Das eiserne Herz des Charlie Berg - Sebastian Stuertz - E-Book
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Das eiserne Herz des Charlie Berg E-Book

Sebastian Stuertz

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Beschreibung

Charlie Berg hat ein schwaches Herz und die feine Nase eines Hundes. Das einzige, was ihn seine Eltern gelehrt haben: Zwei Künstler sollten nie Kinder bekommen! Es sind die frühen 90er, Charlie will ausziehen, nicht mehr der Depp der Familie sein, der alles zusammenhält, während Mutter am Theater die Welt verstört und Vater wochenlang bekifft im Aufnahmestudio sitzt. Die Zivistelle im Leuchtturm ist zum Greifen nah – da läuft alles aus dem Ruder: Auf der Jagd mit Opa trifft ein Schuss nicht nur den Hirsch, sondern auch Opa. Und Charlies heimliche große Liebe Mayra, seine Videobrieffreundin aus Mexiko? Hat nichts Besseres zu tun, als den Ganoven Ramón zu heiraten…

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Seitenzahl: 933

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Zum Buch

Charlie Berg hat ein schwaches Herz und die feine Nase eines Hundes. Das Einzige, was ihn seine Eltern gelehrt haben: Zwei Künstler sollten nie Kinder bekommen! Es sind die frühen 90er, Charlie will loslegen, ausziehen von zu Hause, doch er muss die Familie zusammenhalten – weil Mutter am Theater die Welt verstört und Vater wochenlang bekifft im Aufnahmestudio sitzt, während seine autistische Schwester Fritzi die Leihbücherei auswendig lernt.

Die Zivistelle im Leuchtturm und Charlies großes Romanprojekt sind schon zum Greifen nah – da läuft alles aus dem Ruder: Auf der Jagd mit Opa trifft ein Schuss nicht nur den Hirsch, sondern auch Opa. Und Charlies heimliche große Liebe Mayra, seine Videobrieffreundin aus Mexiko, hat nichts Besseres zu tun, als den Gangster Ramón zu heiraten …

»Das eiserne Herz des Charlie Berg« ist ein Roman wie die Zeit, in der er spielt: warmherzig und wild, voller Möglichkeiten, Gerüche, analoger Sounds und überraschender Wendungen. Mit schrägem Charme und feinem Witz erzählt Sebastian Stuertz vom Wagnis, sich ins Leben zu werfen – ohne Furcht vor dem Scheitern.

Zum Autor

SEBASTIAN STUERTZ, geboren 1974, ist Medienkünstler, Musikproduzent und Podcaster, hauptberuflich animiert er Grafiken für Film und Fernsehen. Er wuchs am Steinhuder Meer auf, das man zu Fuß durchschreiten kann, so flach ist es. Seit Beginn des Jahrtausends lebt und arbeitet er in Hamburg. »Das eiserne Herz des Charlie Berg« ist sein Debütroman.

Sebastian Stuertz

Das eiserne Herz des Charlie Berg

Roman

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Die Arbeit an diesem Buch wurde von der Stadt Hamburg mit einem Förderpreis für Literatur unterstützt.
Fragen und Rückmeldungen zum Buch gerne an:[email protected]
Copyright © 2020 by btb Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München Umschlaggestaltung: Semper smile, München unter Verwendung eines Gemäldes von © Moki (mioke.de) Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-24917-5V005

www.btb-verlag.de

Für Tara

Teil 1 TÖTEN

· Faunichoux-Wald bei Leyder, September 1993 ·

Kurz und schmerzlos

Ich hatte den Hirsch nichts gefragt, im Gegenteil, ich hatte die Luft angehalten und ihn gerade ins Visier genommen, da teilte er mir mit:

Wer mir etwas antut, wird leiden, so wie ich leiden werde.

Ich nahm das Auge vom Zielfernrohr.

Mein Opa, der neben mir stand und filmte, konnte den Hirsch offenbar nicht hören.

»Drück ab!«, flüsterte er, heftig vom Bockfieber geschüttelt.

Ich zweifelte keinen Augenblick daran, dass der Hirsch mit mir kommunizierte. Es war nicht das erste Mal, dass so etwas geschah. Ich hatte allerdings noch nie versucht zu antworten.

Also fragte ich ihn, in Gedanken:

Ich mache es kurz und schmerzlos, okay?

Es ging ganz einfach. Die Antwort kam prompt:

Wer mich tötet, wird sterben, so wie ich sterben werde.

Mein Opa begann bereits leise zu schnaufen.

Ihm den Schuss zu überlassen, kam aber nicht in Frage, ich glaubte dem Hirsch.

Die Zeiten, in welchen ich den Tod meines Opas herbeigesehnt hatte, lagen lange zurück. Auf die letzten Meter waren wir doch noch Gefährten geworden.

Also schoss ich.

Irgendetwas mit dem Echo stimmte nicht.

Helmut

Am Vormittag war ich angekommen.

Als ich vor dem Forsthaus den Helm abnahm, hauchte mir der Wald seinen Atem entgegen. Zu der salzigen Luft, die mir die Nordsee in den letzten Tagen um die Nase geweht hatte, war das ein schöner Gegensatz: Fäulnis und Harz, Hirschurin und Androsteron. Hier gingen Tod und Geilheit Hand in Hand spazieren.

Das letzte Mal war ich zur Magnolienblüte bei Opa zu Besuch gewesen. Jetzt war September, und die Brunftzeit des Rotwildes hatte gerade begonnen.

Einen Moment lang blieb ich mit geschlossenen Augen auf der Vespa sitzen und inhalierte die Waldluft, bis Opa auf die kleine Terrasse vor dem Haus trat. Monochrom gekleidet wie üblich, sagte er, was er immer sagte, wenn ich unangemeldet bei ihm auftauchte: »Charlie Berg.«

»Bardo Aust Kratzer«, erwiderte ich standardmäßig. Mit einem Lächeln.

Seine steinerne Pranke packte immer noch fest zu. Handcreme war immer noch weibisch.

Dann kam Helmut mich begrüßen, und mein Lächeln verschwand. Ein taubeneigroßes Geschwür saß an seinem Kopf und hatte offensichtlich die Kontrolle übernommen. So schnell er konnte – und das war nicht sehr schnell –, bewegte er sich durch die Wohnung in Richtung der offen stehenden Haustür. Er verlor mehrmals die Orientierung, lief gegen Wände und Stühle. Bei den besonders heftigen Zusammenstößen gab er leise Schmerzenslaute von sich. Er trug eine Windel. Als er endlich bei uns auf der Terrasse angekommen war, drohte sein Hinterteil wegzufliegen, so heftig wedelte er mit dem Schwanz. Man konnte seine Rippen zählen. Ich beugte mich hinunter, um ihn zu kraulen, und betastete dabei die Ausbuchtung. Sie fühlte sich unerwartet prall und fest an. Nichts an ihm roch mehr nach Dachsbau oder Killerinstinkt, aus seinem Maul überrollte mich der Zerfall, als hätte die Verwesung heimlich schon eingesetzt. Seine Augen, die bei meinem letzten Besuch nur eingetrübt gewesen waren – sie waren nahezu vollständig weiß.

Mit Dackelwelpe Helmi unter dem Weihnachtsbaum beginnt meine Erinnerung.

»Opa! Seit wann hat er das?«

Opa wich meinem Blick aus.

»Komm erst mal rein«, sagte er und ging voraus.

Ich nahm Helmut auf den Arm und trug ihn hinterher, in der Küche setzte ich ihn wieder ab und blieb in der Hocke.

»So ist er nur manchmal. Ansonsten ganz der Alte. Hat keine Schmerzen.«

Hast du ihn quieken gehört?

