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Die Entstehung des Christentums - Eine zufällige Panne der Tagespolitik des 1. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung? Die Geburt der abendländischen Religion der letzten zwei Jahrtausende - Ein unbeabsichtigtes Versehen? Das Neue Testament der Bibel als Kriminalbericht. Am Anfang stehen der Freiheitsdrang eines Volkes und der ewige Traum vom starken Mann, der die Welt wieder in Ordnung bringt. Am Ende trennen sich eine Sekte und eine Religion voneinander, um sich gleichberechtigt nebeneinander weiterzuentwickeln. Es ist die Geschichte des Christentums im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Lesen Sie vom Machtkampf einer Elite im Spannungsfeld politischer und privater Interessen und dem gnadenlosen Ausleseprozess unter diesen Führenden. Lesen Sie vom zweifachen Versuch, eine terroristische Bewegung zu unterlaufen, wie daraus eine neue Religion entsteht, und das alles mit der Katastrophe eines ganzen Volkes verflochten ist. Das ist ein Sachbuch, eine Safari durch die Texte. Hier werden keine Träume verkauft, sondern auf der Basis ermittelter Fakten, historischer Tatsachen und überlieferter Texte Irrtümer ausgeräumt, Hintergründe aufgedeckt und neue Schlussfolgerungen gezogen. Vollziehen Sie nach, wie Geschichte entsteht.
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Seitenzahl: 1209
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Dieses Buch enthält eine kriminalistische Untersuchung des Neuen Testamentes unserer Bibel auf seine historische Substanz, die Auflistung der ermittelten Tatbestände und neuen Erkenntnisse.
Im Vergleich der Texte des Neuen Testamentes mit den Schriften des Flavius Josephus wird der Entstehung des Christentums über den historischen Nachweis der Identität seiner wichtigsten Apostel der Person des Jesus von Nazareth nachgegangen, was zu manchen unliebsamen Entdeckungen führt.
Aus der Untersuchung ergibt sich, dass die Kreuzigung des essenischen Verschwörers Jehoshua bar Joseph aus Bethsaida zwar auslösendes Moment für die Verkündigung der christlichen Lehre war, man aber ursprünglich keineswegs eine neue Religion begründen wollte, sich die Entstehung des Christentums nur aus den politischen Zwängen der Tagespolitik des Römischen Reiches im ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung erklären lässt, und die weitere Herausbildung des Christentums unter dem Deckmantel des Glaubens vorrangig ein Kampf um politische Schadensbegrenzung, politische Positionen und Machterhalt war.
Auf der Basis neu ermittelter Fakten, historischer Tatsachen und überlieferter Texte werden hier Irrtümer aufgeklärt, Hintergründe aufgedeckt und neue Schlussfolgerungen gezogen.
Es erhebt sich die Frage, ob die Geschichte der Entstehung des Christentums nicht von Grund auf neu geschrieben werden müsste, um ihm seinen Platz in unserer Kultur und damit seine Existenz auch im 3. Jahrtausend zu sichern.
Eine spekulative Ermittlung auf den Spuren der Apostel
Einführung in die Problematik
Antike Religionen als Basis des Christentums
Das Menschenopfer
Patriarchalische Bräuche
Wurzeln des Christentums
Die Messiaslegende
Die Hinweise aus den Qumrantexten
Wie eine neue Religion entsteht
Das Neue Testament
Das Markus-Evangelium
Das Matthäus-Evangelium
Das Lukas-Evangelium
Die wahre Mission des Jesus von Nazareth
Die Apostelgeschichte des Lukas
Wer war Paulus tatsächlich?
Was in der Apostelgeschichte wirklich steht
Simon Petrus und Simon Kephas
Die Heidenmission, ihre wahren Ursachen und Gründe
Die Intrige um die Ermordung des Ananias
Zur personellen Struktur des Vorstandes der Urchristen
Der historische Bericht des Flavius Josephus
Religionsvarianten des jüdischen Glaubens, das Christentum und die Essener
Der Judäische Krieg
Die Vita des Josephus, Jochaanan bar Levi, Simon Petrus und Simon Kephas
Das Testimoniumproblem und die Erarbeitung der Evangelien
Die Rolle der Flavier
Johannes der Jünger
Das Evangelium des Johannes
Johannes, die Evangelien und Rom
Maria und Maria Magdalena
Die Aktion Judas Iskariot
Der Beweis des Michelangelo Buonarotti
Panorama eines Lebenswerkes
Der Hebräerbrief
Offenbarende Rückschau
Das Credo des Johannes
Auferstehung und Himmelfahrt Christi
Der Ausweg und das Dilemma des Johannes
Die Entstehung des Christentums
Jesus von Nazareth, und Jesus Christus
Die Paulusproblematik des christlichen Glaubens
Das Dilemma der Kirche, und wie sie sich mittels der Paulusbriefeden christlichen Glauben ausformte
Zur Sicherheit der Chronologie des Neuen Testamentes am Beispiel der Geburt Jesu
Schlusswort
Anhang
Ursachen, die zur Entstehung des Christentums führten
Die Schriften des Neuen Testamentes
Entstehung der Schriften und ihre Überarbeitung
Personenkonstellationen
Identitäten der wichtigsten Personen
Weiterführende und Quellenliteratur
Die
in diesem Buch gezogenen Schlussfolgerungen
basieren auf der Auswertung anerkannter,
öffentlich zugängiger und allgemein verbreiteter
geisteswissenschaftlicher Darstellungen und Erkenntnisse.
Die Diffamierung oder Diskriminierung gegenteiliger
Auffassungen oder Überzeugungen sind weder beabsichtigt,
noch wissentlich erfolgt.
Die Daten und Fakten aus der im Anhang
aufgeführten Literatur und einschlägiger Artikel
aus Internetenzyklopädien wurden inhaltlich entsprechend
dem Ziel dieser Arbeit ausgewertet.
Die logische Nachvollziehbarkeit der Ereignisse
erforderte deshalb oft neue Deutungen,
die nicht immer dem entsprechen,
worüber die Autoren der jeweiligen Basisschriften
zu informieren beabsichtigten.
Es wird keinerlei Anspruch auf die Richtigkeit
der hier vorgestellten Hypothesen erhoben,
die sich aus den historischen Abläufen ergebenden Schlüsse
rechtfertigen aber deren öffentliche Darlegung.
Der Inhalt dieses Buches soll auch keineswegs
eine abschließende Behandlung
der Thematik darstellen, sondern den Interessierten, die noch suchend
unterwegs sind, auf der Basis neuer Erkenntnisse eine Richtung
für weitere Forschungen aufzeigen.
Hier wird nur versucht, eine zurzeit
immer noch mit
Denkverboten belegte Hypothese erstmals
ohne Angst zu Ende zu denken.
Ihr werdet die Wahrheit erkennen,
und die Wahrheit
wird euch frei machen.
Johannes 8, 32
Mit überlieferten Lügen aufräumen zu wollen, wenn man sie nicht mehr erhören kann, ist eine starke geistige Triebkraft. Im Klappentext zu Rolf Hochhuths „Julia oder Der Weg zur Macht“ fand ich folgende Stelle: Als er die Darstellungen der goldenen römischen Zeit durchforschte, … musste er feststellen, dass sich die kriminellen Energien der Täter in die Ideologie der Denker verwandelten, dass aus Monstern Heroen, aus Opfern der Politik Sittlichkeitsverbrecher wurden.
In dem genannten Buch versucht Hochhuth auf der Basis der überlieferten Faktenlage unabweisbarer historischer Tatsachen und unter Zugrundelegung fundamentaler menschlicher Verhaltensweisen, die sich seit Jahrtausenden nur unwesentlich verändert haben dürften, den Mief auszulüften, den das viktorianische Zeitalter für uns bezüglich der Interpretation antiker Geschichte hinterlassen hat. Er nimmt einfach das, was der Historiker Theodor Mommsen seinen Zeitgenossen über das Zeitalter des Augustus weismachen wollte, und stellt es in das Licht der Augenzeugenberichte dieses Zeitalters.
Unter entsprechenden Seitenhieben auf das Geschichtsverständnis des 19. Jahrhunderts entwickelt uns Hochhuth dann daraus das Panorama einer Hölle der Intrigen und des Machtkampfes im alten Rom, welches leider so real wie beschrieben gewesen sein muss, weil es endlich nachvollziehbar alles das erklärt, was wirklich passierte. Dabei muss gesagt werden, und auch Hochhuth plädiert dafür, dass diese Zeit des Augustus für den Bürger des römischen Reiches eine der friedlichsten in der Geschichte Europas gewesen ist. Augustus machte die pax romana zur Grundideologie seines Reiches: Frieden im Inneren, um alle Kraft gegen äußere Feinde frei zu haben. In wie weit dieser damalige innere Frieden ein Gewaltfrieden war, steht hier nicht zur Debatte. Die Bestandserhaltung jedes Staatswesens erfordert nun einmal bestimmte Regelungen. Auch uns zwingt das Gesetz bei aller Freiheit letztendlich den Rechtsfrieden auf, um die Funktion der Gesellschaft zu sichern. Mit dem Bemühen um eine ebenso forschend hinterfragende und nichts als endgültig betrachtende neutrale Grundhaltung wie die Hochhuths werde ich mich jetzt an die Untersuchung dessen machen, was wir als historische Grundlagen unserer christlichen Religion betrachten, was wir vereinnahmt und verinnerlicht, und, ohne es selbst tiefer befragt zu haben, als gesetzt annehmen.
