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EINE SPANNENDE ERINNERUNGSREISE ZWISCHEN MEER UND BERGEN Die Geschichte der Geschichten eines gewissen Fedele Conte Mamai, als Säugling im Schwemmland des Po aufgefunden, an Bord einer chiatta auf dem Großen Fluss herangewachsen. Die Geschichten der Geschichte von Aal und Fluten, von der Erfindung eines Schweinsblasenrezeptes, der vecia col pist und dem lavoriero, der Frau am Kanal und dem Schwein auf dem Eis; von Maierlengo, dem Dorf hinter dem Deich, und vom namenlosen Dorf hinter der Staumauer am Berg; von den großen Vorhaben der Ingenieure und den noch größeren der Natur. Die Geschichte der Geschichten vom Essen und vom Weiterziehen, von den Sprachen und den Sprichwörtern. Lanthaler erzählt einen mäandernden Lebenslauf, der vom Delta des Po ausgehend quer durch das Land und die Jahrzehnte, in die Berge und ans Meer führt. Und schreibt einen Schelmen- und Entwicklungsroman, in dem Natur und Kultur aufeinander prallen. Fünfzig Jahre vergeblicher Zivilisationsgeschichte ziehen an uns vorüber, pralles italienisches Leben voller Lust und Leid. Und wenn Fedele Conte Mamai schließlich in sein Ursprungsdelta zurückkehrt und dort von Sondereinsatzkräften überwältigt wird, sind wir endgültig im Heute angelangt … LESERSTIMME: "Eine spannende Geschichte über einen Lebenskünstler, der als Waisenkind mit Aalwilderei groß wird und sich später zum Ingenieur mausert. Trotz alldem ist der Protagonist auf der Suche nach einem erfüllten Leben, hängt seinen Beruf an den Nagel und widmet sich anderen Genüssen und Gefahren des Lebens. Wie es ihm bei der Rückkehr in seine Heimat - das Delta - geht, will ich aber nicht verraten. Ein witzig-sprühender Roman, mit einer Prise trockenem Humor. Dieses Buch ist eine Gedankenreise wert." WEITERE BÜCHER DES AUTORS: - Heisse Hunde - Goldfishs reisen um die halbe Welt - Offene Rechnungen
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Seitenzahl: 177
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Kurt Lanthaler
Das Delta
Kurt Lanthaler
Roman
Gefördert durch die Abteilung Deutsche Kultur und Familie der Südtiroler Landesregierung.
© 2007
HAYMON verlag
Innsbruck–Wien
www.haymonverlag.at
Umschlaggestaltung: Haymon Verlag/Stefan Rasberger
Umschlagbild: fanes.tm.px
Satz: Haymon Verlag/Thomas Auer
ISBN 978-3-7099-7470-4
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
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A let a let folgaSet a sin lievaSet a sin colgaSet a la stalaA badar a la cavalaSet al stalinA badar al cavalinBombolin l’è un birichin
Als Fedele Conte Mamái die Piazza des kleinen Dorfes betrat, verzog sich der Nebel in die anliegenden Gassen.
Sag ich’s doch, sagte ich. Und drehte mich.
Der Friseur hielt geschlossen. Ferramenta Achille Ferrari e figli zwei Häuser weiter war verriegelt und vernagelt, das Schild des Eisenwarenladens verlor Buchstaben um Buchstaben. Die Tür zum Zigarettenladen hing schief in der einen Angel und war durch zwei Ketten gesichert, die so grob geraten waren, als sollten sie Schiffsanker heben. Das kleine Schaufenster der Metzgerei mit Zeitungen verklebt, die Aufschrift verschwunden. Dem verblaßten Pappdschungelkämpfer mit dem Flammenwerfer, der ungerührt die Tür des vergitterten Videoverleihs bewachte, klebte ein Zettel auf der Brust. Torno subito, bin gleich zurück. E quando mai?, hatte einer darunter geschrieben, das glaubst du doch selbst nicht.
Fedele Conte Mamai trat dem Pappdschungelkämpfer vors Schienbein, woraufhin beide ins Wanken gerieten. Am Ende lag der Kamerad flach da.
