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Seitdem Asimov verschwunden ist, hat das Dorf am Rand der Schlucht keinen Golem mehr – sehr zum Ärger von Priester Magolus, der sich Sorgen um sein Image bei den neuen Nachbarn macht. Also schickt er Primo zusammen mit Hexe Ruuna und ihrem Freund Willert auf den Weg, um einen neuen Golem zu besorgen. Doch was die drei entdecken, sprengt ihre Vorstellungskraft – und droht, das geruhsame Dorfleben für immer zu zerstören … Der achtzehnte Band um die Bewohner des Dorfs am Rand der Schlucht verbindet eine abenteuerliche Reise mit ironischen Seitenhieben auf die moderne Welt. Das Besondere: Mit dem Minecraft-Seed kann man die im Buch beschriebene Welt selber erkunden!
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Seitenzahl: 160
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Karl Olsberg
Das Dorf
Band 18: Utopia
Copyright 2019 Karl Olsberg
Published by Karl Olsberg
c/o Briends GmbH, 22041 Hamburg
www.karlolsberg.de
Minecraft ®/TM & © 2009-2019 Mojang / Notch. Dies ist kein offizielles Lizenzprodukt. Der Autor ist mit Mojang nicht verbunden.
„Sie wunderten sich sehr, zu hören,
dass Gold, welches an sich so nutzlos ist,
überall höher geschätzt wurde
als die Menschen, für die es gemacht war.“
Thomas Morus, „Utopia“
1. Monster greifen an
Dingdongdingdingdongdongdingidingidong, schallt es durch das Dorf am Rand der Schlucht. Golina, die gerade das Mittagessen kocht, stöhnt.
„Hör das denn nie auf?“, seufzt sie. „Seit diese vermaledeite Glocke neben der Kirche hängt, haben wir den ganzen Tag dieses Gebimmel!“
„Vielleicht ist etwas passiert“, mutmaßt Primo. „Soll ich mal nachsehen? Immerhin bin ich der Dorfbeschützer ...“
„Ach was, das bedeutet nichts, das weißt du doch. Kaus und Hakun streiten sich dauernd, wer als nächstes bimmeln darf, und währenddessen komponiert Olum ein neues Lied. Und wenn die drei gerade nicht da sind, läutet Magolus zum Gottesdienst. Ich halte das bald nicht mehr aus! Wenn du schon der Dorfbeschützer bist, kannst du dann nicht das Dorf auch vor diesem Lärm beschützen?“
Während sie redet, läutet die Glocke ununterbrochen weiter. Das kann einem wirklich auf die Nerven gehen.
„Wie soll ich das denn machen?“, fragt Primo.
„Nachts, wenn es dunkel ist, könntest du das blöde Ding abmontieren und in den Fluss werfen. Oder du schmilzt es in der Schmiede deines Vaters ein.“
„Aber Linchen, das geht doch nicht! Die Glocke gehört doch dem ganzen Dorf!“
„Nenn mich nicht so!“, ruft Golina. „Mir ist egal, wem diese Glocke gehört. Ich will nur endlich meine Ruhe haben!“
Primo sieht, dass sie kurz vor einem Wutanfall steht. Und mit Golinas Wutanfällen ist nicht zu spaßen – ein Knallschleicher ist harmlos dagegen.
„Ich werde dafür sorgen, dass das Gebimmel aufhört!“, sagt Primo. Um wenigstens ein bisschen überzeugend zu wirken, legt er seine Rüstung an und greift sich das Schwert.
„Ja, tu das. Aber beeil dich, das Essen ist gleich fertig. Es gibt Pilzsuppe.“
„Oh, äh, gut“, stottert Primo, verlässt das Haus und marschiert zum Platz vor der Kirche.
Schon von Weitem hört er lautes Geschrei.
„Nein, nein, Olum, du machst das ganz falsch!“, hört er Kaus, den Bauern sagen. „‚Monster greifen an‘ geht so: Ding, Dong, Ding, Ding, Dong.“
„Quatsch“, widerspricht Hakun, der Fleischer. „Das bedeutet doch ‚die Sonne geht auf‘. Ich würde sagen, ‚Monster greifen an‘ geht so: Dong, Dongeling, Dingelong, Ding, Dong.“
Währenddessen schlägt Olum weiter wie verrückt auf die Glocke ein.
