Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Dieser Text ist ein ganz individueller Bericht über die untergegangene DDR und die Wiedervereinigung, ein Blick zurück ohne Zorn. Es ist der Langzeitreport einer unfreiwillig erlebten Satire, eine Reihung politischer und anderer Schelmenstücke. Die hier abgehandelten Dinge sind nur die Abschriften realsatirischer Ereignisse. Für alle die, denen es nicht vergönnt war, es zu erleben, und die es auch nicht von denen erklärt haben wollen, die es anschließend versemmelt haben. Der eine liest es, um es nicht zu vergessen und dem anderen ist es zu empfehlen, damit er auch einmal erfährt, wie Deutschland auf der eingesperrten Seite wirklich tickte. Es ist der Roman der DDR.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 847
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Dieser Text ist ein ganz individueller Bericht über die untergegangene DDR und die Wiedervereinigung, ein Blick zurück ohne Zorn.
Es ist der Langzeitreport einer unfreiwillig erlebten Satire, eine Reihung politischer und anderer Schelmenstücke. Die hier abgehandelten Dinge sind nur die Abschriften realsatirischer Ereignisse.
Für alle die, denen es nicht vergönnt war, es zu erleben, und die es auch nicht von denen erklärt haben wollen, die es anschließend versemmelt haben.
Der eine liest es, um es nicht zu vergessen und dem anderen ist es zu empfehlen, damit er auch einmal erfährt, wie Deutschland auf der eingesperrten Seite wirklich tickte.
Vorwort
Was alles passieren kann, aber nicht gewesen sein darf
Worum es eigentlich geht
Wie es angefangen hat
Vom Schlachtfest
Von Umgangsformen und Erziehungsprinzipen
Was sonst noch alles passierte ehe das richtige Leben begann
Summe des ersten Kassensturzes
Das Leben auf der Kuhbläke
Die rollende Woche eines Schulkindes
Die unendlichen Weiten des Kirchturmhorizontes
Das andere Leben auf dem Lande
Die Sache mit Berlin, die mit Westberlin
Die höhere oder gehobene Kultur
Mittelschule
Vom heimlichen Wirtschaftswunder
Lehrzeit. Wie das anfing
Der weitere Verlauf der Entwicklung auf dem Lande
Lehrzeit. Wie das weiterging
Berufsschule
Zielorientierung
Wie alles seinen Gang ging und ich Soldat wurde
Die Kommandierung
Vom Gleichgewicht des Schreckens im Sandkasten
Wie das mit dem Studium war
Das Studium als solches
Studentenwohnheim und Sprachausbildung für Ausländer
Kultur und so in Leipzig
Leipziger Messe
Auslandspraktikum
Wie Wirtschaft funktioniert und was überhaupt wichtig ist
Lohn und Leistung
Die Sache mit dem Kombinat
Als der Sozialismus so richtig zuschlug
Was eine Kleinstadt charakterisiert
Vom Normalbürger
Noch einmal Kunst
Auto mobil
Noch einmal Landwirtschaft und so
Der Tag danach
Wenn die Säge klemmt, oder noch mehr, was es nicht geben durfte
Wie man in einen Super-GAU hineinschliddert und es nicht merkt
Abriss über Parteien und so
Bücher, und was darin geschrieben steht
Wie das mit der Presse versucht wird
Vom Widerstand und so
Neunter Oktober 1989 (Vorgeplänkel)
Neunter Oktober 1989 (Im Auge des Zyklons)
Neunter Oktober 1989 (Bilanz)
Danach - Die Schussfahrt ins Glück
Die Sache mit dem Zusammengehörigkeitsgefühl, der Wiedervereinigung und der Brieftasche
Allerletzter Orientierungsversuch
Das Ihnen Vorliegende ist ein nachgelassener, autobiografisch geprägter Text über das vierzig Jahre umfassende historische Zeitfenster, dem eine Landfläche von ca. 100.000 Quadratkilometern Land ausgesetzt war, welches unter den Namen der SBZ (sowjetisch besetzten Zone) Deutschlands, oder „Der Osten“, Mitteldeutschland, der eigenen Bezeichnung DDR (Deutsche Demokratische Republik) existierte. Nachdem infolge der sogenannten Vertreibung ab 1945 ca. 12 Millionen Schlesier, Pommern und Ostpreußen da erst hinein und auch darüber hinweg geflohen waren, sich auch eine größere Anzahl ihrer ursprünglichen Bewohner den nach Westen Weiterfliehenden angeschlossen hatten, wurde das für 17 Millionen Deutsche erst wahlweise und, nachdem man dieses Gebiet förmlich eingemauert hatte, dann zwangsweise zum Wohngebiet. Die dort wohnenden nannte man, als sie sich von diesem Zeitfenster frei gemacht hatten: „Ossis“.
Das Vorliegende ist eine reine Rückschau aus der Nachwendezeit und „aus dem Bauch heraus“ geschrieben. Der Autor kam als Kleinkind in den ganzen Trubel hinein und als Erwachsener und Familienvater wieder heraus. Das Bezugsumfeld ändert sich deshalb auch entsprechend dem Alter und die Erzählstruktur wechselt von der Reihung turbulenter Kindheitserinnerungen beim Hineinwachsen in die Erwachsenenwelt in betrachtende Wertungen zu Einzelthemen hinein.
Es ist ein von einer gewissen Atemlosigkeit geprägtes Zeitzeugnis, von einem erstellt, der wusste, dass ihm nur noch wenig Zeit bliebe, das alles zu übermitteln, was aus seiner Sicht nicht in der Vergessenheit der Alltagsgeschäftigkeit untergehen sollte. Oft stellt er die Geschehnisse an der Basis in den Kontext der jeweiligen internationalen Lage im „Kalten Krieg“, was meist die Würde der ganz oben gefassten göttlichen Beschlüsse beschädigt.
Es sind Geschichten aus der Sicht des gelernten DDR-Bürgers. Man erfährt, welche irrigen Entwicklungen es gab und wie ein voll durchorganisierter und zu verbürokratisierender Staat sich zum Überwachungsstaat entwickelt, der dann vom Verfolgungswahn beherrscht, sich seine Feinde und ideologischen Schlachtfelder selbst zu schaffen beginnt. Ironisch wird die Diskrepanz aufs Korn genommen, was ideologisch angepeilt war und was tatsächlich geschah. Von welcher Allmacht die Oberen träumten, ist die Rede, und wie ohnmächtig das ganz unten ankommen konnte, und auch davon, welche Träume sich Ossi und Wessi gegenseitig unterstellten.
Nachdem nun eine große Menge Literatur über den Widerstand gegen die kommunistische Diktatur in der DDR und die Unmenschlichkeit der damaligen Lebensbedingungen erschienen ist, sollte auch einmal gefragt werden: In wie weit konnte dieser angeblich Tag und Nacht die Peitsche schwingende Staat überhaupt mit seinen Prinzipien bis zu seinen Bürgern vordringen und wie fing er das an. Was gab es z.B. Altüberkommenes und neu Veranlasstes, was er nicht in den Griff bekam und wie äußerte sich das.
Das kann auch nach eigenem Erleben nicht diese blutigterroristische Stasidiktatur gewesen sein, gegen die man schon früh morgens zum Widerstand auf Leben und Tod antrat und das die ganzen Jahre. Stattdessen war das am Ende ein kinderreiches Staatsgebilde, weil sozial für jeden abgesichert, der sich nicht den Prinzipien der ihm aufgedrückten Ordnung offen zu widersetzen versuchte.
Die Wende war nur möglich, weil Gorbatschow die international ideologisch gegen ihn angetretene Regierung der DDR fallen ließ. Die unbotmäßige, in ihrer sozialen Sicherheit oft verwöhnte, ihren Staat verachtende Bevölkerung witterte daraufhin Morgenluft. Im Glauben an die von den Medien der Altbundesländer im „Sommerloch 1989“ wieder aufgegriffene und weiterverfochtene, im Westen schon längst nicht mehr ernst genommene Wiedervereinigungstheorie, kam alles ins Laufen.
Die Losung: „Wir bleiben hier!“ könnte genau so gut von der Staatssicherheit der DDR in Umlauf gebracht worden sein, als Gegenargument zum: „Wir wollen raus!“ der Ausreiseantragsteller. Sie entwickelte dann eine Eigenmobilität, die ihr anfangs niemand zugebilligt hätte. Nicht außer acht gelassen werden darf die Passivität der zwischen Regierung und Bevölkerung geschalteten Funktionsebenen. Dort saßen eine Menge gut ausgebildeter Leute, die sich schon viel zu lange eine Karriere nach weiter oben versprochen hatten, die nur widerwillig die Befehle der Altmännerriege des Politbüros um Honecker durchsetzten und sich im untergeordneten Dienst nicht weiter verschleißen wollten.
Nun war das Geschehen an den Brennpunkten der Geschichte, welche von den Großstädten repräsentiert werden, selten mit dem aus dem Umfeld identisch, in dem sich der Autor bewegte. In der Provinz scherte den Normalbürger die große Politik nicht, solange er sein Brot mit seiner Arbeit verdiente und auch er nebenbei noch etwas dazu zu verdienen konnte. Ich selbst habe ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass sich der Normalbürger sehr gut mit seinem Staat eingerichtet hatte, wenn der ihn in Ruhe ließ und ihn nicht zu überfordern versuchte. Der Alltag war ihm wichtiger und da gab es ständig etwas zu organisieren und zu schachern. Staatsgebilde dieser Begrenztheit, wie die DDR, in selbstverordneter Abgeschlossenheit können der Versuchung zur Spießigkeit ebenfalls nicht widerstehen, und schließlich wurde ihr das auch zum Verhängnis. Sicher ist jedenfalls, dass kaum jemand bis zum Oktober 1989 eine „Wende“ für möglich hielt, weder im Osten, noch im Westen.
