Der Generalsekretär und das blaue Fröschchen - Friedrich von Schilbach - E-Book

Der Generalsekretär und das blaue Fröschchen E-Book

Friedrich von Schilbach

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Beschreibung

Der UNO-Generalsekretär Isi Frey ist erschöpft von seiner anspruchsvollen Tätigkeit in New York. Er braucht eine Auszeit. Er sucht Ruhe und Erholung an der Stätte seiner Kindheit, einem beschaulichen Bauernhof im Schwarzwald. Doch er hat die Rechnung ohne seine Gegner gemacht... Eine weitere spannende Erzählung von Friedrich von Schilbach. Packend von der ersten bis zur letzten Seite.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

1

Der Himmel über dem dichten Fichtenwald färbte sich in ein feuriges Orange, als die Sonne langsam am Horizont verschwand. Die finsteren Schatten der Bäume bedeckten den weichen Waldboden. Es roch nach Harz und modrigen Bäumen.

Ein alter Mann rannte verzweifelt um sein Leben. Sein Atem ging schwer und seine Lungen schmerzten. Er blickte sich ständig um, sein Herzschlag überschlug sich vor Angst. In der Ferne hörte er das gedämpfte Knacken von Ästen und das Murmeln seiner Verfolger. Schweiß perlte ihm von der Stirn und brannte in seinen Augen, aber er konnte nicht langsamer werden oder gar stehenbleiben.

„Er kann nicht weit sein,“ hörte er eine raue Stimme sagen. „Wir haben ihn gleich.“

Der alte Mann schloss kurz die Augen, sammelte seine letzten Kräfte und rannte weiter, tiefer in den dunklen Wald hinein. Sein Herz klopfte so laut, dass er meinte, es müsse für alle zu hören sein. Die Fichten schienen sich über ihm zu schließen, ein lebendiges Gefängnis, aus dem es kein Entrinnen gab.

Plötzlich stolperte er über eine Wurzel und fiel hart zu Boden. Ein Waldvogel flatterte erschrocken auf. Die Verfolger schauten sich kurz an und zeigten in seine Richtung. Der Schmerz durchzuckte seinen ganzen Körper, und für einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen. Er durfte nur nicht die Besinnung verlieren! Er biss die Zähne zusammen und zwang sich aufzustehen. Die Geräusche hinter ihm waren jetzt beängstigend nah. Er konnte die Atemzüge seiner Häscher hören, den dumpfen Tritt ihrer Stiefel auf dem Pfad hinter ihm. Seine Kräfte waren zu Ende.

Eine Fichte, deren Äste tief herunterhingen, bot ihm kurzzeitig Schutz. Er presste seinen Körper gegen den klebrigen Stamm und lauschte. Das Adrenalin ließ seine Sinne schärfer werden. Das Knacken der Zweige kam näher. Dann war es plötzlich totenstill. Nichts, kein Flüstern, keine Schritte mehr. Sie mussten direkt neben ihm sein. Die Luft vibrierte vor Spannung, und das Blut gefror ihm in den Adern. Ameisen krabbelten ihm über die Socken in sein Hosenbein. Er konnte aber seinen Fuß nicht heben, um die beißenden Biester mit der Hand abzustreifen. Es begannen Minuten des Bangens, zwei, vielleicht drei, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen. Er versuchte, seinen Atem anzuhalten und völlig reglos zu verharren.

Er hörte – keine zwei Meter von sich entfernt – das Klicken, mit dem eine Pistole entsichert wurde.

„Ich geh hier lang. Du dort!“, befahl eine ihm bekannte Stimme leise. Langsam entfernten sich die Schritte in verschiedene Richtungen. Der Generalsekretär, dem sie dicht auf den Fersen waren, wartete noch einige Momente, bis er die Geräusche der Sicherheitsleute nicht mehr hören konnte.