Ich sagte nichts.

Immerhin hatte Opa bereits das Eutha-Narcodorm besorgt, zwei kleine Flaschen standen auf der Fensterbank, jeweils eine verpackte Einwegspritze war mit einem Gummiband daran befestigt.

Er goss uns beiden ein Glas Milch ein.

»Opa. Er quält sich. Du musst ihm das Zeug geben.«

»Nein.«

Mein Großvater versuchte sich am ehemaligen Alphamännchen, das so viele Jahre keinen Widerspruch zugelassen hatte.

»Noch nicht.«

Mit geschlossenen Augen leerte er das Glas Milch in sich hinein, kleine, alte Schlucke im Stehen.

»Soll ich es machen?«, fragte ich, noch immer in der Hocke, Helmuts Bauch streichelnd. Opa starrte aus dem Fenster und knetete seine Nase. Sie hatte sich in den Schnapsjahren zu einem lilafleckigen Gnubbel verformt. Nach Omas Abgang hatte er das Trinken aufgegeben, die Nase mit den Mondkratern war geblieben.

»Nachher«, sagte er leise.

Er sah mich an, nahm die Hand aus dem Gesicht und grinste schief.

»Erst musst du den Riesen schießen.«

Der rote Riese

Bevor wir aufbrachen, kochte ich Hirschgulasch – nach Omas Rezept. Ich war der Letzte, der es zubereiten konnte. Als auch Oma noch in der Lage dazu war, hatten wir gerade die VHS-Kamera ganz neu. Gleich auf meiner ersten Kassette filmte ich sie beim Kochen, sie schnibbelte und erklärte, Mayra ging ihr zur Hand, ich wog, maß und notierte alles minutiös, was Oma nach Gefühl in den Topf schmiss. Ihr Gulasch zeichnete sich durch eine Reihe von Zutaten aus, die in keinem anderen Rezept auftauchten: zum Beispiel der Beifuß, mit seinem leicht kampferartigen Aroma. Oder die Nadeln einer japanischen Schwarzkiefer, die in einem kleinen Stoffsäckchen mitgekocht wurden. Dazu wurde das Ganze am Ende mit Piment, Zimt und einer beträchtlichen Menge Thymianhonig in die Nähe einer weihnachtlichen Süßspeise abgeschmeckt, die mit dem herben Wildgeschmack, dem bitteren Geist der Kiefernnadeln und viel frisch gemahlenem Anispfeffer eine polyamoröse Beziehung einging, in der Eifersucht kein Thema war.

Nachdem ich in Opas Küche alles klein geschnitten, mehliert, angebraten, angegossen und aufgekocht hatte, drehte ich die Hitze herunter und hängte das Säckchen mit den Kiefernnadeln in den Topf. Das Gulasch musste nun noch mindestens eine Stunde bei leiser Flamme köcheln. Die Zeit wollte ich nutzen, um in meinem Labor das Meeresparfum anzumischen.

Ich ging nach unten, zu meinen Fläschchen, Kolben, Pipetten, der Waage, holte das Notizbuch heraus und machte mich an die Arbeit. Ich musste nur ein paar Verhältnisse nachbessern, bereits die zweite Mixtur saß. Die korrigierten Dosierungen der Riechstoffe notierte ich in meiner Formelsammlung, etikettierte die Mischung mit Datum und dem Namen des Duftes – Allegorese der See –, füllte mir ein kleines Fläschchen ab und verstaute es in meiner Reisetasche. Die große Flasche stellte ich zu den anderen ins Regal.

Dann warf ich mich in die Camouflage-Kluft, zog die Stiefel an, nahm meine Steyr aus dem Gewehrschrank und ging hoch zu Opa. Während er sich um den Reis kümmerte und den Tisch deckte, ölte und reinigte ich mein Gewehr.

Satt, gut getarnt und noch besser gelaunt fuhren wir los. Ich griff nach hinten, holte die Videokamera aus der Tasche und filmte, obwohl das Tageslicht hier, wo der Wald dichter wurde, bereits zu schwinden begann. Ich hielt auf Opa, er tippte sich an den Hut und verbog seinen Mund zu einem Grinsen. Es ging sanft bergauf. Kleinere Rudel junger Hirsche standen abseits des Waldweges in Schussweite. Als wir mit dem Pick-up langsam vorbeirollten, beobachteten sie uns geduckt, jederzeit bereit loszuspringen. Es wäre ein Leichtes gewesen, zwei vom Auto aus zu erledigen. Aber wir hatten anderes im Sinn. Auf unserem Abschussplan stand ein Klasse-I-Hirsch: Der »rote Riese«, so getauft wegen seiner auffälligen Deckenfärbung und überdurchschnittlichen Größe. Ein Sechzehnender mit über acht Kilo Geweihgewicht, Opa beobachtete ihn schon seit Längerem. Er wusste, wo sich der Riese während der Brunft herumtrieb: auf der Wildwiese gleich bei Omas Koniferengalerie.

Die Sicht wurde wieder besser, als wir auf den kantigen, weißen Kies der Lichtung rollten. Knirschend brachte Opa das Auto nah am Zaun zum Stehen, der staubige Geruch des Gerölls kroch trotz geschlossener Fenster zu uns herein. Hier parkten auch die Busse mit den Schulklassen, wenn im Rahmen des Biologieunterrichts eine Exkursion zur berühmten Nadelbaumsammlung meiner Großmutter auf dem Programm stand – einer der seltenen Momente, an dem das einzige Tor zum komplett umzäunten Privatwald der Familie Faunichoux geöffnet wurde. Sonst hatte man nur vom Herrenhaus aus Zugang zu dem über hundert Hektar großen Waldgebiet.

Wir stiegen aus und schulterten die Gewehre. Ich öffnete das Zahlenschloss, mit dem das Tor verschlossen war, 3-1-1-2, Omas Geburtstag. Opa übernahm die Kamera, ich löste die Sicherheitsnadel, stach mir in den linken Handrücken, etwas unterhalb der Daumenwurzel, der Schmerz machte mich hell und legte allen Geruch übersichtlich in Moleküle unterteilt auf meine Wahrnehmung. So machten wir uns auf den Weg.

In der Nähe des Brunftplatzes prüften wir den Wind und pirschten uns langsam an, ich mit entsichertem Gewehr, Opa filmte. Immer wieder mussten wir trockenen Ästen auf dem Boden ausweichen.

Ich hatte das Kahlwildrudel längst gewittert, bald konnte auch Opa es durch den lichter werdenden Wald sehen. Der Platzhirsch war ebenfalls hier, allerdings hatte er seinen mit Pheromonen gesättigten Harn so großzügig verteilt, dass der gesamte Luftraum davon dominiert wurde. Mit etwas Konzentration konnte ich den Hirschurin aus der Waldluft herausrechnen, ich beschleunigte mit geschlossenen Augen die Adaption meiner Riechzellen. Gerade noch rechtzeitig war mein wichtigstes Organ wieder einsatzfähig – und ich fasste Opa an den Arm. Wir waren bereits kurz vor der Wildwiese. Ich deutete auf meine Nase und dann zum Rand der Fläche.

»Eine Rotte Sauen«, flüsterte ich.

Opa fluchte stumm. Dann wisperte er: »Wenn die uns mitbekommen, ist die Bühne sofort leer.«

Er drehte sich um und wollte den Rückzug antreten. Ich blieb stehen.

»Warte«, flüsterte ich.

Durch den Urin und die Sauen stach noch ein anderer Duft in unsere Richtung.

Fragend sah Opa mich an.

Dann ertönte ein lautes Röhren. Ein langgezogener und zwei kurze Brunftrufe. Opas Augen wurden groß und feucht.

