Darklands - Höhle des Schreckens - Fabian Lenk - E-Book

Darklands - Höhle des Schreckens E-Book

Fabian Lenk

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Beschreibung

Nach vielen Strapazen erreichen Raven und seine Gang, die Desert Plants, endlich das Höhlensystem Paxtonia. In dem unterirdischen Labyrinth gibt es Wasser im Überfluss und sogar eine richtige Stadt. Doch das vermeintliche Paradies entpuppt sich schnell als gnadenlose Diktatur. Die Herrin der Stadt, Kassandra, hält nicht nur den Vater von Raven und Enya gefangen, sie lässt auch für die Desert Plants die Falle zuschnappen. Zusammen mit einer kleinen Widerstandsgruppe schmiedet Raven einen waghalsigen Plan, um die brutale Kassandra zu stürzen...

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Seitenzahl: 208

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FABIAN LENK

DARKLANDS

HÖHLE DES SCHRECKENS

BAND 2

KOSMOS

Umschlaggestaltung: Weiß-Freiburg GmbH – Graphik & Buchgestaltung unter

Verwendung einer Illustration von Arne Jysch

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele

weitere Informationen zu unseren Büchern,

Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und

Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2018, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-16184-5

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Für Yannick.

Weil er so etwas immer lesen wollte.

Nach einem gewaltigen Meteoritenschauer und einem verheerenden Tsunami ist die Erde verwüstet. Inmitten dieser Ödnis liegt Blackpool – einst eine blühende Millionenmetropole, nun eine verfallene, mit Staub überzogene Geisterstadt.

Doch es gibt dort noch Leben: In den Ruinen hausen Gruppen von Jugendlichen, die auf sich allein gestellt sind. Ihre Eltern sind verschollen oder bei der Naturkatastrophe gestorben.

Die Gangs leben in getrennten Revieren. Unter ihnen herrscht ein brüchiger Friede, sie treiben – notgedrungen – sogar Handel miteinander. Aber man misstraut und belauert sich.

Raven ist der Anführer der Desert Plants. Als Einzige haben sie Zugang zum wertvollsten Rohstoff: Wasser.

Eines Nachts werden die Desert Plants von der brutalen Sledgehammer-Bande überfallen und vertrieben. Sie müssen sich in einem alten Bunker verstecken.

Plötzlich taucht ein zwielichtiger Fremder bei ihnen auf: Mysticon. Er berichtet von einem sagenhaften Ort namens Paxtonia. In diesem „gelobten Land“ soll es Wasser im Überfluss geben und Frieden herrschen. Allerdings weiß niemand, wo Paxtonia liegt.

Mysticon erzählt Raven, dass er einen Hinweis auf die Lage von Paxtonia bei sich habe: die eine Hälfte einer Karte, verborgen in einem fest verschlossenen Anhänger, den Raven an einer Kette um den Hals trägt. Den anderen Teil der Karte habe Ravens Zwillingsschwester Enya, die Anführerin der Waters.

Raven, seine Freundin Belana, sein bester Kumpel Zerron, der clevere Dippy, der hünenhafte Big T und Mysticon fliehen aus Blackpool – sie wollen Paxtonia finden.

Zuerst müssen sie sich zu Enya und den Waters durchkämpfen, um an die zweite Hälfte der Karte zu kommen. Ihre Reise führt sie durch die Darklands und steckt voller Gefahren. So müssen Raven und seine Leute unter anderem die Gebiete der berüchtigten Schattenländer und der verschlagenen Nebelnomaden durchqueren.

Doch schließlich erreichen die Gefährten das Revier der Waters: eine heruntergekommene Ölplattform namens Tower. Dort fügen Raven und Enya die beiden Kartenteile zusammen – und nun wissen sie, wo Paxtonia liegt.

Enya schließt sich der Gruppe um Raven an. Gemeinsam wollen sie Paxtonia finden und später ihre Freunde aus Blackpool und von der Ölplattform nachholen, um in Paxtonia in Frieden zu leben.

