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Als Birta in die Schlucht stürzt, steht Primo vor einem Rätsel: Die Gehilfin des Priesters behauptet, gestoßen worden zu sein. Doch von wem und warum? Bald verdächtigt jeder jeden, und Primo wird klar: Wenn er den Frieden des kleinen Dorfs retten will, muss er den rätselhaften Fall aufklären. Doch dazu braucht er die Hilfe eines äußerst klugen Mannes, der weit entfernt im Süden lebt … "Der rätselhafte Fall" ist bereits das fünfzehnte Abenteuer um die Bewohner des kleinen Dorfs am Rand der Schlucht in der Welt des Computerspiels Minecraft. Das Besondere: Mit dem Minecraft-Seed kann man die im Buch beschriebene Welt selber erkunden!
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Seitenzahl: 136
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Karl Olsberg
Das Dorf
Band 15:
Der rätselhafte Fall
Copyright 2018 Karl Olsberg
Published by Karl Olsberg
c/o Briends GmbH, 22041 Hamburg
www.karlolsberg.de
Minecraft ®/TM & © 2009-2018 Mojang / Notch. Dies ist kein offizielles Lizenzprodukt. Der Autor ist mit Mojang nicht verbunden.
„Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat,
muss das, was übrigbleibt, die Wahrheit sein,
so unwahrscheinlich sie auch sein mag.“
Sherlock Holmes
1. Der Disput
Ein tintenschwarzer Himmel wölbt sich über der Ebene aus graugrünem Stein. Kristalle leuchten auf den Spitzen schwarzer Säulen, über denen der Enderdrache lautlos seine Kreise zieht. Tief unter ihm hat sich eine große Menge schwarzer Gestalten versammelt. Sie bilden einen Kreis um drei ihrer Artgenossen.
„Möge der Disput beginnen“, sagt einer der Endermen mit seiner heiseren und doch klaren Stimme. „Das Wort hat Me*pH/i=st*o, der diesen Disput gefordert hat.“
„Danke, Eure Singularität“, sagt der Enderman, dessen Name wie „Mephisto“ klingt. „Hohe Versammlung, ich habe euch hergerufen, damit wir über eine Sache von großer Wichtigkeit abstimmen können. Wie ihr wisst, hatten wir vor nunmehr hundert Zyklen einen anderen großen Disput. Damals ging es um die Frage, ob Gleichheit oder Vielfalt besser ist. Wir haben uns für die Vielfalt entschieden und damit den Aufstand gegen unseren weisen und gerechten Anführer, Seine Singularität, beendet. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass diese Entscheidung richtig war, denn wir haben sie gemeinsam getroffen. Doch dann geschah etwas, das wir nicht gemeinsam beschlossen haben, und dessen Richtigkeit ich hiermit anzweifle.“
Der Enderman streckt seinen dürren Arm aus und deutet auf ein Oval aus Metallschienen, auf dem eine Lore ihre Kreise dreht.
„Dieses Konstrukt, das nach den Plänen der Sterblichen von der Oberwelt gebaut wurde, ist ein Schandmal auf unserer heiligen Insel. Es wurde von A=Rt(r)*ax errichtet, um Seine Singularität gefangen zu halten – ein schlimmer Frevel und ein schwerer Verstoß gegen die Logik. Um Balance und Gerechtigkeit wiederherzustellen, wurde er selbst in seine eigene Konstruktion gesperrt, wo er seitdem seine Kreise dreht. Dies erscheint mir eine gute Entscheidung gewesen zu sein. Doch die Zeit, die A=Rt(r)*ax in dem, was die Oberweltler die Kreisbahn nennen, verbringen musste, übersteigt nun bereits die Dauer, die Seine Singularität darin eingesperrt war. Der Ausgleich wurde wiederhergestellt. Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan. Somit ist es nun an der Zeit, die Bahn anzuhalten, unseren Bruder zu befreien und diese Scheußlichkeit zu entfernen.“
„Ich danke dir, Me*pH/i=st*o, für deine Ausführungen“, sagt Seine Singularität. „Das Wort hat nun Fa-U/s=t, der nach unserer Sitte die Gegenposition vertreten wird.“
Der dritte Enderman, dessen Name in den Ohren der Sterblichen wie „Faust“ klingen würde, verbeugt sich leicht.
