Das Dorf Band 19: Zum Nether nochmal! - Karl Olsberg - E-Book

Das Dorf Band 19: Zum Nether nochmal! E-Book

Karl Olsberg

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Beschreibung

Als Hexe Ruuna mal wieder aus Versehen ihre Hütte in die Luft sprengt, kommt es zum Streit mit ihrem Freund Willert. Kurz darauf verschwindet Ruuna spurlos, während gleichzeitig ein alter Bekannter aus dem Nether im Dorf auftaucht. Noch einmal muss Primo in die Minecraft-Unterwelt zurückkehren. Doch dort hat sich seit seinem letzten Besuch viel verändert … Der neunzehnte Band um die Bewohner des Dorfs am Rand der Schlucht enthält bereits die Änderungen des neusten Minecraft-Updates 1.16 (Java-Edition). Mit dem Minecraft-Seed kann man die im Buch beschriebene Welt selber erkunden!

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Karl Olsberg

Das Dorf

Band 19:

Zum Nether nochmal!

Copyright 2020 Karl Olsberg

Published by Karl Olsberg

c/o Briends GmbH, 22041 Hamburg

www.karlolsberg.de

Minecraft ®/TM & © 2009-2020 Mojang / Notch. Dies ist kein offizielles Lizenzprodukt. Der Autor ist mit Mojang nicht verbunden.

„Lasst, die ihr eintretet,

alle Hoffnung fahren.“

Inschrift über dem Tor zur Hölle

in Dante Alighieris „Die göttliche Komödie“

1. Zum Nether nochmal!

KABUMMM!

Eine gewaltige Explosion zerreißt die Stille des Waldes nordöstlich des kleinen Dorfs am Rand der Schlucht. Blöcke fliegen durch die Luft, durchschlagen das Laub der Bäume in der Umgebung einer kleinen Lichtung und prasseln auf den Boden. Dort, wo bis vor Kurzem noch eine Holzhütte stand, klafft nun ein gähnendes schwarzes Loch. Zwei zerzauste, rußgeschwärzte Gestalten, die daneben liegen, rappeln sich langsam auf.

„Zum Nether nochmal!“, schimpft Willert. „Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mit deinen Experimenten vorsichtig sein sollst, Ruuna?“

„Was denn?“, erwidert die Hexe. „Ich war doch vorsichtig!“

„Ach ja? Und wieso ist dann unsere Hütte schon wieder explodiert? Das ist jetzt schon das dritte Mal, seit wir aus Utopia zurückgekehrt sind. Mir reicht es langsam!“

„Ich kann doch nichts dafür!“, behauptet Ruuna. „Ich wollte meine neue Formel für den Super-Energietrank ausprobieren, aber ich hatte keinen Lohenstaub mehr und da hab’ ich eben Knallpulver genommen.“

„Knallpulver statt Lohenstaub? Und das nennst du ‚vorsichtig sein‘?“

„Klar war ich vorsichtig. Ich hätte schließlich auch einen TNT-Block in den Trank werfen können. Das hätte dann noch viel lauter geknallt.“

„Ach, und dafür soll ich dir jetzt auch noch dankbar sein, oder was?“, brüllt Willert und wirft wütend die Hände in die Luft. „Ich glaube manchmal, damals, als du vom Blitz getroffen wurdest, ist dir der Verstand durchgeschmort!“

„Das ist doch alles nicht so schlimm“, versucht Ruuna ihn zu beschwichtigen. „Wir bauen die Hütte einfach noch mal neu und alles ist wieder gut.“

„Ich denke ja gar nicht daran!“, empört sich Willert. „Ich baue doch keine neue Hütte, bloß damit du sie gleich wieder in die Luft sprengen kannst!“

„Aber wenn wir keine Hütte haben, wo sollen wir denn dann schlafen?“, fragt Ruuna.

„Du kannst die Hütte allein wieder aufbauen! Mir reicht’s jedenfalls!“

Damit dreht er sich um und stapft wütend davon.

„Kabumm!“, krächzt ihm Robinson, der Papagei, nach, während er über dem Loch herumflattert. „Zum Nether nochmal! Das ist doch alles nicht so schlimm!“

Budda, der Kugelwolf, sitzt am Rand der Lichtung, von wo aus er die Auseinandersetzung gelassen beobachtet hat, und kaut auf einem Grashalm.