„Hört auf, solchen Krach zu machen!“, ruft Primo. „Dabei kann sich Golina nicht aufs Kochen konzentrieren, und dann gibt es wieder angebrannte Pilzsuppe.“
„Aber ich muss Alarm schlagen!“, ruft Olum. „Schließlich wird das Dorf von Monstern angegriffen!“
„Ich sag’s noch mal“, schaltet sich Kaus ein. „‚Monster greifen an‘ geht so: Ding, Dong, Ding, Ding, Dong!“
„So ein Quatsch!“, widerspricht Hakun.
„Moment mal“, sagt Primo. „Ging ‚Monster greifen an‘ nicht so: Dong, Dong, Dong, Ding, Ding, Ding, Dong, Dong, Dong?“
„Nein, das bedeutet ‚Alarm, Gefahr droht‘“, widerspricht Kaus.
„Ist das nicht dasselbe?“, fragt Primo.
„Nur, wenn die Gefahr darin besteht, dass Monster angreifen“, erklärt Kaus.
„Aber das ist es ja gerade!“, ruft Olum. „Monster greifen das Dorf an! Ist doch ganz egal, was ich hier läute, Hauptsache, jemand unternimmt mal was!“
„Monster?“, fragt Primo. „Ich sehe keine Monster!“
„Sie sind am Fluss!“, ruft Olum. „Fliegende Monster! Ein ganzer Schwarm von ihnen hat mich angegriffen! Es war schrecklich! Ich bin nur knapp mit dem Leben davongekommen!“
„Fliegende Monster?“, fragt Primo skeptisch.
Er hat es schon mit fliegenden Plagegeistern, Phantomen, einem dreiköpfigen Wesen, das mit Schädeln um sich warf, und sogar dem Enderdrachen zu tun bekommen. Aber hier in der Nähe des Dorfs hat er Derartiges noch nie gesehen. Olum übertreibt wahrscheinlich, aber trotzdem sollte er vielleicht lieber nachsehen. Jetzt, wo Asimov nicht mehr da ist, um herumstreunende Monster zu verscheuchen, ist es seine Aufgabe, sich um so etwas zu kümmern.
„Wo genau sind denn diese Monster?“, fragt er.
„Komm mit, ich zeig dir die Stelle“, sagt Olum.
Primo folgt ihm zum Fluss. Kaus und Hakun stapfen in sicherem Abstand hinterher, nah genug, um alles sehen zu können, was passiert, aber weit genug entfernt, um notfalls rasch die Flucht ergreifen zu können.
Als sie sich dem Flussufer nähern, hört Primo ein seltsames Summen. Das klingt in der Tat sehr unheimlich. Monster sind zwar keine zu sehen, dennoch zieht Primo sicherheitshalber sein Schwert.
„Hier war es!“, sagt Olum. „Hörst du das Summen? Das kommt von dem seltsamen Block da drüben an dem Baum. Ich habe gedacht, das Geräusch vertreibt vielleicht die Fische, deshalb bin ich hingegangen und habe mit der Angel dagegen geklopft, damit das Ding ruhig ist. Und dann waren da plötzlich überall um mich herum diese Monster!“
Vorsichtig nähert sich Primo dem Block. So etwas hat er noch nie gesehen: Er ist hellbraun mit dunkelbraunen Streifen und hat an einer Seite einen schmalen dunklen Schlitz. Das Summen scheint tatsächlich von dort zu kommen.
Plötzlich kommt aus dem Schlitz ein seltsames Wesen hervorgekrochen. Es macht ein summendes Geräusch und fliegt auf die Dorfbewohner zu.
Olum schreit: „Hilfe! Die Monster greifen wieder an! Rette sich, wer kann!“
In Panik rennt er davon. Auch Kaus und Hakun fliehen zurück ins Dorf.
Primo beobachtet das Wesen, das etwa so groß ist wie der Papagei Robinson und genauso ungefährlich zu sein scheint. Es summt um Primo herum, ohne ihn anzugreifen, und fliegt dann zu einer Blume in der Nähe.
Inzwischen erklingt vom Kirchplatz her wieder Glockengeläut. Primo seufzt und kehrt dorthin zurück.
„Hört endlich auf mit dem Gebimmel!“, ruft er. „Diese angeblichen Monster sind harmlos!“
„Ja, genau, hört endlich auf mit dem Gebimmel!“, ruft eine vertraute Stimme. „Jetzt bin ich mal dran!“
„Ruuna!“, ruft Primo. „Äh, die Glocke kann man gerade nicht läuten. Mittagsruhe.“
„Ach, schade“, seufzt die Hexe.
Robinson, der Papagei, sitzt auf ihrer Schulter.