Er entledigte sich der zwickenden Ameisen, stolperte weiter, seine Beine waren schwer wie Blei. Über eine halbe Stunde lang war er gerannt. Mit 67 Jahren stellte dies für ihn eine gewaltige körperliche Anstrengung dar, die ihm den allerletzten Grad an Selbstüberwindung abrang. Er orientierte sich vorsichtig nach links, dort, wo der Wald dichter und dunkler war. Die Fichten standen so eng, dass kaum noch Licht durchdrang. Er wusste, dass er sich hier besser verstecken konnte.

Ein letzter Lichtstrahl brach durch das dichte Nadeldach und erhellte einen kleinen Bach, der durch den Wald floss. Er zog seine Schuhe aus und kühlte seine Blasen im kalten Wasser. Die Welt um ihn herum war still. Nur ein leichter warmer Wind wog sachte die Äste der Baumkronen. Für einen Augenblick fühlte er sich sicher.

Die Männer waren weitergezogen, in die falsche Richtung gelaufen. Er hatte es geschafft, zumindest für den Moment. Der Körper des alten Mannes war erschöpft. Er fand endlich etwas Ruhe, Zeit zum Atmen. Doch er wusste, dass die Jagd auf ihn weitergehen würde, dass er nicht entwischen konnte.

2

Drei Tage zuvor:

Mit einem dumpfen Scheppern landete das blaue Plastikfröschchen in der Kaffeetasse.

Die Lichter der Stadt funkelten wie tausend Sterne unter dem nächtlichen Himmel von New York, während der UNO-Generalsekretär gedankenverloren in seinem Büro auf einem dick gepolsterten dunkelbraunen Chesterfield- Sessel saß. Das riesige Fenster im 38. Stock bot einen weiten Blick über die schlaflose Metropole, doch seine Augen waren auf das Unendliche gerichtet, irgendwo jenseits der strahlenden Skyline und der auch mitten in der Nacht geschäftigen Straßen Manhattans.

Der Raum war in gedämpftes Licht gehüllt, nur eine gedimmte Stehlampe neben seinem Schreibtisch warf einen warmen Schein auf die sauber geordneten Dokumente und die magere Bronzeskulptur eines leidenden Mannes von Alberto Giacometti, die still auf einem Beistelltischchen stand. Die Flagge der Vereinten Nationen hing schlaff am Fahnenständer in der Ecke des mächtigen Büros. Kleine Regentropfen rannen die Fensterscheibe hinab, vereinigten sich zu Rinnsalen und verschleierten den Blick auf die Wolkenkratzer. Draußen zogen ab und zu blinkende Helikopter wie summende Moskitos vorbei.

Während die Schatten der Nacht tiefer und dichter wurden, nahm er den blauen Frosch wieder aus der Tasse, schob diese an das andere Ende des mahagonihölzernen Couchtisches und drückte mit seinem linken Zeigefinger auf das hintere Ende des Fröschchens. Dieses wurde durch die Luft katapultiert und hüpfte zielsicher erneut ins Ziel. Der Generalsekretär hatte diesen Kunststofffrosch in all den Jahren schon viele tausend Male springen lassen. Er wäre ein wahrer Meister in dieser Disziplin gewesen, hätte es Wettbewerbe gegeben, an denen er hätte teilnehmen dürfen, was in seiner Position aber verständlicherweise undenkbar war. Er konnte das Fröschchen mit präziser Geschicklichkeit auch dann sicher zu seinem angepeilten Bestimmungsort – eine Tasse, ein Aschenbecher oder ein Eimerchen – schnippen, wenn er kaum hinschaute, oder mit seinen Gedanken ganz woanders war. So sehr hatte er das Spiel verinnerlicht. Es half ihm vor allem dann, wenn er sich stark auf etwas konzentrieren musste oder Probleme zu wälzen hatte. Seit mehreren Jahren hatte seine blaue Spielfigur das Ziel nicht mehr verfehlt. Jeder Hüpfer war ein Treffer.

