Ärzte, Lehrer u.v.m.
Copyright © der deutschen Ausgabe: Junfermann Verlag, Paderborn 2016
Copyright © der Originalausgabe: Liv Larsson 2011 Erschienen bei Friare Liv, Mjösjölidvägen 477, 946 40 Svensbyn, www.friareliv.se
Originaltitel: Tack! Uppskattning, tacksamhet och lycka som livsstil
Übersetzung: Judith Momo Henke
Illustrationen: Vilhelm PH Nilsson
Coverbild: © zahar2000 – Fotolia
Covergestaltung / Reihenentwurf: Christian Tschepp
Alle Rechte vorbehalten.
Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2016
Satz & Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn
ISBN der Printausgabe: 978-3-95571-486-4
ISBN dieses E-Books: 978-3-95571-584-7 (EPUB), 978-3-95571-586-1 (PDF), 978-3-95571-585-4 (MOBI).
Ich erinnere mich noch gut an die Spendenbüchse in der Sonntagsschule. Darauf befand sich die Figur eines knienden Jungen, die Hände zum Gebet gefaltet. Bei jeder Münze, die ihren Weg in die Büchse fand, nickte er mit dem Kopf. Der farbige kleine Junge machte Eindruck auf mich, denn ich hatte noch nie einen Menschen gesehen, dessen Hautfarbe anders war als meine eigene. Er dankte und ich spendete, denn ich hatte gelernt, dass es gut war, großzügig zu sein und denen zu geben, die arm waren. Dennoch schämte ich mich, als ich an die Reihe kam – als ich meine Münze in die Büchse legte und sein demütiges Nicken mir galt.
Ich erinnere mich auch, wie wir in der Schule ermahnt wurden, unsere Teller leer zu essen: „Noch ein Bissen für die armen Kinder in Afrika.“ Und: „Seid froh, dass ihr satt zu essen habt.“ Derartige Ermahnungen ließen die Nahrung im Mund zu einem Klumpen werden und machten es noch schwerer, sie hinunterzuschlucken. Die doppelbödige Botschaft, mehr zu essen, weil Kinder in anderen Ländern hungerten, verursachte einen Kurzschluss in Herz und Hirn. Inzwischen weiß ich, dass ich nicht die Einzige war, die darüber nachdachte, wie man dieses Essen zu den armen hungrigen Kindern schicken könnte.
Später lernte ich das sogenannte „positive Denken“ kennen und wurde davon beeinflusst. Man sollte positiv denken und dankbar für das sein, was man bekam. Man sollte zufrieden sein, dass man den Müll hinaustragen durfte. Solange man alles mit einem Lächeln tat – den Müll entsorgen, Sport treiben oder mit dem Rauchen aufhören –, würde es ansteckend wirken und bald würden andere unserem Beispiel folgen. Und natürlich trat der Effekt bisweilen tatsächlich ein. Dennoch hatte diese künstlich auferlegte Positivität einen üblen Beigeschmack und ich sehnte mich danach, echte Dankbarkeit und unverfälschte Motivation zu spüren.
Dies sind einige Beispiele dafür, warum ich Dankbarkeit oft als unehrlich und kompliziert empfand. Daher bin ich dankbar, dass ich Gelegenheit hatte, mich für einige Jahre in die Themen Wertschätzung und Dankbarkeit zu vertiefen. Dass eine Gruppe von Menschen mir geholfen hat, alle Übungen in diesem Buch zu testen und gemeinsam mit mir unterschiedliche Begrifflichkeiten gedreht und gewendet hat, war von unschätzbarem Wert.
Ich hatte die Chance, dem Unterschied zwischen „positivem Denken“ (basierend auf der Idee, dass allein positive Gedanken zu Ergebnissen führen) und dem Fokussieren auf das, was wir wollen und wofür wir arbeiten, auf den Grund zu gehen. Durch diese „Reise“ habe ich meine Haltung zu Dankbarkeit und Wertschätzung überdacht und einen echten Zugang zur Dankbarkeit für „die kleinen Dinge im Leben“ gefunden. Dieser Zugang eröffnet sich nicht, indem ich mich selbst aufmuntere oder versuche, positiv zu denken, um Schwieriges zu beschönigen. Er entsteht, wenn ich wirklich „bei und mit den Dingen bin, wie sie sind“, und wenn ich sehe, dass es selbst in harten Zeiten vieles gibt, worüber man sich freuen und wofür man dankbar sein kann.
