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Seitenzahl: 152
KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN
Band 235
Textanalyse und Interpretation zu
Georg Büchner
DANTONS TOD
Rüdiger Bernhardt
Alle erforderlichen Infos für Abitur, Matura, Klausur und Referat plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen
Zitierte Ausgaben: Büchner, Georg: Dantons Tod. Ein Drama. Husum/Nordsee: Hamburger Lesehefte Verlag, 2008 (Hamburger Leseheft Nr. 113, Heftbearbeitung: F. Bruckner und K. Sternelle). Zitiert wird durch nachgestellte Seiten- und Zeilenangabe, z. B. HL 13, 1 ff. Büchner, Georg: Dantons Tod. Ein Drama. Stuttgart: Reclam, 2002 (Reclams Universal-Bibliothek Nr. 6060). Zitiert wird durch nachgestellte Seiten- und Zeilenangabe, z. B. R 13, 1 ff.
Über den Autor dieser Erläuterung: Prof. Dr. sc. phil. Rüdiger Bernhardt lehrte neuere und neueste deutsche sowie skandinavische Literatur an Universitäten des In- und Auslandes. Er veröffentlichte u. a. Studien zur Literaturgeschichte und zur Antikerezeption, Monografien zu Henrik Ibsen, Gerhart Hauptmann, August Strindberg und Peter Hille, gab die Werke Henrik Ibsens, Peter Hilles, Hermann Conradis und anderer sowie zahlreiche Schulbücher heraus. Von 1994 bis 2008 war er Vorsitzender der Gerhart-Hauptmann-Stiftung Kloster auf Hiddensee. 1999 wurde er in die Leibniz-Sozietät gewählt.
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3. Auflage 2013
ISBN 978-3-8044-6904-4
© 2003, 2011 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelbild: Christian Grashof und Inge Keller, Inszenierung am Deutschen Theater Berlin, 1989; © Cinetext / Henschel Theater-Archiv
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INHALT
1. DAS WICHTIGSTE AUF EINEN BLICK – SCHNELLÜBERSICHT
2. Georg Büchner: Leben und Werk
2.1 Biografie
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
Die Französische Revolution von 1789
Die Julirevolution von 1830 und das Junge Deutschland
2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken
3. Textanalyse und -interpretation
3.1 Entstehung und Quellen
3.2 Inhaltsangabe
Erster Akt
Zweiter Akt
Dritter Akt
Vierter Akt
3.3 Aufbau
Drama des fünften Aktes (analytisches Drama)
Variation der Dreieinheit
Dantons Abstieg ins Grab
Der Aufstieg ins Spiel
Lieder und Gespräche
3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
Georg Jacques Danton (1759–1794)
Maximilien de Robespierre (1758–1794)
Camille Desmoulins (1760–1794)
Louis Antoine Léon de Saint Just (1767–1794)
Marie-Jean Hérault-Séchelles (1759–1794)
Marion
Lucile Desmoulins (eigentlich Anne-Louise) (1771–1794)
Julie Danton, eigentl. Sébastienne-Louise, geb. Gély (1777–1856)
Volk
Die Engführung der Personen
3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
3.6 Stil und Sprache
Vokabular revolutionärer Begriffe
Mythologische Begriffe
Mundart und Umgangssprache
3.7 Interpretationsansätze
Dantons Verhalten
Die bürgerliche Revolution
Danton als säkularisierter Christus
Die Rolle der Kunst
4. Rezeptionsgeschichte
Erstveröffentlichung und Resonanz
Rezeption vom deutschen Naturalismus bis zum Ersten Weltkrieg
Rezeption bis 1985
Georg-Büchner-Preis (seit 1923)
5. Materialien
Widersprüchliche Reaktionen vom Naturalismus bis 1916
Das Stück in der Gegenwart und in den Medien
Ein Tucholsky-Gedicht
6. PRÜFUNGSAUFGABEN MIT MUSTERLÖSUNGEN
Task 1 *
Task 2 ***
Task 3 **
Task 4 ***
LITERATUR
Zitierte Ausgabe
Primärliteratur
Lernhilfen und Kommentare für Schüler
Sekundärliteratur
Verfilmungen (Auswahl)
Damit sich jeder Leser in diesem Band sofort zurechtfindet und das für ihn Interessante entdeckt, folgt eine Übersicht.