Sag ich’s doch, sagte ich. Und sah ich mich um. Keine Wäsche mehr auf den kleinen Balkonen. Keine Blumen in den Töpfen. Niemand in den Fenstern. Und vom Denkmal in der Mitte der Piazza nur noch der Sockel. Gestrüpp drüber. Und die Häuser rundrum. Und die abgehenden Gassen. Fedele Conte Mamai, sagte ich, wenn du jetzt noch wüßtest, wer hier auf dem Podest stand, damals. Aber das mit dem Erinnern läßt nach, je mehr zu erinnern wäre. Und es bleiben dir ersatzweise nur mehr die Geschichten, die kleinen. Zu dem Denkmal hast du keine Geschichte. Nichts, was dir dazu einfallen würde. Nur, daß da einer stand, wo du jetzt sitzt. Hatte unter Umständen den Arm gehoben. Einen Hut auf. Stand breitbeinig. Die Katzen sind verschwunden. Die Hunde. Der Ochse. Die Hühner. Da war doch ein Ochse gewesen. Die Motoren. Die halblauten Rufe. Nichts zu hören als die eigene Stimme. Und ab und zu ein leiser Windstoß, ein Schubser. Geh weiter. Maierléngo.
Ich drückte mich langsam wieder in die Höhe. Schlackerte mit dem rechten Bein, um die Taubheit zu vertreiben. Sie sank gemächlich in den Fuß. Da blieb sie dann und summte vor sich hin.
Ein Plastiksack weht vorbei, dreht sich auf den Rücken, sitzt ab. Und weht weiter. Sag ich’s doch.
Da noch die Kirche, aus den Treppen wuchs ein Holunder. Schräg gegenüber der Eingang zur Osteria. Ich winkte die Kirche ab und machte mich auf.
Sehen, was los ist. Schauen, wer da ist. Ob ich ihnen ein paar Geschichten andrehen kann.
Ihr seht, Fedele Conte Mamai ist wieder da, sage ich. Hat eine ganze Zeit gedauert, war unterwegs. Ist kaum wiederzuerkennen. Und alles beim alten geblieben, wie ich sehe. Die Piazza, der Kiosk, der Nebel und der Wind. Der Deich, die Kanäle. Und Ochsen gibt es schon lange keinen mehr, nirgendwo. Sah den letzten vor gut fünfzehn Jahren. Er querte die Straße vor einem Zoo. Es war ihm nicht anzusehen, ob er kam oder ging. Und frage mich seither, wo die geschmorten Ochsenbacken denn alle herkommen mögen. Sag ich’s doch. Die Osteria ist noch ganz die alte. Finster, wie früher. Und halbfeucht, wie damals. Nicht wirklich ungemütlich.
Die Tür hat offen gestanden. Ich bin die drei Stufen hinabgestiegen und habe mich umgesehen. Die Gewölbe, die kleinen Tische, die kurze, niedrige, ewignasse Theke. Die Stühle lagen verstreut, wie nach einer Wirtshausschlägerei. Der Laden leer, als ob die Carabinieri in einem Aufwasch gleich alle mitgenommen. Auf dem kleinen Regal ein paar Gläser. Und über allem Schimmel, Staub, gebröckelter Putz. Gut, sagte ich, durchquerte den Raum, ging nach hinten durch, da lagen aschfahl die Reste eines Lagerfeuers, kalt. Was hat sich hier getan?, sage ich, das wären ja ganz neue Gewohnheiten. Ich setzte mich an den Tisch im hinteren Eck, den Tisch für die Dazugekommenen. Schiebe ihn zurecht, bis er kaum mehr wackelt, stelle den Koffer neben mir ab.
Ich bin wieder da, Herr Wirt. I gà igà i gái.
Ihr wißt, die Osteria ist nie übermäßig freundlich zu ihren Gästen gewesen, der Wirt, wenn möglich, noch weniger. Man bekommt ohne Zutun ein Glas Wein hingestellt. Oder den halben Liter. Immer von dem, der gerade verfügbar ist. Caffè gab es nur in den äußersten Ausnahmefällen, bei Beerdigungen und ähnlichem. Zwei, drei Mal im Jahr. Wenn, außer den Stammgästen, sich auch noch derjenige Teil des Dorfes und der Umgebung in der Osteria eingefunden hatte, der ansonsten einen verächtlichen Bogen drum herum machte. Die Eingeweihten ihrerseits machen ihren Bogen um den Caffè. Schnaps ist immer zu haben, auf einen stummen Blick hin. Den angedeuteten Griff ins tiefe Fach. Ein am Gesetz vorbei destillierender, entfernter Cousin, einer, der seine Sache so sehr verstanden wie ernstgenommen hatte, daß er darüber verstorben war.