Bevor wir die Dankbarkeitsübungen (in diesem Buch in Kapitel 5) ein Jahr lang ausprobierten, sagten zwei Teilnehmer/innen aus der Testgruppe:
„Das Wort Dankbarkeit hat so etwas Erstickendes und Beschwichtigendes. Es lenkt die Gedanken auf die Ungleichheit, denn natürlich soll der, der weniger hat oder von geringerem Status ist, dankbar sein. Wer weniger besitzt, soll dankbar sein, wenn er von dem, der mehr hat, etwas bekommt.“
„Lange habe ich zu anderen aufgesehen, habe mich oft unsichtbar gefühlt. Das Wort Dankbarkeit steht für so vieles: aufgeben, dankbar sein, ein Niemand sein. Bloß nicht auffallen und um nichts bitten. Nur hinunterschlucken und Danke sagen.“
Nachdem wir die Achtsamkeitsübungen ein halbes Jahr lang praktiziert hatten, machten wir eine Auswertung und eine dieser Personen schrieb (ohne sich ihrer Worte sechs Monate zuvor bewusst zu sein):
„Dankbarkeit weckt ein schönes und warmes Gefühl im Inneren, das ich anderen Menschen entgegenbringen kann, ohne dass es sich erstickend oder fordernd anfühlt. Wunderbar!
Während dieser Zeit habe ich die Kraft gefunden, mit einer beschwerlichen Familiensituation zurechtzukommen. Dankbarkeit für das, was ich wertschätze, hat für mich Dinge geklärt, vor denen ich viele Jahre lang zu fliehen versuchte.“
Dies sind nur zwei der vielen Rückmeldungen, die mir bestätigten, dass es einen positiven Effekt hat, eine Haltung von Dankbarkeit im Alltag zu entwickeln.
Während der Arbeit an diesem Buch habe ich hin und wieder gedacht, ich „müsste“ etwas Seriöseres oder Ernsteres schreiben. Etwas Tiefes, Systemveränderndes, das das Leben vieler Menschen bereichert, ja, das die Welt rettet. Gleichzeitig überraschte mich, welche Freude es mir bereitete, tatsächlich gar nicht zu wissen, was zu einer besseren Welt beitragen könnte. Ich weiß nur, was mir selbst Freude bereitet. Und das Vertrauen in diese Freude erfüllt mich auf ganz andere Weise mit Tatkraft, als wenn ich versuchen würde, „das Richtige“ zu tun oder das, was ich für „meine Pflicht“ halte. Ich möchte nicht die Augen vor dem verschließen, was in der Welt geschieht, ich möchte nicht blind werden müssen, um Freude empfinden zu können. Im Gegenteil, ich möchte mit offenen Augen sowohl das Funktionierende wahrnehmen als auch das, was verbesserungswürdig ist.
„Frag dich nicht, was die Welt braucht. Frag, was dich lebendig macht, und dann tu es. Denn die Welt braucht Menschen, die zum Leben erwacht sind.“
(Howard Thurman)
„Ich fokussiere mich auf Dankbarkeit und sehe dadurch mehr Dinge, für die ich dankbar sein kann. Oft erfüllt mich ein nahezu ‚religiöses‘ Erstaunen, wenn ich an das denke, was ich schätze.“
(Carola)
Wir Menschen sind soziale Tiere, wir sind zur Gemeinschaft geboren. Die Fähigkeit, zum Leben anderer beizutragen, wurde uns in die Wiege gelegt, ebenso wie die Verletzlichkeit, die es mit sich bringt, in gegenseitiger Abhängigkeit mit den Menschen und der Natur um uns herum zu leben.
