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Nostalgie und Satire, da kann es sich eigentlich nur darum handeln, Kitsch durch den Kakao zu ziehen. Lesen Sie diese Kleine-Leute-Geschichten ruhig, dann werden Sie merken, wie diese Welt abseits der Brennpunkte von Politik und Wirtschaft funktioniert. Vor allem, wie man in der Provinz die wechselnden Stürme des wechselvollen Schicksals in einem verrückten Jahrhundert voller Umbrüche verarbeitet und wie irrsinnig die große Politik sich manchmal in das Leben derer einmischt, die nicht an ihr interessiert sind, die nur ihrem Menschenrecht, dem Streben nach einem bisschen individuellem Glück nachzukommen versuchen, dabei ungewollt in den Mahlstrom der Geschichte geraten und sich dann immer wieder aus diesem unverschuldeten Schlamassel befreien müssen. Etwas Nostalgie, etwas Augenzwinkern und auch etwas Bissigkeit. Das alles am Irrsinn des spießbürgerlichen Lebens gespiegelt und auch ab und zu etwas überhöht. Was eben so in der Provinz passiert. Und verlassen Sie sich darauf, irgendwann betrifft es auch Sie.
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Seitenzahl: 101
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Dieses Buch enthält eine kleine satirische Geschichtensammlung zur Benutzeroberfläche Deutschland. Sie ist gegen das Vergessen derer gedacht, die nach der Wende an das Ganze angeflickt wurden.
Diese sehr deutschen Märchen, Fehlinszenierungen, Lächerlichkeiten, Grotesken und Blähungen der Tagespolitik fallen uns im Alltagsgeschehen oft gar nicht mehr auf, weil wir inzwischen an sie gewöhnt wurden oder sie sogar ganz selbstverständlich mitspielen.
Falls Sie wissen wollen, wie viel Raffinesse, Fleiß und Geisteskraft erforderlich sind, um wirklich großen Blödsinn auszuhecken, ihn dann zu verzapfen und auch noch so zu verkaufen, dass Sie stolz darauf sein können, dann erfahren Sie es hier.
Sächsischer Kaffee
(Ein historisches Rezept)
Die Volksseele, das Klassenbewusstsein und die Klassenkampferziehung in Dingskirchen
(Ein Arbeiterveteran erzählt)
Kriminalfall ohne Beispiel, oder wie man in der Provinz miteinander lebt
(Wie das mit der Emma ihrem Fahrrad, dem Gänseschmied, dem Köhler-Beck und der Wahrsagerei gewesen ist)
Die Geschichte mit der Schäfern ihrer Versicherung
(Woraus man erkennen kann, dass sich im Prinzip nie etwas ändert und es die kleinen Leute immer anscheißt)
Matze im Glück
(Wie das mit der Wende plötzlich ganz anders kommen kann und einem das Glück trotzdem treu bleibt)
Was unplanbar ist
(Etwas Wirtschaftsfolklore)
Mangelwirtschaft
(Eine alte DDR-Geschichte von nicht zu vernachlässigender Brisanz)
Wenn ich mir ein Buch vornehme um es in aller Gemütlichkeit zu lesen, dann koche ich mir vorher meist eine Tasse Kaffee, einen richtig guten Kaffee, und zwar aus solchem, wie er jahrelang mit den sogenannten „Westpäckchen“ die Zonengrenze von West nach Ost seinen Weg Bohne für Bohne zu uns „Kaffeesachsen“ genommen hat.
Als Ossi und Sachse empfehle ich Ihnen das auch, denn Kaffee wirkt immer geistig anregend. Für die Zubereitung müssen Sie aber unbedingt das sächsische Rezept für den berühmten „Langen Kaffee“ verwenden, der, wie Sie gleich merken werden, selbst unter heutigen Bedingungen äußerst preiswert und noch viel besser als der „Blümchenkaffee“ ist. Sie werden jetzt sagen, dass man Kaffee aufbrüht oder filtert. Das mag schon stimmen, aber in Sachsen wird der Kaffee gekocht, ganz egal, wie man das anstellt.
In Sachsen gibt es außer dem „Langen Kaffee“, der aus der richtigen Kaffeebohne erzeugt wird, auch noch andere Kaffeezubereitungen, beispielsweise die „Spitzbohne“. Das ist ein aus gerösteter und gemahlener Gerste zubereitetes Getränk. Außerdem gibt es noch „Zichorien-Kaffee“, der aus dem Sud der Wegwarte hergestellt wird.