Aber schnell wird klar, dass sie verfolgt werden. Denn nicht nur die Deserts und die Waters wollen die sagenumwobene Oase in der zerstörten Welt erreichen. Außerdem scheint es einen Verräter in den eigenen Reihen zu geben.

Ein Blick in den Rückspiegel verriet Raven, dass die Jäger immer näher kamen. Vollgas! Sein X-Bow bäumte sich auf wie ein scheuendes Pferd und schoss los. Die Breitreifen mahlten auf dem sandigen Boden, Steinchen flogen in alle Richtungen.

Raven erreichte seine Freunde, die vor ihm durch die Wüste donnerten, und alarmierte sie.

Die Kolonne stoppte.

„Was? Schon wieder?“ Mysticon kletterte in den hinteren Teil seiner zum Cabrio umgebauten Stretchlimousine, auf deren Rückbank sich Yellow, der riesige Wolf mit dem gelben Auge, zusammengerollt hatte. Entschlossen packte Mysticon die beiden Metallgriffe, mit denen er das schwere Maschinengewehr ausrichten konnte. Nun deutete der Lauf des Geschützes auf den Horizont hinter ihnen, wo sich eine Staubfahne abzeichnete.

„Verfolgen die uns wirklich?“, fragte Enya, die aus ihrem Watercar gestiegen war. Sie beschattete die Augen mit der rechten Hand.

„Was denkst denn du?“, sagte Belana schroff. „Sie halten genau auf uns zu.“

Raven warf ihr einen Blick zu. Es war kein Geheimnis, dass Belana Enya nicht besonders mochte. Mehr noch: Sie misstraute seiner Schwester.

„Wir sollten uns verkrümeln, und zwar schnell“, ergänzte Belana.

Big T lachte dröhnend. „Oder sie gebührend empfangen.“ Er klopfte auf einen der Bumerangs, die in seinen großen Händen keine Spielzeuge, sondern gefährliche Waffen waren. „Mein Trummer ist ohnehin zu langsam für eine Flucht.“

Raven nickte. Big Ts Fahrzeug, das mit ihrem Trinkwasser und Benzin beladen war, glich einem Koloss aus Stahl: Der Trummer war wuchtig wie ein Panzer, entsprechend langsam und daher für eine Flucht denkbar ungeeignet.

„Wenn wir noch lange hier rumreden, wird man uns die Entscheidung abnehmen!“, rief Dippy, der in seinem kleinen Helikopter saß. Fragend schaute er zu Raven.

Wortlos griff der Anführer zu seinem schwarzen Bogen aus Carbon, einer elegant geformten Präzisionswaffe mit fürchterlicher Durchschlagskraft. Niemand konnte besser damit umgehen als er. Ravens kluge Krähe Spy, die wie so oft auf seiner Schulter hockte, krächzte heiser.

Raven spähte durch das Zielfernrohr.

Wer zum Teufel war das?, fragte er sich. Leute aus dem armen Fischerdorf, das gegenüber von Enyas Ölplattform lag und das sie gerade verlassen hatten? Oder doch die Sledgehammer? Nicht zum ersten Mal seit ihrer waghalsigen Flucht aus Blackpool hatte Raven den Verdacht, dass ihre Erzfeinde ihnen gefolgt waren. Womöglich hofften sie, dass Raven und seine Leute sie nach Paxtonia führen würden … Aber wussten die Sledgehammer überhaupt etwas von diesem Land, das allen, die davon gehört hatten, wie das Paradies erschien?

Wenn ihre Verfolger wirklich ihre Erzfeinde aus Blackpool waren, dann musste es einen Verräter unter den Gefährten geben!, schoss es Raven durch den Kopf.

Doch was war das? Die Staubfahne änderte die Richtung und driftete nach Westen ab. Raven spähte durch das Rohr, bis seine Augen brannten.

„Die scheinen einen anderen Kurs einzuschlagen“, sagte er erleichtert.

„Hm, sieht so aus“, stimmte Zerron ihm zu. Er stützte sich neben seinem Trike auf eine lange Schlagwaffe – den Bō.

Enya blickte Belana an und grinste. „Hab ich doch gesagt.“

Schweigend kletterte Belana auf ihre Motocrossmaschine.