Es liegt eine enorme Kraft in unverfälschter Dankbarkeit. Wenn Dankbarkeit geäußert und entgegengenommen wird, wirkt sie wie eine Vitaminspritze. Sie nährt unsere Beziehungen, egal ob sie romantischer Natur sind oder ob es um Beziehungen zwischen Freunden oder Arbeitskollegen geht. Dankbarkeit verdeutlicht uns, was im Leben wichtig ist und worauf wir verzichten können. Dankbarkeit zu erleben ist eine Entscheidung, die wir treffen können, und wenn wir dies tun, wird jede Zelle unseres Körpers davon erfasst.
Ein Aspekt von Dankbarkeit, den ich als geradezu magisch erlebe, ist die Tatsache, dass sie im gleichen Maße zu wachsen scheint, wie sie geäußert wird. Unser Gehirn antwortet mit Freude und wir fühlen uns glücklich, wenn wir eine andere Person glücklich sehen. Es liegt eine Wahrheit in dem Sprichwort: „Geteilte Freude ist doppelte Freude“.
Bringt uns jemand Wertschätzung für etwas entgegen, das wir getan haben, und nehmen wir diese Wertschätzung an, dann ist es leicht, dankbar zu sein. Und sind wir von Dankbarkeit erfüllt, fällt es für gewöhnlich auch leichter, bei anderen Menschen Handlungen wahrzunehmen, die wir schätzen. Wie konzentrische Kreise, die sich auf dem Wasser ausbreiten, schaffen auch wir eine Kultur der Wertschätzung und der Dankbarkeit, anstelle einer Kultur, die von Pflichtgefühl und Erwartungen geprägt ist. So entwickeln wir eine Lebensweise, die sich als naturnah, ressourcenschonend, selbstversorgend, umweltfreundlich, erneuerbar und liebevoll beschreiben lässt.
Die moderne sogenannte Glücksforschung postuliert, man fühle sich glücklicher, wenn man eine von Dankbarkeit geprägte Einstellung nährt. Es überrascht nicht, dass man Folgendes herausgefunden hat: Die Menschen, die am meisten Dankbarkeit erleben, sind am glücklichsten, verfügen über die größte Energie und vertrauen stark darauf, dass es möglich ist, im Großen wie im Kleinen eine bessere Welt zu erschaffen. Dass Dankbarkeit eine Strategie ist, die uns hilft, mehr Glück zu erleben, haben Menschen zu allen Zeiten verstanden.
Je dankbarer Menschen sind – auch das zeigen Forschungsergebnisse –, umso weniger sind sie anfällig dafür, sich depressiv, neurotisch, ängstlich, einsam oder eifersüchtig zu fühlen. Einige geben sogar an, eine stärkere Immunabwehr zu besitzen und deshalb gesünder zu sein, aber hier sind die Forschungsergebnisse nicht ganz so eindeutig.
Menschen, die Dankbarkeit für das empfinden, was sie haben, fokussieren sich stärker auf das Vorhandene und weniger darauf, sich „Glück zu kaufen“. Daher haben sie auch ein weniger ausgeprägtes Besitzbedürfnis und eine geringere Tendenz zu unmäßigem Konsum.
Auch wenn inzwischen einige Studien gezielt „Dankbarkeitsreaktionen“ evoziert haben, kann man noch immer nicht mit Sicherheit sagen, ob dankbare Personen tatsächlich glücklichere Umstände anziehen oder ob sie schlicht dem, was geschieht, mit größerer Dankbarkeit begegnen. Was man weiß, ist: Dankbare Menschen erleben sich als glücklicher und glückliche Menschen erleben mehr Dankbarkeit. Was also kommt zuerst, die Henne oder das Ei?
Reflexion:
Welche Gefühle und Gedanken ruft das Wort Dankbarkeit in Ihnen hervor?