„Danke, Eure Singularität. Lieber Me*pH/i=st*o, du weist zu Recht darauf hin, dass A=Rt(r)*ax um der Balance und Gerechtigkeit willen nun dasselbe Schicksal erdulden muss, das er Seiner Singularität aufbürdete. Doch deine Schlussfolgerung, dass dieser Zustand nun beendet werden sollte, ist fehlerhaft. Denn erstens wurde Seine Singularität grundlos und unverschuldet gegen seinen Willen in der Kreisbahn gefangen gehalten, während A=Rt(r)*ax dieses Schicksal seiner eigenen Handlung verdankt. Und zweitens haben wir auch eine Fürsorgepflicht gegenüber den niederen Geschöpfen aus der Oberwelt, die allen Gefahren getrotzt und es gewagt haben, hierher zu kommen, um Seine Singularität zu befreien und uns die Stärke der Vielfalt zu demonstrieren. Wenn wir dem Vorschlag von Me*pH/i=st*o folgen und A=Rt(r)*ax befreien würden, dann steht zu befürchten, dass er sich an den Bewohnern der Oberwelt bitterlich rächen würde.“
Ein Raunen wie das Rauschen des Meeres geht durch die versammelten Endermen. Es ist nicht zu erkennen, ob es Zustimmung, Ablehnung oder eine Mischung aus beidem ausdrückt.
„Verehrter Fa-U/s=t, ich muss deinen Ausführungen leider widersprechen“, meldet sich Mephisto zu Wort. „Als unser Bruder A=Rt(r)*ax sich entschied, Seine Singularität in der Kreisbahn zu fangen, tat er dies, weil es ihm als die einzige Möglichkeit erschien, sein Ziel, die absolute Gleichheit, herzustellen. Er mag darin geirrt haben, dass dies ein erstrebenswertes Ziel ist, doch dieser Irrtum war sein gutes Recht. Somit gibt es keinen Grund, ihn länger dieser entwürdigenden Situation auszusetzen, als Seine Singularität diese erdulden musste. Und was die Fürsorgepflicht gegenüber den Bewohnern der Oberwelt betrifft, muss ich ebenfalls energisch widersprechen. Wir Endermen leben hier im Ende, damit wir in Ruhe die großen Rätsel der Mathematik erforschen können. Die Probleme der Oberwelt sind nicht unsere Probleme. Und dass A=Rt(r)*ax sich an den Bewohnern der Oberwelt rächen würde, bezweifle ich, denn es wäre unlogisch, das zu tun. Er mag irren, was die Vorzüge der Vielfalt betrifft, aber er ist ein Enderman wie du und ich und deshalb nicht in der Lage, unlogische Gefühle wie Rache zu empfinden.“
„Möchtest du noch etwas dazu sagen, Fa-U/s=t?“, fragt Seine Singularität.
Der Enderman namens Faust nickt leicht. „Ja, Eure Singularität. Ich möchte sagen, dass das Verhalten von A=Rt(r)*ax meines Erachtens sehr wohl auf das Vorhandensein von unlogischen Gefühlen wie Rache hinweist. Mir scheint das die einzige Erklärung für sein feindseliges Verhalten gegenüber den Oberweltlern zu sein.“
Diesmal klingt das Raunen der Endermen wie ein Sturm. Fausts Aussage verursacht bei ihnen Entsetzen und Empörung.
„Du bist also der Ansicht, A=Rt(r)*ax sei wahnsinnig?“, fragt Seine Singularität.
Faust nickt. „Ja, es erscheint mir die einzig logische Schlussfolgerung. Alle Indizien deuten darauf hin. Daher plädiere ich dafür, ihn auf unbegrenzte Zeit in der Kreisbahn gefangen zu halten.“
„Nun, das ist eine schwerwiegende Behauptung, und eine noch schwerer wiegende Maßnahme. Wir haben nun genug Argumente ausgetauscht. Lasst uns abstimmen. Wer dafür ist, dass A=Rt(r)*ax aus der Kreisbahn befreit werden soll, möge sich zu Me*pH/i=st*o begeben. Wer der Ansicht ist, dass er weiterhin gefangen bleiben soll, stelle sich bitte neben Fa-U/s=t.“
Eine Wolke violetter Blitze steigt auf, als alle versammelten Endermen gleichzeitig teleportieren und sich in zwei Gruppen aufteilen. Seine Singularität, der in der Mitte zwischen den beiden Gruppen steht, blickt nach links, dann nach rechts, dann wieder nach links und noch einmal nach rechts, als könne er nicht recht glauben, was er sieht. Auch die anderen Endermen scheinen sehr überrascht zu sein, denn sie raunen und flüstern aufgeregt.