Grummelnd marschiert Willert durch den Wald. Wenn Ruuna nur nicht so tollpatschig und eigensinnig wäre! Ständig mischt sie irgendwelche Tränke zusammen, ohne sich an Rezepte oder Sicherheitsvorschriften zu halten. Wenn sie nicht explodieren, haben sie seltsame Nebeneffekte. Und dann dieser dauernde Gestank! Nein, so geht das wirklich nicht weiter!

Doch was soll er tun? Ruuna ist nun mal eine Hexe, und bei all dem Chaos, das sie immer wieder anrichtet, hat sie oft auch gute Ideen und hat das Dorf und seine Bewohner schon mehrfach vor großem Schaden bewahrt. Wenn sie doch nur ein bisschen vernünftiger wäre!

Vielleicht, überlegt er, liegt es nicht nur an ihr, sondern ein bisschen auch an ihm selbst, dass sie immer so unvorsichtig ist. Ruuna ist eine Erwachsene mit dem Gemüt eines Kindes. Und so, wie man einem Kind hin und wieder Grenzen setzen muss, damit es sich nicht in Gefahr bringt, braucht auch sie vielleicht mal ein deutliches Signal. Womöglich war er bis jetzt einfach zu verständnisvoll und milde zu ihr. Hätte er schon früher hart durchgegriffen, wäre die Explosion vorhin vermutlich nicht passiert.

Er beschließt, heute bei seinem alten Freund Porgo im Dorf zu übernachten. Ruuna kann entweder die Hütte allein wieder aufbauen oder sich einen anderen Schlafplatz suchen. Das wird ihr eine Lehre sein! Wenn er morgen in den Wald zurückkehrt, wird sie ihre Unvorsichtigkeit bestimmt bereuen und ihn um Verzeihung bitten. Dann wird er ihr das Versprechen abnehmen, nächstes Mal aber wirklich vorsichtig zu sein, ihr verzeihen und die Hütte wieder aufbauen. Sofern sie das dann nicht bereits getan hat.

Zufrieden darüber, dass er eine Lösung für sein Problem gefunden hat, marschiert Willert weiter und erreicht bald den Fluss, der das Dorf am Rand der Schlucht in einer weiten Schleife umfließt.

Primo, Golina und Nano stehen am anderen Ufer und winken ihm zu.

„Hallo, Willert!“, ruft Golina. „Wir haben einen lauten Knall gehört. Was ist denn passiert?“

Willert durchquert den Fluss und begrüßt die Freunde.

„Ach, ihr kennt doch Ruuna“, sagt er. „Sie hatte keinen Lohenstaub mehr für ihren Trank, da hat sie eben Knallpulver genommen.“

Primo, Golina und Nano lachen.

„Ja, das passt zu Ruuna“, meint Primo.

„Darf ich auch Tränke mit Knallpulver brauen?“, fragt Nano. „Ich bin auch ganz vorsichtig!“

„Kommt überhaupt nicht infrage!“, erwidert Golina. „Wo ist denn eigentlich Ruuna?“

„Sie ist noch im Wald“, erklärt Willert und hat auf einmal ein schlechtes Gewissen deswegen. „Diesmal muss sie die Hütte allein wieder aufbauen. Ich habe das in den letzten Wochen schon zweimal gemacht.“

„Du lässt Ruuna ganz allein im Wald zurück?“, fragt Golina. „Ist das nicht gefährlich?“

Willert winkt ab. „Ach was, um Ruuna muss man sich keine Sorgen machen. Schließlich hat sie lange genug allein im Sumpf gelebt und wird mit Nachtwandlern, Knochenmännern und sogar Knallschleichern mühelos fertig.“

Primo nickt. „Und was machst du in der Zwischenzeit?“

„Ich wollte deinen Vater und Golinas Eltern fragen, ob ich heute Nacht bei ihnen schlafen kann“, erklärt Willert.

„Du kannst gerne bei uns übernachten“, meint Golina.

„Au ja!“, ruft Nano begeistert. „Dann kannst du mir ganz genau erzählen, was Tante Ruuna gemacht hat, damit alles explodiert!“

„Das ist nett von euch“, erwidert Willert und folgt den dreien ins Dorf.

Es ist schon ein paar Wochen her, seit er das letzte Mal hier war, doch seitdem hat sich nicht viel verändert. An den Häusern von Hakun, dem Fleischer, Kaus, dem Bauern und Olum, dem Fischer hängen immer noch große Schilder mit Aufschriften wie Super-Sonderverkauf, nur heute und Bis zu 100% Rabatt und mehr auf alles außer Tiernahrung, doch der Andrang der Kunden hält sich trotzdem in Grenzen.