Ohne diese Tatsache könnte das Dargestellte leicht als Bericht eines Mitläufers abqualifiziert werden. Aus diesem Gesichtswinkel kann man jeden, der in irgendeinem Staat unter irgendeiner Herrschaftsform lebt als deren Mitläufer bezeichnen. Auch ich gestehe, Mitläufer dieses Staates gewesen zu sein wie 17 Millionen andere auch: Widerborstig, aufsässig, unwillig, zynisch, aber alles mitnehmend, was mir an Brocken zufiel und was ich ergattern konnte.
Trotz eines aufgeblähten Überwachungssystems erwies sich das ganze Konstrukt zu oft als zahnlos, so dass niemand Respekt oder wenigstens Achtung vor diesem Staat und seinen Organen hatte. Da er weder große Verbrechen noch große Verbrecher hervorgebracht hat, keine Kriege führte und dazu noch die ganzen Jahre seines Bestehens dem großen Vorbild BRD hinterher hechelte, wurde er in seiner Mittelmäßigkeit am Ende sogar von der eigenen Bevölkerung verachtet. Selbst die Leute, welche schon zu DDR-Zeiten als IM der Staatssicherheit bekannt waren, hatten sich damals mit der allgemeinen Verachtung auseinanderzusetzen, die ihnen in ihrem Wohnumfeld entgegenschlug.
Das hier ist weder eine Chronik, noch eine Reportage, auch kein Sachbuch. Sie werden auch keine ernsthaften Belehrungen finden. Die Wertungen sind ironisch zu sehen. Es sollte eine lebendige Sicht auf etwas entstehen, wovon selbst die zur Jahrtausendwende Zwanzigjährigen nichts mehr wussten, und dessen manchmal hirnrissigen Fehlinterpretationen von den Journalisten fleißig weitergeplappert und ausgeschmückt werden. Dieses derzeitige sich gegenseitig bestätigende „Schwätzen im Chor“ ist auch mir aus DDR-Zeiten noch sehr geläufig, aber auch die zehnte Wiederholung einer irrigen Behauptung kann nachträglich am damaligen tatsächlichen Geschehen nichts ändern. Es ist zwar alles autobiografisch miteinander verbunden, aber im Grunde genommen werden Sie feststellen, dass dies ein „Roman der DDR“ ist.
Mir ist durchaus bewusst, dass eine biografisch unterlegte erzählende Zeitgeschichte frühestens fünfzig Jahre nach den im Schlusskapitel dargestellten Geschehnissen herausgegeben werden kann, weil doch jeder, der diese Zeit bewusst miterlebte, seine eigene zwangsläufig davon abweichende Version als heilig ansieht und natürlich dagegen stellt. Es ist jedenfalls kein aus der Luft gegriffenes Konstrukt, wenn auch stellenweise sehr polemisch.
Von der legalen Ausreise aus der DDR und ihren Hürden, vom finanziell erzeugten Loch im „Eisernen Vorhang“ und einem untauglichen Versuch, das Staat und Partei gegenüber nachträglich als ideologiekonform zu rechtfertigen
Die DDR hatte es als Staat an sich nicht leicht. Sie kam wie Emmanuel Kant schon ganz allgemein und universell bestimmte, nicht zur Erkenntnis ihrer selbst, weil sie zugleich Subjekt war. Sie enthielt eine innere Zerrissenheit, die schlimmer wurde, je länger sie bestand. Man quatschte vom weltumspannenden proletarischen Internationalismus und sperrte gleichzeitig die ganze Bevölkerung auf dem Staatsgebiet ein. Man kam nur ungesetzlich mit List oder Flucht ins westliche Ausland. Dieses Ziel war wohl das einzige, was der DDR-Bürger bis zum Schluss verfolgte und sein Staat ihm unbedingt verwehren wollte.
Die verbündeten sozialistischen Staaten zogen mit an diesem Strang, denn wenn ein DDR-Bürger über deren Westgrenze fliehen wollte, war das für sie ein lukratives Geschäft, denn es gab auf die Ergreifung dieser Flüchtlinge Kopfprämien, die sie sich nicht entgehen ließen. Tschechen, Ungarn und Bulgaren standen da eisern für uns auf Wacht. Die legalisierte Form der Republikflucht bestand in der Einreichung eines sogenannten „Ausreiseantrages“. Wie der bearbeitet wurde hing von den verschiedensten Dingen, Umständen, Gründen und auch von der antragstellenden Person und ihrer Funktion in der DDR ab.
Von der sofortigen Ausbürgerung über verschiedene Stufen der Schikaniererei, staatlicher Ausplünderung, ewig langen Wartezeiten, Degradierungen, Entlassung von der Arbeitsstelle, persönlichem Terror aus dem Umfeld, Dauerüberwachung und Verhaftung mit langjähriger Haftstrafe gab es kaum etwas, wozu der Staat nicht griff, um diese „Ausreise“ dem Antragsteller zu versalzen. Die Vielfalt der Repressalien ist erst nach der Wende so richtig bekannt geworden. Dazu waren die damit befassten Stellen jedoch nicht verpflichtet. Es spielte viel persönliche Gehässigkeit von beiden Seiten eine Rolle. Die Offiziellen saßen aber am einzig wirksamen Hebel und mancher hatte auch Allmachtsfantasien. Das ist das, was Diktatur so verhasst macht.
Wer den Antrag stellte, verriet automatisch die DDR und wurde zum Feind des „real existierenden Sozialismus“. Der konnte nur unter entwürdigender Form und mit einem öffentlichen Tritt in den Hintern fortgejagt werden.
*
Dann passierte aber einmal folgendes:
Es rumorte bei uns schon eine Weile und ein Gerücht machte die Runde, was erst wahrgenommen wurde, als sich etwas abzeichnete, was auf die „Einleitung von Maßnahmen“ schließen ließ. In einem kleinen Industriebetrieb in der Provinz und dazu noch in einer Kleinstadt kann nichts verborgen bleiben. Das Gerücht lautete: Der Dieter zieht um. Na, dann zieht er eben um, was ist denn da Besonderes dran. Die Leute ziehen massenhaft um dann eben auch der Dieter. Dann wurde das Gerücht deutlicher: Der Dieter zieht um nach Darmstadt. Da hat sich einer verhört. Der zieht vielleicht in ein Nest, was so ähnlich heißt. Darmstadt liegt doch „Drüben“. Genau, „Drüben“ das ist der „Westen“.
Jetzt wird es interessant und jeder will wissen warum und als Naheliegendstes, ob er da Verwandtschaft hat. Hat er nicht. Familienzusammenführung entfällt also. Warum ihn fragen, es geht nur ihn etwas an. Es ist ja auch nur ein Gerücht. Seine Arbeit macht er gut und sonst soll sich doch darum kümmern, wer Interesse daran hat. Der Parteisekretär zum Beispiel, was sagt der dazu? Der Dieter, ein so junger Genosse, gerade erst in die Betriebsparteigruppe der SED aufgenommen, der stellt doch keinen Ausreiseantrag.
Vertrauliche Informationseinholung beim Parteisekretär. Hat er? – Nein, er hat nicht. Schön und gut, aber warum guckt der so gehetzt in der Gegend herum und warum flattern ihm so die Augen? Das macht ein Parteisekretär doch nicht. Scheiß Gerüchteküche. Es wurde einfach keine Ruhe und es gab auch Gelächter.
Die Parteileitung sitzt. Sie holen noch ein paar dazu, es wird zur erweiterten Parteileitungssitzung, dann zur Parteigruppenvollversammlung und dann wird noch ein Instrukteur der SED-Kreisleitung beratend hinzugezogen. Die Partei scheint in der Klemme zu sitzen.
Die Fama weiß zu berichten, dass der Umzug des Dieter von einer Spedition von „Drüben“ gemacht wird. Der Dieter hat sich zum Ausfüllen der Formulare jemand zu Hilfe genommen. Jeder weiß, dass der Dieter einen Webfehler hat, zwar fleißig, aber im Kopf nicht ganz so helle ist.
Langsam wurden auch einige Parteigruppenmitglieder undicht. Die hielten sonst wie die Mafia zusammen und wenn man dringlich ins Parteilehrjahr einbrechen musste, um noch eine Unterschrift vom Chef vor Postschluss zu bekommen, schwiegen sie eisern, solange man im Raum war. Dabei kriegten sie da nur die Zeitung noch einmal erklärt.
Der Dieter hatte sich dagegen gewehrt, aus der SED ausgeschlossen zu werden und sein „Dokument“ abzugeben. Er hing an seiner Partei und an seinem Parteibuch. Es stimmte demnach, dass er „ausreiste“, nicht „ausriss“, nein, „ausreiste“. In den „Westen“. Wieso dann dieser Tanz. Da stimmte irgendetwas nicht.
Dass er in Darmstadt, oder Darmsdorf, Dammerstedt oder so, nicht so ohne weiteres als Mitglied der SED auftreten konnte, war schon klar. Dass es da Schwierigkeiten bei der monatlichen Mitgliedsbeitragszahlung geben würde, stand wohl außer Zweifel und die Beitragsmarken per Post zu schicken kam auch nicht in die Tüte. Wie war das überhaupt, musste da nicht ein Devisenkonto eröffnet werden? Vereinnahmte die Partei dann den Mitgliedsbeitrag des Dieter aus dem Westen als „Forum-Schecks“ und durfte dann im „Intershop“ einkaufen? Der Dieter hatte angeblich zur Klärung einen Antrag zur Genehmigung seines freiwilligen Austrittes aus der SED gestellt. Das ging nun überhaupt nicht.