Was auch immer der Wirt auftischte, bestellt oder nicht bestellt, der Dank war immer folgender: Che bon caffè ca fè. Was Ihr heut wieder für einen guten Caffè gemacht habt, Herr Wirt. Und der Wirt sieht sich im Halbdunkel der Osteria um, schaut auf seine ewige Stammkundschaft und sagt: I gà igà i gái. Sie haben sie festgebunden, die Hähne. Dann lachte man eine Runde. Beim nächsten Mal wiederholte sich das Spiel. Ein Ritual. Eher träger Taktgeber als Zeitvertreib.
Nach der Mutter war endlich auch die alte Tante verschieden. Eine rüstige Köchin, die sich hinter dem Herd versteckt hielt, um dem Treiben der Osteria zu entgehen. Sie wollte nichts sehen davon, nichts hören, kochte vorzüglich und starb am Gram. Daraufhin war es in der Küche nur mehr dann warm geworden, wenn einer der Gäste sich dorthin aufmachte. Was vorkommen konnte, vor allem in Nächten, die länger zu werden versprachen. Vorausgesetzt, der Wirt selbst litt auch unter einem Anfall von spätem Hunger. Und vorausgesetzt, der Metzger saß mit am Tisch. Worauf allerdings Verlaß war. Oder aber es war einer spät, sehr spät, aus dem Delta gekommen, zur Hintertür herein. Und ein Aal ihm über den Weg gelaufen. Was sich sehr wohl ergeben konnte, vor allem in grauen, mondverhangenen Nächten. Dem Aal wurde in den folgenden Stunden mit Andacht begegnet. Und der Glut des Kamins, über der er sich wand.
L’anguilla, der Aal. Hast wegen des Aals den Ort verlassen. Bist wegen des Aals wieder zurückgekommen. Einmal Saragossasee und retour. Für einen, der im Delta des Po geboren wurde, der nächstliegende Weg.
Noch steht er brav an meinem Fuß, der alte Pappkoffer, und noch weiß keiner hier von baccalà und babà, bresáola und bottárga, und dem Plan und den Zutaten zu der vécia col pist. Zudem zwei Hemden und vier Socken. Der Anzug am Leib, der Pullover in Reserve. In Sachen Bekleidung bin ich nie sonderlich wählerisch gewesen. Beim Schuhwerk schon eher. Ich ging viel, also sollte es sich gut gehen.
Was das Essen betrifft, habe ich es erst gelernt, nachdem der große Hunger sich in den täglichen kleinen verwandelt hatte. Und habe mir, wann immer es mich an einen neuen Ort verschlug, die Halbinsel quer wie längs, in diesem sprunghaften Hin und Her die Jahre über ohne große Ziele bis auf das, über die Runden zu kommen und bei Gelegenheit einen Schritt weiter, so habe ich mir das eine und das andere versammelt, den Koffer immer wieder neu aufgefüllt und aufs Neue leergegessen, und den Geruch und den Geschmack und das Gericht mit mir herumgetragen. Baccalà und babà, bresaola und bottarga. Arbatax, Genova, Napoli, Chiavenna. Und benachbartes Umland. Der eine und andere Weg über das Meer.
Ich war mir nie ganz sicher gewesen, ob ich Maierlengo wirklich wiederfinden würde. Vierzig Jahre sind viel Zeit. Und eine Menge Orte. Lange, zugegeben, war mir gar nicht nach Maierlengo zumute. Bis ich eines Morgens, der eine Fuß hatte das Bett schon verlassen, der andere war noch in die Decke verwickelt, den Koffer in der Ecke sah und dabei einen gewissen Hunger verspürte. Den speziellen. Den nach frisch gefangenem Aal.
Sag ich’s doch, sagte ich, pack deinen Koffer und pack die guten Dinge ein und zieh los und mach dich auf nach Maierlengo und sieh nach, was mit Maierlengo los ist und den Leuten da und der Osteria und dem Fluß und dem Delta.