Da war er.

Der König mit dem roten Rücken.

Direkt vor uns trat er ins Schussfeld und blickte herüber.

Ich versuchte zu schlucken, es wollte nicht gelingen.

Noch nie hatte ich ein so gewaltiges Tier gesehen. Mehr Hirsch ging nicht. Langsam hob ich das Gewehr.

Ich nahm ihn ins Visier und stellte die Atmung ein.

Wer mich tötet, wird sterben, so wie ich sterben werde.

Ich wollte noch nicht sterben. Ich hatte noch einiges auf der Liste. Den größten Hirsch aller Zeiten schießen, zu Hause ausziehen, ein Buch schreiben, reich und berühmt werden. In der Reihenfolge.

Der Hirsch starrte mich an und machte keinerlei Anstalten wegzurennen. Opa röchelte. Es war zum Weinen. Sollte man einem telepathisch begabten Hirsch Glauben schenken?

Ich strich den ersten Punkt von meiner Liste, zielte einen Meter daneben und drückte ab. Es klang irgendwie anders als sonst, etwas mit dem Echo stimmte nicht. Ohrenschützer bei der Jagd zu tragen war leider auch weibisch. Gleich beide Ohren piepten.

Das Rudel stolperte panisch davon, die Sauen walzten durchs Unterholz. Heißer Angstschweiß verteilte sich in der Luft. Der Hirsch taumelte bei der Flucht, getroffen. Irritiert ließ ich die Steyr sinken.

Opa reichte mir die Kamera und klopfte ein Mal kräftig auf meine Schulter. »Nicht ins Blatt. Aber glaube, du hast ihn. Komm.«

Er eilte zur Äsungsfläche, ich sicherte und ging filmend hinterher, das Gewehr in der linken Hand.

»Hier. Schweiß!«, Opa zeigte auf die rote Spur und folgte ihr durch das sich ausdünnende Dickicht. Der Hirsch hatte sich noch ein ganzes Stück weitergeschleppt, sein Blutverlust war enorm.

Am Rande der nun leeren, sanft abfallenden Wildwiese lag er. Ausgerechnet hier, nur ein paar Meter von meiner Buche entfernt. Sofort suchte ich unser Gang-Zeichen, das Mayra vor vielen Jahren in den Stamm geschnitzt hatte, und ich hielt kurz mit der Kamera für sie drauf. Das C, dessen unterer Bogen in ein M überging, sodass es wie auf einer Mondsichel saß, es war noch immer zu erkennen.

Ich schwenkte zum Hirsch. Selbst aus ein paar Metern Entfernung sah ich die riesige hellrote Lache. Opa stand schon bei ihm und blickte zu mir herüber. Auf dem Schießstand hatte ich ihn immer stolz gemacht: mit der Flinte alle Kipphasen getroffen, nur selten eine Tontaube verfehlt. Jetzt sah er nicht so glücklich aus. Ich filmte ihn trotzdem. Sein Zeigefinger machte eine schnelle Bewegung seitlich am eigenen Hals entlang. Offenbar hatte ich den Hirsch mit einem Streifschuss getroffen. Hin und wieder zuckte eins der Beine des Tieres.

Opa knickte einen Zweig ab, bückte sich und steckte dem Hirsch seinen letzten Bissen in die Äse. Das machte man eigentlich erst, wenn das Wild erlegt war, aber Opa hatte schon immer alles etwas anders gehandhabt. Die meisten anderen Jäger hätten ein Messer gezückt, um das Tier mit einem gezielten Stich zwischen die oberen Halswirbel abzunicken. Doch auch davon hielt Opa nichts. Er nahm lieber sein Gewehr.

Im gleichen Moment hörte ich aus der entgegengesetzten Richtung ein Rascheln.

Ich schwenkte herum.

Keine fünf Meter entfernt bewegte sich etwas im Gebüsch.

Vorsichtig ging ich näher. Hatte ich zusätzlich noch ein Reh erwischt?

Vielleicht war es klüger, das Gewehr schussbereit zu halten. Eine angeschossene Sau konnte gefährlich werden.

Und dann erkannte ich, was dort lag. Ein Gewehr war gar nicht nötig. Ich ließ die Kamera sinken.

Da lag ein Mann.

In Tarnkleidung.

Und blutete.

Der Hals und Teile seines schwarz-grün bemalten Gesichts waren rot. Blutrot, wie man sonst nur sagt, wenn Blut gar nicht im Spiel ist, aber hier war Blut im Spiel, viel Blut, das Blut eines Menschen. Und offenbar lebte der Mensch noch, denn hin und wieder zuckte eins seiner Beine, so wie auch die Beine des Hirsches zuckten.

Opa hatte mir schon oft erzählt, dass Wilderer ihr Unwesen in seinem Wald trieben. Als wären die Wölfe, die langsam zurückkehrten und ungestört Wild rissen, nicht lästig genug: Weder die einen noch die anderen durfte man schießen.

Ich hörte Opa sein Gewehr laden und drehte mich um. Der Hirsch sah mich an. Sein Blick flatterte. Wer mir etwas antut, wird leiden, so wie ich leiden werde. Nicht ich, sondern der Wilddieb hatte den Hirsch am Hals erwischt. Ich hatte meterweit am Tier vorbeigezielt und dabei den Mann im Gebüsch getroffen. Am Hals. Die Prophezeiung des Hirsches hatte sich also erfüllt – für den Wilderer.

»Du hast ihn am Hals getroffen!«, rief Opa jetzt, meinte natürlich den Hirsch, er hatte den verblutenden Wilderer noch nicht bemerkt. Er entsicherte und setzte sein Gewehr an die Schläfe des Hirsches.

Der Hirsch regte sich.

Der Wilderer regte sich.

Wer mich tötet, wird sterben, so wie ich sterben werde.

»Halt!«, schrie ich.

Opa drückte ab.

Weg

Als Opa dem roten Riesen das Leben aus dem Kopf schoss, klang es wie bei meinem Schuss – die Akustik schien nicht zu stimmen. Jetzt wusste ich, warum. Der Wilderer und er gaben exakt im gleichen Moment einen Schuss ab. So wie der Wilderer und ich zuvor.

Opa fiel das Gewehr aus den Händen. Gleichzeitig klappte er hölzern in sich zusammen, mit den Knien in Richtung Waldboden. Einen Moment lang wusste er nicht, wohin er fallen wollte, der Kopf mit dem roten Fleck an der Schläfe sackte auf die Brust, dann brach er mit hängenden Armen nach hinten weg. Als hätte ein entnervter Marionettenspieler mitten in der Vorführung gekündigt.

Ich fuhr herum, entsicherte und legte an, doch der Mann in seiner Tarnkleidung lag still da, die Waffe neben sich. Pulver in der Luft. Langsam ging ich zu ihm hinüber und trat das Gewehr außer Reichweite. Ein altes tschechisches Modell. Er selbst blieb regungslos. Mein Lauf war nur noch wenige Zentimeter von der Mörderschläfe entfernt. Unter der Tarnschmiere und dem Blut erkannte ich einen bärtigen, aber jungen Mann, nicht viel älter als ich. Ehrlicher Arbeiterschweiß hing ihm in der Wäsche, der Restalkohol vom Vortag umschwebte ihn wie eine Seele.Ich stupste ihn mit der Fußspitze an – keinerlei Reaktion. Ein paar vorsichtige Tritte in die Seite. Nichts. Er hatte offenbar seine restliche Lebensenergie in den Schuss gelegt. Oder eine letzte Zuckung hatte den Finger am Abzug bewegt.

Jetzt erst eilte ich zu Opa. Er lag auf dem Rücken, den grimmigen Henkersblick für immer ins Gesicht geschnitzt.