Unterwegs kommt ihnen Asimov, der Golem, entgegen. Paul, der Wolf, rennt hinter ihm her und bellt die Katze Mina an, die es sich wie immer auf Asimovs Kopf gemütlich gemacht hat.

Neben der Kirche steht Magolus, blickt am Kirchturm empor und seufzt.

„Zum Nether nochmal!“, grummelt er. „Warum hilft mir bloß keiner von diesen Faulpelzen dabei, den höchsten Kirchturm der Welt zu bauen?“

„Fluchst du etwa, Magolus?“, fragt Primo.

Der Priester zuckt zusammen. „Fluchen? Was, ich? Aber nein! Das würde ich niemals tun!“

„Aber du hast gerade ‚Zum Nether nochmal‘ gesagt!“

„Das hast du falsch verstanden“, behauptet Magolus. „Ich habe gesagt: ‚Schönes Wetter nochmal‘.“

Primo blickt in den grauen Himmel.

„Aha“, sagt er nur und geht weiter.

Sie kommen an der Glocke in der Mitte des Dorfes vorbei.

„Nanu, es läutet ja gar keiner“, stellt Willert fest.

„Irgendwann wurde es selbst Kaus, Hakun und Olum zu langweilig, den ganzen Tag die Glocke zu läuten“, erklärt Golina.

„Außerdem haben wir vor zwei Wochen einen großen Glockenläutwettbewerb veranstaltet“, erzählt Primo und zwinkert Willert zu. „Als Hauptgewinn gab es einen großen Topf Pilzsuppe, den Golina frisch gekocht hatte. Seitdem ist Ruhe.“

„Ich verstehe immer noch nicht, warum bei dem Wettbewerb keiner mitgemacht hat“, grummelt Golina.

Schließlich erreichen sie die Schmiede, in der Primo, Golina und Nano wohnen.

„Möchtest du vielleicht etwas Pilzsuppe, Willert?“, fragt Golina. „Sie ist noch von dem Glockenläutwettbewerb übrig.“

Willert würde am liebsten ablehnen, aber Primo und Nano sehen ihn so flehend an, dass er das Angebot nicht ausschlagen kann.

Die Suppe schmeckt etwas bitter, so als wäre sie angebrannt, aber wenigstens explodiert sie nicht und hat auch sonst keine unangenehmen Nebenwirkungen.

Nach dem Abendessen sitzen sie noch etwas beisammen und reden über die Abenteuer, die sie gemeinsam erlebt haben.

„Ich werde nie vergessen, wie du mitten in der Nacht an mein Haus geklopft hast, Primo“, erinnert sich Willert daran, wie sie sich kennengelernt haben.

„Ich auch nicht“, stimmt Primo zu. „Wenn du nicht aufgemacht hättest, wären Kolle und ich damals zu Nachtwandlern geworden.“

„Wo ist Kolle eigentlich?“, fragt Willert. „Ich habe ihn noch gar nicht gesehen.“

„Er ist mit Margi und Maffi im Wüstendorf“, erklärt Golina. „Sie besuchen Caro und ein paar andere Leute, die Margi von früher kennt.“

„Vielleicht sollte ich das mit Ruuna auch mal wieder machen“, überlegt Willert laut. „Schließlich stammt sie ja auch aus dem Wüstendorf.“

Als ihm wieder einfällt, dass Ruuna immer noch ganz allein im Wald ist, wird ihm auf einmal schwer ums Herz. Am liebsten würde er sofort aufbrechen und zu ihr gehen. Doch wenn er jetzt wieder klein beigibt, wird sich nie etwas ändern. Also bleibt er bei Primo und seiner Familie.

Sie unterhalten sich noch eine Weile, dann gehen sie alle schlafen. Willert legt sich auf das notdürftige Bett, das Golina aus ein paar Decken und Schaffellen für ihn bereitet hat, doch er kann lange nicht einschlafen. Immer wieder muss er an Ruuna denken, während er in der Ferne das dumpfe, langgezogene Stöhnen der Nachtwandler hört.

2. Wo ist Ruuna?

Als Primo aufwacht, ist Willert bereits aufgestanden und hilft Golina in der Küche beim Brotbacken.