Die Vorgänge, welche hier untersucht werden, spielten sich in, oder unmittelbar nach dieser Zeit des Augustus ab. Es ist demzufolge vorauszusetzen, dass sich die Menschen des 1. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung im römischen Reich allgemein so verhielten, wie es uns Hochhuth aus den Aufzeichnungen der Augenzeugen herausfiltert und in seinem Buch beschreibt. Man darf aber dabei nie vergessen, dass alle Berichterstattung eine interpretierende ist. Sogar eine Originalaufnahme in Bild und Ton kann keineswegs das unmittelbare Erlebnis des Augenzeugen vermitteln. Wir bekommen nur vorgeführt, was sich davon für uns an direkter Information technisch erhaschen ließ. Wir können nichts über die Zusammenhänge wissen, in denen das passierte, was wir vorgeführt bekommen. Es muss uns erst erklärt werden. Gut und Böse sind dabei schon entscheidende Interpretationen. Man muss immer fragen: Wer berichtet mir hier wovon und aus welcher Motivation heraus. Information ist nie zweckfrei.
Als Deutscher war ich beispielsweise in der Zeit der Spaltung Deutschlands, die auch mit der Zeit des sogenannten „Kalten Krieges“ zusammenfiel jahrzehntelang den sich eklatant widersprechenden Berichterstattungen der sich in gegenseitigen Unterstellungen zu überbieten versuchenden westlichen und östlichen Massenmedien ausgesetzt. Diese oft einpeitschende Beeinflussung erfolgte erst mittels des Rundfunks und später noch stärker durch das Fernsehen. Im Osten war es am Ende schon zum Reflex geworden, als erstes bei einer Nachricht zu fragen, aus welcher Richtung sie kam, um sie werten und einordnen zu können.
Nach Aristoteles ist der Mensch ein politisches Tier. Er leitet das von Polis ab, dem griechischen Gemeinwesen, dem Stadtstaat. Die Geschichte wird zwar von Menschen gemacht, wobei meist die Namen derer, welche die Herrschaft ausübten, überliefert sind. Die waren aber auch von dem abhängig, was aus ihrer Herrschaftsausübung resultierte. So gab und gibt es immer eine Wechselwirkung zwischen den Herrschenden und der regierten Masse, deren resultierenden Ergebnisse sich dann zu Geschichte verdichten. Die Fokussierung der aus der antiken Tradition erwachsenen bürgerlichen Geschichtsschreibung auf die Aktionen und überlieferten Strategien der Herrscher verklebt uns dabei oft die Sicht auf die unterschwelligen und langzeitlichen Trends der Entwicklung.
Die in der parallel dazu auf den Klassenkampf orientierte sogenannte marxistische Geschichtsschreibung verfiel dann dem anderen Extrem. Bei ihr war die Masse und was sie bewegte alles, und der Einzelne nichts, was ebenfalls zu Fehlinterpretationen führen musste.
Ich werde versuchen, beide Methoden zu verknüpfen. Bei einer guten Mischung beider Herangehensweisen kommt man dem, was wir Geschichte nennen, schon näher. Es ist zwar der schmale Grat auf des Messers Schneide, auf den man sich dabei begibt, aber es lohnt sich immer, wenn man dadurch einen nüchternen Blick auf das gewinnt, was einst geschah.
Die Schriften der Bibel, und besonders die des Neuen Testamentes können auch nicht als zweckfreie Texte bezeichnet werden. Auch sie wurden aus Gründen erstellt, die nicht dem entsprachen, was ihnen heute von der christlichen Theologie unterstellt wird. Meist ging es um Politik, Macht und Machterhalt. Wenn man also an die Untersuchung der Texte herangeht, dann muss stets gefragt werden, wer könnte das aus welchen Gründen geschrieben haben, bzw., aus welchen Gründen hat er das in wessen Auftrag geschrieben, wobei wir dann schon bei der Frage wären, welche Zwänge das waren, die zum Zustandekommen dieser Texte führten. So viel steht aber fest: Kampfschriften waren die Evangelien ganz bestimmt nicht. Sie hätten sonst nicht überlebt.
Dabei muss festgestellt werden, dass gerade auf dem Gebiet der historischen Forschung zur Wiederherstellung der ursprünglichen Texte des Christentums Großes geleistet wurde. Die dabei aber nie hinterfragte Setzung des Jesus von Nazareth als überragender Akteur, Sohn Gottes und Verkünder der christlichen Idee, hat aber unsere Sicht restlos auf das verbaut, was uns sogar der Text des Neue Testament der Bibel historisch und politisch tatsächlich bietet. Das sind die Zusammenhänge seiner Mission mit den Zwängen der damaligen römischen Herrschaft und der dadurch bestimmten judäischen Tagespolitik.
Die in den Texten des Flavius Josephus enthaltenen historischen Brücken zum Neuen Testament hat man, indem ihm seine nicht abzuleugnende Geschwätzigkeit als Lügenhaftigkeit definierte wurde, bis auf wenige Ansatzpunkte schlicht ignoriert. So wurden bei ihm agierende historische Personen auch nicht mehr als die identifiziert welche uns schon in der Apostelgeschichte und im Rest des Neuen Testamentes mit nur geringem zeitlichem Abstand vorgeführt werden. Aber auch die von ihm beschriebenen Vorgänge, die gesellschaftlichen und religiösen Gruppierungen wurden bisher nicht mit offensichtlich bestehenden Parallelen der Apostelgeschichte in Verbindung gebracht.
Die römische Verwaltung Judäas, der Hohe Rat in Jerusalem und die verschiedenen Glaubensrichtungen der herrschenden Sadduzäer, der Pharisäer und der Essener, die Samaritaner und auch die Herrschaftsbereiche der Tetrarchen, sie alle bildeten nur die sichtbare Herrschaftsfassade, hinter der die Fäden gezogen wurden. Die eigentliche Bevölkerung, ständig zwischen den auf sie einwirkenden Interessen hin- und hergerissen, wurde hauptsächlich als Mittel zum Zweck des Machterhaltes benutzt, was im Zusammenhang mit diktatorischen Herrschaftsmethoden und der daraus resultierenden und damit verbunden, zunehmenden Verelendung dieser Bevölkerung dann zu Widerstand und letztlich zu Aufständen führen musste. Dass diese Masse, wenn man ihre Interessen zusammenfassen und auf ein Ziel zu bündeln versuchte, in einer Zeit, in der die Machtmittel des Staates noch nicht mit dem heutigen Gewaltpotential untersetzt waren, nur mit äußerster diplomatischer Präzision gesteuert werden konnte, berichtet uns vor allem die Apostelgeschichte des Lukas, wenn auch sehr verschlüsselt. Und sie berichtet uns auch, wie unser heutiges Christentum ungewollt entstand, weil man nur mit seiner Hilfe den Geist einer staatsgefährdenden Massenbewegung unter Kontrolle bekommen konnte.
Jeder, der christlich erzogen wurde, kennt die Biblischen Geschichten, diese gefällig aufgemachten Nacherzählungen der Bibel und des Lebens Jesu Christi. Das Original, die Bibel, gibt es zu Millionen und kaum in einem Haus, in dem es Bücher gibt, fehlt sie. Sie wird billig angeboten und auch verramscht, Ehepaaren zur kirchlichen Trauung geschenkt oder für Bibelkurse kostenlos verteilt. Nur darin gelesen wird nicht. Dabei stehen doch in der Bibel wirklich interessante Dinge, die in den Biblischen Geschichten gar nicht erwähnt, und dort oft sogar bewusst ausgeblendet oder nur umgedeutet vermittelt werden.
Es gibt aber noch Menschen, die sich direkt mit der Bibel beschäftigen. Auch die Amtskirchen und die Sekten greifen auf die Bibel zurück. Aber seien wir ehrlich: Die Bibel ist dadurch inzwischen zu einem stillgelegten und als herrenlos angesehenem Steinbruch verkommen, aus dem sich jeder bei Bedarf einen passenden Stein holt. Ihre Texte sind im Lauf der Jahrhunderte abgegrast und auch tausendfach interpretiert worden. Das allgemeine Vorurteil lautet: Wer wollte da noch etwas finden, was nicht schon dutzendfach wiedergekäut wäre. Vor diesem Wort Gottes hat niemand mehr Respekt.
Neuerdings ist man sogar dazu übergegangen, den Basistext der Bibel auf der Grundlage der umlaufenden Interpretationen ihrer Texte neu zu erfinden und auch inhaltlich gezielt umzuformulieren und sie sogar sprachlich dem doch ziemlich wandelbaren Zeitgeist anzupassen, um sie zum noch besser handhabbaren Werkzeug für verschiedenste Interessen zu formen.
Der wichtigste Teil dieser Bibel ist für uns Christen immer noch das Neue Testament. Es enthält die Evangelien und zugehörige Texte, aus denen sich die Basis des christlichen Glaubens herleiten lässt. Es sind aber in diesen Texten auch eine Menge widersprüchlicher Sachen zu finden, die ziemlich vordergründig anderes aussagen, als man uns darüber erzählt. Irgendwann kam mir dabei der Gedanke, dass zumindest hinter der Erstellung eines Teiles dieser Texte ein Plan stecken könnte, der keinesfalls immer aus göttlichen Ratschlüssen entsprang. Beim Lesen schälte sich für mich immer deutlicher heraus, dass es sogar im Neuen Testament mehrere Arten von Verfassern gegeben haben muss, deren Ideen und Absichten sich kaum unter einen gemeinsamen Hut bringen lassen. Die daran arbeiteten, taten das aus unterschiedlichen Motiven und sie verfolgten auch verschiedene Ziele. Diese Ziele waren oft miteinander unvereinbar, und auch die Resultate, gemessen an den ursprünglichen Absichten der Verfasser, undiskutabel. Trotzdem entstand daraus dieser in sich widersprüchliche Block der Basisschriften für die christliche Religion. Vielleicht ist es sogar die dadurch entstandene Vieldeutigkeit der Texte, welche der theologischen Spekulation so entgegenkommt, dass sich der christliche Glaube schon früh großer Beliebtheit erfreute, gerade weil man in diesen Texten bei entsprechend gezielter Suche stets findet, was man gerade braucht. Nachstehend werden diese Texte, die jedem verfügbar sind, einmal auf der Basis anderer, ebenfalls jedem zugänglicher Unterlagen durchleuchtet und dabei ganz im kriminalistischen Sinne den Beweggründen nachgespürt, die zu ihrer Erstellung führten.