Ich sah zum Hirsch, dann wieder zu Opa.

Opa ist tot.

Ich blickte zum Wilderer.

Niemand regte sich.

Ich sah hinauf in die Buche, zum alten Baumhaus, das sich immer noch hinter den gelben Blättern versteckte. Wann war ich das letzte Mal dort oben gewesen? Jetzt gerade wollte ich nichts lieber, als den Wurfanker und die lange Strickleiter aus dem Versteck holen, hinaufklettern, die Leiter hochziehen, den Wald inhalieren und mein Leben verschlafen. Ich nahm die Brille ab, massierte Augenlider und Nasenrücken, allein mit den Bäumen, den drei Leichen, und überlegte.

Die Freiheit war zum Greifen nah. Schon im Januar würde ich meinen Zivildienst antreten, endlich alles hinter mir lassen. Ich würde nie wieder der Typ sein, der zu Hause alles zusammenhalten musste. Ich würde Piesbach Lebewohl sagen und für achtzehn Monate im Leuchtturm der Vogelwarte verschwinden. Seit mehr als einem Jahr fieberte ich diesem Traum entgegen, nur so hatte sich meine Rolle als Depp der Familie überhaupt noch ertragen lassen: Bei jeder Wäscheladung, nach jedem gewischten Boden, geputzten Badezimmer dachte ich an den Ausblick über die glänzenden Wattriffeln. Die Schreibmaschine, der Horizont und ich, ein anderes Leben war für mich vollkommen undenkbar geworden. Und was wäre das auch für ein Leben gewesen? Mit einer fahrlässigen Tötung im polizeilichen Führungszeugnis konnte ich nicht nur die Verweigerung vergessen – ich würde womöglich im Gefängnis landen wie ein Verbrecher. Ich hatte keinen Jagdschein, es war Opas und mein Geheimnis, dass wir jagen gingen. Er hatte mich ausgebildet, nicht einmal mein Vater wusste, dass ich mit einem Gewehr umgehen konnte – Dito hasste Waffen.

Ich setzte meine Brille wieder auf.

Opa musste liegen bleiben, und ich musste alle Spuren verwischen und ungesehen verschwinden. Irgendjemand würde ihn und seinen Mörder hier finden. Wem wäre geholfen, wenn ich jetzt die Polizei rief? Das Forsthaus lag einsam im Wald, niemand hatte mich gesehen, ich hatte niemandem erzählt, dass ich herfahren wollte. Nur Mayra, auf Video. Aber das Tape war noch in der Kamera, das konnte ich löschen.

Die Kamera!

Ich griff zur Seite, wo sie am Gurt baumelte. Sie lief immer noch. Ich drückte auf stop. Darum würde ich mich später kümmern müssen.

Was hatte ich sonst für Spuren hinterlassen?

Den todbringenden Schuss aus meinem Gewehr. Opa selbst hatte auch geschossen. Meine Steyr musste also zurück ins Haus, denn dass er mit zwei Waffen jagen ging, machte keinen Sinn. Aber würde die Polizei in so einem Fall die Forensiker rufen, wie im Tatort? Konnten die dann feststellen, dass der Wilderer von einer anderen Waffe getroffen worden war als der Hirsch? Dazu mussten sie den Hirsch im Labor untersuchen, mussten die Kugel finden, die den Wilderer getroffen hatte, und vor allem einen Grund haben, diesen Aufwand zu betreiben.

Ich sah mir die Szenerie genau an. Wenn man das so vorfinden würde … wahrscheinlich würde niemand auf die Idee kommen, dass Opa in Begleitung gewesen war. Wildhüter Bardo Aust Kratzer hatte den nicht-tödlichen Schuss auf den Hirsch abgegeben, dabei versehentlich den Wilderer getroffen, dann hatte er den Hirsch erlöst und war vom Wilderer hinterrücks erschossen worden. Woraufhin dieser verblutet war.

Den Fall konnte sogar Wachtmeister Dimpfelmoser aufklären.

Ich musste nur die Kameratasche aus dem Auto holen, zurück zum Haus, die Steyr putzen, meine Sachen packen, auf den Roller und weg hier.

Ich durchwühlte Opas Jackentaschen, fand seinen Schlüssel, hängte mir mein Gewehr um und zerlegte ein letztes Mal seinen Körpergeruch. Seit Omas bitterem Ende hatte ich mich immer wieder gefragt, ab welchem Moment man ihn riechen konnte, den menschlichen Tod. Als sie starb, roch ich nichts. Doch schon am nächsten Tag hatten die Bakterien ihre Arbeit aufgenommen und mit der Zersetzung begonnen, die süße Fäulnis war deutlich zu erkennen gewesen.

Ich sah mir auch den Leichnam des Wilderers noch einmal an. Er stank, aber das war nicht dem Odem des Zerfalls zuzuschreiben, sondern seiner rückständigen Vorstellung von Hygiene. Den Schritt hatte er sich seit einigen Tagen nicht gewaschen, und mit dem Zähneputzen nahm er es offensichtlich auch nicht so genau. Die Waffe fiel mir ins Auge. Ich hatte sie ihm aus der Hand getreten, sie lag viel zu weit weg. Ein findiger Kriminalpolizist würde stutzig werden. Um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, schob ich das Gewehr mit den Füßen zurück zum Körper, kickte es mit einigen kleinen Tritten vorsichtig zurecht, als wäre es ihm aus der Hand gefallen.

Durch die Dämmerung stolperte ich zum Auto, setzte mich auf den Beifahrersitz, nahm die Kamera in die Hand und überlegte kurz, ob ich die Aufnahmen sofort löschen sollte. Ich entschied mich dagegen, die Zeit drängte. Es war vielleicht auch besser, alle Bilder aus dem Wald in Ruhe mit einer belanglosen Botschaft für Mayra zu überspielen, als jetzt ein paar Minuten schwarz zu filmen. Nur für den Fall, dass das Tape in die Hände der Polizei geriet. Erstaunlicherweise gefiel mir irgendwie, an alles denken zu müssen, keine Fehler machen zu dürfen, als wäre ich Mr. Ripley.

Ich verstaute die Kamera und hängte mir die Tasche um. Zum Glück hatte Opa eine Maglite im Handschuhfach. Ich knipste sie testweise an, der Strahl schnitt ein Loch in die Düsternis. Dann stieg ich aus und schloss das Auto ab. Der Schlüssel gehörte in Opas Jackentasche, also musste ich noch mal zum Tatort zurück.

Um Zeit zu sparen, ging ich wieder quer durch das Unterholz zur Buche, was im Halbdunkel nicht ganz einfach war. Der Hirsch und Opa mit der blutigen Schläfe tauchten im Lichtkegel der Taschenlampe auf. Im Tode vereint. Beide begannen bereits auszukühlen. Ich musste dem Impuls widerstehen, Opa die Augen zuzudrücken wie damals bei Oma. Ich putzte den dicken Kopf des Autoschlüssels ab, wie schon zuvor den Griff an der Autotür – überall Fingerabdrücke –, und steckte den Schlüsselbund zurück in seine Jackentasche. Damit war hier alles erledigt, jetzt musste nur noch ich selbst weg.

Mach es gut, Opa.

Wie glücklich mussten die sein, die ans Jenseits glaubten. An einen Himmel, wo Oma auf Opa wartete, mit einem Topf Hirschgulasch. Wo Bardolein und Ingelchen wieder vereint waren.