Raven ließ seine Waffe sinken. „Dann also weiter nach Paxtonia!“, rief er. „Aber haltet die Augen offen. Wer weiß, vielleicht ist das nur ein Ablenkungsmanöver.“

Rollercoaster begann aufgeregt zu kläffen.

„Komm, mein Kleiner.“ Big T hob den Hund in den Trummer und setzte ihm eine verspiegelte Sonnenbrille auf. „Cool siehst du aus.“

Rollercoaster bellte glücklich.

In den nächsten Stunden kamen sie gut voran. Niemand stellte sich ihnen in den Weg, niemand verfolgte sie.

Raven bildete wieder die Nachhut. Eigentlich liebte er es, mit seinem schnellen und extrem wendigen X-Bow durch die Landschaft zu rasen. Aber hier war die Strecke zu anspruchslos für einen versierten Fahrer wie ihn – sie bot keinerlei Herausforderungen.

Öd und flach lag die Wüste vor ihnen: eine schier endlose Landschaft aus Sand und Geröll, eine von Gott verlassene und verschmähte Welt. Nichts lebte hier, nichts rührte sich. Kein noch so kleines Hälmchen wagte es, aus dem steinharten Boden hervorzubrechen. Es hätte auch keine Chance gehabt unter dem alles versengenden Feuerball, der Sonne.

Als sie am höchsten stand und sogar die Luft zu brennen schien, tauchten östlich von ihnen hohe Dünen auf.

Raven setzte sich an die Spitze des Zuges und gab das Zeichen für einen Stopp. Er wollte anhand der Kartenteile überprüfen, ob sie noch auf dem richtigen Weg waren.

In dem dürftigen Stück Schatten, das der Trummer bot, verteilte Big T ein paar Kekse. Außerdem tranken alle etwas von dem kostbaren Wasser. Dann hockten sich Raven und Enya hin und legten die beiden Kartenteile zusammen.

„Und?“, fragte Mysticon, der sich den beiden lautlos von hinten genähert hatte und sich wie ein Geier über sie beugte.

Raven reagierte gereizt. Er traute Mysticon nicht. Dieser Mann hatte seine Augen und Ohren überall und Ravens Rolle als Anführer schon mehrmals infrage gestellt. „Warum schleichst du dich so an?“

Mysticon breitete die Arme aus. „Was denn? Ich bin doch nur neugierig. Sei nicht immer so nervös, Raven.“

Dieser übertrieben väterliche und leicht spöttische Tonfall!

Doch Raven beherrschte sich und beugte sich so weit über die Kartenteile, dass Mysticon nichts mehr sehen konnte. „Wir geben euch gleich Bescheid“, sagte er.

Wortlos wandte sich Mysticon ab.

„Wir sind hier“, sagte Raven zu Enya und deutete auf eine bestimmte Stelle der Karte. „Glaube ich jedenfalls.“

Sie strich sich eine lange Haarsträhne aus dem Gesicht und lachte leise. „Glaubst du? Du bist ja süß. Aber ich denke, du hast recht. Denn hier sind die Dünen eingezeichnet, die rechts von uns liegen.“

Raven nickte. „Und vor uns liegt das Gebirge. Wir sind also richtig.“

Er nahm den Teil der Karte, der ihm gehörte, und schob ihn in das Metallröhrchen zurück. Das letzte Geschenk seines Vaters Jordan, der während der großen Naturkatastrophe verschwunden war.

War sein Vater tot?, fragte Raven sich. Würde er jemals eine Antwort darauf erhalten?

Er wischte den Gedanken beiseite und starrte auf das Gebirge, das sich noch in beachtlicher Entfernung befand und das sie laut Karte überqueren mussten. Dahinter lagen ein weiteres Wüstengebiet und schließlich ihr eigentliches Ziel: ein Berg, der mit seinen vier Zinnen wie eine Gabel geformt war. Dort ganz in der Nähe war auf der Karte eine Stelle mit einem X markiert – der Zugang zu Paxtonia!