Mit seiner überwiegend naturwissenschaftlich-technisch geprägten Ausbildung steht der Mensch unserer Zeit sowieso anfangs verständnislos, ungläubig oder zweifelnd, vielleicht sogar ablehnend vor dem Problem Glauben. Wenn da nicht persönlich, familiär oder erziehungsmäßig Grundlagen vermittelt wurden und Vorbilder aufgestellt waren, dann bleibt er dem Betreffenden sowieso ein Rätsel. Auch bei Religion ist es so wie auf allen anderen Wissensgebieten: Die öffentliche Meinung darüber ist sehr stark davon abhängig, was davon wie gut und mit welcher Intensität der Bevölkerung begreiflich gemacht werden kann, ob man sie überhaupt dafür interessieren kann und in welcher Form diese Vermittlung erfolgt.
Im naturwissenschaftlichen Bereich ist das einfacher, weil die Resultate handgreiflicher und die Inhalte praxisnäher sind als bei Geisteswissenschaften. Ob Religion notwendig ist, wird deshalb immer noch diskutiert und die Idee, ob man an ein göttliches Prinzip hinter dem Allem glauben soll, was unsere Welt ausmacht, steht angesichts der menschengemachten Katastrophen des 20. Jahrhunderts, gerade heute auf dem Prüfstand, ungeachtet der Tatsache, dass wir noch nicht einmal auf naturwissenschaftlicher Basis imstande sind, uns unsere Welt überhaupt erklären zu können, weder im makrokosmischen, noch im mikrokosmischen Bereich. Dabei geht es noch nicht einmal um das Warum sondern sogar nur um das Wie der Existenz und Funktion unserer Welt. Also nicht nur der Zweck, sondern sogar die Funktionsweise ist uns noch unbekannt.
Die heutzutage über das Christentum ausgeschüttete Kritik speist sich bei genauerer Betrachtung einerseits aus der äußeren Organisationsform, der Kirche, dem, wozu sich diese Institution entwickelt hat, und auch aus deren Erstarrung, die sich aus dem über fast zwei Jahrtausende auf ihr und durch sie angesammelten rituellen und dogmatischen Müll und dessen immer weiterer Verkomplizierung ergeben hat. Dieser Ballast hat sich selbst über Reformen weitervererbt, so dass diese Lehre vom Gläubigen, der sich täglich im unerbittlichen Ausleseprozess seiner materialistisch geprägten Umwelt bewähren muss, kaum noch als Lebenshilfe angenommen werden kann, und auch zunehmend nicht mehr angenommen wird.
Andererseits entspringt diese Kritik aus der Konfrontation der Kirchen mit dem immer schnelleren ständigen Umbruch gesellschaftlicher Vorstellungen und Versuchen des Ausbruchs aus der überkommenen Weltsicht. Diese Kritik richtet sich aber nicht gegen den Glauben. Im Gegenteil, es wird allerseits versucht, zunehmend Jesus Christus und die ihm zugeschriebene Botschaft vor der Vereinnahmung für die Interessen von irgendwelchen Organisationen in Schutz zu nehmen. Man will immer wieder zurück zu den Wurzeln, versucht Ballast abzuwerfen, neue Wege christlichen Verständnisses zu beschreiten und gründet damit die nächste Sekte, die wiederum zur Organisation wird, welche dann wieder benutzt oder missbraucht werden kann und auch wird.
Die Organisationen der Kirchen oder die der Sekten sind aber nicht die Religion. Diese Organisationen vereinen in sich nur die Menschen, die sich zu einer Glaubenslehre bekennen, welche mit Hilfe dieser Formen traditioneller und ritueller Verwaltung des Glaubens behütet werden soll. Jede Form von Organisation baut allerdings auf einer ihr innewohnenden oder ihr aufgepfropften Ordnung auf, die sich über Routinen und Rituale dann zu verselbstständigen beginnt, nicht mehr hinterfragt wird, anschließend verknöchert, und am Ende erstarrt.
Die ursprüngliche Erlösungsidee eines Heilands, die uns die Vertreter der Kirche vermitteln sollen, wird dann bei der Abrechnung mit bestimmten kritikwürdigen weltlich bedingten Auswüchsen der Organisation oft ganz verschüttet.
Das Angebot zur Lebenshilfe, wie wir es im Matthäus-Evangelium finden (Mt. 11, 28-30): Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch, und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht, geht dabei meist unter.
Wer im praktischen Leben steht, glaubt andere Sorgen zu haben, und ihm sind diese von mir angesprochenen Spitzfindigkeiten sowieso nicht interessant genug, um sich damit zu befassen. Diese nicht beantworteten existenziellen Fragen drängen sich aber in der prinzipiellen Diskussion zu Glaubensfragen zunehmend in den Vordergrund.
Auch wenn man noch so aufgeklärt ist, wenn man einen Halt im Glauben finden kann, dann wäre es vermessen, diese sich bietende Gelegenheit beiseite zu schieben, weil es vielleicht nicht mehr üblich ist, oder gerade mal wieder aus der Mode. Wer wirklich innerlich am Glauben hängt, der muss leider die Organisation akzeptieren, sofern sie ihn nicht für sich oder zu Gunsten anderer zu versklaven versucht. Geglaubt wird immer. Selbst der Atheist glaubt. Die Frage ist nicht, ob, sondern woran. Wer glaubt zu wissen, der wisse: Er glaubt.
Wie stark selbst unser tägliches Leben von Ungewissheit durchsetzt ist, und wir es nur mit Hilfe von uns zugrundegelegter Annahmen im Rahmen dessen, was wir als gewiss gesetzt haben, zu bewältigen vermögen, indem wir auf diese Annahmen aus der Gewohnheit oder Erfahrung heraus vertrauen, ist kaum jemand bewusst.
Glauben ist also nichts Besonderes. Es gibt aber Dinge, an denen wir uns stoßen, weil sie der Logik unserer Erfahrung widersprechen. Dort sollten wir unseren kritischen Verstand einsetzen. Die beispielsweise so hochgespielte Frage der Kirche, ob es die Jungfrauengeburt im Zusammenhang mit Jesus gab, oder ähnliche Behauptungen, sind beispielsweise für meine eigene Glaubensauffassung absolut nebensächlich.
Wo aber solche Thesen herkommen, wie beispielsweise die neuerdings auch von christlicher Seite gepredigte rückhaltlose Feindesliebe der Gutmenschen, die sie blind und kritiklos aus den Evangelien übernehmen, Jesus Christus damit zum alles rechtfertigendem Weichei hochstilisierend, eventuell noch zum pazifistischen Edelanarchisten des gewaltlosen Widerstandes und ähnlicher Unsinn, das interessiert mich schon.
Feindesliebe und Feindschaftsverbot sind nämlich zwei ganz verschiedene Sachverhalte und von allgemeinübergreifender existenzieller Bedeutung für das Christentum, und das nicht nur im Tagesgeschäft, sondern auch in der Konfrontation der Konfessionen. Jesus war nicht der gottinnige Narr oder sogar das süße Jesulein, mit dem man die Kinder einlullt. Das ist alles später aus den durchsichtigsten Gründen auf die Berichte von den tatsächlichen Vorgängen aufgepfropft worden. Glauben darf nicht zur Verdummung führen.
Die Kreuzigung Jesu auf direkten Befehl des Pilatus ist die einzige historisch nachgewiesene Tatsache zu Jesus von Nazareth, wobei man sich bisher noch nicht einmal auf das Jahr einigen konnte, in dem das geschah. Alles andere wissen wir nur aus Schriften, die erst Jahrzehnte nach seinem Tode niedergeschrieben wurden. Aus diesen Schriften kennen wir aber nun sogar die Uhrzeit, zu der Jesus starb, wer dabei war und auch, was Jesus zuletzt noch am Kreuz sprach, wobei sich die verschiedenen Berichte dazu extrem widersprechen.
Die christliche Religion baut weiterhin auf ganz spezifischen Besonderheiten auf. Im Zentrum der ganzen Lehre vom Christus steht der brutale Vorgang des Blutopfers Jesu, welches nach den erst sehr spät niedergeschriebenen Evangelien durch den Verrat des Judas Iskariot ausgelöst worden sein soll. Jesus und Judas bilden deshalb in unserer Vorstellung eine Einheit. Der eine ist ohne den anderen schon nicht mehr denkbar. Die mit dem Verrat des Judas ausgelöste Ereigniskette Kreuzigung, Tod, Auferstehung und Himmelfahrt Christi und der damit verbundene Start für das Christentum ist ein theologischer Nullpunkt. Alles, was die Evangelien erzählen, führt auf diesen Punkt zu, aus dem anschließend alles hervorgeht: Ausgießung des Heiligen Geistes, Gründung der Urchristengemeinde und Mission. An dieser Stelle setzt dann die Theologie an, deutet uns die Vorgänge aus der Glaubenssicht und beginnt nun die voraufgegangene Historie durch religiöse Umdeutung für sich zu vereinnahmen.
Es gab bereits unzählige Versuche, die Historie des Christentums rückwirkend aus den Dokumenten wieder zu rekonstruieren. Da man sich aber scheute, ganz normale Alltagsmaßstäbe an die überlieferten Fakten anzulegen, mussten diese Versuche scheitern. Kein Autor wagte es, die Person des Jesus von Nazareth als Sohn Gottes zu bezweifeln, was gleichzeitig verhinderte, ihn als normalen, wenn auch herausragenden Menschen seiner Zeit zu sehen.
