Das Dorf Band 23: Das Ende der Welt - Karl Olsberg - E-Book

Das Dorf Band 23: Das Ende der Welt E-Book

Karl Olsberg

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Beschreibung

Als Primos Vater Porgo seinem Sohn von der Nacht erzählt, als seine Mutter spurlos verschwand, fasst Primo einen folgenschweren Entschluss: Er will das Rätsel jener Nacht aufklären. Erneut bricht er zu einem gefährlichen Abenteuer auf, das ihn bis ans Ende der Welt führt … "Das Ende der Welt" ist bereits der dreiundzwanzigste Band der erfolgreichen Buchserie in der Welt des Computerspiels Minecraft.

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Karl Olsberg

Das Dorf

Band 23:

Das Ende der Welt

Copyright 2022 Karl Olsberg

Published by Karl Olsberg

c/o Briends GmbH, 22041 Hamburg

www.karlolsberg.de

Minecraft ®/TM & © 2009-2022 Mojang / Notch. Dies ist kein offizielles Lizenzprodukt. Der Autor ist mit Mojang nicht verbunden.

Auch die längste Reise

beginnt mit dem ersten Schritt.

Lao Tse

1. Überraschung

Es klopft an der Tür.

„Machst du mal bitte auf, Primo?“, ruft Golina, die gerade mit dem Abwasch beschäftigt ist.

Primo blickt von dem Blatt Papier auf, das vor ihm liegt. Er ist dabei, sein letztes Abenteuer aufzuschreiben. Seit Anon nicht mehr da ist, gibt es niemanden, der sich dafür interessiert, was er alles schon erlebt hat. Golina will nichts davon hören, weil sie sich immer Sorgen um ihn macht, und die anderen hören sowieso nie wirklich zu. Nur Nano lauscht aufmerksam, wenn Primo von den merkwürdigen Begebenheiten erzählt, die er schon erlebt hat, und von den seltsamen und gefährlichen Orten, an denen er war. Dann hat sein Sohn immer so einen seltsam verträumten Glanz in den Augen und das ist irgendwie schön. Aber meistens stellt er kurz darauf irgendwelchen Unsinn an und Golina gibt Primo die Schuld dafür, weil er Nano angeblich Flausen in den Kopf gesetzt hat.

Also hat Primo beschlossen, die Abenteuer, die er Anon noch nicht erzählt hat, selbst aufzuschreiben. Vielleicht trifft er irgendwann doch jemanden, der sich dafür interessiert und dem er das Buch dann schenken kann. Außerdem hat es einen großen Vorteil, wenn er die Geschehnisse selbst beschreibt: Er kann dann das eine oder andere unwichtige Detail weglassen, das ihn wie einen Dummkopf dastehen lassen könnte, und dafür noch ausführlicher auf die Momente eingehen, wo er Klugheit, Mut, Tapferkeit und Stärke gezeigt hat.

Versonnen blickt Primo auf das Blatt. Bisher hat er nur den Titel seiner Geschichte hingeschrieben: Wie Primo, der tapfere Held und Dorfbeschützer, mit seiner Klugheit, seinem Mut, seiner Geschicklichkeit, seiner Stärke und Ruunas Unverwundbarkeitstrank das Dorf am Rand der Schlucht gegen den bösen Khan und den Enderman Artrax, der ein Huhn ist, verteidigte.

Der Titel ist vielleicht doch ein bisschen lang geraten. Primo überlegt, ob er die Sache mit Ruunas Unverwundbarkeitstrank weglassen sollte – sooo wichtig war der schließlich auch wieder nicht – als es erneut klopft.

Genervt grummelnd legt Golina den Teller, den sie gerade abwäscht, aus der Hand und geht zur Tür.

„Oh!“, ruft sie. „Hallo Mama, hallo Papa. Und hallo Porgo. Was ... was macht ihr denn hier?“

„Überraschung!“, ruft Golinas Mutter Agia und hält einen Kuchen hoch.

„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, meine Tochter!“, sagt ihr Vater Bendo, umarmt Golina und gibt ihr einen Kuss.

„Auch von mir ganz herzliche Glückwünsche!“, sagt Primos Vater.

Primo zuckt zusammen. Golinas Geburtstag? Soll das etwa heute sein?