Den kannte meine Großmutter noch und bereitete ihn auch zu. Wegwarte als Kraut habe ich als Kind noch am Feldrain gesammelt. Ersparen Sie sich diese Erfahrungen. „Lorke“ ist der aus dem berühmten undefinierbaren industriell erzeugten deutschen Kaffeersatzpulver gewonnene Trank. Dessen Tradition rührt aus dem Ersten Weltkrieg her. „Lorke“ war nach meiner Erfahrung eine universelle Bezeichnung für alles, was einem als Kaffeegetränk vorgesetzt werden konnte, aber nicht trinkbar war. „Malzkaffee“ gab es auch. Der bezog sein Aroma aus noch undefinierbareren Quellen. Das war jetzt ein Abriss der wichtigsten in Sachsen vorkommenden koffeinfreien Arten des Kaffees.
Diese gerade genannten Kaffeesorten, frisch gekocht, wurden in Sachsen teilweise schon Jahrhunderte lang dazu benutzt, hart gewordenes Brot, nachdem man es klein geschnitten hatte, darin einzuweichen, damit es wieder essbar wurde. In der Zeit vor der Erfindung des künstlichen Gebisses eine für ältere Leute in schlechten Zeiten unabdingbare Ernährungsvoraussetzung.
Eine Abart dieses Einweichens ist auch das berühmte „Ditschen“. Es wird besonders gerne beim Christstollen, bzw. der Christstolle angewendet und geht auch mit Streuselkuchen oder Kartoffelkuchen. Beim „Ditschen“, da sollte es aber immer Bohnenkaffee sein.
Eine Zeitlang gab es zu DDR-Zeiten auch den „Mischkaffee“, ein Produkt aus irgendwelchen Ersatzstoffen, die man angeblich mit gemahlenem Bohnenkaffee angemischt, bzw. angereichert haben wollte. Dieses Getränk wurde staatlicherseits beworben und den Betriebskantinen und auch den Gaststätten vom Großhandel bei Bestellung von echtem Bohnenkaffee angeblich ersatzweise, aber in Wirklichkeit zwangsweise mit zugeteilt.
Diesem Kaffee wurde nachgesagt, dass er angeblich blind mache. Nach dem Verbrauch von zehn Päckchen dieser Kaffeesorte hätte man sogar automatisch Anspruch auf einen Blindenhund. Ich muss dieses bösartige Gerücht leider bestätigen, denn auch ich konnte dieses Zeug schon von Anfang an nicht ersehen, obwohl ich noch gar nicht davon getrunken hatte. An Bohnenkaffeesorten bekam der DDR-Bürger-Sachse drei Sorten im Laden. Die billigste Sorte war „Kosta“, dann kam „Rondo“ und schließlich „Mona“. „Kosta“ gab es nach einiger Zeit als Ware nicht mehr, weil zu billig. Er wurde dann mit staatlicher Genehmigung in der Rondo-Tüte zum Rondo-Preis verkauft. Der Unterschied zwischen den beiden Sorten war sowieso nie feststellbar gewesen. Dafür kam anschließend die Sorte „Melange“ dazu. Dieser Kaffee bestand aus normal gerösteten Bohnen, denen ein bestimmter Prozentsatz karamellisierter Bohnen beigemischt war, wodurch ein besserer Geschmack erreicht werden sollte.
Ich weiß nur noch, dass die älteren Damen, die das nicht wussten und auch nicht begriffen hatten, es eventuell auch nicht begreifen wollten, und denen man diesen „Melange“ angedreht hatte, anschließend zuhause saßen und damit befasst waren, diese „Schwarzen Bohnen“ aus diesem Kaffee herauszulesen, bevor sie ihn sich in der Schlag- oder Handmühle pulverisierten. Die wussten noch aus der Vorkriegszeit und von ihren Müttern, die ihren Rohkaffee noch selbst in der Bratpfanne geröstet hatten, dass schwarzgebrannte Bohnen den Kaffee ungenießbar machen. Dieses Risiko gingen sie nicht ein, nicht bei den Kaffeepreisen der DDR, wo für ein Kilo Kaffee der niedrigsten Preisklasse immerhin ein ziemlich großes Stück der Monatsrente drauf ging.
An weiteren Kaffeesorten gibt es außer dem „Blümchenkaffee“ noch den „Muckefuck“. Hierbei handelt es sich um Zubereitungsformen, die abweichend von den vorgenannten Sorten, nichts mit den verwendeten Materialien zu tun haben.