Eine Jesusbiografie in der Form, wie sie uns von Buddha oder Mohammed vorliegen, wäre im kirchlich-christlichen Sinn eine Gotteslästerung. Selbst die, welche die historische Existenz des Jesus von Nazareth bezweifeln, halten an der religiösen Denkfigur eines Jesus fest. Ich dagegen halte an der Historizität des Jesus fest und werde versuchen, neben dem Christus des Glaubens auch den historischen Jesus und vor allem den Menschen Jesus aus den Dokumenten zu rekonstruieren, woraus sich in Verbindung mit dem, was in seinem Umfeld geschah, zwangsläufig das ergibt, was zur Gründung der Urchristengemeinde und zum christlichen Glauben führt. So wurde beispielsweise nie konkret hinterfragt, weshalb der historische Jesus in den Paulusbriefen so konsequent ausgespart ist. Die theologischen Interpretationen dazu kann man sich sparen. Sie sind ohne historische Substanz. Ein Missionar wie Paulus hätte es mit seiner Mission aus unserer Sicht bedeutend leichter gehabt, falls ihm das Material der später erstellten Evangelien schon zur Verfügung gestanden hätte, was aber nicht der Fall gewesen sein kann. Für mich ist das schon ein entscheidender Ansatzpunkt für eine Untersuchung.
Dazu kommt noch der seltsam anmutende Umstand, dass Paulus bisher historisch nirgendwo nachweisbar ist. Er ist zwar im Neuen Testament in einen, wenn auch schwachen Rahmen historischer Daten und Personen eingebettet, aber die historischen Dokumente aus dieser Zeit scheinen über ihn zu schweigen.
Noch eigenartiger ist die sich einem beim Lesen der Apostelbriefe, und besonders der des Paulus die Annahme aufdrängt: Paulus habe die Evangelien, welche nachweisbar erst später geschrieben wurden, schon gekannt, weil seine Brieftexte nahtlos an dem anschließen, was in den Evangelien nur angedeutet ist, und es weiterentwickeln, was historisch und auch aus den Texten heraus als unwahrscheinlich anzusehen wäre. Das fällt auch deshalb kaum auf, weil die Apostelbriefe im Neuen Testament erst nach den Evangelien und auch nach der Apostelgeschichte des Lukas eingeordnet sind. Ohne die Informationen der vorangestellten Evangelien wären die Apostelbriefe nämlich unverständlich. Um den Beweis der Historizität der Vorgänge um die Entstehung des Christentums zu erbringen, werde ich mich dazu weitgehend nur mit Begebenheiten des 1. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung befassen und nur bei Vorgängen, welche als abfälschende Rückprojektionen aus dem 2. Jahrhundert auf die Überlieferungen einwirkten, diesen Einfluss zu benennen und auszuräumen versuchen. Denn nur im 1. Jahrhundert finden wir auch die Hintergründe, welche für die Entstehung der christlichen Religion entscheidend waren. Dabei ist es erforderlich, den politischen und religiösen Motivationen des in diese Sache verwickelten Personenkreises nachzugehen, um gleich am Anfang einiges von dem Müll zu beräumen, der schon in die Lehre geriet, bevor sich noch die Kirchenväter an ihre Arbeit machten.
Das hat nichts mit Umsturzabsichten zu tun. Die immer wieder gegen die Religion laufenden Wellen des Atheismus interessieren mich auch nicht. Gott, das ist das, worüber hier ab und zu geschrieben wird. Er ist aber nicht mein Untersuchungsgegenstand. Es besteht auch nicht die Absicht, mit diesem Buch den christlichen Glauben anzugreifen. Hier wird nur den Motiven und Taten der Menschen nachgespürt, die am Anfang, an der Schwelle der Tür stehen, durch welche die Menschheit in den christlichen Glauben eintritt. Man bekommt bei solchen Untersuchungen aber sehr oft das Gefühl, sich plötzlich frei schwebend über einem Abgrund zu befinden, wo eben noch ein felsenfestes Fundament zu sein schien. Es ist nicht jedermanns Sache, sich auf solche Dinge einzulassen.
Betrachten wir es so: Wenn ein Uhrmacher eine Uhr öffnet, dann geschieht das keineswegs in der Absicht, dem Geheimnis der Zeit auf die Spur zu kommen. Er kann nur dem Geheimnis eines Mechanismus nachspüren, der für uns die Zeit einteilt und sie dann für uns anzeigt. Genau so wird hier dem nachgegangen, was uns ursprünglich von unseren Vorfahren geistig konstruiert und überliefert wurde, um dem Christenglauben eine Basis zu geben.
Hauptabsicht ist, diese Zeit in der das Christentum entstand, aus sich selbst heraus zu erklären. Dazu müssen wir uns in diese Zeit, in die Handelnden und deren Motivationen hineinversetzen, in deren Gegenwart von damals. Viele ihrer Verhaltensweisen werden uns dann bekannt vorkommen und es wird uns Vieles begreiflicher werden, wenn wir an die damaligen Probleme so herangehen, als ob sie gerade anstehen. Wir werden am Ende feststellen, dass sich die Bibel, vor allem das Neue Testament, dann mit ganz anderen Augen liest.
Auch wenn das, was wir Glauben nennen, hier sehr auf die Probe gestellt wird, weil sich das Christentum und sogar die verschiedenen Glaubensbekenntnisformen dieser Religion ziemlich vordergründig auf historische Fakten zu beziehen scheinen. Wer wirklich Christ ist, den wird es nicht ernsthaft erschüttern. Glauben ist eine Frage des Charakters. In wie weit dieser Glauben für den Einzelnen tatsächlich verbindlich an Dogmen, Ritualen und Mythen festgemacht ist, ohne die es im Zusammenleben der Menschen nun einmal nicht geht, ist Demjenigen selbst überlassen. Wer seinen Glauben an Äußerlichkeiten hängt, dessen Glaube steht sowieso auf tönernen Füßen. Gott ist mehr. Um bei dem gerade gezogenem Vergleich mit der Uhr zu bleiben: Wir glauben doch auch nicht, dass die Zeit stillsteht, nur weil unsere Uhr plötzlich abgelaufen oder kaputt ist.
Das hier ist eine Denkschrift zur Selbstverständigung als Mensch in unserer Zeit. Wir müssen nicht alles kritiklos annehmen, was man uns zumutet, sondern uns einen Standpunkt, eine innere Basis schaffen, von der aus wir unser Leben einigermaßen organisieren können, eine ethische Mitte. Wer das will, muss das aber auch wirklich aus sich selbst heraus schaffen. Die Idee des Jesus Christus, auch wen mich mit ihm vielleicht etwas intensiver beschäftigen werde, als Manchem lieb sein wird, eignet sich dafür bestens und ist für mich etwas, was man erfinden müsste, wenn es sie nicht schon gäbe.
Auf unserer Welt geht es zu der Zeit, als das Christentum entsteht auch nicht viel anders zu als heutzutage. Wir werden es mit Menschen zu tun bekommen, die sich in unserem Sinne schon sehr modern verhalten, obwohl sie es doch gar nicht dürften, wenn wir uns unsere Illusionen über sie bewahrt wissen wollten. Es ist das Unmittelbare, was ich suche und was sich aus der Lesung tradierter Texte ergibt, wenn man sie unbefangen gedanklich abklopft und im Umfeld ihrer damaligen Wirklichkeit betrachtet, und nicht von vornherein im Lichte ihnen nachträglich untergeschobener theologischer Deutungen liest.
Erschwerend für meine Untersuchung war, dass unser Christentum wie es derzeit im Neuen Testament steht, nicht das des Jesus Christus, sondern das des Paulus zu sein scheint. Die größte Schwierigkeit, die ich bei der Textauswertung hatte, war die Ausblendung der paulinischen Sichtweise, von der die christliche Theologie durchtränkt ist. Das war für mich aber die einzige Möglichkeit, um zur historischen Basis durchzudringen. Die paulinische Theologie hat uns nämlich mit der darin vordergründig verbreiteten Erlösungslehre in Verbindung mit dem kommenden Christus den ursprünglichen Ansatz zur tatsächlichen Einsetzung des Christentums so stark überformt, dass alles, was nicht mit Jesus und der ihm unterstellten religiös gedeuteten Verheißungen direkt in Verbindung zu bringen ist, fast aus unserem Gesichtskreis verschwindet.
Damit entgeht uns aber auch Vieles, was uns manche Sachverhalte und Vorkommnisse erklären könnte, die uns unverständlich erscheinen müssen, weil die Akteure im Schatten Jesu operierten. Aber nur der, welcher sich intensiver mit der Rolle dieser Akteure befasst, erhält neue Ergebnisse.
Als ich mich beispielsweise bei der Untersuchung der Rolle der Jesusjünger dem historischen Johannes zu nähern versuchte, stieß ich fast zwangsläufig auf die Spuren des Judas Iskariot. Die Analyse der Texte der Bibel in Verbindung mit den historischen Berichten lassen vermuten: Judas Iskariot hat es wahrscheinlich nie gegeben, aber der Mensch, der im entscheidenden Moment vorübergehend hinter der vorgeschobenen Figur des Judas Iskariot agiert, war andererseits für das Christentum von ausschlaggebender Bedeutung.
Dieser tatsächliche Judas hat sich damals entgegen aller Zuschreibungen der Apostelgeschichte und der Evangelien des Neuen Testamentes nicht umgebracht. In hohem Alter ist er nach einem langen bewegten Leben, und im Bewusstsein etwas wirklich Bleibendes geschaffen zu haben, im Kreise seiner ihn anbetenden christlichen Anhänger friedlich entschlafen.