Das Gefühl der Dankbarkeit ist eine natürliche Reaktion, wenn wir uns bewusst machen, dass wir etwas erhalten haben, was wir benötigen – sofern wir nicht von bewertenden Gedanken abgelenkt werden. Allerdings haben die meisten Menschen eine Denkweise verinnerlicht, die dem natürlichen Dankbarkeitsfluss im Weg steht. Zum Beispiel denken wir, wir verdienten etwas und es sei nicht mehr als recht, dass wir bekommen, was uns zusteht, oder es sei die Pflicht der anderen, etwas für uns zu tun.
Umgekehrt wehren wir uns möglicherweise gegen das, was wir bekommen, weil wir denken, wir verdienten so etwas Gutes nicht und seien es nicht wert. Und es gibt einen weiteren Grund, warum uns das Gefühl von Dankbarkeit manchmal entgeht: Wenn wir uns von dem Gedanken in die Irre führen lassen, jemand würde uns etwas nur geben, um uns zu manipulieren.
Selbst wenn unsere Dankbarkeit frei fließt, ist es mitunter schwierig, sie mit Worten auszudrücken. Vielleicht glauben wir, der andere wolle unsere Wertschätzung nicht hören. Und oft erleben wir, dass der andere eher verlegen wirkt, wenn wir unsere Anerkennung zeigen. Vielleicht errötet er oder tut die Wertschätzung mit Entgegnungen ab wie „Ach, das ist doch nicht der Rede wert“ oder „Das ist selbstverständlich, schließlich liebe ich dich“, „Das ist nur meine Pflicht als Mama / Papa / Chefin / Freund / Mitarbeiterin“ oder „Du hast es verdient“. Dann bleibt die Wertschätzung im Halse stecken, wir fühlen uns womöglich ebenfalls befangen oder werden rot, da wir uns nicht angenommen fühlen. Sind wir das nächste Mal dankbar, lassen wir es vielleicht lieber bleiben, etwas zu sagen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass wir manchmal selbst eine so starke Sehnsucht danach haben, mehr Wertschätzung zu erfahren, dass wir keine richtige Freude darin finden, sie anderen entgegenzubringen.
Für die meisten Menschen steht außer Frage: Wenn Unzufriedenheit nicht ausgedrückt wird, sondern bestehen bleibt und weiter schwelt, erschwert sie den zwischenmenschlichen Kontakt. Vielen ist aber nicht bewusst, dass auch Wertschätzung, die nicht geäußert wird, der Verbindung im Weg stehen kann. Die Dankbarkeit ist da und sie will hinaus wie wunderschöne glutheiße Lava in einem pulsierenden Vulkan.
Eine meiner Freundinnen bewunderte einen gemeinsamen Freund in vielerlei Hinsicht. Es inspirierte sie, wie er Probleme löste und wie er kommunizierte. Wenn sie ihn beschreiben sollte, tat sie dies mit statischen Begriffen wie „kreativ, fantastisch und mutig“. Sie glaubte, zu seinem Leben nichts beitragen zu können, und hielt deshalb Abstand. Im Laufe einiger Jahre wurde ihre aufgestaute Wertschätzung zu einer unsichtbaren Mauer zwischen den beiden.
Dann kam eine Zeit, in der sie sich darauf konzentrierte, mehr Dankbarkeit in ihrem Leben zu finden, und sie stellte eine Verbindung mit den Bedürfnissen hinter den positiven Beurteilungen her. Das half ihr zu verstehen, wie gern sie ihn wissen lassen wollte, dass er ihr viel Hoffnung und Inspiration eingab. Als sie in Worten ausdrückte, wie sehr sie ihn schätzte und warum, war er erleichtert und gerührt. Er hatte bemerkt, dass sie Abstand gehalten hatte, und war davon ausgegangen, dass sie ihn aus irgendeinem Grund nicht mochte. Erst war sie überrascht. Dann sah sie ein, dass er natürlich nicht hatte wissen können, wie sehr sie ihn schätzte, da sie es ihm nie gesagt hatte. Danach wurde er in ihren Augen „menschlicher“, und sie hatte endlich das Selbstbewusstsein zu glauben, dass sie in seiner Gegenwart „genügte“.