Es ist schon eine Weile her, seit Priester Magolus in der Kirche verkündete, Notch sei ihm im Traum erschienen und habe ihm gesagt, das Dorf solle den Tag seiner Geburt feiern. Kurz vor dem geplanten Fest ist damals das halbe Dorf abgebrannt, dann wurde es von einem Riesenschleim zerstört und schließlich drehte auch noch Asimov durch und schuf eine Armee von Golems, die die Dorfbewohner unterdrückten.

Doch trotz dieses Chaos hat sich die Idee, den Tag seiner Geburt zu feiern, im Dorf durchgesetzt. Nur, dass nicht mehr alle am selben Tag Geburtstag feiern, damit so etwas wie damals nicht noch einmal passiert. Da jedoch niemand so genau weiß, wann er geboren wurde, legt man einfach irgendeinen Tag fest und teilt diesen all seinen Freunden und Familienmitgliedern mehr oder weniger deutlich mit.

Jetzt fallen Primo ein paar Bemerkungen wieder ein, die Golina in letzter Zeit gemacht hat. Zum Beispiel: „Ich weiß ja nicht genau, wann ich geboren wurde, aber es könnte gut in zehn Tagen gewesen sein, vor einigen Jahren natürlich.“ Oder: „Margi hat mich heute gefragt, wann wir meinen Geburtstag feiern, und ich habe ihr gesagt, in fünf Tagen.“ Oder auch: „Mama und Papa finden auch, der richtige Tag, um meinen Geburtstag zu feiern, wäre übermorgen. Ich will nicht, dass du mir irgendetwas schenkst, Primo, aber falls du es doch tun möchtest, würde ich mich über einen neuen Kochtopf freuen.“

Das waren alles nur vage Andeutungen. Woher hätte Primo wissen sollen, dass Golina ausgerechnet heute ihren Geburtstag feiern will? Andererseits, vielleicht liegt es auch daran, dass er wieder mal nicht richtig zugehört hat. Aber er ist schließlich der Dorfbeschützer und muss sich auf die Gefahren für das Dorf konzentrieren, auch wenn momentan gerade keine erkennbar sind.

„Du wäschst ab?“, fragt Agia. „An deinem Geburtstag? Und wieso sehe ich hier nirgendwo Blumen?“

„Was hat dir Primo denn geschenkt?“, fragt Bendo.

„Geschenkt?“, erwidert Golina. „Na ja, also, ich weiß nicht so genau. Bis jetzt noch nichts, aber vielleicht ...“

In diesem Moment kommt Nano aus der Schule. Er hält ein Blatt Papier in der Hand.

„Guck mal, Mama, ich habe ein Geburtstagsgeschenk für dich“, ruft er fröhlich. „Das habe ich während Birtas Rechenunterricht gemalt. Es soll ein Knallschleicher sein.“

„Wie süß!“, ruft Golina, bedankt sich überschwänglich bei Nano und gibt ihm einen Kuss. Dabei mag sie Knallschleicher eigentlich gar nicht.

„Und du, Papa?“, fragt Nano. „Malst du Mama auch ein Bild zum Geburtstag?“

Alle blicken Primo erwartungsvoll an.

Seltsam, er war schon im Nether und im Ende, hat es mit bösen Endermen, dreiköpfigen Schlangen und sogar einem blinden Wächter aufgenommen. Aber kaum jemals hat er sich so unwohl gefühlt wie in diesem Moment.

„Ich, äh, also ...“, beginnt er und überlegt fieberhaft, was er tun kann, um die peinliche Situation zu beenden.

Sein Blick fällt auf das Blatt Papier vor ihm.

„Ich schenke Mama ein Buch!“, erklärt er. „Es ... es ist noch nicht ganz fertig, aber ... Na ja, es sollte eigentlich eine Überraschung sein.“

Golina kommt zu ihm, ein strahlendes Lächeln im Gesicht. „Du schreibst ein Buch? Extra für mich? Das ist ja süß! Und ich dachte schon, du hättest nicht an meinen Geburtstag gedacht. Was steht denn drin? Ist es eine Liebesgeschichte? Hast du aufgeschrieben, wie wir uns kennengelernt haben?“

„Also, äh, wie gesagt, es ist noch nicht ganz fertig“, stammelt Primo verlegen.

Sein Vater nimmt das Blatt in die Hand und liest es mit gerunzelter Stirn.