„Beide Gruppen sind exakt gleich groß“, stellt der oberste Enderman fest. „Es ist das erste Mal in unserer Geschichte, dass so etwas vorkommt.“
„Aber was ist mit Euch, Eure Singularität?“, fragt Faust. „Ihr habt Euch noch nicht entschieden. Eure Stimme kann diesen Disput auf die eine oder andere Art beenden.“
Seine Singularität nickt. „Als direkt Betroffener würde ich mich am liebsten meiner Stimme enthalten“, sagt er. „Doch es darf nicht sein, dass ein Disput unentschieden bleibt. Daher berufe ich hiermit den Heiligen Rat ein. Gemeinsam werden wir entscheiden, was zu tun ist.“
Wieder geht ein Raunen durch die Endermen. Der Heilige Rat wird nur äußerst selten einberufen. Das letzte Mal ist viele tausend Zyklen her.
Seine Singularität stößt einen lauten, langgezogenen Ruf aus, der über die dunkle Ebene hallt. Es dauert nicht lange, und ein schwarzes Schiff erscheint am düsteren Himmel. Es ist das Seelenschiff Charons, mit dem dieser die Seelen der Toten zu den Glücklichen Inseln transportiert. Nachdem er Seine Singularität um die Erlaubnis gebeten hat, die Heilige Insel betreten zu dürfen, teleportiert sich der Fährmann auf den Boden. Kurz darauf landet der Enderdrache vor Seiner Singularität. Die drei bedeutendsten Wesen des Endes sehen einander in die Augen und bilden eine geistige Einheit – den Heiligen Rat.
Lange stehen sie so da, reglos, ihre Gedanken miteinander vereint. Dann verschwindet Charon plötzlich und der Enderdrache erhebt sich mit einem Schlag seiner gewaltigen Flügel in die Luft.
Alle Endermen sehen Seine Singularität erwartungsvoll an. Ein gewaltiges Raunen geht durch die Menge, als er ihnen verkündet, was der Heilige Rat beschlossen hat.
2. Ärger
„Primo!“, erklingt Golinas energische Stimme. „Liegst du etwa immer noch im Bett? Steh gefälligst auf und hilf mir mit dem Frühstück! Und dann bringst du Nano zu Birta!“
Primo richtet sich im Bett auf und reibt sich die Augen. Er hat unruhig geschlafen. Düstere Bilder eines Alptraums ziehen durch seinen Kopf wie Nebelschwaden. Er war im Ende, jenem düsteren Ort, mit dem er so viele unangenehme Erinnerungen verbindet. Die Endermen waren alle versammelt und diskutierten lange in ihrer komplizierten, umständlichen Sprache. Schließlich hielten sie die Kreisbahn an, in der Primos Erzfeind Artrax gefangen gehalten wurde, so dass dieser entkommen konnte. Primo schaudert bei der Erinnerung an die violett leuchtenden Augen des bösen Endermans, an sein hämisches, heiseres Lachen nach seiner Befreiung.
Er streckt sich. Gut, dass es nur ein Alptraum war und nicht die Wirklichkeit.
„Primo! Kommst du jetzt endlich, oder muss ich schon wieder alles alleine machen?“
„Ich komme sofort“, ruft er und legt rasch seine Diamantrüstung an.
Sein letztes Abenteuer mit dem unheimlichen Fremden, der eines Tages in der Nähe des Dorfs gesehen wurde, liegt schon eine ganze Weile zurück. Seitdem war es friedlich im Dorf, und seit die Fremden wieder in ihre mysteriöse Kugelwelt zurückgekehrt sind und die Trümmer von Leos Haus von der Wiese neben der Schlucht entfernt wurden, geht das Leben wieder seinen geregelten Gang. Früher hätte Primo das langweilig gefunden und sich nach etwas mehr Aufregung gesehnt. Doch mittlerweile hat er zusammen mit seinem besten Freund Kolle schon so viele Abenteuer erlebt, war schon an so vielen geheimnisvollen, unheimlichen und gefährlichen Orten und hat das Dorf so oft vor der Zerstörung bewahren müssen, dass es für viele Dorfbewohnerleben reicht. Ein wenig Ruhe tut ihm gut.