Raven wandte sich an die anderen: „Alles klar, weiter geht’s!“

Nach einer Stunde hatte Raven das Gefühl, dass sie keinen Meter mehr vorankamen, obwohl sie mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs waren. Das Gebirge schien einfach nicht näher zu rücken – im Gegenteil, es kam Raven so vor, als würde es vor ihnen zurückweichen und allmählich verschwinden. Er kniff die Augen zusammen und verstand, warum: Das Wetter schlug um. Der Wind hatte aufgefrischt. Sandfahnen wehten über den ausgedörrten Boden.

Mist!, dachte Raven. Das waren mit ziemlicher Sicherheit die Vorboten eines Sandsturms. Der hatte ihnen gerade noch gefehlt, denn weit und breit gab es kein Loch, wo sie sich hätten verkriechen können – geschweige denn eine Stadt, sei sie auch noch so verfallen, oder auch nur ein winziges Kaff. Dieses Land war tot und leer.

Raven schloss ein wenig zu den anderen auf.

Kurz darauf verschwand die Sonne hinter einem Schleier. Ein Laie mochte glauben, dass Wolken aufgezogen waren, aber Raven, der sich in der Wüste bestens auskannte, wusste es besser: Das waren Milliarden von feinsten Sand- und Staubpartikeln, die die Sonne verdunkelten.

Es herrschte ein düsteres Zwielicht, alle Konturen verschwanden.

Raven fuhr noch dichter an die anderen heran.

Unvermittelt tauchte Belana neben ihm auf. Mit ihrer Sonnenbrille und dem Tuch, das sie als Schutz gegen die feinen Sandkörner über den Mund gezogen hatte, sah sie jetzt aus wie jemand, der gleich eine Bank überfallen wollte.

Hektisch deutete sie nach rechts auf die Dünen, die ab und zu aus dem diffusen Einerlei auftauchten.

Und jetzt sah Raven es auch: Dort standen Gestalten – oder?

Schemenhafte Gestalten. Wie Wächter auf den Zinnen einer Burg! Sie hatten etwas in den Händen. Waren das … lange Gewehre oder Lanzen oder … Harpunen?

Oh mein Gott, dachte Raven. Was waren das für Krieger? Waren sie wieder verfolgt worden, ohne dass sie es bemerkt hatten? Schlimmer noch: Hatten die Typen sie bereits eingeholt?

„Hast du die Dinger in ihren Händen gesehen?“, schrie Belana ihm zu. „Das sind Harpunen! Solche Dinger tragen doch Enyas Waters!“

Raven schluckte.

„Ich wette, dass Enya ihre Krieger entgegen ihrer Ankündigung doch in Bewegung gesetzt hat, um uns heimlich zu folgen!“, fuhr Belana fort. „Sie will uns ausschalten, um das Wasser, das es in Paxtonia geben soll, nicht mit uns teilen zu müssen.“

Auf keinen Fall!, dachte Raven. Das konnte er nicht glauben. Er traute seiner Schwester so etwas nicht zu. Aber Belana sah das ganz anders. Raven fiel der Schatten ein, der sich ihm nachts genähert hatte, als sie auf Enyas abgetakelter Ölplattform namens Tower geschlafen hatten. Ein Schatten, der ihn vermutlich hatte angreifen wollen, um den zweiten Teil der Karte zu stehlen. Nur der Aufmerksamkeit von Spy und Big Ts Pitbull war es zu verdanken gewesen, dass der Täter sein Vorhaben nicht in die Tat umgesetzt hatte und geflohen war.

Raven jagte nach vorn zu Mysticon und Enya und brachte den Konvoi erneut zum Halten.

Schnell versammelten sich alle um Ravens X-Bow.

„Ein Sandsturm zieht auf“, grummelte Mysticon.

Der Wolf kauerte zu seinen Füßen und musterte Raven mit dem einen ihm verbliebenen gelben Auge. Spy flatterte heran und setzte sich auf den Rücken des riesigen Tieres. Der Furcht einflößende Wolf und die kluge Krähe waren die besten Freunde – im Gegensatz zu Raven und Mysticon.