Es gab den reinen Rausschmiss, wenn man kriminell war. In der SED kann ein Krimineller nie Genosse sein. Selbst bei Anklageerhebung vor Gericht erlosch die Mitgliedschaft automatisch. Das war uns bekannt.
Feinheiten gab es da, Junge, Junge. Schon das mit der zeitweise ruhenden Parteizugehörigkeit war kompliziert. Ausgefressen schien er nichts zu haben, der Dieter. Dazu hätte es geistig nicht gereicht.
Ihn dann zu feuern wäre kein Problem gewesen. Antrag auf Austritt gab es nicht. Da hätte jeder kommen können. Da war die Angst, dass jeder gekommen wäre. Es war eine verdammt verfahrene Kiste und nicht zu klären, warum so schwierig. Die Zeit verging und der Möbelwagen kam und der Dieter reiste aus. Ende.
Das war das Ende, aber wir wollten den Schluss gern erfahren. Es liefen genügend Verfemte herum, die schon lange vorher ihren Ausreiseantrag gestellt hatten und noch immer hier waren, und der war fort und alles war reibungslos gelaufen. Dann sickerte doch noch etwas durch: Die DDR verkaufte ihre Bürger meistbietend für Devisen.
Es war nämlich, wie durchsickerte, einmal Westbesuch beim Dieter gewesen. Man hatte sich im Urlaub kennengelernt und konnte nicht mehr voneinander lassen. Die von „Drüben“ hatten über einen entsprechenden Verband den Abverkauf organisieren lassen. Sie hatten „gesammelt“. Als dann so bei und um die 30.000 D-Mark oder so gezahlt und das Geschäft abgeschlossen war, sickerte das zusätzliche Gerücht durch, dass da ein westdeutscher Schwulenverein sich ein Parteimitglied der SED aus der DDR heraus gekauft haben sollte. Da war aber alles schon zu spät gewesen.
Augen zu und durch, mögen sich die Verantwortlichen gesagt haben, aber lasst es bloß keinen erfahren. Als es nun doch herauskam, kochte natürlich die Gerüchteküche erneut. Frauen müssen alles ganz genau wissen. Die Frage tauchte auf, ob sie „Drüben“ auch so etwas wie das Hamburger „Eros-Center“ hatten, aber für die vom anderen Ufer. Das konnte ja der reinste Menschenhandel sein. Der arme Dieter!
Wie ist das eigentlich. In der Zeitung steht jeden Tag eine kleine Notiz unter der Überschrift „Menschenhändler verurteilt“. Wie unterscheidet sich denn das genau. Da stand etwas von „Schleuserbanden“. Aha, die machten das illegal, ungesetzlich. Und der Unterschied? Die Schleuserbanden bezahlen nichts an den Staat. Die Volkswirtschaft hat nichts davon, und der Finanzminister auch nicht. Das war nun endlich geklärt.
Wie ist das aber, wenn Geld gezahlt wird. Geld gegen Ware. Da war der Dieter also Ware. Wenn der Mensch zur Ware erniedrigt wird, dann ist das doch Sklaverei. Jemand hatte den Dieter gekauft, also jemand kauft einen Menschen. Dann gehört doch die Ware dem Käufer. Waren wir tatsächlich Besitztum des Staates? Waren die Staatsbürger am Ende auch Volkseigentum? Dann hätte er doch jeden verkaufen können, auch gegen seinen Willen. Waren wir alle Sklaven?
Man schaute ins Gesetzblatt. Gott sei Dank, die DDR hatte erst neulich die Sklaverei abgeschafft. Sie hatte irgendeine internationale Konvention gegen die Sklaverei ratifiziert. Wir hatten den Gegenbeweis schwarz auf weiß. Die Frauen beruhigten sich.
Vielleicht hatten die im Westen aber der Sklaverei noch nicht abgeschworen. Dann leistete die DDR den Sklavenhaltern im Westen Dienste. Die Sache mit dem doppelt freien Lohnarbeiter im Kapitalismus kam auf den Tisch. Davon hatten uns die Lehrer in der Schule allen gepredigt. Von Lohnsklaverei und dem Zwang zum Verkauf der Arbeitskraft hatten wir also schon gehört oder zumindest bei Marx gelesen. Den Kapitalisten ist alles zuzutrauen.
Wer hier allerdings vom Kauf von Arbeitsleistung zu spinnen versuchte, der war bestimmt auf dem Holzweg. Hilfsarbeiter gab es da, wo der Dieter hin gekauft war bestimmt schon genug.
Wie kam man überhaupt auf einen Preis für einen Menschen? Ist das vielleicht so wie bei Grund und Boden? Der Pfarrer sagt doch auch bei der Beerdigung: „Asche zu Asche, Staub zu Staub ...“ Erde zu Erde. Land ganz allgemein hat keinen bestimmten Wert. Es ist nicht hergestellt, es steckt keine Arbeitsleistung drin und somit auch keine „abstrakte Arbeit“. Land hat aber einen Preis. Man muss damit haushalten, weil seine Menge nicht unendlich ist und es auch nicht vermehrt werden kann. So ließ sich das aus der höheren Ökonomie erklären.
Der Dieter war in dem Falle wie Grund und Boden zu betrachten. Er hatte keinen Warenwert, aber trotzdem einen Preis. Verkauft war er jedenfalls, da biss die Maus keinen Faden ab. So entging die Partei dem Vorwurf, ihre unkündbaren Mitglieder in die Sklaverei zu verkaufen. Sie „haushaltete“ sozusagen nur mit ihren Ressourcen.
Letztes Aufbäumen ideologischer Unklarheiten: Ein Mensch kann schon deshalb nicht mit Grund und Boden gleichgestellt werden, weil sich Menschen doch vermehren. Grund und Boden tut das nicht.
Der Dieter war doch schwul. – Ach so, der vermehrt sich also nicht, dann könnte man das gelten lassen. Da haben die aber Schwein gehabt, die ihn verkauft haben.
Allerletzte Unklarheit: Grund und Boden kann man zwar verkaufen, aber er bleibt an Ort und Stelle. Der Dieter war aber verkauft und war fort. Es war nicht vermittelbar...
„Ein Mensch, - wie stolz das klingt!“ (Maxim Gorki), oder: ...ob’s edler im Gemüt, die Pfeil‘ und Schleuder des wütenden Geschicks erdulden... (Shakespeare möge mir verzeihen.)? - War hier die Frage: Geld, oder Parteimitglied?, - Natürlich Geld! – Diese Frage stand nie...
Eins blieb jedoch geheim. War er nun vorher noch aus der Partei hinaus bugsiert worden oder nicht, und wenn, dann wie ... Fragen zu beantworten, die mit Ideologie verknüpft sind ist nicht so einfach. Es steckte schon Sinn hinter der internen Richtlinie der SED, keine Fragen zu diskutieren, solange die Partei noch keine Antwort geben kann ...
Soweit ein Beispiel zur Denkweise des gelernten DDR-Bürgers. Wundern Sie sich also über nichts, wenn Sie weiterlesen. Man wusste durchaus Bescheid, stellte sich aber öffentlich dumm.
Das war die ganze Strategie des DDR-Bürgers, oft gemischt mit etwas Angst und einer großen Portion Verachtung, und sie erwies sich als erfolgreich.
*
Das zur Einstimmung. Es war nur ein Schlag aus der provinziellen Suppenküche, aus der Mitte der Achtziger Jahre, als die allgemeine Stagnation in Wirtschaft und Gesellschaft der DDR schon zum Allgemeingut geworden war und die hoch gepriesene Ideologie schon lange nicht mehr Schritt halten konnte, mit den praktischen Entwicklungen. Sogar die staatstragende Partei mag sich von ihrer Ideologie beengt gefühlt haben.
Wie verlief aber die Entwicklung dieses Landes, welches bei Kriegsende auch nicht anders aussah als der Rest Deutschlands, dass es am Ende zu derartigen Auswüchsen kommen konnte.
Worauf der Mensch keinen Einfluss hat, wie wirkungslos eine durchgeplante Epoche ablaufen kann, von der Ahnungslosigkeit der Tiere, der Ignoranz der Natur im Allgemeinen, von ungeahnten wirtschaftlichen Zusammenhängen und worüber sie in diesem Buch nichts finden werden
Jeder Mensch hat zwei wichtige Kalendertermine. Den einen kennt er, das ist sein Geburtstag. Den anderen kennt er nicht. Was dazwischen liegt, heißt „Das Leben“, und keiner, der hineingekommen ist, weiß, was mit ihm vorher war und die wieder hinausgegangen sind, von denen hat keiner sich wieder gemeldet. Jeder versucht, wenn er kann, sein Leben so zu gestalten, dass er es auch aushalten kann. Viele wollen es so lang in der Zeit strecken, wie nur möglich. Dabei kommt es doch auf die Länge des Lebens eigentlich gar nicht an. Wenigstens einigermaßen abwechslungsreich und erträglich sollte es gewesen sein. Hinterher weiß man es sowieso nicht mehr.