Im 2. Kapitel wird Georg Büchners Leben beschrieben und auf den zeitgeschichtlichen Hintergrund verwiesen:
Georg Büchner lebte von 1813 bis 1837 im Großherzogtum Hessen-Darmstadt, in Straßburg und Zürich.
Büchner wurde 20 Jahre nach der Hinrichtung des historischen Danton geboren. 1815 restaurierte der Wiener Kongress die vorrevolutionären Verhältnisse weitgehend. Das Junge Deutschland antwortete mit einer Revolution der Literatur, pochte auf demokratische Rechte und wurde deshalb 1835 verboten. Das Großherzogtum Hessen-Darmstadt war ein rückständiger Kleinstaat, ein Agrarland. Die sozialen Widersprüche brachen schroffer als in anderen Regionen auf.
Die geschichtliche Situation zwischen den Revolutionen von 1789 und 1830 spiegelt sich in Georg Büchners Dantons Tod; aktuelle Ereignisse (Frankfurter Wachensturm 1833) wirken sich aus. Das Stück beschreibt soziale Probleme nach der Französischen Revolution von 1789. Gekürzt wurde es 1835 in einer Zeitschrift veröffentlicht, dann als Buch. Die Originalfassung erschien 1879; die Uraufführung fand 1902 statt.
Im 3. Kapitel wird eine Textanalyse und -interpretation angeboten.
Dantons Tod – Entstehung und Quellen:
Büchner studierte die Vorgänge der Französischen Revolution in originalen Quellen. Seine naturwissenschaftlichen Studien wirkten sich auf das Stück aus, das in kurzer Zeit 1835 entstand. Auch seine politischen Ziele und literarischen Neigungen (Shakespeare, Heine u. a.) schlugen sich nieder.
Inhalt:
Das Stück hat vier Akte, die als analytisches Drama zu begreifen sind. Danton, einer der Führer der Französischen Revolution von 1789, will die Revolution beenden, weil er seine Ziele erreicht sieht, und genießt sein Leben, den bevorstehenden Tod ahnend. Sein Gegner wird Robespierre, der die Revolution zu ihren sozialen Zielen führen will, und deshalb alle ihm im Wege stehenden Kräfte hinrichten lässt. Ihm fallen auch Danton und seine Anhänger zum Opfer. Das Stück handelt in der Zeit der Schreckensherrschaft (la terreur), genauer von Ende März bis zum 5. April 1794.
Personen:
Die Hauptpersonen in dem personenreichen Stück sind
Danton:
historische Person,
lebt genussvoll, den Untergang ahnend,
Führer der Französischen Revolution,
wird auf Befehl Robespierres hingerichtet
Robespierre:
historische Person,
lebt asketisch im Dienste der Revolution,
unerbittlicher Politiker der Französischen Revolution
Desmoulins:
historische Person,
schwärmerischer junger Mann,
Anhänger Dantons,
wird mit Danton hingerichtet
Saint Just:
historische Person, Fanatiker
Anhänger Robespierres und des Terrors,
Demagoge der Revolution
Hérault-Séchelles:
historische Person,
verfasste die Konstitutionsakte,
Anhänger der Philosophie Rousseaus,
wird mit Danton hingerichtet
Marion:
Fiktive Figur,
romantisch geprägte Hetäre
Lucile Desmoulins:
historische Person,
romantisch veranlagt,
provoziert ihre Verhaftung
Julie Danton:
hat mit der historischen Person nichts zu tun,
idealisierte Partnerin Dantons,
nimmt sich das Leben
Der Stil und die Sprache Büchners:
Ein Vokabular revolutionärer Begriffe vereint die männlichen Gestalten, da sie sich der Revolution widmen. Bei den Dantonisten werden die Gespräche mit philosophischen Begriffen angereichert.
Der windschiefe Dialog ist Ausdruck gestörter Beziehungen; der Dialog wird zwar formal geführt, hat aber kaum einen Inhalt.