Er hat sogar ganz gezielt entscheidenden Einfluss auf die weitere Ausbildung der christlichen Religion genommen und unser Jesusbild und damit den christlichen Glauben stärker beeinflusst, als es uns bewusst ist. Es wird sich herausstellen: Unter der Regie des Mannes, der Judas Iskariot war, wurden überhaupt erstmals die wichtigsten schriftlichen Grundlagen unseres Glaubens erstellt und uns zumindest die Basis dieses Glaubens damit maßgebend gestaltet.
Damit scheint alles auf den Kopf gestellt zu sein, was wir an Vorstellungen über die Entstehung des Christentums verinnerlicht haben. Um das zu erkennen, muss man in einem Maße umdenken, wie wir es uns gerade in Glaubensdingen verbieten. Vor allem macht es sich erforderlich, die Mission des Jesus von Nazareth näher zu betrachten und genauer zu prüfen, welche sie wirklich war. Der historische Jesus von Nazareth, so werden wir feststellen, hat mit dem, was derzeit in unseren Kirchen gepredigt wird, absolut nichts zu tun. Das, was wir als Mission des Jesus von Nazareth ansehen, ist die Einsetzung des christlichen Glaubens. Wir sehen im christlichen Glauben, die Fortsetzung der Mission Jesu. Das stimmt aber nicht, wenn die Mission Jesu als die betrachtet wird, welche sie wirklich war und was sie bezweckte.
Das zu begreifen, erscheint uns Christen kaum zumutbar und schlicht unmöglich. Zur Beantwortung der Hauptfrage, wer denn Jesus von Nazareth eigentlich wirklich war und welcher Mission er sich verschrieben hatte, wird hier weniger der ihnen zugeschriebenen Funktion, sondern der tatsächlichen Tätigkeit der Leute seiner unmittelbaren Umgebung nachgegangen.
In den Evangelien stehen ihre Namen, aber sonst wissen wir nicht viel von ihnen. Sie sind dort Statisten, Stichwortgeber, oder sie stellen begriffsstutzige Fragen, die Jesus Gelegenheit geben, uns etwas mitzuteilen. Sie waren für uns bisher nur Richtungszeiger dafür, worüber wir uns informieren sollen.
Bei genauerer Betrachtung ihrer Aktivitäten, vor allem nachdem Jesus aus den Aktionen herausgefallen ist, ergibt sich aber, in wessen Auftrag und vor allem, unter welchen Zielvorstellungen damals agiert wurde, was uns dann in Verbindung mit den außerbiblischen Überlieferungen das erforderliche Material zur Konkretisierung des historischen Jesus liefert.
Wer versucht, das Neue Testament unserer Bibel daraufhin zu prüfen, was es uns Authentisches über das Leben in der damaligen Zeit, über Jesus und dessen Tätigkeit vermittelt, muss alles ausblenden, was ihm unter dem Begriff des christlichen Glaubens beigebracht wurde. Was dann von den Evangelien und der Apostelgeschichte des Lukas übrig bleibt, entspricht seltsamerweise ungefähr dem, was uns von Che Guevara als Bolivianisches Tagebuch vorliegt.
Es gibt allerdings gravierende Unterschiede, bezüglich der Entstehung. Che Guevara schrieb sein Tagebuch selbst und während der Ereignisse. Die Basisvorlage zu den Evangelien schrieb nicht Jesus, sondern einer seiner engsten Vertrauten, und er schrieb sie erst mehr als vierzig Jahre danach nieder. Beide, Che Guevara und auch Jesus, hatten sich einer Idee verschrieben, deren idealistischen Basisentwürfe sich stark ähnelten. Beide wurden für ihre Idee getötet, als sie an deren Umsetzung gingen.
Was bei Jesus aber ganz entscheidend anders ist, sein Berichterstatter, der gleichzeitig sein Verräter war, hat später diese Mission weitergeführt, obwohl er es ursprünglich nicht wollte und anfangs sogar im Auftrag entgegengesetzter Interessen tätig war.
Im übertragenen Sinne war dadurch dieser Judas nicht nur der Verräter, sondern im geistigem Sinne sogar einer der Erben und ein Nachfolger Jesu. Er war sogar der Vollender dieser Mission im Sinne des Jehoshua bar Joseph aus Nazareth in zweierlei Hinsicht. Das bedeutet in seinem Fall etwas anderes als wir uns bisher vorstellen. Jesus hatte eine ganz irdische Mission, die mit dem Christentum absolut nichts zu tun hatte. Die führt dieser Nachfolger aus der Situation heraus geboren bis zum Ende.
Erst dann widmet er sich der Vollendung der Botschaft in dem Sinne, wie wir Jesus heute sehen. Da vollendet er aber etwas, woran Jesus nie dachte, er auch nicht wollte, wir ihm aber unterstellen, uns aber tatsächlich erst in den Apostelbriefen so vermittelt wird.
Das klingt absolut widersinnig und auch zu kompliziert. Im Laufe der Textrecherchen werden wir aber feststellen müssen, dass es leider so war, sich aus den Abläufen fast zwangsläufig ergab und sich leider nicht einfacher erklären lässt.
Jeder, der sich auf der Grundlage überlieferter schriftlicher Unterlagen der Entstehung des christlichen Glaubens kritisch zu nähern versucht, findet als erstes heraus, dass es sich dabei um Schriften handelt, die sich gegenseitig zu bestätigen scheinen und dabei gleichzeitig widersprechen. Es ist alles thematisch miteinander verbunden, hängt aber insgesamt in der Luft. Es wird erst durch den Glauben zu einer stabilen Sache. In den Evangelien herrscht eine starke Diskrepanz zwischen den nebeneinander eingearbeiteten Ideen. Spätere Korrekturversuche haben das glücklicherweise nicht alles zuzudecken vermocht. Das geschah aber keineswegs in Ehrfurcht vor den überlieferten Basistexten. Im Gegenteil. Man hat diese Basistexte sogar sehr stark verändert, ergänzt und umformuliert, sich aber dabei auf die Anpassung des theologischen Inhaltes an die Interessen der Kirche konzentriert.
Der historische Gehalt dieser Texte wurde dabei glücklicherweise nur selten angetastet, so dass sich noch heute viel Wissenswertes aus den Widersprüchen zwischen der Verkündigung und dem tatsächlichen Geschehen rekonstruieren lässt, wovon wir sonst nichts erfahren würden. Es ist erstaunlich, was bei näherer Betrachtung der Texte aus ihnen an politischen und privaten Interessen zum Vorschein kommt, und was im Hintergrund alles abläuft, während für uns im Vordergrund das Christentum inszeniert wird.
Wer die Evangelien jedoch weiterhin im Lichte der ihm als Christ bereits vermittelten Bedeutung liest, sie also in der Denkrichtung der uns unter dem Namen des Paulus vermittelten Lehre betrachtet, für den bleibt die Welt in Ordnung. Aus dem sicheren Boot des christlichen Glaubens heraus betrachtet der gläubige Leser den Lebensweg Jesu und seine Passion als Bestätigung dessen, was er schon kennt, weil man es ihm so erzählt hat. Das ist für ihn das Fundament seines Glaubens. In wie weit dieses Fundament trägt, merkt man mit der Zeit. Kein Fundament ist allerdings stark genug, ein Haus zu tragen, welches bis in den Himmel reicht. Das einzige, welches mir da bekannt ist, ist ein unerschütterlicher und nie in Frage gestellter Glauben. Dann interessiert mich allerdings keine verunsichernde Information mehr. Ich bin dann davon überzeugt, dass es etwas gibt, was die Welt im Innersten zusammenhält, aber ich will nicht mehr wissen, was das ist. Ich vertraue. Bei Franz Werfel finden wir das in einem Satz zusammengefasst: Wer an Gott glaubt, für den ist keine Erklärung notwendig, und wer nicht an Gott glaubt, für den ist keine Erklärung möglich.
Da ich allerdings ein Zweifler aus Neugier bin, komme ich oft mit mir selbst in Konflikt. Was allerdings unbestritten ist, die paulinische Lehre von Jesus Christus hat uns Christen tatsächlich Gott gebracht, einen Gott der uns nicht mehr als der eifersüchtige, ständig zu beschwichtigende Rächergott des Alten Testamentes entgegentritt und deshalb menschlich näher ist. Indem es uns die Theologie mit Jesus Christus vervollständigte, hat das Gedankengut, welches wir in den Apostelbriefen finden, erst die Basis für eine neue Religion gelegt.
Flavius Josephus, der jüdische Historiker dieser Zeit, zeichnet uns davon abweichend ein ganz anderes Bild von den damaligen gesellschaftlichen, politischen und religiösen Zuständen im Heiligen Land, als er das beschreibt, was diese Zeit tatsächlich prägte. Das als „Geschichte des Judäischen Krieges“ von ihm herausgegebene Buch behandelt die um das Jahr 70 im syrischen Raum stattfindenden Ereignisse. In der Zeit leben viele Auferstehungszeugen und die meisten der zu Aposteln aufgestiegenen Jünger Jesu nicht mehr. Der Rest ist über den Bereich des Nahen Ostens verstreut und missioniert auf eigene Faust. Die Christengemeinden werden meist schon von der nächsten Generation geführt. Von einem dämpfenden Einfluss irgendwelcher Vermittler aus dem Kreis der schließlich schon weit verbreiteten pazifistischen Religion der Christen auf die Kriegsereignisse steht da gar nichts. Schlimmer, als Historiker und Augenzeuge dieser Zeit unterschlägt er uns das Christentum anscheinend komplett, wenn man von den magern zwei Bemerkungen in seinen Schriften dazu absieht, welche die Fachwelt als ihm nachträglich untergeschobene Fälschungen späterer Zeit betrachtet. Aus dieser befremdlichen Überlieferung heraus lohnt es sich, die Geschichte der Entstehung des Urchristentums einmal auf den Prüfstand zu stellen.