„Hör endlich auf mit dem Gebimmel, du dummes Huhn!“, krächzt er. „Ding, Dong! Dingeling! Dingdong!“
„Was soll das heißen, harmlos?“, meldet sich Olum. „Woher willst du wissen, dass die fliegenden Monster harmlos sind?“
„Das Wesen hat mich nicht angegriffen. Es ist nur zu einer Blume geflogen. Ich glaube, es ist ein fliegendes Huhn, das Blumen mag. Ein Blumenflughuhn sozusagen.“
„Ding, Dong, Dingeling“, krächzt Robinson. „Alarm! Blumen greifen an!“
„Wie sah es denn aus, dieses Blumenflughuhn?“, fragt Ruuna.
„Ungefähr so groß wie Robinson, aber gelb und schwarz gestreift.“
„Au fein, dann komme ich ja gerade richtig“, ruft die Hexe. „Ich bin nämlich auf der Suche nach Honig. Den brauche ich für ein neues Zaubertrankrezept.“
„Was ist das, Honig?“, fragt Primo.
„Die Wesen, die du beschreibst, nennt man Bienen“, erklärt Ruuna. „Sie fliegen zu den Blumen und dann machen sie Honig, den sie in ihrem Nest lagern. Ich glaube, das funktioniert so ähnlich wie das Kinderkriegen.“
„Du meinst, die Bienen küssen die Blumen, und dann entsteht eine Babybiene?“
„Na ja, so ähnlich. So genau kenne ich mich da auch nicht aus. Ich weiß nur, dass Bienen Honig machen, und den brauche ich gerade. Wo sind denn die Bienen?“
„Unten am Fluss. Ich zeig dir die Stelle.“
Er führt Ruuna zu dem seltsamen Block, um den inzwischen mehrere Bienen herumschwirren und die Luft mit emsigem Summen erfüllen. Olum, Hakun und Kaus folgen ihnen neugierig.
„Ich glaube, das da ist dieses Nest, von dem du gesprochen hast.“
„Prima. Jetzt muss ich ihnen nur noch den Honig stehlen, ohne dass sie wütend werden und mich mit ihren Giftstacheln stechen.“
„Wütend?“, ruft Olum. „Giftstacheln? Ich hab’s doch gewusst, dass diese Monster gefährlich sind! Bloß weg hier!“
Hakun und Kaus rennen hinter ihm her zurück zum Dorf. Währenddessen erhebt sich Robinson von Ruunas Schulter und flattert auf eine der Bienen zu.
„Was bist du denn für ein komisches Huhn?“, krächzt er.
Die Biene summt lauter und kommt auf ihn zu. Mehrere andere Bienen nähern sich ebenfalls. Sie scheinen den Papagei zu attackieren!
„Alarm! Monster greifen an!“, krächzt Robinson. „Ding, Dong! Alarm!“
Primo wedelt mit seinem Schwert in der Luft herum und versucht so, die Bienen zu verscheuchen. Doch statt die Flucht zu ergreifen, scheinen sie nun erst recht wütend zu werden, und schwirren laut summend um ihn herum. Er will die harmlosen Tiere nicht töten, aber er hat auch keine Lust, von ihnen gestochen und vergiftet zu werden.
„Eigentlich macht man ein Feuer, um die Bienen mit dem Rauch zu verscheuchen“, erklärt Ruuna. „Aber das hier funktioniert bestimmt auch.“
Sie wirft einen Glaskolben mit einer gelblichen Flüssigkeit, der am Boden zerplatzt. Eine Wolke steigt auf und ein fürchterlicher Gestank breitet sich aus. Primo wird übel.
„Oh nein, nicht schon wieder!“, krächzt Robinson.
Tatsächlich ergreifen die Bienen vor Ruunas Stinktrank die Flucht. Die Hexe greift in den Block und holt ein seltsames Gebilde hervor.
„Hm, lecker!“, sagt sie und steckt es ein.
Primo kann sich nicht vorstellen, dass diese fliegenden kleinen Bestien etwas produzieren, das man essen kann, geschweige denn, dass es gut schmeckt. Aber Ruuna hatte schon immer einen merkwürdigen Geschmack.
Vom Kirchplatz her erklingt schon wieder wildes Gebimmel.
„Jetzt reicht es aber!“, schimpft Primo. „Ich hab doch gesagt, es ist Mittagsruhe! Wer immer da schon wieder solchen Lärm macht, dem werd’ ich aber mal die Meinung sagen!“
Doch als Primo mit Ruuna den Kirchplatz erreicht, staunt er nicht schlecht: Es ist Golina, die da wild die Glocke läutet!