Mein Großvater sagte immer: Nirgends geht es so verrückt zu wie auf der Welt. Das habe ich erst nicht begriffen und als ich es begriff, wollte ich es nicht wahrhaben. Jetzt, da ich schon mehr Kalender verbraucht habe, als ich noch verbrauchen könnte, finde ich, dass es sich nicht lohnt, in einer Welt zu leben, in der es nicht wenigstens ein bisschen drunter und drüber geht. Eine Prise Unsinn oder höherer Blödsinn muss überall drin sein, sonst ist das Leben zu fade.
Als Kind verstand ich nicht, was um mich herum passierte und nahm die eigene Hilflosigkeit in dieser grausamen Zeit der unzumutbaren Zumutungen nicht als wirklich in mich auf. Heranwachsend begann ich zu begreifen, was mit mir gespielt wurde und das Ergebnis aller Erziehung bestand in dem Erlernen von Strategien, wie dem Ziel dieser Erziehung zu entrinnen sei. Darauf folgte die Phase in der die Vorbereitung auf ein künftiges selbstbestimmtes eigenes Leben wichtiger wurde, als alle gutgemeinten Hinweise, es doch ganz anders machen zu sollen. Es schlossen sich die Zeiten an, in denen es wichtig war als Rädchen mit anderen verzahnt im Mechanismus der Wirtschaft und auch sozial etwas Nützliches zu sein, eine Familie zu gründen und sich selbständig einzurichten, sich für sich selbst verantwortlich zu fühlen. So zielgerichtet auf den ausgetretenen Pfaden herkömmlicher Tradition herangehend fand ich mich dann plötzlich an einer Stelle wieder, wo es galt bei Strafe des Scheiterns zu einem treibenden Rädchen in einem Getriebe zu werden, welches mir vorgegeben wurde.
Dabei kam ich je nach Alter nacheinander in die verschiedensten Lebenssituationen und jede neue Situation erforderte einen neuen Blickwinkel auf die Welt, weil sich doch die individuellen Vorstellungen davon laufend weiterentwickeln und in jedem Lebensabschnitt eine ganz eigene Sicht auf die Welt erzeugen. Dummerweise entwickelt sich das Umfeld gleichfalls und in jeder Situation schaut ein anderer Mensch mit anderen Vorstellungen in ein anderes Lebensumfeld.
Als ich alt genug war, ging ich dann plötzlich kaputt, aber zum Glück nur halb und sozusagen „auf Raten“. Ich hatte das Leben zu ernst genommen. Ich fiel zum Glück ins soziale Netz.
Auf der Welt ist alles einmalig und unwiderruflich. Sobald es geschehen ist, konserviert es die Zeit. Es gehört zur Vergangenheit und an der kann nichts mehr geändert werden. Das weiß jeder. Das glaubt aber keiner. Der Berufsstand der Geschichtsschreiber beweist es, denn laufend schreiben sie nachträglich das um, was nicht mehr zu ändern ist.
Im Privatbereich läuft das meist auch nicht viel anders. Da trägt eins den ganzen Jammer dieser Welt in sich herum und ficht alle Kämpfe seines Lebens noch einmal, zehnmal oder noch öfter und immer wieder aufs Neue durch, trägt seine persönliche Hölle im Kopf durch die Zeit, blind für die Welt. Diese Leute laufen im Hamsterrad und fühlen sich um ihr Leben betrogen. Selten findet man jemand, der das Leben nimmt, wie es kommt, ohne sich viel Gedanken darüber zu machen, was er eventuell verpasst haben könnte. Das kann man lernen und wohl dem, der dazu veranlagt ist. Bei diesem Typ kann es dann passieren, dass die Schönheit der Erinnerung die tatsächliche Vergangenheit zu überwältigen droht und dann macht sich Nostalgie breit. Auch davor ist keiner gefeit.
Den richtigen Mittelweg zu finden, alles so zu bewahren, wie man es erlebt hat, Schlussfolgerungen zu ziehen, sich ein klares Bild schaffen, Geschehnisse objektiv zu sehen, unveränderliche Tatsachen als solche stehen zu lassen, das liegt auch nicht jedem. Alles verstehen zu wollen und auch noch zu begreifen, eventuell auch noch alles verzeihen und ... womöglich sein Leben nach der Bergpredigt auszurichten; wer es versucht, der wird zum unglücklichsten Mensch auf dieser Welt. Dann lieber Narr sein.
*
Mir widerfuhr, dass ich auf einem Fleck dieser Welt lebte, der zu den Scherben eines zusammenbrechenden Reiches gehörte, dann als Beute etwas in der Luft hing, von einem Vierzig Jahre dauernden Zeitfenster mit sehr starkem Rahmen unter dem Namen Sozialismus überstrichen wurde und nun schon längere Zeit im Magen einer Demokratie verdaut wird, der es davon seit Jahren dauernd sauer aufstößt.
Das Wetter zog darüber hinweg und es regnete, hagelte, schneite, war ungewiss trübe, mal kalt und mal warm und die Sonne schien und auch mal nicht, und der Wind wehte und auch das nicht immer. Auch die Politik zog wie das Wetter über das Land, aber sie blieb bei weitem hinter dem zurück, was die Natur in ihrem jährlichen Kreislauf hervorbrachte und sichtbar werden ließ.
Ansonsten, rein naturwissenschaftlich und biologisch tat sich nichts weiter. Die Bäume wurden im Frühjahr grün und ließen im Herbst die Blätter fallen. Es gab fruchtbare Jahre und solche mit schlechten Ernten. Es gab Grenzen und auch mal keine, überschreitbare und unüberschreitbare und die Vögel bekamen es nicht mit, so wie sie auch jetzt über Grenzen lachen würden, wären sie blöd genug, Menschen verstehen zu wollen. Der Hund betrachtete den Menschen als seinen besten Freund und unterwarf sich ihm bedingungslos. Die Katze bewahrte weiterhin ihre Unabhängigkeit, sah darauf, dass man sie als nützlich ansah und ließ sich ansonsten bedienen.
Die Pferde erwischte es wie immer eiskalt, denn es ist schließlich egal, ob sie sich im Kampf der Menschen miteinander oder bei den Aufnahmen zu einem Indianerfilm das Genick oder die Beine brechen. Selbst bei Beinbruch lauert der Gnadenschuss. Den Kühen nahm man die Milch, aber es war ihnen egal, ob ein Kaiser, Diktator oder die Demokratie herrschte. Die Schweine grübelten über den Sinn ihres Lebens, aber man hielt ihn vor ihnen immer bis zu dem Punkt geheim, bis es für sie zu spät war sich zu wehren, und die Hühner rissen sich beim Eierlegen den Hintern auf ... Lassen wir das mit der Aufzählung. Das passierte überall auf der Welt und auch da, wo ich lebte.
Es wurden zwar Häuser gebaut und auch welche abgerissen, als man es aber am Ende besah, wohnten dort immer noch Menschen, die man nicht von anderen aus den Umwohnenden der angrenzenden Staaten hätte unterscheiden können und auch die bewohnte Landfläche hatte nicht bemerkt, dass sie eingeteilt, abgegrenzt und vor allem von Politik verwaltet worden war.
Es waren vierzig Jahre vorbei und als alles wieder in einem Topf geworfen war, behaupteten die Menschen voneinander, dass der Andere ganz anders sein müsste, man habe sich „auseinanderentwickelt“. Das ist das Blöde am Menschen, er muss sich immer abgrenzen. Wie das so ist, je geringer die Unterschiede, umso zäher der Gegensatz, damit ihn jeder auch merkt. Beim Menschen ist das so. Man kann es ihm einreden, Tieren nicht. So flickt zum Beispiel der Schneider dem Schneider am Zeug, aber schon der Schuster dem Schneider nicht mehr.
Nachdem nun in Deutschland schon wieder die nächste Generation herangewachsen ist und der ewige Streit, dass früher alles besser war, immer noch von zwei Seiten und auch schon zwischen den Generationen der gleichen Seite gegeneinander geführt wird, habe ich mich daran gemacht einmal aufzuschreiben, was denn wirklich in dieser finsteren Zeit, in der man im Westen sicher war, dass hinter der Zonengrenze schon Sibirien begänne, tatsächlich so furchtbares passiert ist und wie ich es erlebte. Vielleicht findet man doch Gemeinsamkeiten oder zumindest Gleichklänge.
Vieles was heute an Vorkommnissen und Geschehen, vor allem im wirtschaftlichen Bereich und vom politischen Tagesgeschehen, in der Zeitung steht ist mir von der Herangehensweise und Methodik schon von früher her so vertraut, so dass ich manchmal der Meinung bin, Wiederholungen zu erleben. Die Arten des Sandes, und die Methoden, mit denen man ihn der großen Masse der Bevölkerung in die Augen streut sind mir auch jetzt noch sehr geläufig, denn es hat sich methodisch erschreckend wenig geändert.
Die Abgehobenheit gerade dieser Bereiche und ihr unerschütterlicher Glaube an die eigene gefälschte Statistik ist so vehement, dass ich manchmal bei der Zeitung nachsehe, welches Jahr wir haben. Ich bin aber froh, dass das jetzt alles in einer anderen, zwar genau so verlogenen Diktion wie früher geboten wird, die sich aber aus angeblich ideologiefreien Quellen nährt. (Ich kann mich irren, aber reine Geldgier zählte ich früher auch mit zu den Ideologien.)
Bleiben wir aber bei der Geschichte der vierzig Jahre DDR. Nur aus der Rückschau kann man erkennen, was beabsichtigt war, wie man es durchsetzen wollte, was tatsächlich eingeleitet wurde, wie es ankam, ob die eingeleiteten Maßnahmen überhaupt wirkten, was man am Ende erreichte und was tatsächlich passiert ist. Da sind dann Erinnerungen an Erlebnisse, Anschauungen, Gegenüberstellungen und Wertungen zu paradoxen Vorkommnissen, obrigkeitlichen Schelmenstücken und Narrenpossen.