Mythologische Begriffe weisen auf das römische Ideal einer Republik, das die Revolutionäre sich geschaffen hatten.
Mundart und Umgangssprache werden gemischt, wie Elisionen und Parataxen belegen.
Vier Interpretationsansätze bieten sich an:
Dantons Verhalten kann mit Büchners „Fatalismusbrief “ erklärt werden.
Die bürgerliche Revolution löst feudal-aristokratische und monarchistische Strukturen ab.
Danton als säkularisierter Christus geht inmitten seiner Anhänger (Jünger) in den Tod.
Die Rolle der Kunst wird in Gesprächen erörtert und stellt auch die Frage, inwieweit die Wirklichkeit Spiel sein kann.
Georg Büchner 1813–1837, © www.zeo.org, Zenodot Verlagsgesellschaft mbH
Jahr
Ort
Ereignis
Alter
1813
Goddelau (Hessen-Darmstadt)
17. Oktober: Carl Georg Büchner als Sohn des Arztes Ernst B. und seiner Ehefrau Caroline B. geboren. Büchner stammt aus einer Arztfamilie.
1816
Darmstadt
Vater wird Bezirksarzt und Großhrzl. Medizinalrat.
3
1819
Unterricht durch die Mutter bis 1820.
6
1821
Darmstadt
„Privat-Erziehungs- und Unterrichtsanstalt“ (Dr. Karl Weitershausen).
8
1824
Darmstadt
Bruder Ludwig Büchner geboren (gest. 1899) (damals bekanntestes der sechs Geschwister); mit seinem Buch Kraft und Stoff (1855) propagiert der praktische Arzt einen mechanischen Materialismus, der im Naturalismus einflussreich war. Alle Geschwister sind überdurchschnittlich begabt.
10
1825
Darmstadt
Ostern: Aufnahme ins Gymnasium (Großherzogliches Pädagog.). Lektüre: Homer, Shakespeare, Goethe, Schiller, Jean Paul, Tieck, Herder, Heine und Volkspoesie u. a.
11
1828
Darmstadt
Zirkel von Primanern diskutiert religiöse, moralische und auch politische Fragen.
15
1829
Darmstadt
Schulrede, dabei Fichtes Reden an die deutsche Nation verwendet, die zur Lieblingslektüre gehören.
16
1830
Darmstadt
Rede zur Schulabschlussfeier über Verteidigung des Cato von Utika: lobt den selbstlosen Einsatz eines republikanischen Römers und versteht das durchaus aktuell.
17
1831
Darmstadt
März: Öffentliche Abiturrede. Reifezeugnis.
17
Straßburg
Medizinstudium; Wohnung bei dem Pfarrer Jaeglé, in dessen Tochter Louise Wilhelmine (Minna) Büchner sich verliebt. Sie sind mit Büchner entfernt verwandt.
18
Straßburg
17. November: durch seinen Studienfreund Eugen Boeckel Kontakt zur Studentenverbindung „Eugenia“, die sich um elsässische Volksdichtung bemüht und Büchner zum hospes perpetuus (Dauergast) ernennt, da eigentlich nur Theologen teilnehmen dürfen. Mittelpunkt sind die Brüder Adolph und August Stöber, mit denen sich Büchner befreundet.
1832
Straßburg
März: heimliche Verlobung Büchners mit Wilhelmine; Büchner spricht mehrfach in der „Eugenia“ über die unhaltbaren gesellschaftlichen Zustände und die sozialen Widersprüche von Arm und Reich.
18
Paris
Juni: Volksaufstand, die „Eugenia“ wird politisiert: Themen ihrer Beratungen sind die Verderbtheit der deutschen Regierungen, der unnatürliche Gegensatz von Arm und Reich, eine universelle Republik, die Vereinigten Staaten von Europa, Saint-Simonismus und religiöse und soziale Erneuerung.[2]
1833
3. April: Anlässlich des Frankfurter Wachensturms Bekenntnis zum gewaltsamen Umsturz der sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse, Bekanntschaft mit Saint-Simonisten.