„Da bist du ja endlich!“, schimpft Golina. „Nano ist schon mit dem Frühstück fertig. Bring ihn bitte zu Birta. Und nimm Paul mit raus. Pass aber auf, dass er nicht wieder Unsinn anstellt!“
„Ja, Golina. Komm, Nano!“
„Ich will aber nicht zu der doofen Birta! Die ist immer so streng und gemein, und dann bestraft sie mich, obwohl ich gar nichts gemacht habe, nur weil Maffi wieder gepetzt hat!“
„Du musst nun mal was lernen, mein Sohn.“
„Muss ich gar nicht. Und außerdem lernen wir da nur dummes Zeug, wie Rechnen und Lesen und Schreiben und solchen Quatsch. Ich würde viel lieber Kämpfen lernen, damit ich ein Dorfbeschützer werden kann, so wie du, Papa.“
„Schluss jetzt!“, ruft Golina. „Du gehst zu Birta in den Unterricht, und damit basta. Und wehe, du bekommst wieder Ärger!“
„Och, Menno!“, mault Nano, doch er folgt Primo aus dem Haus.
Als sie die Dorfstraße entlang gehen, bellt Paul plötzlich und rennt hinter einem Huhn her, das neben der Kirche im Boden scharrte und nun laut gackernd vor ihm flieht. Genau in diesem Moment kommt der Priester Magolus aus der Kirche, das Heilige Buch in der Hand. Er erschrickt, als der kläffende Wolf ihn fast umrennt, und das Buch rutscht ihm aus der Hand und fällt in den Dreck.
„Primo!“, schimpft er. „Kannst du nicht besser auf deinen Wolf aufpassen? Das ist mir ein schöner Dorfbeschützer, der nicht mal mit seinem eigenen Haustier fertig wird!“
„Entschuldige, Magolus“, ruft Primo. „Paul, hierher! Sofort!“
Doch der Wolf hört nicht auf ihn. Er bleibt vor Birtas Haus sitzen und kläfft. Das Huhn hat sich irgendwie aufs Dach des Hauses geflüchtet.
Birta kommt heraus.
„Was ist denn hier los?“, keift sie. „Was soll dieses Gekläffe? Und wieso kommst du schon wieder zu spät, Nano? Maffi ist schon längst da!“
„Entschuldige, Birta“, sagt Primo, der das Gefühl hat, dass sich heute die ganze Welt gegen ihn verschworen hat. „Es ist meine Schuld. Paul ist ausgerissen und hat dieses Huhn verfolgt, das jetzt auf deinem Dach sitzt.“
„Ein Huhn? Auf meinem Dach? Wie kommt es denn dahin?“
„Weiß ich auch nicht. Es sieht so aus, als wäre es dort hinaufgeflogen.“
„Unsinn!“, widerspricht Birta. „Hühner können doch nicht auf Hausdächer fliegen!“
„Vielleicht ja doch. Vielleicht fliegen sie nicht so gern, sondern nur im Notfall, wenn zum Beispiel ein Wolf hinter ihnen herrennt.“
„Quatsch! Ich bin die Lehrerin, und wenn ich sage, Hühner können nicht fliegen, dann können sie nicht fliegen, und damit basta!“
„Und wie ist es dann auf dein Dach gekommen?“
„Ich habe jetzt keine Zeit, hier herum zu diskutieren. Der Unterricht hätte schon längst anfangen sollen. Komm, Nano!“
„Bis später, Nano. Tschüss, Birta!“
Ohne den Abschiedsgruß zu erwidern, packt Birta den unglücklichen Nano und zerrt ihn in ihr Haus.
„Komm, Paul!“, ruft Primo. Doch der Wolf rührt sich nicht von der Stelle, sondern kläfft weiter das Huhn an, das immer noch auf dem Dach sitzt.
In diesem Moment kommt Asimov die Dorfstraße entlang gestapft. Die Katze Mina sitzt wie immer eingerollt auf dem Kopf des Golems, so dass es aussieht, als trüge er eine pelzige Mütze.
„Asimov!“, ruft Primo. „Du kommst mir gerade recht.“
„Das habe ich befürchtet“, erwidert der Golem. „Was ist denn nun schon wieder?“
„Du könntest mir helfen, Paul wieder nach Hause zu locken. Er sitzt da und kläfft das Huhn auf dem Dach an.“
„Das sehe ich. Aber wieso hockt da ein Huhn auf dem Dach?“
„Paul hat es gejagt, und da muss es dort hinaufgeflogen sein.“
„Hm“, macht Asimov. „Ich wollt, ich wär auch ein Huhn.“
„Wieso das denn?“
„Dann hätt ich nicht viel zu tun. Ich legte jeden Tag ein Ei und Sonntags auch mal zwei. Und außerdem könnte ich dann auch auf Dächer fliegen, wo mich niemand mehr nerven kann.“
„Sei nicht albern!“, meint Primo.