UNO-Generalsekretär Isi Frey, ein großgewachsener Mann mit breiter Statur, grau meliertem Haar und müden Augen, lehnte sich in seinem ledernen Sessel zurück, die Finger verschränkt, die Ellbogen auf die Armlehnen gestützt. Sein Blick glitt über die Weltkarte an der Wand, die von roten Stecknadeln übersät war, jeder Punkt ein Brennpunkt, ein Krisenherd, ein Symbol für menschliches Leid und Versagen und unendliche Herausforderungen.

Seufzend rieb sich die Augen. Es war weit nach Mitternacht. Die Sorgen der Welt lasteten schwer auf ihm, schwerer, als er es sich je hätte vorstellen können. In Afrika kämpften Kinder mit Hunger, ihre Augen leer und hoffnungslos. Im Nahen Osten tobten Konflikte, die jahrhundertealte Wunden wieder aufrissen. In den Großstädten der westlichen Welt wuchs die Kluft zwischen Arm und Reich, Links und Rechts, Einheimischen und Zuwanderern, während die Umwelt weiter zerstört wurde und die Klimakrise unaufhaltsam voranschritt.

Es kam ihm vor, dass jede Entscheidung, die er seit seinem Amtsantritt an der Spitze der UNO vor dreieinhalb Jahren getroffen hatte, nur ein Tropfen auf den heißen Stein zu sein schien, jede Resolution ein Kompromiss des Tauziehens und Schacherns, der niemanden wirklich zufriedenstellte. Die Mächte der Welt schienen in endlosen politischen Spielen verstrickt, während die einfachen Menschen, die er zu schützen und in ihrer Lebensqualität zu fördern sich geschworen hatte, weiterhin litten.

Er dachte an die vielen Gesichter, die er auf seinen Reisen gesehen hatte, die Hände, die er geschüttelt, die Geschichten, die er gehört hatte. Ein kleines Mädchen in einem Flüchtlingslager, das trotz allem noch ein Lächeln auf den Lippen hatte. Ein alter Mann, der alles verloren hatte, aber immer noch an die Menschlichkeit glaubte. Diese Momente hatten ihm einst Kraft gegeben und ihn daran erinnert, warum er diese unmögliche Aufgabe übernommen hatte.

Doch in dieser stillen Nacht, allein mit seinen Gedanken, spürte er die Zweifel nagen. Er stand auf und ging zum Fenster, legte die Handflächen gegen das kühle Glas und sah hinaus in die Weite der Stadt, die niemals schlief. Irgendwo da draußen, weit hinter diesen Lichtern des Wohlstands, wartete die nächste Krise, das nächste Problem, das nach seiner Führung verlangte.

3

Er setzte sich, denn er spürte, er konnte nicht mehr.

Vor ihm lag ein Bericht über die jüngsten Eskalationen in einem arabischen Land. Ein Krieg, der Hunderttausende zur Flucht gezwungen hatte und täglich mehr Opfer forderte. Die Schreie der Verzweiflung und die Trümmer der zerstörten Städte schienen in seinen Gedanken widerzuhallen. Sein Kopf schien explodieren zu wollen.

Rechts auf seinem Schreibtisch wartete auf ihn ein weiterer Bericht über einen verheerenden Waldbrand, der sich unaufhaltsam durch Mittelamerika fraß, Häuser zerstörte und Menschenleben forderte. Die Dringlichkeit der Situation verlangte nach sofortiger internationaler Hilfe und Koordination. Die Welt schaute auf ihn.

Als er das Whiskyglas zum Mund führte, zitterte seine Hand dermaßen, dass die Eiswürfel alarmierend klirrten.

Am späten Nachmittag des sich zu Ende neigenden Tages hatte er Besuch von einigen afrikanischen Botschaftern gehabt. Sie hatten vehement gefordert, dass ihre Länder im Sahel, die von islamistischen Rebellen heimgesucht wurden, den dringenden Einsatz von Blauhelmtruppen benötigten und dass ihre nationalen Streitkräfte mehr Unterstützung, mehr Soldaten und mehr Ressourcen bedurften. Kein Wort davon, dass es sich bei den drei Staaten um lupenreine Diktaturen handelte, in denen Korruption und Misswirtschaft genauso blühten wie Kinderheirat, Unterdrückung und der Drogenhandel in Richtung Europa.