19
Darmstadt
Juni: Wanderung durch die Vogesen; Ende Juli: Rückkehr ins Großherzogtum, um die gesetzlich vorgeschriebenen zwei Jahre an der Landesuniversität Gießen zu studieren.
Gießen
31. Oktober: Immatrikulation an der Universität Gießen und besonderes Interesse für vergleichende Anatomie.
20
Darmstadt
Nach schwerer Erkrankung (Hirnhautentzündung) Rückkehr ins Elternhaus.
1834
Gießen
Lebenskrise: sogenannter „Fatalismusbrief“[3] an Minna; Januar: Fortsetzung des Studiums, Büchner beschäftigt sich mit der Französischen Revolution, lernt den „roten August“ (August Becker) kennen, der ihn an den Pfarrer Friedrich Ludwig Weidig vermittelt. Liest Goethes Werther, die Romane Sternes und Jean Pauls.
20
Gießen
Mitte März/April: Gründung der Gesellschaft der Menschenrechte (erste frühkommunistisch revolutionäre Vereinigung in Deutschland). Erarbeitet die Flugschrift Der Hessische Landbote, von Weidig entschärft.
Straßburg
Ostern: Verlobung mit Wilhelmine Jaeglé.
Darmstadt
Mitte April: Gründung einer Sektion der Gesellschaft der Menschenrechte.
Ruine Badenburg (bei Gießen)
Juli: Gründungsversammlung des „Preßvereins“ auf Betreiben Weidigs: Rahmenprogramm für Flugschriften. Büchners Hinwendung zu „Proletariern“ stößt auf Widerspruch.
20
Butzbach u. a.
Nach der Verhaftung des Mitkämpfers Minnigerode bei der Verteilung des Hessischen Landboten warnt Büchner die Freunde auch in Mannheim und Frankfurt. Der drohenden eigenen Verhaftung entgeht er durch resolutes Auftreten und ein fingiertes Alibi.
Darmstadt
Büchner bereitet sich auf das Examen vor, erneut Beschäftigung mit der Französischen Revolution.
Darmstadt
Herbst: politische Arbeit in der Gesellschaft, Waffenübungen, Vorbereitung der Befreiung Minnigerodes u. a.
21
1835
Darmstadt
Konspirative Tätigkeit, gerichtliche Vorladungen, Arbeit anDantons Tod, Manuskript an den Verleger Sauerländer und Karl Gutzkow gesandt (erscheint unvollständig in der ZeitschriftPhönix). Buchausgabe im gleichen Jahr.
21
Straßburg
März: Flucht vor der drohenden Verhaftung über die französische Grenze ins Exil. Freundschaft mit Wilhelm und Caroline Schulz, dauert bis zu Büchners Tod.
Frankfurt
18. Juni: Steckbrief Büchners erscheint; übersetzt Dramen Victor Hugos.
Straßburg
Beginn mit der Untersuchung über das Nervensystem der Fische für die Promotion.
1836
Straßburg
Die Société d’histoire naturelle de Strasbourg ernennt ihn zum Mitglied, nachdem er über seine wissenschaftlichen Untersuchungen mehrfach vor ihr gesprochen hat.
22
Straßburg
Philosophische Studien; Arbeit an Leonce und Lena und Woyzeck. Vorarbeiten zu einem Drama über Pietro Aretino. Besuch der Mutter und Schwester Mathilde.
Zürich
3. September: Die Universität Zürich verleiht Büchner die „philosophische Doktorwürde“.
Zürich
18. Oktober: Übersiedlung nach Zürich. Probevorlesung, Privatdozent.
23
1837
Zürich
Januar: Erkrankung an Typhus.
23
Zürich
19. Februar: Tod Büchners in seinem 24. Lebensjahr in Anwesenheit von Wilhelmine Jaeglé und zwei Tage später Beerdigung unter großer Teilnahme auf dem Friedhof am Zeltberg.
1850
Frankfurt a. M.
Veröffentlichung vonDantons Tod, hrsg. von Ludwig Büchner
1875
Zürich
Überführung der Gebeine auf den Friedhof am Zürichberg.
1879
Frankfurt a. M.
Dantons Toderscheint in denSämtlichen Werken, hrsg. von Karl Emil Franzos, erstmals im Original.