Ich riss mich los. Es war noch einiges zu tun. In meinem Tempo würde ich zu Fuß sicherlich eine halbe Stunde bis zum Forsthaus brauchen. Zum Glück hatte ich die Taschenlampe. Ich ließ den Lichtkegel ein letztes Mal über die unheimliche Szenerie wandern. Opa. Der Hirsch. Ich leuchtete rüber, zum Wilderer. Zur dritten Leiche. Der Blutfleck im Gras war fast nicht mehr zu erkennen. Den Wilderer konnte man auch nicht sehen.

Weil er weg war.

Kill your Darlings

Sofort knipste ich die Taschenlampe aus und duckte mich.

Keine Sekunde zu spät, ein Schuss zerriss das abendliche Gemurmel des Waldes. Mit einem splitternden Ftocks! schlug das Projektil nicht weit von mir in den Stamm eines Baumes ein. Meines Baumes. Auch wenn Buchenholz für normale Nasen keinen besonders ausgeprägten Eigengeruch hatte, mir drückte die erdbeerige Süße fast den Kopf ins Genick. Vogelflügel flatterten. Der Wilderer war noch am Leben.

Ich rannte los, in den Wald. Sofort wurde mir schwindelig. Mein Brustkorb schmerzte. Das alberne Herz des Charlie Berg, zu nichts zu gebrauchen, nicht für die Liebe, nicht für den Sport, gerade gut genug, um bei Schrittgeschwindigkeit das Blut zirkulieren zu lassen. Zwangsläufig reduzierte ich mein Tempo, dann blieb ich ganz stehen, stützte mich ab und horchte eine Weile in die Nacht hinein. Der Wald machte zaghaft da weiter, wo er unterbrochen worden war. Vorsichtig setzte auch ich ein Bein vor das andere. Ich sah fast nichts, die Taschenlampe zu benutzen kam jedoch nicht in Frage. Also tastete ich mich von Baum zu Baum, bis ich endlich etwas mehr erkennen konnte. Da war das Stück Nachthimmel, unter dem Opa den Wagen geparkt hatte. Von hier aus würde ich auch ohne das Licht der Taschenlampe zum Haus zurückfinden, ich musste nur dem Weg folgen.

Aber was, wenn der Schütze mir beim Forsthaus auflauerte? Vielleicht wusste er, dass es der Förster war, den er erschossen hatte? Hatte er womöglich im Wald auf Opa gewartet? Konnte das sein? Mein eigener Angstschweiß biss mir in die Nase.

Als das Forsthaus nach einer knappen halben Stunde Fußmarsch in Sichtweite kam, verließ ich den Weg, um mich von hinten ans Grundstück heranzuschleichen. Das Haus lag friedlich im Dunkeln. Mit letzter Kraft kletterte ich bei den Gräbern über den Zaun und näherte mich der Veranda.

Grelles Licht schoss mir ins Gesicht. Ich zuckte zusammen und schmiss mich auf den Boden.

Idiot.

Nur der Bewegungsmelder. Ich hastete zur Hintertür, dort hatte ich deutlich mehr Schutz.

Der Reihe nach hob ich die Blumentöpfe hoch. Den ersten, zweiten, dritten. Unter dem letzten lag der Ersatzschlüssel.

Vorsichtshalber schob ich den Roller hinter das Haus, falls zufällig jemand in der Zwischenzeit zum Forsthaus kam. Dann klopfte ich mir sorgfältig die Stiefel ab, die Opa mir geliehen hatte, und wusch sie am Wasserhahn bei den Gartengeräten sauber. Ich dachte wirklich an alles, vielleicht sollte ich Auftragskiller werden. Wobei ich in Zukunft darauf bestehen würde, dass die Morde nicht im familiären Umfeld stattfanden.

Ich ging wieder nach vorn, zur Eingangstür, und als ich aufschloss, hörte ich im Haus ein Geräusch. Dann ein Quieken. Daran hatte ich nicht gedacht.

Von wegen Auftragskiller.

Schlimm genug, dass Opa als Wurmfutter im Wald lag und es womöglich Tage oder Wochen dauern würde, bis ihn jemand fand. Den alten Helmut konnte ich nicht allein und qualvoll verenden lassen.

Ich ging in die Küche.

Eutha-Narcodorm. Zum schmerzlosen und sicheren Einschläfern von Groß- und Kleintieren durch intraperitoneale oder intravenöse Injektion.

Eine Vene würde ich wohl nicht treffen, aber ihm die Spritze in den Bauch zu jagen, das sollte gehen.

Helmi. Er saß vor mir, blickte mit seinen blinden Milchmurmelaugen an mir vorbei gegen die Wand. Wie aufgezogen wischte seine Rute den Boden. Hin und wieder sackte sein Kopf nach vorn, als wäre er plötzlich zu schwer. Opa hätte das schon längst erledigen sollen. Er hätte das auch damals bei Oma machen müssen. Aber jetzt war Opa tot, und alles blieb wieder einmal an mir hängen.

Ich hatte es so satt. Der Depp der Familie zog die Spritze voll, piekte sie tief in den Bauch und drückte den Inhalt langsam in den Hund. Viel hilft viel, wie Opa zu sagen pflegte. Es hatte etwas Tröstliches, dass keiner der beiden ohne den anderen würde weiterleben müssen.

Um ganz sicherzugehen – und weil in der Flasche noch was drin war –, versuchte ich mich mit der zweiten Ladung daran, eine Vene zu treffen. Ich wählte den Innenschenkel, so wie es Frau Dr. Meinardt bei Rimbaud gemacht hatte. Da, wo ich die Lösung reinspritzte, bekam Helmut eine zweite Beule. Das war also danebengegangen. Aber wer wollte sich darüber jetzt noch beschweren? Ich überlegte, ihm die zweite Flasche auch noch zu verabreichen, entschied mich aber dagegen und steckte sie ein.

Nach kurzer Zeit fing Helmut an, leise zu wimmern. Zehn Minuten später war aus dem Wimmern ein herzzerreißendes Jaulen geworden. Eigentlich hatte ich sein Leiden beenden wollen, nicht vergrößern. Um es mir noch schwerer zu machen, ließ er sich jetzt nicht mehr streicheln, er schnappte nach mir, sobald ich es versuchte.

Dann fing er an zu schreien.

Mir blieb also nichts anderes übrig. Ich schulterte das Gewehr, griff mir Helmut, der wild geworden um sich biss und dabei brüllte und weinte wie ein heiseres Menschenbaby. Die Windel hatte er auch voll, sie war warm und stank so heftig, dass ich die Luft anhalten musste, mein vom Adrenalin aufgepeitschter Geruchssinn war in der letzten Stunde konstant auf hohem Niveau gelaufen, inzwischen setzte die Erschöpfung ein, wie nach jeder Phase intensiver Nasenarbeit. Ich schaffte es kaum noch, die tierischen Exkremente wegzurechnen, die Faulgase, den sauren Darminhalt, alles bohrte sich mir ungebremst in den Kopf. Mit dem Bauch vorweg trug ich Helmi nach draußen, drückte dabei seinen Hals mit dem Unterarm nach oben, um die aufeinanderschlagenden Zähne von meinen Händen fernzuhalten. Bissspuren konnte ich keine gebrauchen. Draußen herrschte inzwischen vollständige Finsternis. Ich setzte ihn ab, drehte den Kopf weg und atmete ein paarmal durch den Mund. Der Bewegungsmelder sorgte klickend für Festbeleuchtung. Helmut schrie und taumelte im Kreis, immer wieder gaben die Beine nach. Ohne noch lange zu überlegen entsicherte ich.

Addio, alter Freund.

Helmut antwortete nicht.

Es tut mir leid.

Immer noch keine Antwort.

Ich drückte ab.