Reflexion:
Was steht Ihnen im Weg, um mehr Dankbarkeit in Ihrem Leben zu erfahren?
„Ich betrauere jede verlorene Gelegenheit zu feiern! Nachdem die Tränen mein Herz reingewaschen haben, kann ich mich wieder freuen. Nun darf das Herz überfließen und dankbar die Gaben entgegennehmen, die das Leben bereithält.“
(Ellen)
Da wir Menschen soziale Wesen sind, lassen sich unsere Bedürfnisse häufig leichter in Kontakt mit anderen Menschen erfüllen. Es ist sogar so, dass unser Gehirn mit Freude antwortet und uns Glückssignale sendet, wenn wir sehen, dass eine andere Person glücklich ist. Glück und Freude sind ansteckend, daher werden wir selbst froh, wenn wir zur Freude einer anderen Person beitragen.1
Wollen wir Dankbarkeit in unserem Leben etablieren, so ist es wertvoll zu wissen, wie wir sie nähren können, aber auch, wie wir mit den Hindernissen für ihr Wachsen umgehen können. Dankbarkeit ist so viel mehr, als einfach nur Danke zu sagen. Dankbarkeit beinhaltet auch Offenheit und Neugier gegenüber dem Leben selbst. Offen und neugierig zu sein, verleiht uns Kraft, mit Neid, Gier, Passivität, Missgunst, Feindbildern und Eifersucht umzugehen, und ebenso ein gewisses Maß an Akzeptanz, aber nicht von der Sorte, die uns resignieren lässt.
Wenn wir verstehen, dass wir frei sind, unsere Verhaltensweise zu wählen – und spüren, welch enorme Kraft uns zur Verfügung steht, um unser eigenes Leben und das anderer zu bereichern und zum beiderseitigen Wohlergehen beizutragen –, werden wir leichter Dankbarkeit erleben. Für mich basiert Dankbarkeit auf einer freien Entscheidung, erzwungene Dankbarkeit hingegen ist keine Dankbarkeit. Das automatische und höfliche „Danke“, das viele Kinder in frühem Alter unter Zwang erlernen, ist kein Ausdruck von Dankbarkeit. Echte Dankbarkeit – egal welchen Ausdruck sie findet – ist ein kraftvolles Gegengift, wenn wir Gefahr laufen, uns in Gefühlen und Selbstmitleid zu suhlen. Jemand hat einmal gesagt, Dankbarkeit sei „das Gedächtnis des Herzens“ und es scheint in der Natur der Dankbarkeit zu liegen, dass sie sowohl die Gegenwart als auch die Vergangenheit spiegelt. Unsere Erlebnisse im Hier und Jetzt wertzuschätzen, aber auch klar zu sehen, warum und wie sie sich ereignen konnten, erweitert unser Herz und gibt uns Raum zu staunen. Sehen wir erst einmal den Zusammenhang, wie Ereignisse aus der Vergangenheit die Gegenwart beeinflussen, verstärkt sich das Gefühl von Verbundenheit und Sinnhaftigkeit.