1997
Goddelau
Im Geburtshaus wird ein Museum eröffnet.
Mit diesem Steckbrief wurde Büchner im Juni 1835 gesucht. Quelle: http://de.wikipedia.org
ZUSAMMENFASSUNG
Übergreifende Vorgänge von 1775 bis 1830:
Revolutionäre Bewegungen von der Französischen Revolution von 1789 bis zur französischen Julirevolution 1830
Philosophisch und geistesgeschichtlich: Befreiung des individuellen und gesellschaftlichen Denkens von religiösen Dogmen, beginnend mit der Aufklärung bis zum „Ende der Kunstperiode“ (Heine) mit Goethes Tod 1832
Unabhängigkeitskampf in Nordamerika 1775
Wichtig für Büchners Geburtsjahr 1813 und die folgenden Jahre:
1813 fand die Völkerschlacht bei Leipzig statt.
1815: Wiener Kongress restaurierte die Verhältnisse vor der Französischen Revolution von 1789 weitgehend.
Das Junge Deutschland wurde 1835 verboten.
Die industrielle Revolution, die Kapitalisierung der Wirtschaft und die Entwicklung samt Organisation des Proletariats veränderten die Gesellschaft.
Die Französische Revolution von 1789
Für Büchners Drama sind insbesondere die Französische Revolutionvon 1789 und die Zeit nach dem Wiener Kongress 1815 von Bedeutung, in der die vorrevolutionären Verhältnisse weitgehend restauriert wurden. 1740 begannen sich in Frankreich mit der Industrialisierung die Seidenweber in Lyon zu organisieren, im Norden die Bergwerks- und Hüttenarbeiter. Die Unruhen von 1744 gingen als erster proletarischer Aufstand in die Geschichte der Klassenkämpfe ein. Die Geldwirtschaft mit ihren Börsenspekulanten fegte alte Werte, auch aristokratische Traditionen, hinweg. König Ludwig XVI. rief die Generalstände ein, um über den drohenden Staatsbankrott mit ihnen zu sprechen. Der dritte Stand erklärte sich zum alleinigen Vertreter der Nation und strebte nach einer Verfassung. Am 14. Juli 1789 (heute: Nationalfeiertag) wurde das Staatsgefängnis (Bastille) durch die Pariser Bevölkerung erstürmt. Als die Jakobiner 1793 eine revolutionäre Diktatur errichteten, um die Revolution weiterzutreiben, vernachlässigten sie die sozialen Probleme der Massen. „Fortan begleiteten die Massenchöre des Hungers den Gang der Revolution.“[4] Es begann eine zweite Phase der Revolution, die Selbstvernichtung. Die Jakobiner glaubten, mit der Beseitigung extremer Flügel der Revolutionäre 1794, der radikalen Hébertisten und der gemäßigten Dantonisten, vom sozialen Widerspruch abzulenken, lösten sich aber dadurch von den Massen und wurden im gleichen Jahr auch gestürzt. 1795 übernahm ein fünfköpfiges Direktorium des Bürgertums die Macht. Die plebejischen Volkskräfte mit dem sich entwickelnden Proletariat waren abgedrängt worden. 1799 festigte Napoleon Bonaparte diese Macht, indem er das Direktorium stürzte und sich an dessen Stelle setzte. Die Französische Revolution war die bedeutendste Revolution des aufstrebenden Bürgertums, geistig vorbereitet durch die Aufklärung und bis heute aktuell.
Wichtige historische Daten zur Französischen Revolution
10. August 1792
Erstürmung der Tuilerien, Absetzung des Königs, Konvent wird einberufen, Danton wird Justizminister und ist beteiligt am Sieg über das Königtum.
26.–28. August 1792
Ehrenbürgerschaft für Klopstock, Campe und Friedrich Schiller.
2.–6. September 1792
Septembrisaden (ca. 1.400 Hinrichtungen von Verdächtigen).
20. September 1792
Kanonade von Valmy: Sieg über die Koalitionsarmee der Könige.
25. September 1792
Ausrufung der Republik.