„Nicht nur das.“ Belana zeigte zu den Dünen. „Da waren Krieger.“

„Wo?“, fragte Enya. „Da ist doch gar keiner.“

Raven suchte die Stelle mit den Augen ab. Nun war dort wirklich keiner mehr … „Ich habe die Typen aber gerade auch noch gesehen“, sagte er.

„Vielleicht habt ihr euch ja beide geirrt“, meinte Mysticon, den Körper gegen den immer heftiger werdenden Wind gestemmt. „In dieser Suppe sieht man manchmal Dinge, die nicht real sind. Ist mir auch schon passiert.“

„Wir haben uns das nicht eingebildet! Da waren bewaffnete Krieger.“ Belanas Augen bohrten sich in Enyas. „Aber sie hatten nicht irgendwelche Waffen. Es waren, wenn mich nicht alles täuscht, Dreizacke. Also die Waffen deiner Leute, der Waters.“

„Was willst du damit sagen?“, rief Enya aufgebracht.

Belana baute sich vor ihr auf. „Na, was wohl? Kann es sein, dass deine Leute uns folgen – entgegen der Abmachung?“

Enya wich keinen Millimeter zurück. Aus ihren Augen schienen Funken zu sprühen. „Ich weiß nicht, was du gegen mich hast, Belana, aber du fängst an, mir mächtig auf die Nerven zu gehen. Wenn du so etwas behauptest, musst du es auch belegen können. Also: Wo sind deine Beweise?“

„Ich brauche keine Beweise“, erwiderte Belana und fuhr über die Klingen ihrer Wurfmesser, die sie immer an einem Gürtel trug. „Ich habe Augen im Kopf. Und zwar sehr gute.“

„Bei diesem Mistwetter ist es aber doch wirklich gut möglich, dass ihr euch geirrt habt“, versuchte Dippy zu vermitteln. „Und es bringt nichts, wenn wir streiten. Wir sind ein Team.“

„Stimmt“, meinte Big T. „Niemand hat uns angegriffen. Falls dort wirklich Krieger waren, dann haben sie sich offenbar zurückgezogen. Hoffentlich.“ Mit Rollercoaster auf dem Arm kletterte er zurück in seinen Trummer. „Hier draußen wird’s mir zu ungemütlich. Ich habe den Sand schon überall. Lasst uns weiterfahren. Vielleicht können wir diesen verdammten Sturm abhängen. Und wenn wir ganz viel Glück haben, ändert er seine Richtung.“

„Okay, los geht’s“, gab Raven das Kommando. Er schaute noch einmal kurz zu Belana, die mit verschlossener Miene ihr Tuch ins Gesicht zog und dann ihre Maschine bestieg.

In einer Fächerformation donnerte der kleine Tross durch die Ödnis.

Erneut schaute sich Raven um. Die Sicht wurde immer schlechter. Der Wind heulte und entwickelte sich zu einem heftigen Sturm. Mit enormer Kraft und unbändiger Wut rüttelte er an der Karosse des X-Bows, als wollte er, dass Raven und Spy hinausfielen. Immer wieder verpasste der Sturm dem geländegängigen Wagen regelrechte Schläge.

Ravens Hände krallten sich um das Lenkrad, um die Kontrolle über den X-Bow zu behalten, während Spy nervös auf dem Armaturenbrett herumspazierte und mit den Flügeln schlug.

Einzig der schwere Trummer lag ruhig auf der Piste, aber den anderen erging es nicht besser als Raven. Zerrons Trike driftete von rechts nach links und Dippys Hubschrauber war erst recht ein Spielball des Orkans.

Big Ts Hoffnung, dass der Sturm abdrehen würde oder sie ihn hinter sich lassen könnten, hatte sich nicht erfüllt, dachte Raven enttäuscht. Der Konvoi befand sich nicht vor dem Sturm, er steckte mittendrin.

Eine Bodenwelle, die Raven nicht hatte kommen sehen, ließ den X-Bow abheben. Nach einem kurzen Flug landete der Wagen hart auf der Piste. Die Stoßdämpfer ächzten, der X-Bow ging in die Knie und federte wie eine sprunggewaltige Raubkatze wieder nach oben. Noch ein kurzer Sprung, dann schlitterte das Fahrzeug wieder über den sandigen Boden.