Wo anfangen? War das Schicksal der vom dschihadistischen Feldzug bedrohten Region wichtiger als die Überschwemmungen in Südostasien, die am Vortag Tausende obdachlos gemacht hatten? Auch die Regenwaldabholzung in Südamerika schritt schleichend und unvermindert voran, bedrohte die globale Umwelt und den Lebensraum der indigenen Bevölkerung und endogener Tierarten. Vertreter der Indianerstämme hatten den ganzen Tag lautstark vor dem UNO-Gebäude demonstriert und dabei so laut getrommelt, dass der Generalsekretär es bis in sein Büro, das sich über den Wolken zu befinden schien, gehört hatte.

Derweil strömten überall auf der Welt Menschen in hoffnungsvoller Flucht vor Krieg, Armut und Verfolgung über Grenzen, Meere und Kontinente, auf der Suche nach Sicherheit und einem neuen Leben.

Der Generalsekretär saß nachdenklich an seinem Schreibtisch. Im dunklen Regal dahinter standen gerahmte Bilder: Frey händeschüttelnd mit einem grimmigen Präsident Trump, Seite an Seite mit Putin, die deutsche Bundespräsidentin von der Leyen umarmend, und Arm in Arm mit der Sängerin Shakira anlässlich deren Ernennung zur UN-Sonderbotschafterin für Gesangsunterricht und Tanz für brasilianische Straßenkinder.

Er faltete die Hände und hielt sie vors Gesicht. Die Last der Welt schien schwer auf ihm zu liegen. Er fühlte sich wie der Titan Atlas, der dazu verdammt war, das gesamte Himmelsgewölbe auf seinen Schultern zu tragen. Nur war er kein Titan. Er war Isi Frey. Der war er immer schon gewesen. Oder auch nicht?

Er wusste, dass jede Entscheidung, die er in seinem Büro traf, weitreichende Konsequenzen haben würde. Seine Herausforderung war es, einen kühlen Kopf zu bewahren, einen Weg zu finden, all diese Krisen zu bewältigen, ohne die eine zugunsten der anderen zu vernachlässigen. Er wankte in der Palästinenserfrage zwischen Israel und der arabischen Welt, musste sowohl amerikanische als auch europäische und russische Interessen gegeneinander abwägen und auch den noch so abwegig erscheinenden Belangen der kleinen Inselstaaten aufgrund des Anstieges des Meeresspiegels gerecht werden.

„Exzellenzen, meine Damen und Herren,“ murmelte er im Halbdunkel seines Arbeitszimmers vor sich hin, „ich verstehe die Dringlichkeit jeder einzelnen Situation. Aber wir müssen gemeinsam handeln, solidarisch und koordiniert. Nur so können wir diese Herausforderungen bewältigen. Lassen Sie uns zusammenarbeiten, um eine Lösung zu finden, die für alle tragbar ist“. Dann lachte er bitter und mit einem Ausdruck der Verzweiflung trank er sein Glas aus.

Die Nacht war noch lange nicht vorbei, und der Generalsekretär wusste, dass er noch viele Stunden vor sich hatte. Wenn die Sonne aufgehen würde, würde wieder die ganze Welt von ihm erwarten, alle Probleme des Planeten über Nacht gelöst zu haben. Zumindest jene, die in etwa wussten, was die Vereinten Nationen waren und taten, würden ihn und seine Mitarbeiter mit Fragen löchern: Botschafter, Lobbyisten, Pressefritzen und Nichtregierungsorganisationen.

Nie hatte er Ruhe. Und keiner hatte Mitleid mit ihm. Niemand wusste, dass er seit langem Beruhigungsmittel und hochdosierte Antidepressiva schluckte und von Selbstzweifeln bis ins Mark gepeinigt war. Im Gegenteil: Horden von Missgünstigen schielten auf sein Amt, legten ihm Steine in den Weg, wo es nur ging, statt sie für ihn fortzuräumen, und hofften insgeheim auf sein Scheitern.