„An dem Titel solltest du vielleicht noch mal arbeiten, mein Sohn“, meint er.

„Zeig doch mal!“, ruft Golina und will Porgo das Blatt aus der Hand nehmen, doch Primo schnappt es ihr weg.

„Wie gesagt, es ist noch nicht fertig“, sagt er und steckt es rasch ein.

Golina zieht eine Augenbraue hoch, doch zum Glück ruft Nano in diesem Moment: „Ein Kuchen! Ist der für mich?“

„Natürlich nicht!“, erwidert Primo. „Der ist für Mama. Schließlich ist sie es, die heute Geburtstag hat, und nicht du.“

„Aber ich kriege ein Stück ab, ja?“

„Na klar kriegst du ein Stück ab“, sagt Agia und tätschelt Nano den Kopf.

Alle setzen sich an den Tisch. Golinas Mutter teilt den Kuchen in Stücke und verteilt sie an alle. Dann beginnt sie, zu erzählen.

„Ich werde nie vergessen, wie du geboren wurdest, Golina. Die Sonne stand tief am Himmel. Dein Vater und ich gingen am Flussufer spazieren. Da nahm er mich auf einmal in den Arm und hat mich geküsst. Und, schwupps, warst du da!“

„Schwupps?“, fragt Nano. „Wie, schwupps? Mehr ist nicht passiert? Ihr habt euch nur geküsst?“

„Na klar“, sagt Agia. „Was denkst du denn, wie Kinder auf die Welt kommen?“

„Ich weiß auch nicht“, antwortet Nano. „Ich habe Birta mal danach gefragt, aber sie hat gesagt, das wäre kein Thema für den Schulunterricht und außerdem wäre ich noch viel zu klein dafür. Birta ist echt doof! Jedenfalls finde ich es seltsam, dass Kinder einfach so aus dem Nichts entstehen können.“

„Was soll daran seltsam sein?“, fragt Golina.

Doch Primo findet, Nano hat recht: Irgendwie ist es seltsam. Er weiß noch, wie verwirrt er war, als er Golina küsste und plötzlich ein Kind neben ihm stand. Allerdings ist es auch nicht seltsamer als so viele andere Dinge, über die er sich in Nanos Alter Gedanken gemacht hat. Wie zum Beispiel die Frage, warum Sandblöcke herunterfallen, wenn man den Block unterhalb von ihnen entfernt, Erd- und Steinblöcke aber in der Luft schweben bleiben.

Als Erwachsener lernt man, die Welt so zu akzeptieren, wie sie eben ist, und nicht zu viele Fragen zu stellen. Außerdem ist in der Kugelwelt alles noch viel seltsamer und unlogischer. Umso beruhigender findet er es, wieder hier im Dorf zu sein, wo alles schön gerade und eckig ist und seine Ordnung hat.

„Ich werde nie vergessen, wie glücklich ich war, Mutter zu sein“, fährt Agia fort.

„War?“, fragt Golina. „Bist du etwa nicht mehr glücklich darüber?“

Agia macht ein erschrockenes Gesicht. „Natürlich bin ich es immer noch. Denkst du etwa, ich habe dich nicht mehr lieb?“

Golina grinst. „Ich weiß, dass du mich liebhast, Mama. Sonst hättest du mir doch wohl nicht so einen leckeren Kuchen zum Geburtstag gebacken.“

Die beiden umarmen sich.

„Kann ich noch ein Stück haben?“, fragt Nano.

„Nein“, sagt Golina. „Sonst hast du nachher beim Abendessen keinen Appetit mehr.“

„Na und? Dann esse ich eben heute nichts zu Abend.“

„Aber es gibt doch Pilzsuppe!“

„Eben.“

„Nano!“, schimpft Primo. „Wie kannst du so etwas sagen! Mama hat heute Geburtstag!“

Golina zieht die Augenbrauen hoch.

„Heißt das etwa, wenn ich heute nicht Geburtstag hätte, wäre es in Ordnung, zu sagen, dass meine Pilzsuppe nicht schmeckt?“

„Äh, so hab’ ich das nicht gemeint“, stammelt Primo. „Ich würde auch sonst niemals sagen, dass deine Pilzsuppe etwas fade ist.“

Golinas Gesicht verfinstert sich. „Du findest meine Pilzsuppe fade?“

„Nein, nein, überhaupt nicht“, versichert Primo, der das Gefühl hat, alles, was er jetzt sagt, macht es nur noch schlimmer.