Raven schätzte, dass er kaum mehr als zwanzig Meter weit gucken konnte. Vielleicht sollte ich die Scheibenwischer anmachen?, dachte er und grinste. Aber funktionierten die überhaupt? Raven konnte sich nicht erinnern, jemals Regen gesehen zu haben. Er kannte nur die Sonne, ihr grelles Licht, ihre gnadenlosen Strahlen. Die ewige Sonne, die Blackpool ebenso ausdörrte wie die Darklands oder diese gottverdammte namenlose Wüste, durch die sie sich gerade kämpften.

Zack!, wieder ein Schlagloch, verborgen im Sand. Der X-Bow brach aus, Raven kurbelte am Lenkrad, der Wagen kreiselte um die eigene Achse und landete in einer kleinen Düne.

Raven gab Gas, die Räder drehten durch und schleuderten Fontänen aus Sand in die Luft wie ein Geysir das Wasser. Jetzt sackte der Wagen ein Stück nach unten.

Es war nicht das erste Mal, dass Raven in der Wüste gestrandet war. Routiniert stellte er die Räder schräg, legte den Rückwärtsgang ein und gab vorsichtig Gas. Doch das brachte nichts. Vorwärtsgang, Rückwärtsgang – Raven wippte mit dem Auto abwechselnd in beide Richtungen. Aber es war alles umsonst, er steckte fest!

Normalerweise wäre Raven jetzt ausgestiegen, hätte die Räder ausgegraben und ein Stück Holz oder Metall daruntergelegt, um wieder freizukommen. Doch er wagte es nicht, den X-Bow zu verlassen. Der Sturm hatte noch zugelegt, er peitschte das Auto, bombardierte es mit Milliarden von feinsten Sandkörnern. Die Krähe machte ein Mordstheater und hüpfte vom Armaturenbrett auf Ravens linken Oberschenkel. Behutsam strich Raven über Spys Gefieder.

Erst jetzt kam er auf die Idee, auf die Hupe zu drücken. Hoffentlich würden seine Freunde ihn hören und ihm helfen. Big T könnte den X-Bow mit seinem Trummer mühelos aus dem Sand ziehen. Die Hupe schallte lang und laut in den Sturm, doch Raven war sich nicht sicher, ob der Wind das Geräusch nicht sofort schlucken würde.

Raven hatte wieder die Nachhut gebildet, zudem war die Sicht extrem schlecht … hatten seine Freunde überhaupt gemerkt, dass er in Schwierigkeiten steckte?

Ein Motor heulte neben ihm auf und Raven drehte den Kopf.

Belana auf ihrem Motorrad! Sein Herz machte einen Sprung.

Sie glitt von der Maschine und riss die Tür auf. Begleitet von einem Schwall Sand sprang sie auf den Beifahrersitz und knallte die Tür wieder zu. „Kein guter Platz für eine Pause, Raven. Willst du hier ein Picknick machen?“

„Klar“, erwiderte er. „Ich wollte aber noch die anderen einladen. Hast du sie gesehen?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, unmöglich bei diesem Wetter. Aber wir werden sie schon finden.“ Sie wedelte mit der Hand durch die Luft. „Später, wenn das hier vorbei ist und wir deinen Wagen freigelegt haben.“

Raven rutschte in seinem Schalensitz ein Stück tiefer.

Der Konvoi war auseinandergerissen worden. Das hätten sie unbedingt verhindern müssen.

Die nächsten Minuten vergingen schweigend.

Belana war es schließlich, die zuerst etwas sagte: „Ich glaube, wir saufen ab.“ Sie lachte bitter. „Im Sand.“

Der Sand wurde gegen den Wagen gepeitscht und türmte sich auf wie eine unaufhaltsame Flut. Die Türen des X-Bows würden sich wahrscheinlich schon gar nicht mehr öffnen lassen, dachte Raven panisch.