Menschen wie Viktor Frankl und Etty Hillesum haben gezeigt, dass es möglich ist, auch in den schrecklichsten Situationen Dankbarkeit und Sinnhaftigkeit zu spüren. Beide erlebten als Juden das Nazi-Regime und dennoch gelang es ihnen, einen Sinn zu finden. Etty Hillesum beschrieb, wie sie sich im Konzentrationslager in einen anderen Gefangenen verliebte und wie beide sich Händchen haltend am Sonnenuntergang hinter dem Stacheldrahtzaun von Westerbork erfreuten.2
Die Ehefrau und die Eltern von Viktor Frankl starben im Konzentrationslager. Ihm selbst gelang es dennoch, einen Sinn zu finden und zu überleben. In seinem Buch „… trotzdem Ja zum Leben sagen“ beschreibt er, wie es Gefangenen auf unterschiedlichste Weise gelang, Sinn zu erfahren und trotz der verheerenden Lage weiterzuleben. Seine Haltung, selbst seinen eigenen drohenden Tod als Beweis dafür zu sehen, dass er Teil eines Sinnzusammenhangs war, weckt meine Dankbarkeit für mein eigenes so sicheres Leben.3
Wenn Sie sich danach sehnen, Ihrer Dankbarkeit Nahrung zu geben und Sie sofort damit beginnen möchten, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Sie können zum Beispiel jemanden bitten, seine Wertschätzung zu äußern, und darauf achten, diese wirklich anzunehmen. Oder Sie sagen einem anderen Menschen, was Sie an ihm oder ihr schätzen. Eine weitere Alternative wäre, sich umzusehen und die Dinge ausfindig zu machen, für die Sie dankbar sind – über solche Erlebnisse führen Sie am besten ein regelmäßiges „Dankbarkeitstagebuch“. Vielleicht möchten Sie auch einen Spaziergang in der Natur machen und genießen, was Sie sehen. Oder einen alten Freund anrufen, der vor Jahren einmal etwas für Sie getan hat, und ihm sagen, wie dankbar Sie dafür sind. Oder Sie halten für eine Weile inne und betrachten den Überfluss, der um sie herum herrscht. Vielleicht wird Ihre Dankbarkeit auch dadurch geweckt, einem Kind in die Augen zu sehen oder das Lachen einer Person zu hören, die Sie lieben.
„Mudita“ ist ein Sanskrit-Wort für Freude, vor allem für Freude über die Erfolge und das Wohlbefinden anderer.4 Stellen Sie sich die Möglichkeit vor, nicht nur froh über die guten Dinge zu sein, die uns selbst passieren, sondern auch über das Glück anderer, und sich dadurch viel häufiger freuen zu können.
Das Glück liegt in unseren Händen, und aufmerksam zu registrieren, wofür wir dankbar sind, ist ein Königsweg, der uns allen offensteht. Das ausführliche Programm weiter hinten im Buch zeigt, wie Sie im Laufe eines Jahres Ihre Dankbarkeitsmuskeln aufbauen können. Aber warum nicht jetzt gleich beginnen, indem Sie eine Hand auf Ihr Herz legen?
Lassen Sie sich berühren, atmen Sie tief ein und aus und sagen Sie langsam: „Danke!“ Nehmen Sie alles wahr, wofür Sie dankbar sind, und fragen Sie sich:
Fühlt es sich warm und angenehm an? Oder eher so, als spränge Ihnen das Herz entzwei? Vielleicht fühlen Sie sich daran erinnert, für wie vieles Sie dankbar sein können und wie oft Sie es übersehen?
Spüren Sie Schmerz über etwas, das Sie betrauern, können Sie eine Verbindung zu ungeweinten Tränen herstellen?
Egal, welches Gefühl in Ihnen hervortritt, lassen Sie das Herz leben und spüren – in seinem Inneren ist die Dankbarkeit zu Hause.
Eines meiner liebsten Zitate lautet: „I choose to stay open no matter what“ (Egal, was passiert: Ich entscheide mich, offen zu bleiben). Es hilft mir (nicht immer, aber häufig), mich einzulassen, mich von dem Geschehenden berühren zu lassen und zu staunen, über welche Pfade mich das Leben führt.
Um Ihre Dankbarkeit wachsen zu lassen, können Sie die Übung für Woche 1 machen und ein Dankbarkeitstagebuch führen.
„Kümmere dich nicht darum, ob alle Voraussetzungen für dein Feiern erfüllt sind. Wenn du dich stets sorgst, ob auch alle Hindernisse beseitigt sind, glaubst du, dass du jemals zum Feiern kommst? Du wirst niemals feiern, du wirst sterben wie ein Bettler.
Also warum nicht gleich jetzt? Was fehlt dir noch?