21. Januar 1793
Hinrichtung König Ludwigs XVI. Danton erklärt, „den Königen einen Königskopf als Fehdehandschuh hingeworfen“ zu haben (HL 46, 25 f./R 58, 19 f.).
10. März 1793
Einsetzung des Revolutionstribunals.
6. April 1793
Bildung des Wohlfahrtsausschusses, des eigentlichen Machtzentrums Frankreichs.
31. Mai–2. Juni 1793
Sturz der Gironde.
10. Juli 1793
Danton scheidet aus dem Wohlfahrtsausschuss aus.
13. Juli 1793
Ermordung Marats.
16. Juli 1793
Hinrichtung Chaliers durch die Aufrührer in Lyon.
17. September 1793
Beginn der Schreckensherrschaft (la terreur).
10. November 1793
„Fest der Freiheit und der Vernunft“ in Notre Dame, Kirchenzerstörungen.
5. Dezember 1793
Camille Desmoulin: Le Vieux Cordelier, Nr. 1, unterstützt Danton.
24. März 1794
Hinrichtung der Hébertisten.
Handlungszeit des Dramas
31. März 1794
Verhaftung Dantons und seiner Freunde.
5. April 1794
Hinrichtung der Dantonisten.
27. Juli 1794 (9. Thermidor)
Entmachtung Robespierres durch konterrevolutionären Umsturz.
28./29. Juli 1794
Hinrichtung Robespierres und seiner Anhänger.
Die Julirevolution von 1830 und das Junge Deutschland
Die Erinnerung an die Französische Revolution war zu Büchners Zeit durch die Julirevolution von 1830 aktuell geworden. Georg Büchner wies die Vorstellungen des Jungen Deutschland, mit Literatur die gesellschaftlichen Verhältnisse ändern zu wollen, entschieden zurück. An Karl Gutzkow, einen der Führer des Jungen Deutschland, schrieb er 1836, er glaube, dass Gutzkow und seine Freunde „nicht gerade den klügsten Weg gegangen“ wären:
„Die Gesellschaft mittels der Idee, von der gebildeten Klasse aus reformieren? Unmöglich! Unsere Zeit ist rein materiell; wären Sie je direkter politisch zu Werke gegangen, so wären Sie bald auf den Punkt gekommen, wo die Reform von selbst aufgehört hätte.“[5]
Büchners Wahl des Adressaten Gutzkow war programmatisch: Gutzkow war als Kritiker und Autor zwischen 1833 und 1839 publizistisch aktiv. Büchner drängte nach politischer Argumentation, Anleitung zum Kampf und nach dem Kampf selbst; doch scheiterte dieser Weg und Büchner wusste es. Heinrich Heine hatte vom Ende der „Kunstperiode“, womit vor allem die Periode Goethe gemeint war, gesprochen, der eine „politische Periode“ folgen werde.[6] Ähnliche Ideen Büchners und Heines finden sich in Entsprechungen zwischen Heines Salon und Büchners Drama.[7] Ergänzungen trug Büchner nach dem Erscheinen von Heines Salon (2. Bd.) in das Manuskript ein.
Büchner sah nach der Julirevolution 1830 den Gegensatz von „Liberalen und Absolutisten“, in die sich die „ganze Revolution“ gespalten habe.[8] Das entsprach den Diskussionen nach 1830 um eine Verfassung auf der Grundlage der konstitutionellen Verfassung von 1791 oder der Jakobinerdiktatur von 1793. Das wiederum war der Widerspruch zwischen Girondisten, Dantonisten und Jakobinern in Büchners Dantons Tod, historisches Drama und aktuelles Zeitstück. Dieser Zusammenhang bestimmte die zeitgenössischen Überlegungen zum Drama von Julius Mosen über Karl Gutzkow bis zu Hermann Hettners Schrift Das moderne Drama (1852), in der Dantons Tod bereits seinen Platz fand.
Das Geburtsjahr Georg Büchners 1813 ist auch das Geburtsjahr Friedrich Hebbels, Otto Ludwigs, Richard Wagners, Giuseppe Verdis, Sören Kierkegaards[9] und des Dichters des Epos Dreizehnlinden,