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Edgar Häusler kommt müde von der Arbeit nach Hause. Seine Frau entdeckt an seiner Anzugsjacke ein langes blondes Haar. Daraufhin entspinnt sich ein spannendes Psychodrama. Aber es geht um sehr viel mehr als nur um ein einzelnes Haar... Wohin Wörter führen können... Packend - Unterhaltsam - Überraschende Wendungen Friedrich Schilbach in Höchstform!
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Seitenzahl: 116
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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
EPILOG
Cecilia und Barbara waren in der zum Wohnzimmer hin offenen Küche mit der Zubereitung des Abendessens beschäftigt, während die Freunde Lothar und Edgar sich mit Weingläsern gegenübersaßen. Das Gespräch begann harmlos.
„Weißt du, Edgar”, begann Lothar leise, während er – ein Glas Trollinger in der Hand – auf ein ausgefallenes langes blondes Haar von Barbara zeigte, das vor ihm auf dem Tisch lag, „Haare sind eigentlich nichts weiter als lange Hornfäden, die auf der Haut wachsen. Sie bestehen hauptsächlich aus Keratin. Lustig, oder? So etwas Unspektakuläres, und doch sind sie überall auf unserem Körper.“
Edgar, der die Bedeutung der Worte nicht ganz erfasste, nickte geistesabwesend. „Interessant”, murmelte er, während er nachdenklich das Etikett der Weinflasche studierte. „Kraichgau“, sagte er. „Lössboden. Gut.“
Lothar, nicht bereit, das Thema loszulassen, fuhr fort: „Aber das ist nur der Anfang. Ein Haar, musst du wissen, besteht aus drei Schichten – die Cuticula, die äußere Schuppenschicht, der Cortex, und dann die Medulla. Die Schuppen, weißt du, sie zeigen den Gesundheitszustand des Haares an. Bei einem gesunden Haar liegen sie flach und geben diesem den Glanz, den man so bewundert.“
Cecilia trat aus der Küche mit einer weiteren Flasche badischen Rotwein, um den beiden nachzuschenken. Als sie Lothars Worte hörte, grinste sie spöttisch. „Weißt du, Lothar”, sagte sie mit einer Stimme, die eine Spur von Belustigung verriet, „ich glaube nicht, dass Edgar sich um den Glanz seiner Haare wirklich Sorgen macht. Schau ihn dir doch nur mal an!“
Edgar bemerkte den zynischen Unterton im Kommentar seiner Frau über seine unzähmbar abstehenden Haare, schaute auf und warf Cecilia einen gespielt vorwurfsvollen Blick zu. „Warum reden wir denn nur über Haare?“ fragte er, eine Mischung aus Neugier und leichter Verwirrung in seiner Stimme.
„Ach”, entgegnete Lothar, „es ist faszinierend, wenn man sich damit beschäftigt. Der Cortex, der größte Teil des Haares, macht fast achtzig Prozent davon aus. Und die Struktur dort, sie besteht aus feinen Keratinfasern, die sich aneinander lagern. Das ist der Teil, den die Friseure am meisten beeinflussen – chemische Prozesse, verstehst du?“
Barbara, eine attraktive Frau, die Lothar zur Dinner-Einladung der Häuslers begleitet hatte und bisher still geblieben war, konnte nicht anders, als sich aus der Küche heraus in das Gespräch einzumischen. „Ich hab‘ gehört, dass die Art, wie Haare auf Veränderungen reagieren, viel über ihre Zusammensetzung verrät”, meinte sie, kam mit einem Glas Sekt und setzte sich im Wohnzimmer neben Edgar. „Zum Beispiel, dass alkalische Lösungen die Schuppenschicht öffnen, während saure sie schließen.“
Sie hatte langes, goldblondes Haar, das wie feine Seide im Licht schimmerte und sich sanft über ihre Schultern ergoss. Barbaras Augen leuchteten in einem klaren Blau, das an einen späten Sommerhimmel erinnerte, und ihre Haut war hell, fast wie Porzellan, doch mit einem Hauch von Sonnenwärme, der ihr Gesicht zum Strahlen brachte. Die weichen Züge ihres Gesichts verliehen ihr eine natürliche Eleganz, während ihr Lächeln eine unaufdringliche Wärme ausstrahlte. Trotz ihrer zarten Erscheinung lag in ihrem Blick eine innere Stärke und Entschlossenheit, die jeden sofort erkennen ließ, dass hinter der weichen Fassade eine starke Persönlichkeit steckte.