Mit wie viel Mühe, Qual und Ernst Prinzipe verfolgt wurden, bis die Lächerlichkeit erkämpft war, ist bisher noch zu wenig gewürdigt worden, es sollte hier einmal geschehen. Wenn es Ihnen dabei passiert, alles noch nachträglich verstehen zu wollen, können Sie sich schon mal verirren. In dem Fall sollten Sie immer daran denken, dass es vorbei ist.
Erwarten Sie jetzt keinen Tatsachenreport über ideologisch tragische Verstrickungen von Helden oder Gaunern und wie sich aus dem Wust der Hinterlassenschaft der Nazi-Zeit statt der bürgerlich-sozialen Demokratie westlicher Prägung eine Schreckensdiktatur kommunistischer Prägung etablierte; und wo es um Opfer und Täter geht, um Mitläufer, Nutznießer, Gefährdete, vom Moloch verschlungene, die vierzig Jahre im härtesten Kampf miteinander gestanden haben.
Kommen Sie einfach mit in einen Teil der Bundesrepublik Deutschland, uraltes deutsches Siedlungsgebiet, wohin zurzeit sich allmählich entvölkernde und entindustrialisierende Kommunen mit Hilfe ihrer Fremdenverkehrsvereine arglose Touristen zu locken versuchen.
Kommen Sie mit dahin, wo sich Fuchs und Hase schon immer gute Nacht gesagt haben, Gegenden, die früher selbst vom fahrenden Volk nur bei Tage und in Eile durchquert wurden, Landstrichen, welche die Russen bei Kriegsende wohlweislich zu besetzen vergaßen und vor denen es selbst den Amerikanern graute, so dass sie die unbesehen den Russen zum Tausch ließen.
Kommen Sie mit in die schönen ländlichen Gegenden, woher die vielen Dinge des täglichen Bedarfes kamen, vom Gardinenstoff über die Stores bis zum Möbelbezugstoff, das Riesensortiment an Textilien, Trikotagen und Strümpfen, Teppichen, Möbeln, Gebrauchs- und Edelporzellan, Haushaltgeräten und sonstigen Kleinartikeln des täglichen Bedarfs sowie Werkzeugmaschinen und feinmechanisch-optischen Präzisionsgeräte, Kameras, Spielwaren, Räuchermännchen und Weihnachtspyramiden, sogar Kraftfahrzeuge und Hausbrandbriketts und dergleichen.
Waren, die als Niedrigstpreis-Sortiment das Rückgrat des Angebotes der altbundesdeutschen Versandhauskatologe darstellten. Erzeugnissen, die manchen altbundesdeutschen Zwischenhändler durch das Aufkleben seiner eigenen Etiketten, reich und weltbekannt machten und in die Betriebe, die ihm diese seine Etiketten in den ganzen Jahren auch gleich noch mit lieferten. Kommen Sie mit in die DDR.
So wie es in der Kernphysik die starken und die schwachen Wechselwirkungen gibt, so gibt es die auch im Zusammenleben der Menschen, und genau wie in der Kernphysik sind es meist die schwachen Wechselwirkungen, die der Theorie ins Handwerk pfuschen, so dass die sogenannten starken in ihrer Wirkung neutralisiert werden.
Die Atomphysiker haben daraus gelernt. Den Historikern ist zu wünschen, dass sie auch mal ab und zu in der Küche nachsehen, was denn damals eigentlich gekocht wurde.
Was man mit mir vor hatte, die Sache mit dem Storch, wie ein Kartoffeltopf sich in die Politik einmischt, vom ersten Kontakt mit bedrucktem Papier und von der Mutterliebe
Als ich auf die Welt kam, lagen diese Dinge und Vorgänge noch in weiter Ferne. Da gab noch das sogenannte „Dritte Reich“. Das hatte damals seine größte Ausdehnung erreicht und seine Grenzen lagen im Westen am Atlantik, reichten bis zum Nordkap, verliefen im Osten vor Leningrad, Moskau und Stalingrad, am Nordrand des Kaukasus, selbst die Ägäis gehörte mit dazu. Auch an Nordafrikas Küste war schon ein schmaler Landstreifen erobert. Man dachte noch großdeutsch und rassenhygienisch. Als reichsdeutscher männlicher Nachkomme war meine Zukunft als Kanonenfutter für die Erringung und Behauptung der Weltherrschaft vorgeprägt. Es kam glücklicherweise ganz anders. Kaum erschien ich auf der Welt, begann dieses Reich sich rapide zu verkleinern. Ich habe an dieser Entwicklung jedoch keinerlei Anteil. Deutschland war schon in meiner frühen Kindheit kein Machtfaktor mehr und ich wuchs in eine Welt hinein, in der die große Politik anfangs ziemlich bedeutungslos war. Das private Überleben stand im Vordergrund.
Manche Leute kommen aus dem Allgäu, aus der Wetterau, von der Waterkant, aus der Zone oder dem Ruhrpott. Ich komme aus Sachsen. Mir widerfuhr ein Leben, wie es einem so widerfährt. Erst ist man nur „mit“. Dann merkt man, dass es für einen selbst das „Ich“ gibt. Anschließend kommt das „selbst“ dazu. Es entsteht daran anschließend daraus der anfangs noch ziellose „Willen“, das gefährlichste, was sich die soziale Umwelt bei einem Heranwachsenden vorstellen kann. Von da an artet das in einen Kampf zwischen den wechselweisen Versuchen „den Willen gebrochen“ zu kriegen und „Fluchtversuchen“, bis zum Stadium der offenen „Auflehnung“ gegen alles.
An dieser Stelle geht es sehr unterschiedlich weiter. Bei mir öffnete sich die Gasse zum „Lernen“, um „unabhängig zu werden“, und so „zu entrinnen“. Die mir zugedachte Rolle vom „Spielzeug“ über das „kluge Kind“ zum vertrottelt folgsamem „Laufjungen“, von da zum gehorsamen „Knecht“ und „Diener“ wollte ich nie spielen. Dazu hätte es medizinischer Eingriffe bei mir bedurft, die meine Erbanlagen in ihr Gegenteil verwandelt hätten. Es ist dann auch danebengegangen. Manche Menschen kommen eben unfähig für Krieg und Frieden auf die Welt.
Mir ist sogar das Kunststück gelungen gegen alle familiären Planungen einer völlig fremden Frau so nahe zu kommen, dass sie sich schließlich zur Ehe bereiterklärte, was zur Geburt von Kindern führte, die auch nicht folgsamer geworden sind, als ich es war. So entging ich dem Schicksal, als sechzigjähriger Trottel von einer neunzigjährigen und ihn immer noch allein erziehenden Mama geschurigelt zu werden. Die Frau, die mich heiratete stellte sich ebenfalls als unerziehbar heraus und auch sie ließ sich nicht zur Dienstmagd der Schwiegermutter abrichten. Die Verweigerung, die damals noch übliche Lohntüte an Mama abzuliefern beschwor einen ersten Weltuntergang herauf, dem noch viele folgten. Wir kauften uns sogar Möbel, ohne zu fragen, und noch mehr ... Es war einfach katastrophal, was da passiert ist. Nervenzusammenbrüche am Fließband. Da brauchte es die ganze DDR und ihre Diktatur nicht noch extra dazu.
Wenn bei der Großmutter eine Henne trotz langer Mühe nur ein Küken erbrütete, dann nahm man es ihr weg und tötete es, weil eine Glucke, die nur ein Küken führt unrentabel ist und sie dieses Küken im Übereifer sowieso zu Tode behütet.
Mir passierte es auch, das einzige Küken meiner Mutterglucke zu sein. Der vorgenannte Ausweg war für mich aber versperrt, da ich als Mensch geboren wurde. Sie hatte es schwer mit mir.
Kurz gesagt, ich kam auf diese Welt aus Unkenntnis der Tatsache, dass das strafbar ist, weil das Geborenwerden immer irgendwann mit dem Tode bestraft wird. Leben ist aus dieser Sicht, streng juristisch gesehen, illegal. Der sofortigen Todesstrafe entgeht man nur deshalb, weil man zwar schuldig im Sinne der Tatsache „Leben“ ist, einem aber keine definierbare Absicht als die Dummheit des „Erwischtwerden“ durch den Storch unterstellt werden kann.
Ich weise nachdrücklich daraufhin, dass ich hiermit das Aussageverweigerungsrecht bezüglich einer Verschwörung meiner Eltern zur Erzeugung meiner Person in Anspruch nehme, da ich ihr leiblich Fleisch und Blut bin und insofern keine Aussage gegen mich selbst zu tun beabsichtige und auch annehmen muss, dass sie beide jeder für sich völlig konträre Ziele bezüglich meiner Verwendung hegten, denn mein Vater brauchte einen Stammhalter und Hoferben, wie sich das für ein Geschlecht von Freibauern gehörte, die mindestens seit Luthers Zeiten nachweisbar und auch vorher nie fronpflichtig waren.
Das war aber nicht im Sinne meiner Mutter, die mir schon als Fünfjährigem am Totenbett meines Vaters das verbindliche Versprechen abnahm: „Du pflegst mich doch dann, wenn ich alt bin? Ich habe doch jetzt nur noch dich.“ Vorerst stand ihr mit ihren fünfunddreißig Jahren aber mehr der Sinn nach sofort sterben und nicht nach Pflege. Sie konnte sich aber viele Jahre nie entscheiden, was davon sie wollte. Selbst in ihren Neunzigern wollte sie immer noch das eine und drohte mit dem anderen. Sie hatte im Laufe ihres Lebens alle Wohltaten, die sie mir zukommen ließ genau aufgelistet und ich stand bei ihr in einer Bringschuld, zu deren Abtragung es mehrerer Leben bedurft hätte. Von Verschwörung eines Ehepaares also keine Spur.