„Was ist denn los, Linch..., äh, ich meine, Golina?“, fragt er.
„Mittagessen ist los!“, ruft seine Frau aufgebracht. „Ich warte die ganze Zeit, aber der Herr Dorfbeschützer hat ja nichts Besseres zu tun, als am Flussufer herumzuspielen! Die Pilzsuppe ist bestimmt längst angebrannt.“
„Interessant“, bemerkt Kaus. „Dingeldingeldingdongding bedeutet also ‚Mittagessen ist los‘.“
„Nein, nein, sie hat Dongeldingeldongeldingeling gemacht, nicht Dingeldingeldingdongding“, widerspricht Olum.
„Ich habe nicht gespielt“, verteidigt sich Primo. „Ich musste das Dorf vor wilden, äh, Monsterbienen beschützen!“
„Ja, klar!“, meint Golina sarkastisch.
„Vielleicht kannst du die angebrannte Pilzsuppe mit etwas Honig verfeinern“, schlägt Ruuna vor.
„Nein danke“, lehnt Golina ab. „Komm jetzt endlich, Primo!“
Primo verabschiedet sich von Ruuna, die in den Wald zurückkehrt, und folgt Golina. Doch bevor sie die Schmiede erreichen, erklingt schon wieder wildes Glockengeläut.
„Das darf doch nicht wahr sein!“, ruft Golina. „Das ist bestimmt Ruuna! Jetzt ist aber endgültig Schluss mit dem Krach!“
Sie dreht um und marschiert wütend zum Kirchplatz zurück. Primo folgt ihr.
Als sie dort ankommen, stellen sie fest, dass es nicht Ruuna ist, die die Glocke läutet, sondern Jarga, die Schäferin.
„Alarm!“, ruft sie. „Alarm! Unbekannte nähern sich dem Dorf!“
2. Die neuen Nachbarn
„Was ist denn los, Jarga?“, fragt Primo alarmiert. „Von wo kommen diese Typen? Wie sehen sie aus?“
Als sich das letzte Mal Unbekannte dem Dorf näherten, handelte es sich um Räuber, die ihn gefangen nahmen und zu ihrem Turm verschleppten. Auf seiner Flucht von dort wurde er von einem Zombie gebissen und hätte sich beinahe in ein Monster verwandelt und sein früheres Leben vollständig vergessen. Noch immer hat er hin und wieder Erinnerungslücken, vor allem, wenn er etwas für Golina erledigen soll.
„Sie kommen aus Richtung Südwesten“, erklärt Jarga. „Und sie sehen eigentlich ganz normal aus. Ein Priester und noch ein paar andere. Einen Golem haben sie auch dabei.“
„Priester?“, ruft Magolus, der in diesem Moment aus seiner Kirche kommt. „Was denn für ein Priester? Doch nicht etwa Wumpus, dieser Hochstapler?“
„Nein, die Leute kommen nicht aus dem Wüstendorf. Ich habe sie noch nie zuvor gesehen.“
„Woher denn dann?“, will Magolus wissen.
„Vielleicht sollten wir sie einfach mal fragen“, schlägt Primo vor.
„’Allo?“, ruft in diesem Moment eine Stimme. „Pardon, wenn isch störe, aber wer ist der Vorstand von diese kleine Dorf?“
Erschrocken dreht sich Primo um. Hinter ihm steht ein Mann im violetten Gewand eines Priesters. Er hat die Nase in den Himmel gereckt, so dass es aussieht, als sähe er von oben auf Primo herab, obwohl er exakt genauso groß ist.
„Isch ... ich meine, ich bin der Oberste Hohepriester von Allen“, sagt Magolus. Er reckt ebenfalls seine Nase nach oben, sogar noch ein Stück höher, so dass er fast hintenüberfällt. „Und was soll das überhaupt heißen, ‚dieses kleine Dorf‘?“
„Aber nein, mon Ami, isch wollte nischt beleidigen euer Kaff. Auch wenn es ist nischt so groß und so chic und elegant wie unseres, es ist vielleischt ja auch ganz nett. Mein Name übrigens ist Boküs.“
Hinter dem fremden Priester stehen eine Frau in Bauerskleidung, ein Schmied und ein Fleischer. Sie blicken alle ein wenig betreten drein. Die roten Augen des Golems sind ausdruckslos.