Edgar schaute Barbara tief an und lachte trocken. „Ihr redet so, als ob Haare die geheimen Schätze des Lebens wären.“
„Vielleicht sind sie das ja”, sagte Lothar geheimnisvoll. „Wenn man über die Chemie des Haares nachdenkt – Wasserstoffbrücken, Disulfid-Bindungen, all diese Dinge – wird einem klar, dass selbst so etwas scheinbar Einfaches wie Haare eine ungeheure Komplexität birgt. Sie sind widerstandsfähig, fast unzerstörbar, wenn sie nicht durch Chemikalien oder extreme Bedingungen verändert werden. Haarproteine, die Keratine, bestehen zu neunzig Prozent aus Eiweißen. Das ist faszinierend, findest du nicht?“
Cecilia warf Barbara einen Blick zu, als ob sie wusste, dass diese die Gelegenheit ergreifen würde, weiter auf das Thema einzugehen. „Und was ist mit Melanin?“ fragte Barbara lächelnd. „Das bestimmt doch die Haarfarbe, oder?“
„Ja”, antwortete Lothar dankbar für die Frage und schenkte ihr ein breites Lächeln. „Eumelanin für braune und schwarze Töne, Phäomelanin für blonde und rote. Und dann gibt es noch das Dilute-Gen, das für graue Farben verantwortlich ist. Auch interessant: Sonnenlicht kann das Melanin bleichen, ähnlich wie beim Blondieren mit Wasserstoffperoxid.“
Edgar schüttelte den Kopf und lachte. „Also gut, ihr habt mich überzeugt. Haare sind komplizierter, als ich dachte. Aber warum das ganze Interesse?“
Lothar musterte Edgar aufmerksam. „Manchmal sind es die unscheinbaren Dinge im Leben, die am Ende den größten Wert haben.“ Sein Blick wanderte kurz zu Barbara, er zwinkerte ihr zu, bevor er sich wieder Edgar zuwandte. „Wie ein Canaletto-Gemälde, zum Beispiel. Ein unscheinbares Stück für viele, aber für manche... unbezahlbar.“
Edgar verstand nicht, von was Lothar sprach. Das sollte noch erstaunliche Auswirkungen auf sein Leben haben.
Die blonde, rassige Barbara, die Freundin von Edgars Frau Cecilia, lehnte sich verführerisch in ihrem Sessel zurück, dehnte die Arme nach hinten, wodurch ihre großen und wohlgeformten Brüste weit nach vorne gedrückt wurden, und warf einen Blick über den Tisch. „Wusstest du, dass 'blond' aus dem Französischen kommt und 'hell' bedeutet?“ begann sie und hielt inne, um in Edgars Augen zu sehen. „Es bezeichnet die Haarfarbe, die irgendwo zwischen gelblich und bräunlich liegt.“
Edgar hob eine Augenbraue und tat desinteressiert. „Ja, und? Das weiß doch jeder.“
„Aber nur etwa zwei Prozent der Weltbevölkerung sind blond”, mischte sich Lothar ein und schenkte sich nach. „Und trotzdem haben Blondinen und Blonde, egal ob natürlich oder gefärbt, immer wieder einen speziellen Status in der Gesellschaft.“
Cecilia, die in der Ecke saß, lachte trocken. „Natürlich, die alten Stereotype... die naive Blondine, die Sexbombe oder die eiskalte Schönheit.“
„Genau”, stimmte Lothar zu. „Vor allem in der westlichen Welt sind diese Bilder noch sehr präsent. Die Farbe selbst hat viele Variationen. Aschblond, nordischblond, strohblond... es gibt natürlich auch wasserstoffblond, die gebleichte Version.“
Edgar runzelte die Stirn. „Wasserstoffblond? So wie Marilyn Monroe? Sagt man das heute noch?“
„Ja, durchaus. Es kommt vom Wasserstoffperoxid, mit dem man das Haar bleicht. Platinblond ist auch ein Begriff dafür”, erklärte Barbara, rekelte sich noch einmal und nahm lächelnd einen prickelnden Schluck aus ihrem Glas.