Dies habe ich gesehen: Wenn du gleich jetzt damit beginnst, fließt die Energie. Und je mehr du tanzt, desto stärker fließt sie und desto mehr wirst du fähig sein, zu feiern.“
(Osho)
Es gibt keine fest umrissenen äußeren Voraussetzungen dafür, dass wir feiern und uns freuen dürfen. Der Fokus hingegen, für den wir uns entscheiden, beeinflusst sehr wohl, ob wir Dankbarkeit spüren oder nicht. Wenn wir uns bewusst werden, dass wir frei sind, zu wählen, wie wir uns zu den Geschehnissen um uns herum verhalten wollen, kann das zu Dankbarkeit führen. Diese Freiheit hilft uns zu akzeptieren, zu staunen und Kraft zu schöpfen, und sie schenkt uns den Willen, das zu beeinflussen, was wir verändern möchten.
Wir Menschen fühlen uns am besten, wenn wir anderen und uns selbst aus freien Stücken geben können. Etwas aus reiner Pflicht zu tun, weil wir es tun sollten oder müssen, tötet hingegen Freude und Dankbarkeit. Gedanken wie: „Ich sollte dankbar sein“ oder Äußerungen wie: „Du solltest dankbar sein“ können sich der Naturgewalt Dankbarkeit wie eine Mauer in den Weg stellen.
Wenn wir etwas tun, weil wir dafür belohnt werden oder um einer Bestrafung zu entgehen, ist es schwer, echte Dankbarkeit zu empfinden.
Tun wir Dinge, weil wir sie tun wollen und Freude uns motiviert, fällt es uns leichter, uns dankbar zu fühlen – sowohl dankbar für das Resultat als auch für das Tun selbst. Ich glaube wirklich daran, dorthin zu gehen, wohin uns die Freude führt, und habe mich manches Mal von den Worten Lynn McMullans leiten lassen: „Freude ist Gottes Art, dich wissen zu lassen, dass du auf dem richtigen Weg bist.“5
Einige meiner Annahmen in Bezug auf Menschen lauten:
Menschen erleben es als sinnstiftend, anderen zu geben.
Menschen wollen zur Gemeinschaft, in der sie leben, beitragen.
Menschen erfreuen sich daran, andere glücklich zu sehen.
Manchmal fällt es schwer, an diese Annahmen zu glauben, und ich möchte sie nicht als absolute Wahrheiten darstellen. Mir wäre es lieber, wir würden sie in regelmäßigen Abständen überprüfen und bewusst wählen, wie wir uns anderen Menschen gegenüber verhalten möchten.
Ich glaube nicht an Gebete, die nicht zu Taten führen. Ich glaube nicht an Tränen, die nicht zu Taten führen. Aber ich glaube auch nicht an Taten, die nicht aus Gebeten und Tränen entstehen.
(Marshall Rosenberg6)
Wenn wir uns Ziele setzen und diese schließlich erreichen, fühlen wir uns stolz und dankbar für unsere Fähigkeiten. Wollen Sie Glück in Ihr Leben bringen, ist es wichtig, dass Sie sich auf das konzentrieren, was Sie wollen, statt auf das, was Sie nicht wollen. Dies hilft Ihnen, Kraft zu finden und sich über Ihr weiteres Handeln klar zu werden. Während meiner Jahre als Beraterin, aber auch als Mitmensch, habe ich häufig gefragt:
„Was möchtest du?“ beziehungsweise „Was möchten Sie?“
und oft die Antwort erhalten:
„Ich weiß es nicht.“
Um Hinweise darauf zu erhalten, was wir wollen, brauchen wir einen Zugang zu unserem inneren lebendigen Kern, wir brauchen eine Verbindung zu unseren Gefühlen und Bedürfnissen. Wenn wir wissen, was wir wollen, ist es schwieriger, uns zu Dingen zu zwingen, sodass andere uns womöglich als anstrengend erleben. Daher kann es schwierig sein, fest zu dem zu stehen, was wir möchten, da Gemeinschaft so wichtig für uns Menschen ist. Fest für das einzustehen, was wir wollen, und gleichzeitig zu sehen, wie wir zur Gemeinschaft beitragen können, in der wir leben, stellt einen Balanceakt dar, in dem wir uns üben sollten.