Flut, Wassermassen …

Bilder des bösen Traums, der ihn seit Jahren quälte, tauchten vor seinem geistigen Auge auf: das dunkle kalte Wasser, die turmhohen Wellen, die sich vor ihm aufbäumten. Vor ihm, dem kleinen Jungen, der sich vor zehn Jahren verzweifelt an einen Holzbalken geklammert und um sein Leben gekämpft hatte, während die Welt um ihn herum unterging. Eine Welt, die damals in ihrer alten Form aufgehört hatte zu existieren – als die Meteoriten sie durchlöcherten und der Tsunami kam, der all das verschlang und ertränkte, was die Meteoriten zu zerstören vergessen hatten.

Raven rang nach Luft.

„Alles klar?“ Belana strich ihm behutsam über die Stirn und holte ihn aus dem schwarzen Loch der Erinnerung zurück in die Gegenwart.

Er sah in ihr Gesicht mit den unzähligen Sommersprossen und den grünen Augen, die geheimnisvoll funkelten wie zwei kleine unergründliche Seen.

Die Schatten der Angst verschwanden allmählich und Raven spürte, wie sehr er Belana mochte.

Ihm wurde klar, dass er sie nicht nur mochte – er war verliebt, und das nicht erst seit diesem Moment!

Er zog ihren Kopf zu sich heran. Dann berührten sich ihre Lippen, während die sandige Flut um sie herum weiter stieg.

Eine kleine Ewigkeit später löste er sich von ihr – ganz vorsichtig, als könnte ein Schatz aus seinen Händen gleiten.

Belana lächelte ihn an. Doch dann erstarrte sie plötzlich.

„Der Sand steht schon bis zu den Fenstern“, flüsterte sie. Unruhig huschte ihr Blick durch das Auto. „Meinst du, wir kommen hier lebend wieder raus?“

Was sollte er dazu sagen?

Na klar, kein Ding, das schaffen wir. Wirst schon sehen. Oder: Logo, das bisschen Sand puste ich weg.

Raven schwieg lieber. Dann lehnte er sich an ihre Schulter. Wenn der Sand sein Grab werden sollte, dann war er wenigstens nicht allein …

Er drückte Belana an sich, und sie klammerten sich im tosenden Sturm aneinander wie zwei Ertrinkende.

Raven schloss die Augen, er wollte nicht mit ansehen, wie der Sand sie ganz langsam zudeckte und ihnen irgendwann die Luft zum Atmen nahm.

Plötzlich klatschte etwas gegen die Scheibe und Raven riss die Augen wieder auf, während Belana einen spitzen Schrei ausstieß. Etwas Schmieriges rutschte langsam über das Glas. Lange, tiefrote Schlieren hinter sich herziehend, bewegte es sich in Richtung Motorhaube.

Raven schluckte, sein Magen krampfte sich zusammen. Was war das?

Wieder ein Schlag, diesmal gegen die kleine Heckscheibe. Mit offenem Mund spähte Raven nach hinten. Er starrte auf etwas, das ihn an eine riesige aufgeplatzte Tomate erinnerte. Rasch wandte er sich ab.

Nur nicht durchdrehen, ermahnte er sich. Nicht in Panik geraten. Wir sind hier sicher … oder?

Der Wind schien sich einen Spaß daraus zu machen, ihn und Belana durchzuschütteln. Der X-Bow und seine beiden Insassen waren in den Händen des Sandsturms nur ein lächerlich kleines Spielzeug. Wenn er wollte, könnte er es hochheben und wegschleudern – oder es langsam flach schmirgeln mit seinen Billionen von Sandkörnern, die den Wagen wie in einem Trommelfeuer bearbeiteten.

Raven kam es vor wie ein Tod auf Raten.

Minuten verstrichen.

Doch der Tod hatte noch keine Zeit für ihn, Belana und Spy. Denn auf einmal ließ der Sturm nach, er zog sich zurück, wurde allmählich zu einem lauen Lüftchen, als schliche er sich auf leisen Sohlen davon.

Als das Prasseln der Körner auf der Karosse leiser wurde, blinzelte Raven an Belanas Schulter vorbei. „Es ist … vorüber!“, rief er.