Es war ein angenehm warmer Sommerabend. Eine milde Brise wehte durch das offene Fenster, kaum mehr als ein zärtliches Streicheln, das die Hitze des Tages mit sich trug, aber zugleich versprach, die Nacht angenehm kühl zu halten. Die Luft war schwer von Blütenduft, vermischt mit dem würzigen Aroma des langsam köchelnden Abendessens, das aus der Küche drang.
„Interessant. Ich hätte nie gedacht, dass es so viele Schattierungen von Blond gibt”, murmelte Edgar nachdenklich.
„Es gibt sogar geografische Unterschiede”, sagte Lothar, der sich mittlerweile aufgerichtet hatte, als wäre er im Lehrer-Modus. „Blonde Menschen findet man besonders in Nord-, West- und Mitteleuropa. Aber auch bei den Nachfahren europäischer Einwanderer in den USA, Kanada, Australien und anderen Ländern.“
„Das wusste ich”, erwiderte Edgar. „Blonde Menschen in Australien, das überrascht nicht weiter.“
Lothar fuhr fort: „Wusstet ihr, dass es auch blonde Menschen in Papua-Neuguinea und auf den Salomonen-Inseln gibt? Und das, obwohl sie eine sehr dunkle Hautfarbe haben? Gauguin hat einige davon in der Südsee gemalt.“
Edgar schaute erstaunt zu ihm hinüber. „Nein, das wusste ich nicht. Wie ist das möglich?“
„Eine andere genetische Ursache”, erwiderte Lothar. „Ein spezielles Gen ist dafür verantwortlich. Die Mutation führt dazu, dass viele Kinder blond geboren werden, aber die Haare im Laufe des Lebens nachdunkeln.“
„Nachdunkeln”, wiederholte Edgar langsam. „Passiert das auch bei uns?“
„Bei vielen”, nickte Lothar. „Das liegt an der Melaninproduktion, die im Laufe der körperlichen Entwicklung gesteigert wird.“
„Interessant”, murmelte Edgar, während er sich ein weiteres Achtel Trollinger einschenkte. „Und was ist mit der Theorie, dass blonde Menschen aussterben?“
Barbara lächelte. „Das ist ein alter Mythos. Es wird immer wieder behauptet, dass blonde Haare irgendwann verschwinden werden, aber da die blonde Haarfarbe rezessiv vererbt wird, bleibt das Gen dennoch im Genpool.“
Cecilia warf ihrem Mann einen spöttischen Blick zu. „Also keine Sorge, Edgar. Blondinen werden uns noch lange erhalten bleiben.“ Die Runde brach in Lachen aus.
Edgar schaute Barbara an und hob seine Tasse in die Luft. „Na dann, auf die Blondinen!“
Edgar konnte es sich nicht länger vormachen: Die anziehende Barbara war für ihn wie ein unausgesprochenes Geheimnis, sichtbar nur für ihn. Jedes Mal, wenn sie das Haus betrat, spürte er dieses leichte Ziehen in seiner Brust, ein Gefühl, das er zu ersticken versuchte, doch das nur stärker wurde, je mehr er es verdrängte. Sie war die beste Freundin seiner Frau Cecilia, oft zu Besuch, ihr blondes Haar leuchtend im weichen Licht des Wochenendes, während es wunderbar gewellt über ihre Schultern fiel.
Es war nicht nur ihr brillantes Aussehen, er konnte nicht leugnen, dass es ihn gefangen nahm. Sie war eine jener Frauen, die in einen Raum traten und ihn mit einer Leichtigkeit erfüllten, als würden sie dem Augenblick Licht und Wärme verleihen. Barbara lachte oft, und ihr Lachen war klar und hell, wie das Plätschern eines Brunnens an einem heißen Sommertag. Ihre Augen, ein helles Blau, schienen ihn manchmal länger als nötig anzusehen, oder zumindest bildete er sich das ein. Diese Augen – sie hatten etwas Unerklärliches, als könne sie die Welt mit einem einzigen Blick durchdringen und sich dennoch nicht von ihrem Unbill beschweren lassen.
Edgar liebte seine Cecilia, daran hatte er nie gezweifelt, aber in Barbaras Gegenwart fühlte er eine Unruhe in sich aufsteigen, die er nicht verstand. Es war nicht nur Verlangen, das war zu simpel. Es war mehr ein Begehren nach etwas Unerreichbarem, ein Wunsch, den er nicht benennen konnte. Wenn sie sprach, lauschte er ihren Worten, aufmerksam, aber auch distanziert, als ob jede ihrer gehauchten Silben ein Versprechen barg, das er nie einlösen dürfte. Ihre Nähe machte ihn nervös – auf eine Art, die ihn an seine Jugend erinnerte, als Unschuld und Neugierde noch Hand in Hand gingen.