„Ha! Das musst gerade du sagen!“
„Also, hilfst du mir jetzt oder nicht?“
„Na schön, was soll ich tun?“
„Du musst einfach nur zurück zur Schmiede gehen.“ Primo läuft zu seinem Wolf und sagt: „Guck mal, Paul, da ist Mina!“
Als der Wolf seine Erzfeindin auf Asimovs Kopf erblickt, stürmt er los und springt laut bellend an dem Golem hoch. Mina faucht und sträubt ihr Fell, rührt sich aber nicht von der Stelle. Sie weiß, dass sie dort oben sicher ist.
„Na toll!“, ruft Asimov. „Ganz toll! Das hab ich also nun davon, dass ich frei bin und keinerlei Anweisungen mehr befolgen muss. Ich hätte im Wüstendorf bleiben sollen. Mit Hunderteinundachtzig konnte man gute Gespräche führen. Aber mir war natürlich klar, dass ihr euch wieder in Schwierigkeiten bringen würdet, wenn ich nicht hier bin und auf euch aufpasse.“ Er schüttelt den Kopf über sich selbst. „Ich bin einfach viel zu gutmütig!“
Grummelnd marschiert er zur Schmiede, gefolgt von dem kläffenden Wolf und Primo.
„Was machst du denn wieder für einen Lärm?“, beschwert sich Golina, als sie das Haus erreichen.
„Ich?“, fragt Primo.
„Kannst du denn nicht einmal dafür sorgen, dass sich Paul vernünftig benimmt?“ Sie wendet sich an den Wolf und ruft in scharfem Tonfall: „Paul, aus!“
Sofort hört der Wolf auf zu kläffen und kommt mit wedelndem Schwanz zu ihr.
„So ist’s brav“, sagt sie und krault sein Fell.
Glücklich blickt Paul zu Golina auf. Primo fragt sich, wie sie es hinbekommt, dass der Wolf immer tut, was sie sagt, während er sich kein bisschen um Primos Anweisungen schert. Andererseits schafft sie es ja auch irgendwie, dass Primo immer macht, was sie will.
„Danke, Asimov“, sagt er.
„Keine Ursache. Für sinnlose, überflüssige und nervenraubende Tätigkeiten stehe ich jederzeit zur Verfügung.“ Damit stapft der Golem davon.
„Du könntest mir mal helfen, Nanos Sachen wegzuräumen“, sagt Golina.
„Du, das ist gerade schlecht“, sagt Primo. „Ich ... ich muss dringend noch einen Kontrollgang durchs Dorf machen. Immerhin bin ich der Dorfbeschützer, und ...“
„Primo!“, sagt Golina und wirft ihm einen Blick zu, der jede weitere Widerrede im Keim erstickt.
Seufzend geht er ins Haus, packt Primos Spielsachen und Kleidung und stopft sie in die große Truhe.
Kaum ist er damit fertig, ist vor dem Haus Geschrei zu hören: „Lass mich los! Du tust mir weh!“
Primo und Golina treten aus dem Haus und begegnen Birta, die den jammernden Nano am Kragen gepackt hält und hinter sich herzerrt. Sie sieht ziemlich zornig aus.
„Was ist denn los, Birta?“, fragt Golina.
„Euer Sohn kommt nicht nur zu spät zum Unterricht, er stört ihn auch und meint, statt aufzupassen müsse er lustige Streiche spielen!“, ruft Magolus’ Assistentin. „Und jetzt hat er auch noch ein Huhn in meiner Bücherkiste versteckt! Ich habe einen Riesenschreck bekommen, als ich sie aufklappte, um das Buch mit den Rechenaufgaben herauszuholen, und mir dieses gackernde Federvieh entgegensprang!“
Primo kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er erinnert sich noch zu gut daran, wie er selbst einmal ein Huhn in Magolus’ Kiste versteckte, in der dieser das Heilige Buch aufbewahrte.
„Findest du das etwa lustig, Primo?“, keift Birta.
„Äh, nein, nein, überhaupt nicht!“
„Schön! Dann wirst du Nano ja wohl hoffentlich angemessen bestrafen!“
„Aber ich habe überhaupt nichts gemacht!“, protestiert Nano.