„Guten Morgen!“, sagt er schläfrig, streckt sich und steht auf. „Das riecht hier aber gut!“

Golina wirft ihm einen finsteren Blick zu.

„Wenn du mir öfter in der Küche helfen würdest so wie Willert, dann könnte ich auch häufiger Brot backen und es gäbe nicht immer bloß Pilzsuppe.“

„Na ja, ich bin es gewohnt“, beschwichtigt Willert. „Ruuna sollte man in der Küche besser nicht allein lassen.“

„Au ja!“, ruft Nano, der ebenfalls gerade aufsteht. „Ab jetzt hilft dir Papa ganz bestimmt immer! Dann müssen wir nicht immer diese scheußliche ...“

„Musst du nicht zu Birta in den Unterricht?“, unterbricht Primo seinen Sohn.

„Nein“, verkündet Nano. „Ich weiß nämlich schon alles!“

„Ach ja?“, sagt Primo. „Wie viel ist denn drei mal fünf?“

„Äh, also, das hatten wir noch nicht“, behauptet Nano.

Primo ist froh, dass Nano keine Antwort gegeben hat. Er hätte nicht überprüfen können, ob sie stimmt, denn er ist sich selbst nicht sicher, was das richtige Ergebnis ist.

„Los, Abmarsch in den Unterricht!“, befiehlt er.

„Aber ich habe noch gar nicht gefrühstückt“, jammert Nano.

„Na gut, das Brot dauert noch etwas, aber du kannst einen Teller kalte Pilzsuppe haben“, sagt Golina.

„Oh je, ich glaube, ich komme zu spät zum Unterricht!“, ruft Nano und stürmt aus dem Haus.

Golina sieht ihm stirnrunzelnd nach.

„Schmeckt meine Pilzsuppe wirklich so scheußlich?“, fragt sie.

„Aber nein, ganz und gar nicht“, widerspricht Willert, während Primo gleichzeitig sagt: „Sie ist vielleicht manchmal ein ganz klein wenig angebrannt.“

Golina blickt zwischen Willert und Primo hin und her. Dann lächelt sie Willert an.

„Du bist wirklich ein sehr höflicher Gast und weißt, wie man sich benimmt, ganz im Gegensatz zu gewissen männlichen Bewohnern dieses Hauses. Du kannst gerne bei uns bleiben, solange du möchtest.“

„Tut mir leid, aber ich muss zurück zu Ruuna“, erwidert Willert.

„Willst du nicht wenigstens vorher noch frühstücken? Wie gesagt, das Brot dauert noch, aber die Pilzsuppe ...“

„Nein, danke. Ich glaube, ich habe Ruuna schon viel zu lange alleingelassen.“

Golina macht ein betrübtes Gesicht. Primo ahnt, dass sie ihre schlechte Laune an ihm auslassen wird, sobald ihr Gast aus dem Haus ist.

„Was hältst du davon, wenn ich dich begleite, Willert?“, schlägt er vor. „Ich könnte euch beim Wiederaufbau eurer Hütte helfen.“

„Das ist nicht nötig“, erwidert Willert. „Ich schaffe das schon. Schließlich habe ich einige Übung darin.“

„Aber es würde mir wirklich nichts ausmachen“, meint Primo. „Seit wir aus Utopia zurück sind, ist nichts passiert, was meinen Einsatz als Dorfbeschützer erfordert hätte. Außerdem würde mir der Spaziergang im Wald sicher guttun.“

„Also schön, wie du meinst“, sagt Willert.

„Aber zum Mittagessen bist du wieder zu Hause!“, ermahnt ihn Golina.

„Aber natürlich, Linchen!“, sagt Primo und gibt ihr rasch einen Kuss.

„Du sollst mich nicht Linchen nennen!“, schimpft sie, doch sie scheint nicht ernsthaft böse zu sein.

Draußen kommt ihnen Paul entgegen.

„Komm mit!“, ruft Primo. „Du kannst im Wald Kaninchen jagen, wenn du willst.“

Das lässt sich der Wolf nicht zweimal sagen. Schwanzwedelnd folgt er den beiden.

Sie durchqueren den Fluss und marschieren eine Weile durch den Wald. Als sie die Lichtung erreichen, auf der Willerts Hütte stand, ist dort nur ein großer Krater im Boden zu sehen. Der Kugelwolf sitzt immer noch am Rand der Lichtung.