Blümchenkaffee ist schnell erklärt. Bei diesem Kaffee kann man auch bei einer bis zum Rand gefüllten Tasse noch bis auf den Boden sehen, wo sich bei geblümt gemustertem Kaffeegeschirr die gemalte Blüte einer Blume befindet. Beim „Muckefuck“ scheiden sich allerdings die Geister. Die einen behaupten, dass der Name davon herrühre, was Insekten mit den Blumenblüten bei der Befruchtung anstellen. Ihnen hat man das wohl nicht mit Mücken, eher mit Bienchen und Blümchen erklärt, wie das im Tier- und Pflanzenreich mit der Befruchtung läuft, obwohl doch außer den Insekten kein Tier darauf käme, sich zwecks Vermehrung mit einer Pflanze abzugeben. Bösartige Menschen behaupten allerdings, dass „Muckefuck“ von der Wirkung dieses Gesöffs abgeleitet wäre. Erklären werde ich Ihnen das nicht. Sicher ist jedoch: Bohnen, oder sogar Kaffeebohnen haben mit der Zubereitung von „Muckefuck“ nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Der berühmteste sächsische Kaffee ist allerdings der sogenannte „Lange Kaffee“. Nachstehend nun endlich das Rezept für seine Herstellung:
SÄCHSISCHER „LANGER KAFFEE“
Man nehme eine geröstete Kaffeebohne (möglichst Westkaffee) und binde sie an einem längeren derben haltbaren Bindfaden fest. Jetzt nehme man einen beliebigen sauberen Topf, fülle ihn mit sauberem Trinkwasser und bringe das Wasser in dem Topf zum Kochen. Die Wassermenge ist dabei frei gestellt. Das richtet sich danach, wie viel Kaffee man braucht. In der Zwischenzeit binde man den Faden mit der Kaffeebohne am Fensterkreuz des geöffneten Fensters fest, dass sie leicht und frei, allerdings nicht zu weit ausschwingen kann. Nun ist die Küchengelegenheit so einzurichten, dass die Sonne den Schatten der frei hängenden Kaffeebohne auf die Oberfläche des in der Zwischenzeit siedenden Wassers werfen kann. Die Stärke des Kaffees können Sie jetzt mit der Dauer des Vorganges regulieren. Bei starkem Sonnenschein wird der Kaffee stärker, weil da auch der Schatten der Bohne dunkler ist. Bei etwas trübem Wetter mit schwächerem Schatten müssen Sie das zeitlich eben etwas länger ausdehnen. Falsch machen, können Sie dabei kaum etwas und zu stark geratener Kaffee lässt sich bekanntlich mit heißem Wasser leicht verdünnen.
Es empfiehlt sich anfangs etwas vorsichtig mit dem zubereiteten Getränk umzugehen, um bei zu starkem Ansatz eventuellen Überhitzungen des Gemütes vorzubeugen. Setzen Sie sich, bevor Sie den Trunk genießen auf alle Fälle erst einmal in einen stabilen Sessel. Da können Sie sich nichts tun, falls Ihnen von der Stärke des Getränkes eventuell schwindlig werden sollte und Ihnen nach Umfallen ist. Die Bereithaltung eines mit kaltem Wasser angefeuchteten Handtuches, um es sich im Notfall kühlend auf die Stirn zu legen ist immer empfehlenswert. Auch ein Waschbecken, mit kaltem Wasser gefüllt, in welches Sie Ihre Füße zwecks Ableitung überschießender körperlicher Hitze stellen können, sollte bereit stehen.
Auch beim Kaffeegeschirr beachten Sie das bitte. Nehmen Sie als Trinkgefäß möglichst einen stabilen Kaffeetopf, ersatzweise auch eine sogenannte Mitropa-Tasse mit einer ausreichenden Wandstärke, damit das starke Getränk es nicht beschädigen kann und die Tasse Ihnen beim Eingießen nicht zerspringt.
Und dann noch: Trinken Sie diesen Kaffee langsam und nur in ganz kleinen Schlucken…
Dieses Rezept habe ich extra für Sie aus dem Sächsischen übersetzt. (Bei dieser Art des sparsamen Kaffeegebrauches reichte bei uns zuhause ein Päckchen Westkaffee, ab Silvester gerechnet mindestens so lange, bis so kurz vor dem darauffolgenden Jahr zum Weihnachtsfest das nächste Westpäckchen kam.)