Und doch waren da die Schuldgefühle, die sich jedes Mal in seine Gedanken drängten, wenn sie das Haus wieder verließ. Wie konnte er so fühlen? Für die Freundin seiner eigenen Frau, die ihm jahrelang vertraut hatte, die ihm ihre Liebe schenkte? Doch diese Gedanken wogen schwerer in den Momenten, in denen er sich Cecilia gegenübersah. Sie verdiente diese Zuneigung, die er in seinem Herzen spürte, und er hielt an ihr fest, wie an einem Versprechen, das er einst in einer anderen Zeit gegeben hatte.
Wenn er abends allein in der Stille seines Hauses saß, hörte er manchmal Barbaras Lachen wie ein Echo in seinem Kopf nachhallen. Er wusste, dass diese Gedanken gefährlich waren, eine Sehnsucht, die er unterdrücken musste. Doch es war genau diese Gefahr, die ihn immer wieder in ihren Bann zog. Er fragte sich manchmal, ob sie es spürte, ob Barbara jemals etwas von seinen verborgenen Gefühlen ahnte. Vielleicht wäre es besser, wenn sie es nie wüsste, wenn diese Empfindungen für immer im Dunkel seiner Seele verborgen blieben, wo sie niemand – nicht einmal er selbst – wirklich erreichen konnte.
Und so lebte er weiter zwischen zwei Welten: der stillen, sicheren Liebe zu Cecilia und der unausgesprochenen finalen Hingabe an Barbara, die in den Schatten seines Herzens verweilte, immer da, aber niemals greifbar.
Edgar Häusler war der Typ Mensch, den man auf der Straße leicht übersah. Ein unscheinbarer Mann, mittelgroß, vielleicht ein Meter sechsundsiebzig, mit schmalen Schultern, die kaum auffielen, wenn er in seinem dunkelblauen oder grauen Anzug zur Arbeit ging. Er trug immer Anzüge – gut geschnitten, aber nie besonders auffällig. Es waren Anzüge, die man in der Masse der Angestellten erkennen konnte, aber keine, die sich von der Stange abhoben. Seine Krawatten waren schlicht, keine Muster, die ein zweites Hinsehen erforderten, meistens in gedeckten Farben, die dem Ernst seiner Arbeit als mittlerer Bankangestellter gerecht wurden.
Sein Gesicht hatte noch etwas Jungenhaftes, war aber ebenso unscheinbar wie seine Kleidung. Dunkelbraune Haare, etwas zerzaust. Ohne Haargel – das er nicht mochte – standen sie gerne etwas ab. Sein Haarschnitt war derselbe, den er schon seit Jahren trug – zuverlässig und genau wie Edgar selbst. Hier gab es keine Überraschungen. Er war in seinen frühen Vierzigern, doch die Jahre hatten ihm schon einen leicht grauen Ansatz in seinen Haaren verliehen, was ihm vielleicht etwas mehr Charakter hätte verleihen können, wäre sein Gesicht nicht so gleichmäßig und gepflegt gewesen. Edgar hatte einen starken Bartwuchs. Wenn er sich morgens rasierte, zeichneten sich schon vor Feierabend wieder feine dunkle Stoppeln ab. Die Stirn zeigte kleine seitliche Falten, wenn er sich bei der Arbeit auf die Zahlen konzentrierte oder zu Hause neben seiner Frau in der Küche stand und, wie abwesend, über Finanzierungen nachdachte.
Seine Augen waren haselnussbraun und blickten häufig mit einem Hauch von Müdigkeit in die Welt – die Müdigkeit eines Mannes, der sich den kleinen Sorgen des Alltags stellte, ohne sich je richtig zu beklagen. Sie ruhten oft auf den Aktenstapeln auf seinem Schreibtisch, während er leise über Kontobewegungen und Kreditanträge nachdachte. Nur selten funkelten sie, vielleicht bei einem seltenen Sieg im Kartenspiel mit seinen Kollegen in der Kaffeepause oder einem zufriedenen Lächeln, das er für seine Frau Cecilia reserviert hatte, wenn sie ihm den Teller mit dampfenden Bratkartoffeln auf den Tisch stellte.