Er versuchte, die Tür zu öffnen, aber es ging nicht. Dann kurbelte er die Scheibe herunter, wobei eine Ladung Sand in den Wagen rieselte, während sich Belana bereits um die andere Scheibe kümmerte.

Schließlich gelang es den beiden, aus dem X-Bow zu krabbeln. Spy war natürlich viel schneller, er schoss in den nach wie vor verhangenen Himmel und krächzte laut.

Raven schaute sich um. Das ekelhafte rote Zeug war von seinem X-Bow verschwunden. Was war das gewesen? Und wo waren ihre Freunde? Er konnte sie nirgends entdecken.

„Wir legen den Wagen und deine Maschine frei und fahren weiter in Richtung Gebirge. Dann werden wir Enya, Zerron und die anderen schon finden“, sagte er zu Belana.

Der Lenker ihres Motorrades ragte nur noch einen halben Meter aus dem Sand hervor.

Sie nickte. „Hast du eine Schaufel?“

„Klar“, erwiderte Raven und gab sie Belana. Er selbst begann mit den Händen zu graben.

Es war eine schweißtreibende Arbeit, aber schließlich hatten sie es geschafft: Beide Fahrzeuge waren vom Sand befreit. Dann schossen Raven und Belana los. Nach etwa einem Kilometer sah Raven den Trummer von Big T. Er atmete tief durch.

Kurz darauf bremsten sie vor dem mächtigen Fahrzeug ab. Big T lehnte an der Motorhaube und winkte ihnen zu. Doch sein Gesicht verriet keine Freude.

Raven sprang aus dem X-Bow und sah sich um. Einer aus ihrer Gruppe fehlte …

„Wo ist Dippy?“, fragte Raven, während Rollercoaster auf ihn zuflitzte, um ihn zu begrüßen.

Mysticon, der mit Zerron und Enya neben Big T stand, schaute ihn und Belana düster an. „Wir wissen es nicht.“

Jetzt hatte der Pitbull Raven erreicht und überschlug sich förmlich vor Freude: Er kugelte an Raven vorbei, rappelte sich wieder auf und stürmte erneut auf ihn zu.

„Schon gut, schon gut“, sagte Raven abwesend zu dem Hund und wandte sich an die anderen. „Wo habt ihr Dippy das letzte Mal gesehen?“

Enya hob die Schultern und ließ sie langsam wieder sinken. „Wir wurden im Sturm voneinander getrennt. Jeder hatte genug mit sich selbst zu tun … aber ich bin so froh, dass wenigstens du wieder da bist.“ Sie trat dicht an Raven heran und berührte sein Gesicht.

Raven hatte durchaus registriert, dass Enya Belana mit keiner Silbe erwähnt hatte, aber er ging nicht darauf ein. „Wir müssen Dippy suchen!“, sagte er.

„Ja, das hatten wir auch gerade vor“, erwiderte Zerron, der zunächst Belana und dann Raven umarmte.

„Kuscheln könnt ihr später“, knurrte Mysticon und nahm einen Schluck aus einer Flasche, die garantiert nicht Wasser, sondern irgendeinen Alkohol enthielt.

„Genau, denn vielleicht ist Dippy verletzt und braucht schnell Hilfe“, stimmte Belana ihm zu und klopfte auf die Tasche mit den Arzneimitteln und dem Verbandszeug, die sie immer bei sich trug.

„Wir teilen uns auf und decken alle Himmelsrichtungen in einem Radius von zehn Kilometern ab“, sagte Raven. „Vielleicht hat sich Dippy in dem Orkan verflogen und musste irgendwo notlanden.“

„Genau!“, rief Zerron. „Wir finden ihn schon. Einen Hubschrauber kann man eigentlich kaum übersehen.“

Doch Zerron lag leider falsch, wie sie feststellen mussten, als sie nach einiger Zeit wieder zusammenkamen. Niemand hatte Dippy oder seinen Helikopter entdecken können.

„Wir sollten es noch einmal probieren und den Suchbereich ausdehnen“, schlug Belana vor.