Als ich auf die Welt kam entging mir das vollständig und zwar so total, dass ich mich bis heute noch nicht daran erinnern kann. Als ich es feststellte, dass es mich gab, war schon alles zu spät. Sie hatten mir einen Namen gegeben und weil ich nicht aufgepasst hatte, war ich ein Junge geworden. Das hatte böse Folgen, wie sich im Laufe der Jahre herausstellen sollte. Ach ja, sauber war ich geworden, es war schließlich noch die Zeit der Windeln, die gewaschen, gebleicht, getrocknet, zusammengelegt und dann wiederverwendet wurden. Laufen war mir mit List und Tücke beigebracht worden, wenigstens nicht mit solcher Gewalt wie das Sauberwerden.
Laufen habe ich aus Tierliebe erlernt. Eigentlich wollte ich ein Entenküken fangen, ohne zu wissen, wozu. Kinder wollen eben alles haben, was sie sehen. Entenküken können vom Eischlupf an laufen und schwimmen, Menschen nicht. Wer denkt da schon an eine Vorbildfalle.
Das Schlimmste: Völlig unbeabsichtigt hatte ich auch das Sprechen erlernt. Das war die Folge, dass ich mich dummerweise auf das Verstehen von Sprache eingelassen hatte, und wer unterstellt seiner Mutter schon unlautere Absichten, jedenfalls schaffte sie es, dass ich mich durch Antwort geben verriet. Einen Vater hatte ich zwar, der war jedoch im Krieg. Das war der zweite große Krieg der weißen Männer im 20. Jahrhundert und mein Vater war schon im ersten gewesen, als Freiwilliger und gleich von Anfang an und bis zum Ende und nun war er auch im zweiten und diesmal nicht freiwillig aber wieder vom Anfang bis zum Ende. Das wusste ich noch nicht. Als ich begriff, dass ich tatsächlich und endgültig ein Kind war, gab es den Krieg nicht mehr und mein Vater war wieder zu Hause.
Zu der Zeit malte ich sehr gerne. Papier war sehr knapp, aber für mich fand sich immer etwas leeres Papier. Nur eines war tabu, bedrucktes Papier. War es bedruckt und vor allem, wenn in Stapeln aus lauter kleinen Blättern zwischen zwei Pappdeckeln zusammengepresst festgemacht, durfte ich es nicht bemalen. So entstand ein zwiespältiges Verhältnis zu Büchern und ich misstraute ihnen sehr. Das schließe ich daraus, dass es mir selbst heute noch schwer fällt, ein mir unbekanntes Buch ungeöffnet zu lassen, wenn sich mir die Gelegenheit bietet es in die Hände zu kriegen.
Wir hatten viele Bücher und sie waren alle in einem riesigen Bücherschrank mit Glastüren weggeschlossen. Nicht nur vor mir, sondern auch vor anderen Leuten. Mangels Bilderbüchern hatte ich ein Buch mit vielen Bildern und Text. Das kannte ich sehr früh und es speicherte sich in meinem Gehirn zwangsläufig nur optisch, also völlig wertfrei.
Es war die Zeit der Stromsperren und so das bereits weit verbreitete Radio selten benutzbar. Unseres hatten angeblich „Die Ammis“, eine Formulierung, deren Inhalt mir entging. Es gab auch noch „Die Nazis“ und etwas leiser ausgesprochen „Die Russen“, aber das störte mich kaum. Fernsehen war zwar erfunden, jedoch weitgehend unbekannt und noch lange nicht in Benutzung. Es gab andere Sorgen.
Am wichtigsten war zu dieser Zeit die Zeitung. Da stand drin, welche Marken „aufgerufen“ wurden. Es war viel von Nährmitteln die Rede und was es frei gab. Auf eine Fleischmarke konnte man auch mal ein Ei kriegen. Nach ein paar Tagen war die Zeitung aus unerfindlichen Gründen plötzlich in mehrere ungefähr buchgroße Blätter zerrissen und die hingen an einem spitzen, etwas rostigen Nagel an der Wand im Abort, wie das bei uns hieß. Die Zeitung wurde nach Aussage meiner Mutter, so ihrem hinterlistigem Zweck zugeführt. Wohin sie verschwand wusste ich jetzt, aber woher sie kam eben nicht. Das prägte mein späteres Leben.
Ich malte also. Das bereitete meiner Mutter Sorgen. Sie schrieb in alle Himmelsrichtungen an weibliche Verwandtschaft um Auskunft, was es auf sich haben könnte, dass ich immer nur Dampfschiffe malte, wobei sie unterschlug, dass es sich meistens um Schiffsuntergänge mit ersaufenden Leuten handelte. Eine ältere meiner Cousinen, ich war ein sehr später Nachzügler, schrieb ihr zurück, dass sie sich keine Sorgen machen solle. Solange ich nichts Schlimmeres täte als ruhig in der Ecke zu sitzen und Schiffe zu malen, fühlte ich mich wahrscheinlich zu Hause wohl. Das war es dann. Von nun an wurde ich nur noch argwöhnisch beobachtet, wenn ich keine Schiffskatastrophen mehr malte.
Dabei hatte ich nur gemalt, was ich vorher verinnerlicht hatte und das war nun mal mein Buch: Ein uralter Flottenkalender aus Kaiser Wilhelms Zeiten und der war gespickt mit Marinebildern. Die Seeschlacht von Tsushima war 1905, also gerade erst passiert, als man diesen Kalender druckte, wobei man damals noch nicht wissen konnte, dass der aus der Schießerei zwischen der kaiserlichen Flotte des russischen Zaren und der kaiserlichen Flotte des japanischen Tenno fast unbeschädigt entronnene kleine russische Kreuzer „Aurora“ 1917 noch eine geschichtliche Rolle spielen würde, deren Ausläufer uns noch sehr lange beschäftigen würden.
Die schönen schnittigen Schlachtschiffe der späteren Kriegsteilnehmer des ersten Weltkrieges und vor allem die vor Tsushima auf den Bildern der Marinemaler absaufenden der Russen hatten es mir angetan. Das malte ich. Große Katastrophen. Unbemerkt.
Unauslöschlich auf der Basis meiner Papierwelt blieb mir ein Vorkommnis mit dem nicht zu rechnen war. Wir hatten einen Weltatlas, in dem Deutschland auf drei Seiten nebeneinander dargestellt war. Ganz in Rosa.
Man schlug den Atlas auf und klappte die rechte Seite nochmals aus. Beim Aufklappen sah man alles vom Saarland bis zur Linie Lübeck-München. Das hieß später unterschiedlich und zuletzt BRD. Nach dem Ausklappen sah man die Mitte.
Zwangsläufig hieß das Mitteldeutschland, wurde aber zuletzt DDR genannt, obwohl es zwischendurch auch verschiedene andere Namen hatte. Die große Klappe rechts war auch rosa gedruckt, war wohl auch Deutschland. Von Ostpreußen, Pommern, Schlesien und dem Warthegau wurde bei Betrachtung dieser Seite geredet.
Mein Vater nahm eines Tages nach einem mir unverständlichen Disput mit meiner Mutter diesen Atlas zur Hand, öffnete ihn an der bewussten Stelle, schlug die Klappe heraus, nahm einen dicken Zimmermannsbleistift und tat etwas Entsetzliches. Er bemalte ein gedrucktes Buch.
Er zog einen dicken blauen Strich, wo auf dem Atlas die rechte Klappe der Karte begann. Von oben nach unten. Nicht ganz gerade, von Stettin bis Zittau. Dann machte er eine Bewegung, als wolle er die rechte Klappe abreißen, ließ es aber sein, denn meine Mutter war so schon entsetzt, und ich erst. Dazu behauptete er, dass jetzt Schlesien, der Warthegau und Pommern weg wären, und Ostpreußen auch. Alles nur wegen diesem Strich.
Der Sudetengau wäre auch weg, aber den hatte es zu der Zeit noch nicht gegeben, als dieser Atlas gedruckt wurde. So schnell kann Geschichte sein. Da kommt manchmal abhanden, was es vorher noch nicht gegeben hatte. Eine Art Untergang der Welt ...
Die Situation drohte zu eskalieren, aber in dem Moment mischte sich der Alltag unserer Wohnküche in die Angelegenheiten der höheren Politik. Erst kochte der Kartoffeltopf über und das Kochwasser ergoss sich teilweise über den offenen Elektrokocher, der sich darunter befand. Es knallte, das tat es immer, wenn das passierte.
Meine Mutter schnappte sich auch diesmal todesmutig mit zwei Topflappen den Topf und goss die Kartoffeln ab. Sie waren jetzt „gut“. Dann fehlte mir ein Stück Film, wie man später sagte, wenn es ein Schockerlebnis gab.
Meine nächsten Eindrücke waren die normal üblichen. Vater holte den Draht, seine Kombizange und die Kneifzange. Zuerst wurde die Sicherung geflickt. Das kann ich heute noch. Dann wurde der Widerstandsdraht in unserem offenen Elektrokocher an der Stelle, wo er gerade durchgebrannt, also unterbrochen war und wo Schmelzperlen lagen, wieder verdrillt.