Hinten im Garten lagen bereits zwei Dackel begraben, Kurt Georg und Ludwig. Als wären es Söhne, die dort beerdigt waren, hatte Oma damals hübsche kleine Steingärten angelegt, mit runden Findlingen als Grabsteine.

Ich überlegte.

Opa hätte einfach ein Loch gebuddelt und Helmut hineingeworfen, ohne Grabstein. Das sah dem alten Brummkopf ähnlich.

Der Timer des Bewegungsmelders ließ das Licht immer wieder ausgehen, und weil ich am Ende des Grundstücks stand, während ich buddelte, musste ich jedes Mal hoch über dem Kopf mit der Schaufel wedeln, um Licht zu machen.

Keine Zeit, um innezuhalten. Ich klopfte die Erde fest. Ein bisschen Laub arrangierte ich so, als wäre es daraufgefallen. Helmuts Blut und Hirn in der Mitte des Gartens spülte ich mit einem Eimer weg, um den Rest würden sich die Mäuse kümmern. Dann entsorgte ich die leere Medizinflasche und die Spritze, wühlte beides mit dem Besenstil ganz nach unten in die Mülltonne und wusch die Stiefel erneut. Im Keller reinigte ich das Gewehr, Griff und Abzug zwei Mal, dann stellte ich die Steyr zurück in den Waffenschrank. Die übrig gebliebene Munition verstaute ich in einer der Schubladen. Sie klemmte leicht, mit einem Ruck zog ich sie etwas weiter auf als am Nachmittag. Buntes Papier kam zum Vorschein, ein Päckchen. Beim Gulasch hatte Opa von zwei Überraschungen gesprochen, die er noch für mich hatte, einer kleinen und einer großen. War das hier die große oder die kleine? An dem Paket steckte eine Karte. Vorn drauf eine Radierung: ein Hirsch. Ich drehte die Karte um. Sie war in Sütterlin geschrieben, eigentlich Omas und meine Geheimschrift. Ihr Sütterlin hatte immer weich ausgesehen, mit ausufernd geschwungenen Schnörkeln und hier und da einem Kringel zu viel. Bei Opa sahen die Buchstaben alt aus, wie er, gestochen, kantig, eckig ins Papier gemeißelt.

Charlie.

Ich hatte mir immer gewünscht, sie Dietrich vererben zu können. Doch bei dir ist sie in besseren Händen.

Opa

Die kleine Holzkiste kannte ich, darin lag seine Luger 08, mit der er im Krieg gekämpft hatte. Was sollte ich mit der Nazipistole? Ungeöffnet steckte ich die Kiste zurück in die Schublade, verbrannte Geschenkpapier und Karte im Waschbecken und spülte die Asche weg, bis nichts mehr zu sehen war. Erst dann schlüpfte ich aus der Tarnkleidung, zog Hemd, Anzug und meinen Dufflecoat an.

Jetzt durfte mir kein Fehler unterlaufen, alle Spuren meines Besuchs mussten getilgt werden. Meinen letzten prüfenden Gang durchs Haus begann ich unter dem Dach. Oben, in Ditos altem Zimmer zog ich das Bett ab, in welchem ich vor über zwanzig Jahren gezeugt worden war und heute nun doch nicht schlafen würde, dann faltete ich die Wäsche und verstaute sie im Schrank. In der Küche standen die benutzten Töpfe, unser Geschirr, zwei Teller. Den Rest Gulasch füllte ich in eine Tupperdose, schrieb das Datum meines letzten Besuchs im Juni darauf und stellte es in die riesige Gefriertruhe zu den vier Hirschschultern. Zwei Gläser standen in der Spüle – meins war noch halb voll. Ich goss es aus, wusch ab, stellte alles zurück. Anschließend ging ich noch einmal in den Keller. Das Labor hatte ich aufgeräumt hinterlassen. Doch auf dem Etikett meiner jüngsten Duftkreation war das heutige Datum verzeichnet. Ich löste es ab, zerrieb es unter dem laufenden Wasserhahn zu einer kleinen, matschigen Kugel, schluckte sie herunter und schrieb ein neues Etikett für die Mixtur. Ebenfalls mit dem Junidatum. Und einem neuen Namen: »Tränenwind«. Nur ein kriminologisches Genie à la Sherlock Holmes würde anhand des Duftes schlussfolgern können, dass mich die Nordsee dazu inspiriert hatte, nachprüfen, wann ich das letzte Mal an der See gewesen war, und somit herausfinden, dass das Datum auf dem Etikett nicht stimmen konnte. Aber ein Polizist aus Leyder war zu einer solchen gedanklichen Komplexität mit Sicherheit nicht in der Lage. Er würde das Parfum nicht öffnen, geschweige denn den Duft lesen können. In Leyder starben die Menschen eines natürlichen Todes, vor dem Fernseher, beim Tanzen auf dem Schützenfest oder auf der Toilette des Tischtennis-Clubheims. Und Parfum wurde nicht des Geruchs wegen gekauft, sondern aufgrund von mehr oder weniger gelungenen Marketingkampagnen. Ich ließ meinen Blick noch einmal über die Kolben, Fläschchen und Pipetten wandern. Mein Labor. Wehmütig schloss ich die Tür.

Im Flur hing der Tarnoverall, ich untersuchte ihn auf Blutspuren. Alles sauber. Einem Impuls folgend öffnete ich noch einmal die Schublade mit der Munition. Ein feiner Geruch, wie von Metallspänen, war vorhin aus der Holzkiste gestiegen, warum hatte ich ihn ignoriert? Ich klappte den Deckel auf und nahm die Luger heraus. Oh je. In den Lauf war ein Name graviert. Mein Name. Dieser Wahnsinnige, wann hatte er das machen lassen? Ich steckte die Waffe zurück in die Holzkiste, nahm sie mit nach oben und verstaute auch sie in meiner Reisetasche.

Jetzt durfte die Polizei kommen.

Ich löschte das Licht und schloss das Haus ab. Den Schlüssel versteckte ich wieder unter dem Blumentopf, die Maglite kam in das Fach unter dem Sattel.

Dann setzte ich den Helm auf und schob den Roller vom Grundstück. Da es leicht bergab ging, konnte ich den Weg hinunterrollen, fürs Erste ohne Licht.

Auf der Straße zündete ich den Motor und gab Gas. Das Licht ließ ich noch aus, bog nach links ab, obwohl es rechts schneller nach Hause ging. Aber dort würde ich durch ganz Piesbach fahren müssen, und irgendjemand aus dem Dorf würde mich sehen. Meine zerrissene Hose, die dreckigen Schuhe bemerken. Wenn ich den Umweg über Leyder nahm, kam ich von der anderen Seite ins Dorf und war sofort bei uns in der Sudergasse.

Was für ein Schlamassel.

Der rote Riese war tot.

Helmut war tot.

Opa war tot.

Nur der Wilderer nicht.

Wenn er überleben sollte, würde er vermutlich nicht zur Polizei gehen und Anzeige erstatten. Aber vielleicht wollte er den einzigen Zeugen beseitigen?

Links und rechts verschwamm der Wald zu einer graubraunen Wand, die Bäume standen bis dicht an die Straße, nur selten rauschte eine schwarze Lücke vorbei, wenn ein Weg ins Dunkel führte. Ich sah schon das Ende des Waldstücks vor mir und beschleunigte, als weit in der Ferne Autoscheinwerfer auftauchten. Zum Glück fuhr ich noch immer ohne Licht. Auf der linken Seite führte der letzte Waldweg auf den Kuckucksberg hoch, zum Faunichoux-Anwesen. Also bog ich ab, fuhr rechts an der Schranke vorbei, wendete und machte den Motor aus. Ich wollte auf Nummer sicher gehen. Besser, niemand sah mich hier. Mit dem weinroten Helm. Auf meinem eierschalenfarbenen Roller.