Und da ich mich gerade im Süden befand, dauerte die Reise etwas, und unterbrach sich hier der Arbeit wegen und da der Ruhe halber, mir war nicht besonders eilig, es wartete keiner auf mich. Außerdem war es noch etwas früh im Jahr für den perfekten Aal. So füllte ich die Vorräte wieder auf und zog weiter.
Und werkelte insgeheim daran, welche Geschichte zu welchem Geschmack am besten passen würde, welche Erinnerung zu welchem Essen. Und verwarf dann alles wieder. Nichts würde ich sagen, nichts erzählen, keinem, nur dasitzen. Und aß im Verwerfen den Koffer leer. Um ihn auf meinen nächsten Stationen und bei jeder neuen Gelegenheit wieder zu füllen. Und die Geschichten zu ordnen. Fleisch zu Fleisch und Fisch zu Fisch. Dazu der Aal.
Warte ab, daß der Po grau ist. Dann beißt er an, der Aal. Und wart es ab, daß der Tag grau wird. Dann entkommst du ungesehen.
Und jetzt kommt’s: Auf dem Bahnhof von Adria, ich dachte schon, du bist beinahe da, die werden Augen machen, wird keiner damit gerechnet haben, daß du jemals wieder auftauchst in Maierlengo, du selbst hast nicht damit gerechnet, es ist dem Gefühl eines unausgeschlafen frühen Morgens entsprungen und dem Gelüst auf wirklich frischen Aal. Da mach ich auch selbst schon Augen. Kaum war ich nämlich am Bahnhof von Adria angekommen, kaum war ich da, war der Koffer fort. Und mit ihm alles. Baccalà und babà, bresaola und bottárga.
Da kommst du mit dem letzten Nachtzug an. Kein Anschluß mehr. Einen Zug ins Delta gibt es nicht, wohl schon seit Jahren nicht mehr, oder? Wäre ich Zug, wäre mir so etwas wie ein Delta wohl viel zu vorläufig.
Ich warte also ab, an eine Mauer gelehnt, bis es Morgen geworden ist und die Bahnhofsbar endlich öffnet. Habe mich in die Schlange gereiht, bloß nicht unters erste Dutzend, soll ein anderer die Leitungen der Maschine saubertrinken. Bestelle einen caffè, ristretto, mi raccomando, bitteschön, und überlege, wie ich weiterkommen würde. Und versuche dabei, mir die besten Aalorte ins Gedächtnis zu rufen. Ohne Aal gehe ich nicht nach Maierlengo. Gleichgültig, was wir essen werden, ohne Aal werden wir nicht gegessen haben. Und wenn wir nicht gegessen haben, werde ich nicht da gewesen sein.
Ich habe mich für den Weg nach Porto Tolle und den Kanal draußen auf Ca’ Zuniani entschieden, mit etwas Glück, und falls der Po grau sein würde, wie es der Himmel zur Zeit versprach, sollte sich der Aal fangen lassen, spätestens gegen Abend hin. Dann mußte sich nur noch ein Unterschlupf finden für die Nacht, es ist einem früher das ganze Delta ein einziger Unterschlupf gewesen, eine Ansammlung von geheimen Verstecken, ein Aneinander von Auswegen. Etwas davon wird sich ja noch finden.
Und dann war noch der Weg zu machen quer durchs Delta nach Maierlengo, und abzuwarten in der Osteria, bis alle versammelt waren. Mancin, Azzalin, Farabotin, Rossin, Penin, Bellin, Tessarin, Zerbin und wer noch. Hier endet alles und jeder auf diesen zwei Buchstaben. Bis auf die zugewanderten Ordnungshüter, staatliche wie kirchliche, natürlich. Wer wird noch in der Osteria sitzen. Wer noch leben. Wenn sie es überlebt haben, sitzen sie noch da. Gewiß. Wo sonst.
Was ihr nicht wissen könnt: Ich bin euch, immer wieder in den Jahren, näher gekommen, als ihr dachtet. Hatte am Oberlauf des Po gesessen. Mich im Umland herumgetrieben. Und einen Bogen um Maierlengo gemacht und einen Haken geschlagen und meinen Mund nicht aufgetan, wenn ich irgendwo die Sprache des Deltas hörte.
Und dann würde ich den Koffer auf den Tisch im Eck stellen, würde ihn öffnen, würde auspacken, was auszupacken war, baccalà und babà, bresaola und bottárga. Und den Aal obenauf. Den Aal mit einem Augenzwinkern. Frisch vom Fischer, selbstverständlich. Es gibt hier keine Wilderer. Nie gegeben.