„Und das nennst du vorsichtig sein?“, krächzt Robinson, der auf Buddas Schulter sitzt. „Wenn wir keine Hütte haben, wo sollen wir denn dann schlafen?“

Paul schnüffelt an dem schwarz-weiß gefleckten Dschungeltier, das sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt.

„Die Tiere sind noch hier“, stellt Primo fest. „Sie kann nicht weit sein.“

„Ruuna?“, ruft Willert. „Ruuna, wo bist du?“

Er erhält keine Antwort.

Gemeinsam suchen sie den Wald rund um die Lichtung ab, finden jedoch keine Spur von Ruuna.

„Such, Paul!“, ruft Primo. „Such Ruuna!“

Der Wolf bellt und rennt schwanzwedelnd los. Immer wieder schnüffelt er am Boden und ändert hin und wieder die Richtung. Primo und Willert hetzen hinter ihm her.

Schließlich bleibt Paul vor einem Loch im Boden stehen und bellt.

Primo kniet sich neben das Loch und ruft: „Ruuna, bist du da drin?“

„Das kannst du dir sparen“, meint Willert. „Das ist bloß ein Fuchsbau.“

Primo wirft Paul einen finsteren Blick zu.

„‚Such Ruuna‘, hatte ich gesagt“, schimpft er. „Nicht ‚such den Fuchs‘!“

Paul sieht ihn fragend an.

„Der Wolf kann nichts dafür“, seufzt Willert. „Das ist alles meine Schuld. Ich hätte Ruuna nicht die ganze Nacht allein lassen dürfen. Was, wenn ihr etwas passiert ist? Sie ist doch so unvorsichtig!“

„Ach was“, versucht Primo ihn zu beruhigen. „Ruuna ist doch schon öfter verschwunden. Sie taucht bestimmt bald wieder auf.“

„Ja, aber was, wenn nicht? Was, wenn ihr diesmal wirklich etwas zugestoßen ist? Ohne sie würde ich mein Leben lang nicht mehr glücklich werden!“

„Wir finden sie schon. Komm, wir suchen einfach weiter.“

Sie marschieren kreuz und quer durch den Wald und rufen immer wieder den Namen der Hexe, doch Ruuna bleibt verschwunden.

Schließlich stehen sie wieder auf der Lichtung.

„Im Wald scheint sie nicht zu sein“, stellt Primo fest. „Hast du eine Idee, wo sie sonst sein könnte?“

Willert schüttelt den Kopf.

„Nein. Das heißt ...“

Er stockt, so als fiele es ihm zu schwer, seinen Gedanken auszusprechen.

„Das heißt was?“, hakt Primo nach.

„Vielleicht ... war ich zu grob zu ihr“, überlegt Willert. „Ich war wütend auf sie, weil sie die Hütte schon zum dritten Mal in die Luft gesprengt hat, seit wir aus Utopia zurück sind. Ich fürchte, ich habe sie angebrüllt. Vielleicht ... hat sie mich jetzt nicht mehr lieb. Vielleicht ist sie zurück in ihre Hütte im Sumpf gegangen, weil sie mich nie wiedersehen will.“

„Das kann ich mir nicht vorstellen“, erwidert Primo. „Ruuna ist manchmal unzuverlässig, vergesslich, tollpatschig, verwirrt, vorlaut, leichtsinnig, chaotisch, unbekümmert, eigensinnig, sorglos, unordentlich und hin und wieder ein bisschen durcheinander. Aber sie ist ganz bestimmt nicht nachtragend.“

Willert nickt. „Du hast recht. Aber wo kann sie nur sein?“

„Vielleicht ist sie in der Schleimhöhle“, spekuliert Primo. „Du weißt schon, die Höhle im Gebirge, wo sie den Riesenschleim gezüchtet hat, den sie damals aus dem Sumpf mitgebracht hat.“

Willert schlägt sich an den Kopf.

„Natürlich! Warum habe ich nicht gleich daran gedacht! Sie war zwar schon länger nicht mehr dort, aber es ist gut möglich, dass sie die Nacht in der Höhle verbracht hat.“

Sie eilen nach Norden, bis sie einen Fluss erreichen, der am Fuß des großen Gebirges verläuft. Nachdem sie ihn durchquert haben, klettern sie eine steile Felswand empor, bis sie die Höhle erreichen, in der Ruuna ihr Schleimexperiment gemacht hat. Doch von der Hexe finden sie auch dort keine Spur.