Das Auto rauschte vorbei.

Als ich es nicht mehr hören konnte, startete ich den Motor. Ich machte das Licht an. Es war irgendwie zu hell. Da war auch nicht nur meins, da war noch mehr Licht. Zitternd strahlte es die Schranke an. Und mich. Von hinten. Aus dem Wald.

Puls und Nase

Jetzt hörte ich es auch. Ich blickte mich um. Ein Auto kam mit viel zu hoher Geschwindigkeit den Berg hinunter auf mich zugerast. Es war nicht mehr weit entfernt, die geschlossene Schranke schien den Fahrer nicht im Geringsten zu stören. Ich gab Gas, fuhr seitlich am Fallbaum vorbei und schoss auf die Straße. Als ich den Lenker herumriss, rutschte der Roller unter mir weg, ich machte ein paar Schrauben auf dem Asphalt, während die Vespa weiterschlitterte.

Der Originallack. Und mein Mantel war auch ruiniert.

Ich drehte den Kopf und sah, wie ein weißer Lieferwagen hinter mir durch die Schranke krachte. Glas splitterte, beide Scheinwerfer erloschen, trotzdem fuhr der Wagen unbeirrt weiter geradeaus, direkt in den Wald. Erst dort kam er mit einem dumpfen Knall an einem dicken Baumstamm zum Stehen, mit dem Heck noch halb auf der Straße. Eicheln prasselten aufs Dach. Der Motor hustete ein letztes Mal, wie ein alter Mann, für den es sich nicht mehr lohnte, mit dem Rauchen aufzuhören.

Ich erhob mich, nahm den Helm ab, humpelte zum Roller und richtete ihn auf. Anschließend holte ich die Taschenlampe hervor und knipste sie an. Die Schuhe waren ein Fall für die Altkleidersammlung. Kurz beleuchtete ich den Schaden an der Vespa. Ein paar hässliche Schrammen, weniger als erwartet. Beim Auto sah das anders aus. Die Schnauze war vollkommen zerquetscht, und die Windschutzscheibe hatte einen Riss.

Langsam humpelte ich näher. Durch das Seitenfenster leuchtete ich ins Innere. Vorn saß er, über dem Steuer zusammengesackt. Altes dunkles Blut klebte an seinem Hals. Er hatte es also tatsächlich bis zum Auto geschafft, nur bei der Fahrt den Berg hinunter musste er dann, geschwächt vom Blutverlust, das Bewusstsein verloren haben. Anders war seine Kamikazefahrt nicht zu erklären. Oder hatte er mich tatsächlich aus dem Weg räumen wollen? Keiner von uns beiden hatte Interesse daran, dass der andere erzählen konnte, was im Wald vorgefallen war.

Dieses Mal musste ich sichergehen, dass er tot war. Ich öffnete die Fahrertür, meinen Ärmel als Handschuh gebrauchend, die Innenraumbeleuchtung funktionierte noch. Sein Blut, altes und neues, sein abgestandener Schweiß, frisch von Todesangst durchwirkt, die olivfarbene, fettige Tarnpaste im Gesicht, von oben aus der Ablage Wildleberpastete und Vollkornbrot, aus dem Motorraum Öl, sämtliche Gerüche fächerten sich in mir auf. Kein Atmen. Am Hals suchte ich seinen Puls. Ich fand keinen. Wo findet man den Puls? Ich suchte bei mir selbst. Ich hatte auch keinen.

Bin ich tot?

Kann ich deshalb mit Tieren sprechen?

Nein, da puckerte es.

Ich prüfte die gleiche Stelle beim Wilderer, dazu musste ich direkt in den verkrusteten Schlamassel an seinem Hals fassen und fester drücken als zuvor.

Frisches Rot quoll hervor.

Pulsierte da etwas? Ganz schwach? In den Geruch von frischem Blut mischte sich etwas anderes, Tierisches. Der ganze Laderaum musste voller Wild sein. Aber ich witterte etwas noch Wilderes. Etwas Lebendiges. Konnte das sein? Ich drehte mich um und leuchtete umher, doch eigentlich brauchte ich die Taschenlampe nicht. Auf meine Nase war Verlass.

Das Festmahl

Der Geruch der erlegten Tiere und der des frischen Bluts hatten ihn angelockt. So wie eine Bahnhofsbäckerei Reisende ködert, indem sie ihre fettschwangere Ofenluft in die Wartehalle pustet.

Er stand am Rande der Straße und fixierte mich. Hager, grau, struppig.

Die Augen funkelten so kitschig im Licht der Taschenlampe, ein Lektor hätte seinen mangacomichaften Auftritt vermutlich herausgestrichen.

Er war allein.

Und er wollte das Wild.

Kannst du haben.

Ich machte einen Schritt in Richtung Heck.

Der Wolf duckte sich und fletschte die Zähne.

Er wusste, dass ihn hier irgendwo ein Festmahl erwartete. Er verstand bloß noch nicht, dass ich sein Kellner war.

Ruhig.

Er knurrte. Ich blieb stehen. Das war also keine gute Idee. Um zur Heckklappe zu gelangen, würde ich dem Wolf weiter entgegengehen müssen. Er sah abgemagert aus. Und nicht sehr wählerisch.

Jetzt setzte er sich langsam in Bewegung. Ich bewegte mich ebenso langsam, nur rückwärts. Dann wurde er schneller.

Ich drehte mich um und rannte los, es waren nur ein paar Schritte bis zum Auto, die Tür stand zum Glück noch offen, ich krabbelte hinein, hörte Tatzen auf Asphalt, irgendwie kletterte ich über den Rücken des Wilderers, den ich dabei aufs Lenkrad drückte, viel zu laut zerteilte die Hupe die Nacht, ich riss die Tür hinter mir zu, genau, als der Wolf gerade abhob. Dabei erwischte ich ihn hart am Kopf. Es knallte, und er gab einen kleinen Laut von sich. Als wäre er zu cool, um zuzugeben, wie weh das getan hatte. Die Tür fiel ins Schloss, das Licht im Wageninneren erlosch.

Jetzt war er nicht nur hungrig, sondern auch sauer, sein Körper schüttete Adrenalin und Alphaduftstoffe aus.

Ich war gefangen.

Jederzeit konnte ein Auto kommen.

Der Wilderer gab ein Geräusch von sich, als würde man die Luft aus ihm rauslassen.

Sein Gewehr! Es musste hier irgendwo liegen, ich schickte meine Nase auf die Suche, Pulver und Waffenöl riefen meinen Namen. Ich betätigte den Schalter für das Innenlicht und griff hinter die Sitzreihe, nahm das Gewehr und prüfte, ob es geladen war. Natürlich war es leer, das wäre auch zu einfach gewesen. Im Handschuhfach war nichts. Über der Windschutzscheibe gab es eine Ablage, ich tastete herum und fand eine kleine Militärtasche. Darin war die in Butterbrotpapier eingewickelte Stulle, die Wildschweinleberpastete roch unangemessen köstlich, Knoblauch, Zwiebel, Thymian, Rosmarin, Apfel, Bärlauch, Zesten von Zitrone und Orange, da hatte jemand, der sein Handwerk verstand, mit Sherry abgelöscht und die richtige Menge an Preiselbeeren untergemengt. Ich hatte Hunger, doch an Essen war nicht zu denken. In der Tasche befand sich außerdem ein schwarzes Portemonnaie, ein dickes, wie es nur Kellner und Taxifahrer benutzen, und ein Karton Fiocchi-Patronen.

Die Munitionspackung war leer.

Das Portemonnaie nicht.