Das lernte ich später. Wir hatten wieder Strom und der Kocher war auch wieder ganz. Die Welt war in Ordnung. Es gab Kartoffeln mit Quark. Anschließend rauchte Vater sein Pfeifchen, welches er mit einem Papierfidibus entzündete, der sein Feuer vom Elektrokocher erhielt.
Die offen liegenden Heizspiralen hatten schon ihren Sinn und Streichhölzer waren knapp. Diese erste Information über die neue Oder-Neiße-Grenzziehung hatte für mich zu der Zeit keine Weiterungen, wenn man davon absieht, dass ich in Zukunft doch heimlich in meinem Flottenkalender herumzumalen begann, was dessen antiquarischen Wert erheblich beeinträchtigte, wie ich über fünfzig Jahre später registrieren musste.
Ich weiß nicht viel aus eigener Erfahrung von meinem Vater, der zwei Jahre nach Kriegsende starb. Erlebtes und Erzähltes vermischen sich. Er wurde mir als Ikone ausgebaut, Gegenstand fast göttlicher Verehrung durch meine Mutter.
Es gibt kaum etwas Schriftliches von ihm, obwohl er eigentlich mit meiner Mutter eine Briefehe geführt hat, da die längste Zeit ihrer Ehe in die Kriegszeit fällt. Ihm fehlten Finger und halbe Finger, ihm fehlten Zehen und ihm fehlten Zähne.
Er war Artilleriebeobachter gewesen, im ersten Weltkrieg, vor Verdun und die französischen Scharfschützen hatten es auf diese Leute besonders abgesehen. Es hatte ihn immer nur halb erwischt. Ein Tagebuch gab es von ihm, aus dem ersten Weltkrieg, das war in Stenografie und an manchen Stellen in Morseschrift geführt.
Ein Buch ohne innere Gliederung, einfach nur Gedankensplitter und Notizen von Anweisungen, Sachen, die nicht vergessen werden sollten oder durften. Das wenige, was ich mir daraus übersetzt habe bestätigte mir, dass mein Vater ein ganz normaler Mensch war und kein Gott und nicht frei von Zweifel, und er war ein Mensch seiner Zeit, der sich nicht widerstandslos verwursten lassen wollte.
Ein Tatmensch mit eigenem Kopf hinein geboren in eine für ihn sehr unglückliche Zeit. Er war mir dadurch Vorbild. Meine Mutter war seine zweite Frau. Er war Witwer gewesen und hatte im Leben schon viel durchgemacht. Nur so ist es wohl zu erklären, dass er es mit dieser neuen Frau aushielt.
Als Mutter ziemlich spät mitbekam, was ich da erwischt hatte, und dass die Gefahr bestand, dass ihr Monopolwissen ins Wanken geraten könnte, weil ich es lesen konnte und sie nicht, der Vater vielleicht kein Erzengel mehr sein dürfte, verschwand das Notizbuch, genau wie zum Beispiel manche anderen Bücher, bei deren Lektüre ich ertappt wurde, darunter das Dekameron, eine Ausgabe der deftigsten Geschichten aus 1001 Nacht und ein Sexualaufklärungsbuch für Jugendliche, das ich mir selbst gekauft hatte, um nicht ganz ahnungslos zu bleiben. Kam alles in den Ofen: „Feuerung ist knapp.“
Eins haben wir jedenfalls unseren Kindern eisern eingeschärft: Wenn Oma euch fragt, euch hat der Storch gebracht. Lasst euch durch nichts davon abbringen, egal wie genau ihr Bescheid wisst. Was soll sie sonst von uns denken ... Schließlich sind wir eine anständige Familie ... Unseren Kindern wurde in der gesamten Verwandtschaft stets eine sehr gute Erziehung nachgesagt. ... solange man nicht versuchte sie für dumm zu verkaufen. Aber das ist schon eine andere Zeit und war damals noch lange hin und es musste noch eine Menge zusammenbrechen von dem was es noch gar nicht gab.
Sehr deutlich in Erinnerung sind mir beispielsweise noch die Nachkriegsabende im Winter. Es war Stromsperre, wir saßen zu dritt in der kleinen Wohnküche, im Küchenherd war Feuer, die Ofentür stand offen, das flackernde Herdfeuer ersetzte das Licht und einen Kamin, weil mit den Kerzen und Bunkerlichtern gespart werden musste, auf dem Herd stand ein Topf in dem irgend etwas solange gekocht wurde, bis es kapitulierte, endlich weich und damit essbar wurde, meine Mutter hatte mich auf dem Schoß.
Mein Vater spielte soweit er konnte, auf einem asthmatischen kleinen Schifferklavier: „Auf der Reeperbahn, nachts um halb eins ...“, Mutter sang dazu und ich schrie... Es war nicht Hunger, es war Langeweile.
Das Schifferklavierspielen war für Vater Notwehr. Wer singt, der streitet sich nicht und man kann auch schlecht mit ihm streiten. Da hatte er ein Mittel zur Erhaltung des Familienfriedens entdeckt. Hunger litten wir nicht. Essen war Pflicht. Es gab immer mindestens eine Mehlsuppe und die war gekoppelt mit einer besonderen Form innigster Mutterliebe:
Es gab da nur zwei Varianten, entweder Suppe oder wenn ich sie nicht essen wollte, erst Dresche und dann Suppe. Dresche ohne Suppe gab es in diesem Zusammenhang nicht, eher zweimal Dresche vorneweg, aber Suppe gab es immer. So wurde ich fett in einer mageren Zeit. Meine Mutter liebte mich eisern. Es war ihr nicht zu entrinnen.
Von Beziehungsstrukturen in unsicheren Zeitläuften, braunen Nachwehen, Instinkten, der schlechten Koordination amerikanischer Luftangriffe und was Flieger und Katze gemeinsam haben
Wir wohnten auf einem Bauernhof. Das war unserer, obwohl ich das nicht wusste und es interessierte mich auch nicht. Besitzdenken entwickelt man nur, wenn man nichts hat und das sich als fehlender Rückhalt bemerkbar macht. Der Hof war verpachtet an einen Pächter, der schon lange hier saß und den man nach einer im Dorf weitverbreiteten Meinung auch für den Besitzer hielt. Der hatte eine Menge Kinder. Die ältesten trugen schon Soldatenuniform, die jüngeren arbeiteten auf dem Hof mit und die kleinsten spielten mit uns.
Die während und nach dem Krieg in diesen Hof wohnenden Mieter und Umsiedler parierten dem Pächter eher als meiner Mutter, bei der sie eigentlich zwangseingemietet waren. Das kam daher, dass der Pächter Arbeit gegen Naturalien bieten konnte und dass man von seinem Wohlwollen abhing, ob man Hasenfutter mausen durfte und Getreide oder Kartoffeln auf den abgeernteten Feldern stoppeln konnte. Vor allem gab es bei ihm Milch und beim Schlachtfest fiel Wurstsuppe ab. Eier standen zum Verkauf und manches Huhn aus seinem Stall hatte sein Legenest in Umsiedlers Schuppen, wo es die Eier ganz frisch lieferte. Da war weiterhin auch noch die „ehemalige Systemnähe“ wirksam und die „neue Systemnähe“ begann sich abzuzeichnen. Wo jeder jeden kennt, weiß man auch um die braunen Flecke und ob die alten roten und die neuen roten so besonders zukunftsträchtig sein würden, das wurde bezweifelt.
Eines Tages hieß es plötzlich, dass die Ziegen alle weg wären. Nun muss man wissen, dass unser Pächter eine Herde Ziegen hielt, die Mal hier und mal da auf einer der Wiesen graste. Auf die wurde normalerweise immer gut aufgepasst, dass sie sich nicht in ein fremdes Waschhaus oder in andere Räume verliefen, wo fremde Menschen ihnen das Lebenslicht ausblasen konnten. Es mögen so sechs bis acht Stück verschiedenen Alters gewesen sein. Da schwärmte dann die ganze Pächterfamilie aus, sie zu suchen. Es dauerte auch nicht lange, da brachte einer die Ziegen heimgejagt. Die setzten im gestreckten Galopp voller Angst quer über den Hof und sofort rein in den Stall.
Als wichtigste Erinnerung ist mir geblieben, dass diese weißen Ziegen plötzlich alle an der Seite ihrer Bäuche ein großes mit Teer aufgemaltes schwarzes Hakenkreuz trugen. Von diesen Ziegen haben wir nie wieder eine zu sehen bekommen, weil sie dann alle gleich geschlachtet wurden. Das war wohl das einzige Mal, wo mir sichtbar wurde, dass irgendetwas nicht stimmte. Da war der Krieg schon zu Ende und die DDR-Gründung stand gerade an. Derartiges kam auch nie wieder vor.
Viel besser ist mir eine Sache in Erinnerung, die sich vielleicht zwei Jahre vorher abgespielt hatte. Unter Kindern spricht sich manches schnell herum, auch wenn sie noch nicht richtig reden können. Das ist wie mit der Katze, die merkt zuerst, wenn etwas „im Busch“ ist, auch wenn sie nicht weiß, was, so merkt sie es doch an der Nervosität im Haus und am geänderten Schweißgeruch der Menschen. Das ist Instinkt und geht den meisten Menschen im Leben durch Erziehung verloren, sie sind dann vernunftgesteuert und sehr rationell, vielleicht sogar gebildet. Der Instinkt ist aber wichtig und obwohl er als etwas Animalisches gilt, doch die Basis richtiger Intelligenz. Kinder sind da noch empfänglich. Die spüren sofort, ob sich etwas Ungewöhnliches ankündigt. Es war etwas in Vorbereitung, aber, was?