Was macht man auf dem Bahnhof von Adria, wenn einem der Koffer gestohlen worden ist? Man sieht sich um. Da stehst du, denke ich, Conte Fedele Mamai, und siehst dich um. Und, was siehst du? Was willst du denn sehen, jetzt, nachdem du schon nichts gesehen hast, als man dir den Koffer geklaut hat? Unter der Nase und weg?
Ich setzte mich auf einen Stuhl. Lehnte mich zurück und schloß die Augen. Dann sollte es nicht sein. Dann war es das jetzt gewesen. Du willst nicht ohne den Koffer ins Delta, nicht nach Maierlengo. Kannst nicht.
Da sitze ich, auf dem mir viel zu kleinen Stuhl, keine Ahnung, für wen von uns sie diese Zwergenstühle bauen, und bin müde geworden.
Wie war das gewesen? Wie hatte man sich das erzählt?
Die Frau saß, und jeder wußte es, sagte man, saß Abend für Abend am Wasser. Und hatte kein Auge für nichts und für niemanden. Man hätte meinen mögen, sie schlafe. Saß da, das Kinn auf die Knie gestützt, Abend um Abend am Wasser des Kanals und immer an der selben Stelle. Tagelang, wochenlang oft. Dann blieb sie eine Zeit verschwunden. Und dann war sie wieder da.
Es hat welche gegeben, die mit ihrem Boot auf dem Weg ins Delta waren, unterwegs zu den Aalen, den Fischen, und umkehrten, wann immer sie an der besagten Stelle vorbeikamen und die Frau nicht am Wasser saß. Und es soll welche gegeben haben, die ruderten weiter. Und kehrten nicht wieder.
Und als dann das Wasser stieg und als der Po stieg, saß sie wieder da und blieb sie weiter sitzen. A dir la verità, um die Wahrheit zu sagen: Zuerst stieg das Wasser im Kanal, dann erst stieg der Po.
Der Po kommt von oben und versammelt das Wasser der Berge, und der Kanal kommt von unten und sammelt das Wasser der Entwässerungskanäle, von wo es in den Po zurückgepumpt wird, und eigentlich sollte das Wasser im Kanal erst steigen, nachdem der Po gestiegen ist, eigentlich wär das richtiger so und eigentlich wär das logisch, und doch. Manchmal kommt es vor, daß erst das Wasser im Kanal steigt und dann das Wasser im Po, auf geheimen Wegen, und das, sagen die Geschichten, ist kein gutes Zeichen. Das, sagt das Gerede, sei ein verläßliches Vorzeichen, daß der Große Fluß sehr groß werden wird, der Po noch breiter, das Wasser viel. Und daß es lange liegen wird. Die ganze Welt ein Fluß dann, sagt man.
Und als das Wasser stieg, wie es noch nie gestiegen war, und als der Po anschwoll, wie er noch nie geschwollen war seit Menschengedenken, sah man die Frau wieder am Wasser sitzen, man hätte meinen mögen, sie schlafe, saß da, das Kinn auf die Knie gestützt, saß am Wasser, und saß dann immer mehr im Wasser, und das Wasser stieg und der Kanal stieg, und erst ging ihr das Wasser bis zu den Füßen, bis zu den Knien dann, bis zum Mund, zur Stirn, und dann war sie im Wasser verschwunden und blieb im Wasser verschwunden.
Hatte man es sich so erzählt? Und als das Wasser sich endlich zurückzog, der Po wieder hinter den Deich, das Meer aus dem Delta? Als Kanäle und Lagunen wieder auftauchten, die Felder, die Wege, schlammverkrustet, grau? Und doch wie neu.
Es war eine der ersten Geschichten gewesen, die ich gehört hatte, mitgenommen an den Tischen der anderen, Stück für Stück, und ich hatte damals gedacht, sie sei nicht zu Ende erzählt, die Geschichte. Als fehlte noch ein Teil. Heute ist sie mir so vage, daß es kaum mehr eine Geschichte ist. Und die Frage stellt sich: Hat die Frau am Kanal sich noch einmal blicken lassen? Letzthin etwa? Wem? Oder ging sie aus, die Geschichte, und wie?
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