Zum Glück lenkt Golinas Mutter von dem leidigen Thema Pilzsuppe ab.

„Jedenfalls war ich unheimlich stolz, dass ich jetzt auch ein Kind hatte“, sagt sie.

„Auch?“, fragt Nano. „Wer hatte denn noch ein Kind?“

Agia lacht. „Na, dein Großvater Porgo natürlich, und meine beste Freundin Mata.“

„Mata? Wer ist das?“

Auf einmal wird es ganz still. Agia senkt den Blick.

„Entschuldigung, ich hätte das vielleicht nicht erwähnen sollen.“

„Was denn?“, fragt Nano verwirrt.

Primo wirft einen Blick zu seinem Vater.

„Mata ist der Name deiner Großmutter“, erklärt er.

„So ein Quatsch!“, widerspricht Nano. „Meine Großmutter heißt doch Agia!“

„Ich meinte deine andere Großmutter.“

„Ich habe noch eine Großmutter?“

„Sie ... sie ist vor langer Zeit gestorben“, erklärt Porgo.

Obwohl es schon so lange her ist, sieht Primo, dass es seinem Vater immer noch schwerfällt, darüber zu sprechen.

„So ist eben der Kreislauf des Lebens“, fährt Porgo fort. „Wir müssen alle irgendwann mal sterben. Sonst könnten ja keine Kinder auf die Welt kommen.“ Er lächelt traurig. „Ich habe mich damals sehr über die Geburt von Golina gefreut. Ich habe immer gedacht, dass etwas von Matas Geist in ihr ist. Deshalb bin ich sehr froh, dass ihr beide zusammengefunden habt, Primo.“

Primo runzelt die Stirn. „Wer ist denn gestorben, bevor ich auf die Welt kam?“, fragt er.

„Du wurdest geboren, kurz nachdem Lausius verschwunden war“, erklärt Porgo.

„Aber Lausius lebt doch noch!“

„Ja, das stimmt“, gibt Porgo zu. „Ein bisschen seltsam ist das schon. Und als Nano geboren wurde, ist vorher auch niemand im Dorf gestorben. Man könnte fast meinen, dass das, was Magolus uns über den Tod als Voraussetzung für die Geburt neuen Lebens erzählt hat, gar nicht stimmt.“

„Es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, dass Magolus Unsinn redet“, meint Primo.

Porgo senkt den Kopf. „Ja, du hast wahrscheinlich recht. Schade irgendwie. Ich ... ich hab’ mich immer damit getröstet, dass Matas Tod auch etwas Gutes gebracht hat.“

Betretene Stille tritt ein.

„Ich glaube, wir gehen jetzt besser“, sagt Agia. „Tut mir leid, wenn ich dir ausgerechnet an deinem Geburtstag die Stimmung verdorben habe, meine Tochter.“

„Aber nein, Mama, das hast du nicht“, versichert Golina und umarmt sie. „Im Gegenteil, du hast mir mit dem Kuchen und deinem Besuch eine große Freude gemacht.“

2. Eine traurige Geschichte

Nachdem die Gäste gegangen sind, hilft Primo Golina, den Tisch abzuräumen.

„Vermisst du deine Mutter manchmal?“, fragt sie.

„Ich kann mich gar nicht an sie erinnern“, antwortet er. „Ich war ja noch sehr klein, als sie starb.“

Doch als er darüber nachdenkt, kommt plötzlich eine Erinnerung in ihm hoch, die lange irgendwo ganz tief in seinem Gedächtnis vergraben war.

„Ich erinnere mich nur an einen lauten Krach, als irgendwer an die Tür gehämmert hat“, sagt er. „Und ... jemand hat geweint. Ich glaube, das war meine Mutter. Ich habe auch geweint, weil ich Angst hatte. Dann hat mein Vater mich genommen und an einen Ort gebracht, wo viele Leute waren. Mehr weiß ich nicht.“

Golina nimmt Primo in den Arm.

„Das muss schlimm gewesen sein“, sagt sie.