Ich werde dabei versuchen, ohne Mystik auszukommen und den für die Naturwissenschaften stets vorgeschriebenen Weg zu benutzen, dass die Darlegung einer Sache am glaubhaftesten anzunehmen ist, welche sie am einfachsten und unter Benutzung der wenigsten zusätzlichen Randbedingungen am umfassendsten erklärt. Welche Tücken allerdings in den manchmal scheinbar so simpel daherkommenden Texten stecken, werden wir noch sehen. Die Verschleierung von Begriffen durch Fremdworte ist dabei das, was uns dabei oft unvermutete Schwierigkeiten machen dürfte.
Nur ein Beispiel: Schon das Wort Mystik, was sich von Mysterium mit seiner offiziellen Deutung als unergründliches Geheimnis religiöser Art herleitet, weicht von dem ab, was man darunter ursprünglich verstand. Ein Mysterion war nur ein Zauber. Die Übersetzung dieses griechischen Wortes für Zauber in Latein bescherte uns dann das Sakrament, was jetzt als geheiligte Sache gilt. Das Sakrament war aber zu römischer Zeit ursprünglich der Fahneneid der Soldaten, also eine Verpflichtung. Die katholische Kirche legte nun später über ein Dogma, also über eine absolut verbindliche Lehre, sieben Sakramente fest. Davon übernahm die evangelische Kirche nur zwei, die Christus nach ihrer Meinung selbst einsetzte: Taufe und Ehe. Die Auffassungen davon, was denn nun die mit einem Sakrament verbundene Heiligung bedeutet, gehen nun wieder auseinander. Ursprünglich schrieb man den bei der Vollziehung eines Sakramentes vorgenommenen Handlungen nur symbolisch-rituelle Funktion zu. Nach späterer Ansicht bewirken sie den Empfang der Gnade Gottes. An dieser Stelle trennt nun die Theologie das, was aus ihrer Sicht geschieht, von den jeweilig vorgenommenen Handlungen. Den Vorgängen wird eine vergeistigte Komponente zugeordnet, die sie ihrer ursprünglichen Basis enthebt und einen neuen Sinn unterstellt. Hier haben wir es mit einem sogenannten gnostischen Problem zu tun. Ausgehend von dem Wort Gnosis, gleich Erkenntnis, und was das Kennzeichen der Anhänger dieser Denkrichtung war, stößt man auf die Lehre, dass alle Sprüche Jesu hinter den Worten einen geheimen Hintersinn für die Eingeweihten haben.
Demnach wäre der, den man uns unter dem Namen Paulus vorführt, eigentlich ein Gnostiker gewesen, denn er entwickelte uns das Christentum zur Mysterienreligion. Der Kampf der frühen Kirche gegen die Gnosis war demnach nur einer gegen die Ausuferung der Deutungen dieses Hintersinnes, dessen Deutung sie zwar genau wie die Gnostiker für sich beanspruchte, und genau so im Interesse ihrer Organisation davon zwangsläufig abweichend einheitlich festlegen und damit normieren wollte. Der Theologe Hermann Detering geht sogar noch weiter. Er bezeichnet unser Christentum nach eingehender Untersuchung sogar als die erfolgreichste aus der Gnosis hervorgegangene Häresie. Das Jesuswort (Mk. 8,15/Mt. 16,6), mit dem Jesus seine Jünger vor dem Sauerteig der Pharisäer und Schriftgelehrten warnt, bezieht sich auf solche geistigen Verwachsungen und Haarspaltereien. Man haut sich die Begriffe um die Ohren und versucht dem Gegner aus Worten eine Schlinge zu legen, was auf geisteswissenschaftlichem Gebiet bei ausreichender Hartnäckigkeit, entsprechender Macht und Ignoranz gegenüber den Tatsachen den Erfolg meist garantiert. Auch ich werde mich deshalb nur ab und zu und auch nur dann in spezielle Details vertiefen, wenn es ums Prinzip geht. Wer nämlich alles zu gründlich machen will, der wird sich mit Sicherheit verirren, wie sich das in der Geschichte des Christentums, und nicht nur da leider zu oft erwiesen hat.
Was ich hier nachstehend auch untersuchen werde, ich werde es nach der Methode der einfachen Nachvollziehbarkeit tun. Statt also zusätzliche mystische Geheimnisse in die Texte hineinzuinterpretieren, wie es Theologen ansteht, werde ich wie ein Kriminalist aus den Texten die Basisaussage herauszulesen versuchen, die in ihnen steckt, selbst wenn diese Aussage desillussionierend sei sollte. Eine solche Sichtweise bewirkt meist eine Verkürzung auf das Wesentliche und damit eine Verarmung der künftigen Deutungsmöglichkeiten, sie schafft aber Klarheit.
Es ist wohl eine der authentischsten Äußerungen Jesu, die uns überliefert ist, und die immer noch gilt, was uns leider täglich immer wieder auf den verschiedensten Gebieten neu bewiesen wird, die wir immer wieder bestätigt bekommen und uns ständig wieder begegnet (Mk.4,12): … mit sehenden Augen sehen und doch nicht erkennen, und mit hörenden Ohren hören und doch nicht verstehen …
Um mich verständlich machen zu können, muss ich auf etwas hinweisen, womit man sich wegen seiner angeblichen Unwichtigkeit im Bezug auf Religion meist nicht beschäftigt. Das ist eine Klarstellung über das sogenannte Heidentum unserer Vorfahren. Die hingen entgegen weitverbreiteter Annahmen oft an hochentwickelten Religionsgebilden, welche dem Christentum durchaus gleichwertig waren und deren Einflüsse sich auch heute noch im Christentum nachweisen lassen, welches sogar verschiedene Elemente und Denkfiguren aus ihnen übernahm, die wir aber in Unkenntnis ihres Ursprunges als durchaus christlich empfinden.
Religion ist ein unerschöpfliches Gebiet. Sie hat zu allen Zeiten eine große politische Rolle gespielt, und entscheidend den Alltag und die Lebensweise ganzer Völker geprägt. Die damit verbundenen Ritualstrukturen bewirkten nicht zuletzt den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft. Daran hat sich auch mit dem Übergang zum Christentum nichts geändert, außer dass wir mehr überliefertes Schriftgut über das Christentum besitzen und deshalb annehmen, von der Glaubensbasis her besser abgesichert zu sein. Die heutigen sogenannten Weltreligionen haben da aber nichts voreinander voraus und auch nicht vor den sogenannten Naturreligionen. Es wird auch kaum noch danach gefragt, woraus wiederum diese Religionen hervorgegangen sind, und welche Motive und vor allem Traditionen dem anfangs zugrunde lagen.
Es ist in unseren Augen ein abgeschlossener Geschichtsabschnitt und wir glauben, dass uns das alles nicht mehr berührt. Das mag auch daran liegen, dass man das, was an teils barbarischen Bräuchen über die Religionspraktiken unserer Vorfahren bekannt ist, eigentlich gar nicht mehr wissen will. Wer tiefer in die Materie eindringt, umso mehr Befremdliches kommt ihm dabei unter, aber auch viele als bewiesen angesehene Überlieferungen stellen sich nicht nur als nicht belegbar, sondern bei genauerer Betrachtung als von christlicher Seite gezielt erstellte Propaganda zur Bekämpfung dieses sogenannten Heidentums heraus, was wir im Laufe der Zeit sogar als religionslose Zeit interpretieren, obwohl es nicht stimmt.
Gleichzeitig verwenden wir heidnisches Gedankengut des Glaubens im Christentum weiter, weil wir es so gewöhnt sind. Die neuere historische Forschung hat sogar ergeben, dass die dem Christentum zugrunde liegenden Mythen nicht nur ihre Wurzeln in den Religionen des vorderasiatischen Teil des Nahen Ostens haben, sondern sogar mit den Mythen des antiken Ägypten der vorchristlichen Zeit fast deckungsgleich sein sollen, und auch einen nicht unbeträchtlichen Anteil buddhistischen Gedankengutes enthalten. Auch barbarisches Gedankengut aus germanischen Religionen hat sich im Christenglauben niedergeschlagen.
Aus deren heidnischer Vorstellung, dass sich beispielsweise die Geister der Ungeborenen und der Toten im Wasser befinden, entstand beispielsweise unser Begriff der Seele, was sich auch aus der Bezeichnung des Sees als Bezeichnung für eine größere Wasseransammlung erschließt, obwohl der Begriff der Seele anfangs aus ganz anderen Wurzeln entsprang. Manche Dinge haben aber auch einen noch realeren Hintergrund.
Um nur ein eklatantes Beispiel für diese Wurzeln herauszugreifen: Im vorderasiatischen Raum ist es Brauch gewesen, den Göttern, bzw. Gott generell die Erstgeburt zu weihen. Uns ist gar nicht mehr bewusst, was das ursprünglich einmal bedeutete. Das mit der Weihe ist heute auch noch üblich. Man bringt als Christ sein Kind stolz zur Taufe in die Kirche und weiht es damit Gott. Auch Jesus wird als Baby im Tempel ganz nach Vorschrift vorgestellt, aber man musste damals für ihn noch zwei junge Tauben opfern (Luk. 2,22-24), um ihn auszulösen. Das war nicht nur frommer Brauch sondern auch glaubensgesetzliche Vorschrift. Wer wollte Schlimmes dahinter vermuten.
Beim Erntedankfest ist das immer noch so. Es wird aber dabei etwas von den Erstlingen der Ernte als Weihgabe, Opfer, oder wie wir es sonst nennen wollen gespendet. Nicht nur zu biblischen Zeiten ist dieses Opfer aber eine genau definierte Abgabenmenge gewesen. Da bedeutete die Weihe nicht nur, einen Anteil der geernteten Feldfrüchte, sondern auch die Erstgeburt des Viehs an den Tempel abzuliefern, was eine Abgabe von Lämmern, Kälbern und noch anderem Getier bedeutete, was dann entweder geopfert oder den Tempelherden zugeschlagen wurde.