„Ganz nett?“, empört sich Magolus. „Was soll das denn heißen? Das hier ist das wunderbare, einzigartige Dorf am Rand der Schlucht, das Größte und Schönste weit und breit! Ich bin Magolus, der Oberste Hohepriester von Allen, und wer es wagt, unser Dorf ein Kaff zu nennen, kann gleich wieder nach Hause gehen!“
„Schon gut, schon gut, nun reg disch nischt auf, Magolüs“, erwidert Boküs. „Isch lade disch ’iermit ein, zu besuchen unser wunderbares Dorf. Dann du kannst selbst sehen, wie tres chic und elegant es ist. Schließlisch wir wollen leben mit eusch in gute Nachbarschaft.“
„Ihr wollt unsere Nachbarn sein?“, fragt Magolus. „Wie jetzt? Es gibt doch gar kein Dorf südwestlich von hier.“
„Jetzt es gibt eins“, erklärt Boküs.
Er erzählt, dass sie ursprünglich viele Tagesreisen weit im Westen gelebt haben. Doch vor einiger Zeit plünderten Räuber ihr Dorf und vertrieben sie. So flohen sie Richtung Osten und bauten nicht weit entfernt von hier ein neues Dorf.
„Nicht weit entfernt?“, ruft Magolus empört. „Was fällt euch ein? Wieso habt ihr uns nicht um Erlaubnis gefragt?“
Boküs reckt seine Nase noch ein bisschen höher.
„Um Erlaubnis fragen? Disch? Für wen ’ältst du disch, Magolüs?“
„Ich halte mich für den Obersten Hohepriester von Allen, und wer unsere Nachbarn sind, das bestimme ich!“, poltert Magolus.
Primo sieht sich genötigt, einzugreifen, damit sich die Stimmung nicht noch mehr aufheizt.
„Sicher seid ihr müde von der weiten Reise. Können wir euch vielleicht eine Erfrischung anbieten? Meine Frau Golina hat gerade köstliche Pilzsuppe gekocht!“
„Nun gut, warum nischt?“, erwidert Boküs.
Da es in Primos Haus ein wenig eng ist, tragen sie kurzerhand zwei Tische hinaus auf den Kirchplatz. Golina holt die Suppe und schenkt jedem einen Teller ein. Dann setzt sie sich zusammen mit Magolus, Birta und Primo den vier Gästen gegenüber.
Boküs nimmt einen Schluck von der Suppe und verzieht das Gesicht.
„Na ja“, sagt er.
Primo zuckt innerlich zusammen.
„Na ja?“, fragt Magolus. „Schmeckt dir die Suppe etwa nicht?“
„Das isch ’abe nischt gesagt“, erwidert Boküs. „Isch ’abe gesagt: ‚Na ja‘. Isch ’ätte auch sagen können: ‚So la la‘.“
Golina wirft Primo einen finsteren Blick zu. „Da siehst du’s!“, raunt sie. „Wenn du nicht herumgetrödelt hättest, wäre die Suppe nicht angebrannt!“
„Der Suppe vielleischt fehlt ein wenig die Gewürz“, fährt Boküs fort. „So wie dieses ’ier, das isch mitgebracht abe von weit, weit weg. Probier’ es mal.“ Er holt etwas aus seiner Tasche und streut es über Magolus’ Suppenteller.
„Willst du mich etwa vergiften?“, ruft Magolus empört.
Boküs’ Miene verfinstert sich. „Du beschuldigst misch?“, fragt er.
Auch die anderen Gäste wirken angespannt.
Wieder versucht Primo, die Situation zu entspannen. „Darf ich vielleicht mal dein Gewürz probieren, Boküs?“
„Gern“, erwidert dieser und streut etwas über Primos Teller. Es riecht ungewöhnlich und kitzelt ein bisschen in der Nase.
Tapfer nimmt Primo einen Schluck von der Suppe. Dann reißt er die Augen auf.
„Was ist denn?“, fragt Golina besorgt. „Geht es dir gut, Primo?“
„Das ...“, keucht Primo. „Das ... schmeckt einfach wunderbar! Ich habe noch nie so gute Pilzsuppe gegessen!“
Rasch wirft er einen Blick zu Golina, doch die scheint nicht beleidigt zu sein. Stattdessen nimmt sie ebenfalls einen Schluck von Primos Teller.
Auch Golinas Augen weiten sich.