Haben Sie das jetzt alles so gemacht, wie ich Ihnen das vorgegeben habe? Nein? -… Dann holen Sie es bei Gelegenheit nach. Es entgeht Ihnen sonst etwas, und wenn es das Aha-Erlebnis ist. Eins habe ich aber noch vergessen, zu sagen: Wenn der Sachse sich sein „Schälchen Heeß’n“ macht, dann spart er an allem, bloß nicht am Zucker, denn am wichtigsten ist: „Sieße muss er sein…“
Über solche Sachen wie „Kaffeeklatsch und „Kaffeekränzchen“ erzähle ich Ihnen lieber nichts. Das sind mentalitätsund örtlich gebundene Traditionen, die man nur erlebt haben kann. Das vermag niemand nur mit Beschreibung zu veranschaulichen oder sogar zu inszenieren, höchstens eine richtige „Kaffeetante“.
Dieser ganze neuere Quatsch mit den neuen Kaffeeanmischungen und ihren Bezeichnungen in perfektem Ausländisch, davon kriegen Sie höchstens Magengeschwüre, wenn nicht noch Schlimmeres.
Kaffee lässt sich auch heute noch unkompliziert aufbrühen. Es muss ja nicht unbedingt die DDR-Variante des „Kaffee Türkisch“ sein, die nur deshalb überall ausgeschenkt wurde, weil es keine Kaffeemaschinen gab, um ordentlichen Kaffee zu filtern.
Kennen sie nicht mehr? Kennen Sie doch: Tasse, einen Kaffeelöffel gemahlenen Kaffee rein, mit kochendem Wasser aufgefüllt. Fertig. Schmeckte scheiße, sah aus wie Abwaschwasser, aber wenn Sie den Satz auch noch mit weggelöffelt hatten, dann war das ein Muntermacher erster Güte. Es sei denn, Sie stehen auf „Kaffeesatzlesen“, zu dieser Wahrsagemethode eignet der sich nicht nur, sondern darf auch nur so zubereitet sein.
Die Legende besagt, dass Friedrich der Große den Siebenjährigen Krieg nicht gewonnen hätte, wenn es nicht das Geheimnis des „Sächsischen Kaffees“ gegeben hätte. Warum sich die sächsischen Truppen am 12. Oktober 1756 bei Pirna kampflos zurückzogen, statt die einmarschierten Preußen zu bekämpfen, anschließend bei Königstein über die Elbe setzten, um sich unterhalb des Liliensteins auf der Ebenheit niederzulassen, war schon sehr verwunderlich. Statt nun diese Stellung gegen die sie nun einkesselnden Preußen wenigstens andeutungsweise zu verteidigen, kapitulierte dann die ganze sächsische Armee am 16. Oktober und ließ sich gefangen nehmen. Und das direkt vor den Augen ihres Kurfürsten und obersten Befehlshabers, der sich persönlich in ihrer Sichtweite auf dem Königstein vor den Preußen in Sicherheit gebracht hatte.
Friedrich der Große sah seinen Weizen blühen. Er rekrutierte nun diese ganze Armee, welche ihm so kampflos in den Schoß gefallen war für sich und schlug sie seinen Truppen zu. Dadurch stieg seine Truppenstärke erheblich.
Nun würde man hinter diesen Ereignissen, die am Ende kriegsentscheidend waren, alles Mögliche vermuten, aber doch nicht, dass es am „Sächsischen Kaffee“ gelegen hätte.
Da gibt es Naheliegenderes. Beispielsweise, dass der sächsische Kurfürst als Reichsmarschall im Dienste der Kaiserin Maria Theresia sich nicht in diesem Konflikt, in dem es immerhin um die Herrschaft über Schlesien ging, seine militärische Hausmacht für die Habsburger verheizen wollte. Dem lag nicht so viel an einem Krieg, dazu noch auf seinem eigenen Gebiet, und schon gar nicht an einem Stellvertreterkrieg. Sollte sich doch die Kaiserin einen anderen Dummen suchen, der ihr die Kastanien aus dem Feuer holt. Nicht ganz von der Hand zu weisen wäre auch der Einwand, dass die Sachsen auf das Entsatzheer der Österreicher warteten, um gegen die Preußen eine Chance zu haben, und dann aufgaben, als Friedrich dieses Heer geschlagen hatte.
Die wahre Ursache kam schnell zu Tage und war ganz anderer Natur. Es muss bei der sächsischen Armee ein Versorgungsproblem gegeben haben. Nicht dass sie kein Pulver ge