Als ich meiner Mutter, die nichts ahnte, endlich entschlüpft war, konnte ich mich damit befassen, was wichtig war. Wir Kinder trafen uns hinter dem Haus und beschlossen den Stallausgang zu beobachten. Dort hatte es rumort und die „Großen“ waren drin. Zum Spielen verteilten wir uns dann auf dem Hof gegenüber dem Stall. Wir spielten unauffällig. Die Mädchen „Dreierhopp“ oder „Himmel und Hölle“, die größeren mit dem einzig verfügbaren Gummiball die neueste Variante der „Ballprobe“, ich hatte mein „Blech-Jo-Jo“, die anderen Jungen „Kreiselten“ und knallten ab und zu mit den Peitschen ... unauffällig eben. Auffällig war nur, dass wir uns nicht wie sonst üblich miteinander zankten...
Langsam wurde klar, was sich vorbereitete. Als dann nach zwei Holz-Unterstellböcken eine flache Holzwanne aus dem Haus getragen wurde, war alles klar. Das war der „Brühtrog“, es wurde offensichtlich ein Schlachtfest vorbereitet. Einige Kinder schwirrten ab, um ihren Müttern Bescheid zu geben, denn es dauerte nicht lange, so sammelten sich außer uns auch die Umsiedlerfrauen mit auf dem Hof, um mit dabei zu sein. Gespielt wurde schon lange nicht mehr. Im Stall war man sich einig geworden, denn eins der Schweine begann zu quieken und langsam wurde das Quieken lauter, die Stalltür flog auf und man sah zwei von den älteren Pächterssöhnen ein Schwein auf den Hof herauszerren. Als das Schwein sah, dass es im Freien war, wechselte es blitzschnell die Strategie. Statt sich weiter zu sträuben rannte es los. Dem ihm an den Ohren Zerrenden rannte es durch die Beine und riss den es am Schwanz Haltenden dabei nieder, so dass es jetzt wirklich frei war. Auf dem ganzen Hof gab es ein riesiges Gelächter. Zwei erwachsene Männer und das Schwein reißt ihnen aus. Die Wut der Ausgelachten war entsprechend. Sie setzten dem Tier nach und weil es ein noch verhältnismäßig junges und muskulöses Tier war, besaß es ziemlich gute Karten. Da musste schon mal ein Hechtsprung gewagt werden, um es zu werfen. Es ging durch Dreckpfützen und auch mal über den Misthaufen und dann hatten sie zu zweit Mühe, ihm die Beine zusammenzubinden, damit es abtransportiert werden konnte.
Wenn bei den Großeltern ein Schwein geschlachtet wurde, durfte ich es erst sehen, wenn es halbiert und für die amtstierärztliche Fleischbeschau als neutrales Stück Fleisch an der Leiter hing. Mama sah immer sehr darauf, dass ich nichts Unanständiges zu sehen bekam. Selbst dann, wenn es nur der Hahn war, der wieder einmal gerade vor uns seine Hühner kappte, versuchte sie mir die Augen zuzuhalten und mich wegzuführen. Das hier war mal was ganz anderes.
Das gefesselte Schwein wurde vor dem Stall auf die große Betonplatte geworfen, wo die Jauchegrube drunter war. Es brüllte, aber wer kennt das nicht, wenn die Fütterungszeit herankommt und die Schweine merken, dass der Bauer in der Nähe ist. Das kannten wir. Was jetzt kam, kannten wir nicht. Die zwei Fänger begannen mit dem Schwein zu „spielen“. Sie schnitten ihm mit vorher nochmals extrascharf gewetzten Schlachtmessern die Ohren in schmalen Streifen ab und boten sie aus. Wer will? Bestes Schweinefleisch! Die zuschauenden halbwüchsigen Mädchen quiekten und liefen weg, wenn sie mit so einem Stück geneckt wurden. Die Frauen und Mütter waren da weniger zimperlich, Sie juchten auch, drehten sich weg, griffen dabei aber hinter sich nach dem Angebotenen. Auch der abgeschnittene Ringelschwanz fand auf die Art nach etlichem Hallodri ziemlich schnell eine Interessentin.
Dann schlitzte einer der beiden Männer dem Schwein den Bauch auf, so dass die Eingeweide herauskamen. Eigentlich hatte ich gedacht, dass jetzt das ganze Blut mit einem mal aus dem Schwein herausgeschossen kommt, aber es kam sehr wenig Blut. Der Schnitt muss sehr geschickt gesetzt gewesen sein, deshalb wundert es mich auch nicht mehr, wenn bei der Übertragung von Operationen in Fernsehserien und bei der Erläuterung von Schönheitsoperationen am Menschen die Aufnahmen nicht so blutig sind, wie man vielleicht glauben sollte. Wissen wird einem oft unerwartet immer wieder neu bestätigt.
Um beim Schlachtfest zu bleiben, das Tier war immer noch gefesselt und auch noch lebendig, während „Das Vieh“ sich an seinen Qualen ergötzte, aber „Das Tier“ schrie unangenehm laut und „Das Vieh“ mochte das nicht.
So wurde dem Ding ein Ende gemacht. Ich sehe noch heute, wie das „Vieh“ dem „Tier“ den Stiefel auf die Kehle stemmte, mit einer inzwischen herbeigeholten Axt ausholte und ihm den Rüssel mit einem Hieb glatt abtrennte. Der Rüssel sprang fort, rollte durch den Dreck und zwei Frauen stürzten sich darauf, jede auf das kleine Stückchen Fleisch erpicht. Ich entschuldige das. Zu der Zeit tauschten viele arbeitslose Flüchtlinge ihre Fleischmarken gegen eine größere Menge Brotmarken, nur um wenigstens den schlimmsten Hunger ihrer Kinder zu stillen. Nicht jeder hatte ein Stallkaninchen in Reserve.
Das „Tier“ brüllte nun leiser und das Brüllen ging in Gurgeln über und während man hinzusprang, um das Blut aufzufangen, begann das „Tier“ an seinem eigenen Blut zu ersticken und statt dem hohen Quieken hörte man nur noch ein brummiges Gurgeln und das „Vieh“ stand nun stolz lächelnd dabei und erheischte Beifall.
Viel mehr habe ich nicht gesehen, weil ich noch zu klein war und die Menschenmenge das Schwein verdeckte, vielleicht habe ich es auch nur vergessen, was dann noch alles passierte. Ich weiß nicht, ob davon viel Blutwurst gemacht worden ist, vielleicht mochten sie auch keine und geschlachtet wurde nicht so selten. Leberwurst haben sie gemacht, das weiß ich noch bestimmt, daran wurde ich ein paar Tage später erinnert.
*
Es war finster, als mich meine Mutter aus dem Bett holte und schnell anzog. Die Fenster standen alle offen, und so war das vorher nur unerklärliche leise Brummen viel lauter und steigerte sich zu einem Dröhnen, was die ganze Luft erfüllte. Weil die Fenster alle offen standen, sah ich den ganzen Himmel voll Sterne und gleichzeitig regnete es Sterne. Wie Schneeflocken, nur leuchtend am fast finsteren Himmel. Ich wurde die Treppe hinuntergetragen, im finsteren Hausflur abgestellt und darauf verpflichtet stehenzubleiben und zu warten, man wolle nur noch die Koffer holen. Erst blieb ich brav stehen, aber dann ging die Haustür auf und die Umsiedler und ihre Kinder kamen mit herein. Es wurde voll und Angst stand in der Luft.
Langsam tastete ich mich durch die Dunkelheit auf die offene Haustür zu, um den Sternenregen zu sehen. Es war wundervoll diese wie aus einem kleinen sehr hellen Fleck heraus springenden Sterne zu sehen und ihren Fall zu beobachten, bis sie verglühten. Dazu das Dröhnen in der Luft, das mich ganz ausfüllte, so wie man denkt, dass die Katze ganz von einem Brummen ausgefüllt ist, wenn man das Ohr an sie legt, während sie schnurrt.
Hinter mir gab es derweil erregte Wortwechsel und Drohungen wurden laut, zwischen dem Allem das Rufen meiner Mutter nach mir und das Weinen der größeren Kinder. Auf einmal beruhigte sich hinter mir alles. Der Pächter hatte den Keller aufgeschlossen und die Masse der Verängstigten hatte sich hineingerettet. Ich wurde hochgehoben und auch in den Keller entführt. Meine Mutter hatte mich endlich im Gegenlicht im erleuchteten Rechteck der Haustüröffnung entdeckt. „Mama, was brummt denn da so?“ „Das ist der Propeller.“
Dann waren auch wir im Keller, der gleichzeitig Wirtschaftskeller und einziger Luftschutzraum war. Zwei oder drei Bunkerlichter blakten, die Dunkelheit eher noch deutlicher machend, als Licht zu verbreiten. Jeder war mit sich, seinen Kindern und seinen Habseligkeiten beschäftigt. Nur langsam richtete man sich irgendwie ein, saß irgendwie auf mitgebrachten Kopfkissen, dem Federbett oder nur so auf seinem Korb oder Koffer, aber endlich trat etwas mehr Ruhe ein. Das Dröhnen hatte unbemerkt etwas nachgelassen, wurde aber nun wieder etwas stärker. „Sie fliegen die nächste Welle.“ Dass man sich solche Sätze immer merkt, wenn man sie noch nicht versteht ... Alle Blicke richteten sich nach oben zur Kellerdecke. In der andächtigen Stille brannten sogar die Bunkerlichter ganz ruhig und dann sah man es...