„Ja, das war es.“

Einen Moment lang stehen sie so eng beieinander. Es ist ein schönes Gefühl, dass Golina ihn tröstet. Doch dann fällt ihm ein, dass sein Vater niemanden hat, der ihn trösten kann. Und er scheint immer noch unter den Erinnerungen an jene schreckliche Nacht zu leiden.

Am nächsten Morgen geht Primo zu seinem Vater, der gerade dabei ist, eine Spitzhacke zu schmieden.

„Hallo, Papa. Kann ich mal kurz mit dir sprechen?“

Porgo legt die Spitzhacke und seinen Schmiedehammer aus der Hand.

„Natürlich, mein Sohn. Was ist denn? Hast du Ärger mit Golina bekommen, weil du kein Geburtstagsgeschenk für sie hattest?“

„Was? Nein. Ich wollte mit dir über Mama sprechen. Ich weiß eigentlich so gut wie nichts über sie. Was war sie für eine Person? Was hat sie gerne getan? Konnte sie gut kochen?“

Porgos Gesicht wird traurig.

„Wenn du lieber nicht darüber sprechen möchtest, Papa ...“, beginnt Primo.

Doch Porgo schüttelt den Kopf.

„Ich hätte dir schon längst von deiner Mutter erzählen sollen“, sagt er. „Komm, lass uns ein bisschen am Fluss spazieren gehen.“

Als sie das Flussufer erreichen, treffen sie auf den Fischer Olum, der seine Angel ausgeworfen hat.

„Was wollt ihr denn hier?“, fragt er.

„Wir gehen bloß ein bisschen spazieren“, erklärt Porgo.

Olum runzelt die Stirn. „Spazieren? Muss das ausgerechnet hier am Flussufer sein? Ihr verscheucht mir noch die Fische!“

„Wir können ja wohl spazieren gehen, wo wir wollen!“, erwidert Primo verärgert. „Mein Vater will mir von meiner Mutter erzählen.“

„Von deiner Mutter? Aber die ist doch schon lange tot!“

„Ja, eben. Ich weiß so gut wie nichts über sie.“

„Na toll! Ihr geht nicht nur hier am Fluss spazieren, ihr redet auch noch über Tote! Da bekommen meine Fische doch Angst und dann beißen sie nicht mehr und was soll ich dann auf dem Markt verkaufen?“

„Meinst du nicht, die Fische haben viel eher Angst davor, dass du sie angeln willst?“, fragt Porgo.

„Wie kommst du denn auf so einen Unsinn?“, entgegnet Olum. „Wieso sollten die Fische davor Angst haben? Sie wissen doch, dass ich sie gernhabe! Nur deshalb angele ich sie schließlich.“

Es hat wohl nicht viel Sinn, mit Olum über die Logik des Angelns zu diskutieren. Also marschieren sie einfach weiter.

„Deine Mutter war wunderschön“, erzählt Porgo. „Und sie war unheimlich klug. Sie ist immer zu Nimrod in die Bibliothek gegangen. Sie wusste, wo jedes Buch steht, weil sie sie alle gelesen hat. Deshalb habe ich mich auch in sie verliebt. Ich lernte damals das Schmiedehandwerk und wollte ein Buch darüber ausleihen. Sie hat es mir rausgesucht. Aber nicht nur das, sie wusste auch genau, was darinsteht. Ich habe sie mit zur Schmiede genommen und sie hat mir genau erklärt, was ich tun muss, um eine Rüstung zu schmieden. Aber sie konnte es nicht selbst, weil ihr die Kraft fehlte, um den Schmiedehammer zu schwingen. Sie hat gesagt, sie findet es toll, wie stark ich bin. Da war es um mich geschehen.“

Er lächelt bei der Erinnerung. Doch er wird rasch wieder ernst.

„Wir versprachen uns einander und du wurdest geboren. Ich war der glücklichste Mensch der Welt. Doch dann kam der große Angriff der Nachtwandler. Wir hatten ja damals noch keinen Golem und auch keinen Dorfbeschützer, und so konnten wir uns gegen die Nachtwandlerhorden, die in jener Nacht über das Dorf herfielen, kaum wehren.“

„Was genau ist in dieser Nacht geschehen?“, fragt Primo.

Porgo schweigt einen Moment.

„Es war schlimm“, erzählt er schließlich. „Es fing schon mit dem Fluch an.“

„Was für ein Fluch?“