Die folgende Episode aus Jean Liedloffs Buch Auf der Suche nach dem verlorenen Glück. Gegen die Zerstörung unserer Glücksfähigkeitin der frühen Kindheit* erzählt von Pepe und Cesar und ist in meinen Augen ein schönes Beispiel dafür, wie gut wir uns fühlen, wenn wir Teil einer Gemeinschaft sind. Cesar wurde im gleichen indianischen Dorf geboren wie Pepe, wurde aber von Venezolanern adoptiert und wohnte lange in der Stadt. Er ging dort zur Schule, lernte Lesen und Schreiben und wurde wie ein Venezolaner erzogen.
Als er erwachsen war, kam er, wie viele Männer aus jenen Städten in Guyana, zum Oberen Caroni, um sein Glück bei der Diamantensuche zu versuchen. Er arbeitete gerade mit einer Gruppe von Venezolanern, als er von Mundo, dem Häuptling der Tauripans von Guayparu, erkannt wurde.
„Bist du nicht von José Grande in sein Haus mitgenommen worden?“ fragte ihn Mundo.
„Ich wurde von José Grande aufgezogen“, sagte Cesar, der Geschichte nach.
„Dann bist du zu deinem eigenen Volk zurückgekehrt. Du bist ein Tauripan“, sagte Mundo.
Worauf Cesar nach reiflicher Überlegung zu dem Schluß kam, es würde ihm als Indianer besser gehen, als wenn er als Venezolaner lebte; er kam also nach Arepuchi, wo Pepe wohnte.
Fünf Jahre lang lebte Cesar nun mit Pepes Familie, heiratete eine hübsche Tauripan-Frau und wurde Vater eines kleinen Mädchens. Da Cesar nicht gern arbeitete, aßen er, seine Frau und seine Tochter von dem, was in Pepes Pflanzung wuchs. Cesar war hocherfreut, daß Pepe von ihm nicht erwartete, er müsse sich einen eigenen Garten anlegen oder auch nur bei der Arbeit in dem seinen helfen. Pepe arbeitete gern, und da Cesar das nicht tat, paßte diese Regelung beiden Seiten.
Cesars Frau beteiligte sich gern mit den anderen Frauen und Mädchen zusammen am Schneiden und Zubereiten der Cassaba, aber Cesar tat nichts gern, außer den Tapir und gelegentlich anderes Wild zu jagen. Nach einigen Jahren entwickelte er eine Neigung zum Fischen und fügte seine Fänge denen von Pepe und seinen zwei Söhnen hinzu, die immer gern fischten und seine Familie damit stets ebenso großzügig versorgt hatten wie ihre eigene.
Kurz vor unserem Eintreffen dort beschloß Cesar, sich einen eigenen Garten anzulegen, und Pepe half ihm bei jeder Kleinigkeit, von der Wahl der Lage bis zum Fällen und Verbrennen der Bäume. Pepe genoß das um so mehr, als er und sein Freund die ganze Zeit schwatzten und Späße machten.
Nach fünfjähriger Rückenstärkung hatte Cesar das Gefühl, daß ihn keiner zu diesem Projekt trieb und war ebenso frei, Freude an der Arbeit zu empfinden, wie Pepe oder irgendein anderer Indianer.
Pepe erzählte uns, daß alle in Arepuchi darüber froh waren, da Cesar zunehmend unzufrieden und reizbar geworden war. „Er wollte sich gern einen eigenen Garten anlegen“ – lachte Pepe – „aber er wußte es selber nicht!“ Pepe fand es sehr komisch, daß es jemanden gab, der nicht wußte, daß er arbeiten wollte.
Menschen möchten einen Beitrag leisten und spüren, dass sie Teil einer Gemeinschaft sind. Können wir dies ohne Zwang tun und erleben wir darin einen Sinn, ist es nur natürlich, dass wir etwas schaffen wollen und auch für andere einen Beitrag leisten möchten. Wenn Freiheit und Verbundenheit zusammenkommen, ist es uns möglich, in uns selbst eine enorme Kraft freizusetzen, aus der heraus wir agieren können.