4

Frey ließ die Augenlider sinken und seine Gedanken in die Vergangenheit wandern. Er sah sich selbst als kleinen Jungen, nicht älter als sechs Jahre, im Herzen des Schwarzwalds. Der Bauernhof seiner Eltern war ein kleines Paradies, umgeben von dichten Wäldern und grünen Wiesen, die sich im Sommer in ein Meer von Wildblumen verwandelten. Es war ein Ort, der so weit entfernt schien von den Sorgen und Konflikten, die ihn heute beschäftigten.

Isi erinnerte sich an die klaren, kalten Wintermorgen, wenn der Schnee unter seinen Stiefeln knirschte und die Welt in funkelndem Weiß erstrahlte. Er und Felix, sein Zwillingsbruder, waren unzertrennlich. Gemeinsam erforschten sie die Wälder, bauten Höhlen aus herabgefallenen Ästen und träumten davon, mutige Abenteurer zu sein. Sie teilten sich alles, von ihren kindlichen Geheimnissen bis hin zu den süßen Beeren, die sie im Sommer pflückten.

Felix war immer der Draufgänger gewesen, derjenige, der sich ohne zu zögern auf den Rücken der jungen Kühe schwang oder auf die höchsten Äste der alten Eiche kletterte, die hinter dem Stall stand. Isi hingegen war der ruhigere von beiden, der gerne unter dem Baum saß und in den Wolken nach Bildern suchte. Doch zusammen ergänzten sie sich perfekt, zwei Hälften eines Ganzen, wie ihre Mutter immer gesagt hatte.

Er erinnerte sich an die Abende, wenn sie müde und mit schmutzigen Gesichtern vom Spielen nach Hause kamen. Mutter erwartete sie mit einem Lächeln und einer großen Schüssel dampfender Suppe. Der Duft von frischem Brot und Kräutern erfüllte die kleine Küche.

Doch nicht alles damals war Spiel und Freude. Isi dachte an die harten Arbeiten, die jeder Tag mit sich brachte. Das frühe Aufstehen, um die Tiere zu füttern, das Holzhacken für den Winter, das Helfen bei der Ernte. Diese Aufgaben hatten ihn und Felix stark gemacht, hatten ihnen beigebracht, was es bedeutete, Verantwortung zu tragen und füreinander da zu sein.

Isi öffnete die Augen und sah wieder das vertraute Büro, die hohen Stapel von Dokumenten und Berichten, die ihn zurück in die Realität holten. Die Erinnerungen an seine Kindheit im Schwarzwald waren wie ein warmer, beruhigender Mantel, der ihn umhüllte. In diesen Momenten spürte er die tiefe Verbindung zu seinen Wurzeln, zu den einfachen, aber wertvollen Lektionen, die das Leben auf dem Bauernhof ihm gelehrt hatte.

5

Die Uhr im Büro des UNO-Generalsekretärs tickte leise, ein monotoner Klang in der erdrückenden Stille des Raumes. Es war vier Uhr am Morgen. Der Generalsekretär saß schwerfällig in seinem imposanten Ledersessel, den Kopf in die Hände gestützt. Tränen der Schwermütigkeit rollten über seine Wangen und fielen auf die verstreuten Dokumente vor ihm. Berichte von Kriegen, Naturkatastrophen und menschlichem Leid lagen wie ein Berg der Verzweiflung neben seinem blauen Plastikfröschchen. Der Druck und die Verantwortung waren zu viel geworden. Er verfiel in einen unruhigen, traumgeplagten Schlaf.

Plötzlich öffnete sich leise die Tür, und seine Sekretärin, Lucy, gekleidet in makellosem Weiß, trat ein. Sie war eine erfahrene und aufmerksame Frau, die die Last und den Schmerz ihres Chefs sofort erkannte. Ihr Gesichtsausdruck wechselte von professioneller Gelassenheit zu tiefer Besorgnis, als sie die getrockneten Tränenrinnen auf seinen Wangen bemerkte.