Diese Weihe als Ablieferung an den Tempel betraf aber ursprünglich auch die Untertanen des Tempels ganz konkret selbst. Beim Auszug Israels aus Ägypten schlägt Gott noch alle Erstgeburt der Ägypter. Er fordert sie als Strafe ein. Sie steht ihm zu. Selbst von den Menschen fordert er sie. Vom Thronfolger des Pharao bis zum Sohn der letzten Sklavin der Ägypter tötet er in einer Nacht alle männlichen Erstgeborenen. Es steht so in der Bibel.
Man erinnere sich: Gott forderte bereits Generationen vorher schon Abraham auf, ihm seinen Erstgeborenen und einzigen legitimen Sohn Isaak zu opfern. Er soll ihn töten. Im Ergebnis wissenschaftlicher biblischer Textanalysen stellte sich die heute in der Bibel beschriebene Rettung des Isaak aber als eine spätere Einfügung heraus. Ursprünglich läuft die Handlung so ab, dass Abraham Isaak ordnungsgemäß opfert. Sicher ist, dass Gott (Elohim) die Opferung anweist. Als Abraham zur Tat schreiten will, greift aber nach der aktuellen Textvariante Gott (Jahwe) ein und verhindert die Tötung Isaaks. Als Ersatz wird nun ein Widder geopfert.
Das ist die Stelle, an der nun von Abraham der als Gott Abrahams und Isaaks bezeichnete Gott, erkannt wird, der sich hier aus der blutigen Vorgeschichte durch die Abschaffung des Menschenopfers zu lösen beginnt. Hier erlangt die jüdische Religion eine neue Stufe gegenüber ihren Vorgängern und auch gegenüber den sie umgebenden Religionen. Von da an weiht man die menschliche Erstgeburt nur noch. Ersatzweise wird nun etwas anderes geopfert. Bei Jesus waren es die zwei Tauben.
Der am Anfang unserer Bibel stehende frühe Teil der Tora enthält dazu immer noch so viel Sprengstoff religiöser und ethischer Art, dass dieses Thema des Menschenopfers geradezu demonstrativ aus populären Darstellungen deutungsmäßig ausgespart oder sogar gezielt völlig falsch interpretiert, bzw. zur Verteufelung anderer Religionen benutzt wird.
Bei 2. Mose, 13,1-2 finden wir aber noch ganz konkrete Anweisungen dazu: Und der Herr redete mit Mose und sprach: Heilige mir alle Erstgeburt bei den Israeliten; alles, was zuerst den Mutterschoß durchbricht bei Mensch und Vieh, das ist mein.
Im Vers 13, den man als Abmilderung auslegt, steht dann wörtlich: Die Erstgeburt vom Esel sollst du auslösen mit einem Schaf … Beim Menschen aber sollst du alle Erstgeburt unter deinen Söhnen auslösen.
In weiteren Bestimmungen dazu (2. Mose, 22,28-29) steht aber immer noch: … Deinen ersten Sohn sollst du mir geben. So sollst du auch tun mit deinem Stier und deinem Kleinvieh. Sieben Tage lass es bei seiner Mutter sein, am achten Tage sollst du es mir geben.
Dazu stellt man besser keine weiteren Fragen. Die Wertigkeit des Menschen wurde demnach damals nicht sehr viel höher als die des Viehs angesetzt. Beim Prediger Salomo (Prediger 3,19) finden sich beispielsweise noch solche Sätze: Denn es geht dem Menschen wie dem Vieh: wie dies stirbt, so stirbt auch er, … und der Mensch hat nichts voraus vor dem Vieh; … Die später zeitweise so hoch herausgestellte Vorstellung von der Einzigartigkeit des Menschen gegenüber aller übrigen Natur bestand demnach in den Vorstellungen der damaligen Zeit noch gar nicht.
Selbst bei Hesekiel findet man noch einen Nachhall zu diesen gerade beschriebenen Bräuchen, was dort aber schon in einem Bedauern Gottes darüber dargestellt ist, wie er sein auserwähltes Volk behandelte. Gleichzeitig wird dort das konkretisiert, was man immer lieber nicht wissen will, bei Mose zwar nicht (mehr?) steht, aber Praxis gewesen sein muss. (Hesekiel 20,25-26): Darum gab auch ich ihnen Gebote, die nicht gut waren, und Gesetze, durch die sie kein Leben haben konnten, und ließ sie unrein werden durch ihre Opfer, als sie alle Erstgeburt durchs Feuer gehen ließen, damit ich Entsetzen über sie brachte …, was kaum einer weiteren Erklärung bedarf.
Bei den ursprünglichen aus dem Matriarchat herauswachsenden Urreligionen war das Menschenopfer eine Alltäglichkeit. Man spricht aber nicht gern davon. Diesen Nachhall, wie gerade in der Tora nachgewiesen, findet man auch bei den ins Patriarchat hineinwachsenden heidnischen Religionen der Frühgeschichte. Die griechischen Götter- und Heldensagen enthalten das noch.
Christa Wolf schöpft unter anderem in ihrer „Medea“ aus dieser Quelle. Dieser Mythos vom (nicht mehr) darzubringenden Menschenopfer ist mir aber im Zusammenhang dessen, was hier untersucht werden soll so wichtig, dass ich ihn mit einem Zitat von berufener Seite stützen möchte.
Der mythologische Theologe Walter Beltz nimmt die Bibel in seinem Buch „Gott und die Götter“ in einer Art auseinander, wie sie wahrscheinlich zusammengestellt wurde. So trennt er die drei Hauptquellen des Textes der Tora, die Priesterschrift, die Elohistenquelle und den davon abweichenden folgenden Jahwisten ganz konsequent aus der Logik der Abläufe und auf der Basis der unterschiedlichen Mythologie, die ihnen zugrunde liegt. Die Isaaksgeschichte ist für ihn dabei eine der Nahtstellen zwischen elohistischen und jahwistischen Texten, die redaktionell nur unzureichend kaschiert sind. Er schreibt:
Die elohistische Abrahamsgeschichte weist die typischen Merkmale der elohistischen Tradition auf. Abraham wird als der Mann angesehen, der im Lande wohnt. Von seiner fernen Herkunft weiß der Erzähler nichts. Abraham kennt noch viele Götter und gehorcht dem Elohim … Die Ägypterin Hagar ist die Nebenfrau Abrahams, die unter dem offenkundigen Schutz Elohims steht. Ihr Sohn Ismael heiratet ebenfalls eine Ägypterin und wird Stammvater eines stattlichen Volkes. … Isaak aber wird geopfert.
Das muss bei dem elohistischen Text gestanden haben, denn in 1. Mose 22,19 (Nachdem Gott Abraham aufgrund dieses Opfers 1. Mose 22,16: …und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont, die Zukunftsverheißung eines großen Volkes macht) heißt es ausdrücklich:
Hierauf kehrte Abraham zurück zu seinen Dienern, … Von Isaak wird im weiteren elohistischen Text auch nicht mehr gehandelt, denn die elohistische Tradition setzt ihre Erzählung mit Jakob fort … Das Opfer Isaaks … ist eine Selbstverständlichkeit im alten matriarchalischen Kanaan. Und es ist auch selbstverständlich, dass die große Mutter Sarah (die Fürstin) die Rivalin Hagar mit ihrem Spross aus dem Clanfrieden ausschließt und in die Wüste verbannt, denn Elohim vertritt das Mutterrecht.
Aus dem altbabylonischen Codex Hammurapi wissen wir, dass die Nebenfrau rechtlich von ihren Kindern getrennt ist. Sie hat darüber nicht zu bestimmen, sondern die Herrin des Hauses.
Beltz zieht daraus die Schlussfolgerung: Elohim unterliegt aber Jahwe, wie die jahwistische Gestalt des alten elohistischen Mythos von der Opferung Isaaks es belegt, denn der Engel Jahwes verhindert das Opfer.
Dass Isaak tatsächlich geopfert wurde, erschließt sich auch aus den beiden unverständlich erscheinenden Aussagen über Jakob, der sich (1. Mose 31,42) auf Gott, den er als „ … der Gott meines Vaters, der Gott Abrahams und der Schrecken Isaaks“ beruft, und auch bei 1.Mose 31,54 beim Schrecken Isaaks schwört, was verdächtig an die Sache mit dem Entsetzen bei Hesekiel erinnert.
War demnach Abraham auch der Vater Jakobs und Esaus? Da wurde der elohistische Text wohl nur unzureichend korrigiert, denn diese Bezeichnung vom Schrecken Isaaks taucht in der Tora nie wieder auf. Das müsste eigentlich nicht viel bedeuten, aber die Texte zu Isaaks angeblichem Lebenslauf wirken bei näherer Betrachtung sehr unwahrscheinlich. Sie sind deutlich erkennbar aus Doubletten der Abrahamstexte und auch der Jakobstexte der Tora entwickelte Interpolationen zur Überbrückung dessen, was man nicht mehr da stehen haben wollte.
An anderer Stelle wird Beltz betreffs der Opferung Isaaks noch deutlicher: In der jahwistischen Geschichte von Isaaks Opferung spiegelt sich uralter Mythos wider. Die Opferung der männlichen Erstgeburt war nicht nur bei den biblischen Völkern (2. Mose, 13,12-13; 2. Mose 22,29-30), sondern auch bei Moabitern und Phöniziern üblich. Hierin leben alte matriarchalische Überlieferungen fort.
Abraham kennt die offensichtlich und ist bereit, sie zu befolgen. Aber der Gott Jahwe, Vertreter einer neueren, der patriarchalischen Ordnung, verfügt die Auslösung der menschlichen männlichen Erstgeburt.