„Das ist wirklich gut!“, ruft sie aus. „Was ist das für ein seltsames Pulver?“
„Man es nennt Pfeffer“, erklärt Boküs. „Es wäschst nur in eine weit, weit entfernte Land und ist sehr wertvoll.“
„Primo, kannst du nicht mal dort hingehen, wo der Pfeffer wächst, und mir welchen holen?“, fragt Golina.
„Äh, na ja, eigentlich bin ich doch der Dorfbeschützer und kann hier nicht weg, Linchen“, erwidert dieser.
„Du bist der Beschützer von diese Dorf?“, fragt Boküs. „Abt ihr denn keine Golem?“
„Natürlich haben wir einen Golem“, behauptet Magolus, bevor Primo etwas sagen kann.
„Ach ja? Und wo ist er, euer Golem?“
„Er ist ... er ist gerade in Reparatur“, stottert Magolus.
„Ah, isch verstehe“, sagt Boküs. „Dann kann der Golem, der neulisch dursch unsere Dorf marschiert ist, nischt eurer gewesen sein.“
„Moment mal“, ruft Primo. „Ein Golem ist durch euer Dorf marschiert? Wann war das?“
„Vor ein paar Wochen. Aber es war eine seltsam Golem. Es fast schien, als ob er könne spreschen. Jedenfalls er ’at Geräusche gemacht wie Worte, aber wir ’aben nischt genau verstanden, was er ’at gesagt.“
„Asimov!“, ruft Primo aus. „Wo ist er hingegangen?“
„Er ’at durschquert unsere Dorf und dann ist gegangen weiter nach Westen. Also das war doch eure Golem?“
„Ja“, erwidert Primo, während Magolus gleichzeitig „nein“ sagt.
„Also was nun? Ja oder nein?“
„Das war unserer anderer Golem“, erklärt Magolus. „Der eine ist in Reparatur. Und der andere kann sprechen.“
„Ah, isch verstehe“, erwidert Boküs. „Na, isch kann jedenfalls verstehen, dass der Golem nischt bleiben wollte in eure Dorf.“
„Was willst du damit sagen?“, ruft Magolus zornig.
Bevor Boküs antworten kann, meldet sich die Frau in der Bäuerinnenkleidung zu Wort.
„Boküs, du hast vergessen, unsere Gastgeschenke zu überreichen“, erinnert sie ihren Priester. Im Unterschied zu Boküs spricht sie ohne Akzent.
„Ah ja, rischtig, die Geschenke“, erwidert der Priester. Er holt einen Kuchen, ein Brot und einen Teller mit Braten hervor und stellt sie auf den Tisch. „Dies sind einige Spezialitäten aus unsere Dorf. Isch ’offe, sie schmecken eusch.“
Magolus setzt zu einer Bemerkung an, doch Primo ist schneller. „Das ist sehr nett von euch. Ich würde gerne etwas von allem probieren.“
Er schneidet sich ein Stück von dem Brot und dem Braten ab. Als er beides in den Mund nimmt, stockt er. Noch nie hat er etwas so Köstliches gegessen! Das Fleisch ist zart gebraten und hat ein feines Aroma wie von wilden Kräutern. Auch etwas Pfeffer schmeckt Primo heraus. Sogar das Brot schmeckt ganz anders als das von seinen Schwiegereltern Bendo und Agia: knusprig frisch und gleichzeitig leicht und zart.
„Das ... ist wunderbar!“, bringt er heraus und probiert auch von dem Kuchen. Der schmeckt ebenfalls köstlich – fast so gut wie der Kuchen, den Ruuna einmal gebacken hat. Danach hat Primo alles in seltsamen bunten Farben gesehen. Zum Glück hat der Kuchen der Gäste nicht dieselbe merkwürdige Wirkung – er schmeckt einfach nur herrlich.
Auch die anderen sind begeistert von der Qualität der Gastgeschenke. Nur Magolus guckt mürrisch.
„Na ja“, sagt er.
„Na ja?“, ruft Boküs empört. „Du wagst es, zu sagen ‚na ja‘ zu meine Kuchen?“
„Du hast ja auch ‚na ja‘ zu Golinas Pilzsuppe gesagt“, giftet Magolus zurück. „Also, mir schmeckt die viel besser als dein blöder Kuchen!“
Diesmal ist es Golina, die eingreift, um ein Eskalieren des Streits zu vermeiden.
„Boküs, euer Essen ist wirklich köstlich“, sagt sie. „Kannst du mir vielleicht beibringen, wie man so gut kocht?“
„Aber gern, meine liebe Golina“, erwidert der Priester. „Ihr alle seid ’