Die Geschichte von diesem wunderbaren Eingriff Jahwes in die Rechte und Herrschaft Elohims, die die Opferung der menschlichen männlichen Erstgeburt aufhebt, war offensichtlich nicht weit verbreitet, denn der Erzähler von 2. Mose 13 hat sie nicht gekannt. Er gibt als Erklärung dafür, dass die männliche Erstgeburt beim Menschen nicht geopfert, sondern ausgelöst werden soll, an, dass dieses geschehe, um zu bezeugen, dass Jahwe die Israeliten mit starker Hand aus Ägypten herausgeführt hat. Dabei ist sicher, dass der alte Jahwe vordem auch die menschliche Erstgeburt männlichen Geschlechtes für sich gefordert hat, und wohl auch erhielt …
Fromme Lesart hat in dieser Geschichte immer die Glaubensprüfung Abrahams und das gnädige Eingreifen Jahwes betont und gemeint, darin die Pointe des Mythos zu sehen. Der ursprüngliche Mythos schildert aber den Kampf zwischen zwei Göttern, in dem Jahwe, Vertreter des fortschrittlicheren Patriarchates, gewinnt. Das ist genau orientalische Mythologie. In Ugarit überwindet Baal den alten El, und tritt seine Nachfolge an, in Babylon überwindet Marduk Ea und Anu, in Hellas überwindet Zeus den Kronos.
Der Mythos von der Opferung Isaaks und der Sühneopferkraft des vergossenen Blutes erhält in der christlichen Mythologie noch einmal große Bedeutung, als die ersten Christen versuchten, dem Tod Jesu eine sinnvolle Deutung zu geben und die Opferung Isaaks mit dem Kreuzestod des Jesus von Nazareth zu vergleichen (Matthäus 26,28; 20,28; Hebräer 9,20-28) … Soweit Beltz.
Da das Thema Jesus nun einmal angesprochen ist, noch ein Wort zu der Flut von Söhnen der Götter, die meist von Jungfrauen geboren, in der Antike die Sagenwelt förmlich überschwemmen. Auch dieses Phänomen ist für unser Verständnis der Gottessohnschaft des Jesus von Nazareth wichtig, die von der ursprünglich jüdischen Bedeutung dieses Begriffes abweicht.
Auch hier sind die Ursachen an der Schnittstelle des Überganges vom Matriarchat zum Patriarchat zu suchen. Es sind uns zu viele legendäre Frauen der Vorzeit, Göttinnen, demnach (jungfräuliche?) Hohepriesterinnen überliefert welche als Jungfrauen ins Amt kommen, anschließend gebären und ihren Sohn (die männliche Erstgeburt) dann nicht opfern wollen, als dass wir das als zufällig abtun könnten. Sie fliehen mit ihm, verbergen ihn, setzen ihn aus, lassen ihn anderweitig aufwachsen. Sie sichern so sein Überleben und ihm damit ab, sich selbst später eventuell sogar mit ihrer Hilfe zum Priestertum oder zum Herrscher aufzuschwingen. Zeus ist dafür das prominenteste Beispiel.
Daraus erwächst dann über das männliche Priestertum später der von Beltz nachgewiesene Herrschaftswechsel von der weiblichen zur männlichen Gottheit. In wie weit das damals noch getarnt werden musste, sieht man daran, dass die Priester auch heute noch bei der Ausübung ihres Amtes meist ein antikes weibliches Festkleid tragen.
Bezeichnenderweise fehlen uns Legenden über von Jungfrauen geborene Göttertöchter, welche gerettet werden müssen. Es lag wohl daran, dass zu matriarchalischen Zeiten nur die männliche Erstgeburt religionsseitig so radikaler Ausrottung unterlag.
An der Grenze des Überganges vom Matriarchat zum Patriarchat hat sich bezüglich der rituellen Praktiken einiges geändert, aber kaum etwas gebessert. Die Riten waren von da an nur anders geprägt, schlugen aber auch wieder in eine oft genau so barbarische Glaubenspraxis um. Da verweise ich nur auf die Initiationsriten, denen nun Frauen ausgesetzt waren. Im Vorderen Orient gab es nun die Sitte, dass die Braut sich im heiligen Bereich des Tempels einem Fremden hingeben musste, um die Fruchtbarkeit ihrer Ehe zu sichern.
Es gab aber auch noch brutalere Bräuche. Christa Wolf deutet beispielsweise in ihrer als Vorlesungen bezeichneten Dichtung Kassandra an, wie in der archaischen Zeit des frühen Griechenlands junge Mädchen bei Erreichung der Geschlechtsreife auf den Tempelstufen für Geld der Männerwelt ausgesetzt wurden. Das war für jede wenigstens einmal im Leben Pflicht.
Sie beschreibt, wie sich da eine Frau fühlen muss. Auch wenn es anonym abläuft, bleibt es barbarisch, wenn die betreffende, mit einem übergeworfenen Tuch auf den Stufen des Tempels ihres Stadtgottes sitzen und warten muss, bis einer kommt, sie auswählt und sie so die vom Tempel geforderte Auslösung für ihre Hingabe bekommt.
Von etwaigen Folgen schreibt Christa Wolf nichts. Kinder aus solchen rituellen Geschehnissen fielen wohl meist (als Erstgeburt) dem Tempel zu. Was sich dann daraus rekrutierte, weiß man nicht. Vom Priesternachwuchs über Tempelprostituierte beiderlei Geschlechts bis zum Tempelsklaven war wohl alles möglich. Die Inflation von Halbgöttern und Göttersöhnen, welche die Frühgeschichte überschwemmen, ist nicht von ungefähr entstanden, denn als wessen Kinder sollte man denn diese anonym Gezeugten sonst bezeichnen?
Im Alten Testament der Bibel finden wir nur noch die indirekte Überlieferung solcher Bräuche als generelles Verbot bei 3. Mose 19,29 und etwas detaillierter als Verwerfung bei Hosea (Hos. 4,1216), der in diesem Zusammenhang auch die Tempelprostitution beklagt. Auch Uta Ranke-Heinemann betont in ihrem Buch „Nein und Amen“ im Zusammenhang mit ihren Feststellungen zur göttlichen Abkunft berühmter Personen der Antike, dass die griechische Religion in besonderem Maße die Jungfräulichkeit der von der Gottheit geschwängerten Mütter betont. Das geht in ihrer Aufzählung von ägyptischen über babylonische Könige und griechische Helden bis zu römischen Kaisern. Wie selbstverständlich das in der Antike als Bestandteil des Brauchtums angesehen wurde zeigen zwei wahllos herausgegriffene Beispiele aus der jüngeren Geschichte vor der Zeitenwende, die durchaus nicht mehr legendär überliefert ist, sondern als historisch gesichert gelten kann. Speusippos, ein Neffe Platons überliefert uns, Platons Vater Ariston habe mit seiner jungfräulichen Gattin Periktione laut göttlichem Befehl nicht verkehrt, bis sie den von Gott (Apollon) gezeugten Knaben geboren hatte. Platons Philosophie führte dann allerdings geistig weit über solche Vorstellungen hinaus. Aber auch Plutarch hat uns noch von Alexander dem Großen übermittelt, dass er nach seiner Mutter Aussage ein Sohn des Zeus sei, was ich angesichts der gerade erwähnten Bräuche nicht bezweifle.
So etwas Ähnliches wollen wir aber am Beispiel der Maria nicht annehmen. Auch die Fachwelt neigt da zu der Ansicht, das Vorbild der Gottesmutter Maria aus der Isismythologie entlehnt zu sehen. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen werden aber bei Zugrundelegung der gerade behandelten rituellen Besonderheiten dem Christentum vorausgehender religiöser Ideenvermischungen des vorderasiatischen Raumes verständlicher. In wie weit der Mensch, der Messias, den wir als Jesus Christus kennen, tatsächlich bereit war, sich für seine Lehre auch zu opfern, darüber kann man nur spekulieren. Das wäre eine andere, aber genau so plausible Basis für die Motivation Jesu wie die Katastrophenlehre der Essener, auf die ich später noch zu sprechen komme.
Der überkommene Brauch des Menschenopfers ist zur Zeitenwende und auch Ende des 1. Jahrhunderts durchaus in dem uns so aufgeklärt erscheinenden römischen Reich noch üblich, so versteckt es uns auch übermittelt wird. Wie ernst und barbarisch die Römer sogar vierzig Jahre später, im Jahre 70, noch in der Tradition des Menschenopfers befangen sind, ist aus dem Brauch ersichtlich, den Göttern in kriegerischen Notsituationen einen römischen Kämpfer zu weihen, was als verdecktes Menschenopfer gesehen werden muss.
In gefährlichen militärischen Situationen, wo bei Sieg oder Niederlage etwas mehr für alle auf dem Spiel stand, war es üblich zu fragen, wer bereit sei, sich für den Sieg Roms zu opfern. Der sich meldete, ging dann allein, bzw. mit einigen Gefährten, die ihm wenigstens anfangs bei seinem schweren Gang beistanden, gegen den Feind vor und kämpfte dann ohne Rücksicht auf sich, bis er siegte oder erschlagen wurde. Bei den im Jahre 70 stattfindenden Kämpfen um den Tempel in Jerusalem beschreibt Flavius Josephus zwei solcher Fälle.
Einmal meldet sich ein Soldat für ein Stoßtruppunternehmen gegen ein als unneinnehmbar angesehenes Bollwerk, und einmal stürzt sich spontan ein Einzelkämpfer auf eine überlegene Gruppe von Feinden, die vor seiner wilden Entschlossenheit zurückweichen. In beiden Fällen kommen diese Kämpfer dabei um. Ihr Opfer klärt aber die Situation. Auch wir kennen das noch, obwohl es uns kaum noch bewusst ist, denn der Begriff des Himmelfahrtskommandos für eine lebensgefährliche Aktion ist auch uns noch geläufig.