Ich hatte erst ein Mal in meinem Leben einen 500-DM-Schein gesehen. Hier waren ganz viele davon.

Ich zählte das Geld, die schmutzigen Geschichten vieler Hände zogen an mir vorbei.

Ein plinkerndes Kratzen riss mich aus der Konzentration, das Gesicht des Wolfes erschien direkt neben mir am Fenster der Beifahrertür. Er setzte die Pranken gegen die Scheibe, sah mich an und zeigte mir sein wunderschönes Gebiss. Ich konnte den Mundgeruch durch die Scheibe schmecken. Mein Herz versuchte aufzugeben, verlangsamte, stolperte, doch ich schloss die Augen und atmete es wieder in Gang.

So viel Geld. Und keine Munition.

Das Gesicht des Wolfs verschwand wieder.

Ich überlegte. Der Wilderer war ein Krimineller. Ein Mörder. So viel Bargeld hatte er sicherlich nicht mit ehrlicher Arbeit verdient.

Ich fing noch mal von vorn an zu zählen. Es waren siebenundzwanzig 500er und einige kleinere Scheine, insgesamt fast 15 000 DM.

Ich löschte das Licht.

Der Kopf des Wolfes tauchte erneut auf, diesmal auf der Fahrerseite, jetzt blieb mein Herz bereits ruhig.

Wenn ich das Geld hierließ, hatte niemand etwas davon. Es würde von der Polizei beschlagnahmt werden. Oder ein Rettungssanitäter würde sich sein schmales Gehalt aufbessern. Da hatte ich es doch eher verdient. Schließlich hatte der Besitzer meinen Großvater erschossen.

Ich steckte das dicke Portemonnaie in die Innentasche meines Mantels.

Jetzt musste ich hier nur noch heil wegkommen. Wie konnte ich den Wolf vertreiben? Und was war mit dem Wilderer?

Ich sah ihn mir an.

Der Mann würde diese Nacht sehr wahrscheinlich nicht überstehen. Wenn doch, würde ich in eine unendliche polizeiliche Untersuchung verwickelt werden und könnte den Leuchtturm vergessen.

Er hatte meinen Großvater ermordet.

Er hatte mich gesehen.

Er hatte auf mich geschossen.

Es war quasi Notwehr.

Ich öffnete die Fahrertür.

Ich hab hier was Feines für dich.

Der Wolf antwortete nicht. Anscheinend sprach ich nur Hirsch.

Ich stemmte mich mit dem Rücken gegen meine Tür und stieß den Wilderer mit den Füßen vom Sitz. Er platschte auf die Straße.

Zum Glück hatte er sich für seine letzte Fahrt nicht angeschnallt, der Zusammenprall mit der Eiche hatte ihm eine frische Platzwunde am Kopf zugefügt. Der metallische Geruch von Blut flammte erneut auf, als er mit der Stirn zuerst auf den Asphalt schlug.

Sehr gut, das würde den Wolf magisch anziehen, ich riss die Fahrertür schnell wieder zu und beobachtete das Tier.

Guten Appetit.

Er schien meine Einladung anzunehmen. Ich zog den Ärmel über den Handballen und putzte alles, was ich berührt hatte, sorgfältig ab. Dann öffnete ich leise die Beifahrertür, stieg aus, drückte sie sanft zu und schlich mich um das Heck des Autos. Ich blickte um die Ecke.

Der Wolf beachtete mich nicht, er beschnupperte den Wilderer.

Ich ging ruhig zum Roller und setzte mich darauf.

Bitte.

Ich drehte den Schlüssel um. Der Roller sprang an.

Danke.

Ich setzte den Helm auf und fuhr nach Hause.

Zu Hause

Ich hatte Glück.

Bis zum Kreisel in Leyder kam mir kein Auto entgegen. Auch auf dem Heimweg über die Dörfer waren es nur vier Fahrzeuge, keines davon kam mir bekannt vor. Ich glitt an dunklen Häuserfronten vorbei in die Sudergasse, parkte den Roller mit der zerkratzten Seite dicht an der Wand unseres Endreihenhauses. Am besten, niemand bekam die Schrammen zu Gesicht. Ich würde die Vespa gleich morgen zu Nachhatar in die Werkstatt bringen. Zum Glück hatte ich das Haus noch einen Tag für mich allein. Mein anderer Großvater hatte meine kleine Schwester mit nach Italien genommen, die zwei würden erst morgen Abend zurückkehren. Dito und Stucki waren mit ihrem Duo, dem Toytonic Swing Ensemble, noch auf Japantournee und kamen am Ende der Woche wieder. So konnte ich mich also in Ruhe um alles kümmern. Lesestoff für Fritzi aus der Bücherei holen. Meine von Kopf bis Fuß unbrauchbar gewordene Garderobe entsorgen. Und mein Videotape für Mayra fertig aufnehmen. Ich wartete schon fast ein halbes Jahr auf ihr Abschiedstape und hoffte, dass es während meiner Abwesenheit endlich angekommen war. Denn solange ich es noch nicht gesehen hatte, konnte ich keine Antwort aufnehmen, so hatten wir es all die Jahre gehalten. Bevor die Kassette des anderen nicht da war, filmte man höchstens ein paar Minuten, so wie ich den Wald gefilmt hatte, niemals mehr. Man brauchte genug Platz auf dem Tape, um auf den anderen eingehen zu können, sonst wäre das Ganze zu einem bezugslosen Monologisieren verkommen, wie bei Talkmastern und Politikern, die in Fernsehinterviews Scheingespräche führten, bei denen Frage und Antwort nichts miteinander zu tun hatten. Auf unsere Art blieb es, wenn auch in Zeitlupe, ein Dialog.

Aber spielte das jetzt noch eine Rolle? Es würde ohnehin das letzte Mal sein, dass ich einen Teil meiner Welt mit der Kamera einfing und über den Ozean zu ihr sandte.

Ich stand vor der Wohnungstür im Souterrain und betrachtete unseren überdimensionierten Briefkasten. Schon vor vielen Jahren, als ein wichtiges Tonband von Stucki abhandengekommen war, hatte mein Vater dieses gigantische Blechmonster angebracht. Damit niemals wieder ein Paket oder ein zu dicker Umschlag vom Postboten auf den Briefkasten gestellt werden musste. Eine alptraumhafte Vorstellung, Mayras Tape könnte von jemandem aus der Nachbarschaft gestohlen worden sein. Ich öffnete die Klappe. Werbeblättchen quollen heraus, einige Ausgaben des Piesbacher Kuriers und ein paar Rechnungen. Mit hektischen Fingern durchwühlte ich den Papierwust, aber vergebens. Kein dicker Umschlag mit hübschen, bunten Briefmarken.

Enttäuscht schloss ich die Klappe und holte tief Luft. Dabei stieg mir frischer Grasgeruch in die Nase. Er kam aus unserem Haus. Das konnte nur bedeuten, dass mein Vater und Stucki früher als geplant zurückgekommen waren. Ich blickte an mir herunter. Besser, sie sahen mich nicht mit den zerschrabbelten Schuhen und in der zerrissenen Kleidung.

Leise schloss ich die Tür auf und entledigte mich der Wildlederschuhe. Aus dem Studiokeller drängelten sich die Bässe nach oben, hier im Haus stank es nun aufdringlich nach Marihuana. Anscheinend hatten die beiden seit ihrer Heimkehr ohne Unterbrechung gekifft und nicht ein einziges Mal gelüftet. Die kleine rote Lampe des Anrufbeantworters blinkte hektisch, er war voll. Ich nahm die Kassette heraus, ging in das Zimmer, das ich mir mit meiner kleinen Schwester teilte, und legte sie ins Tapedeck. Unser Panasonic AB ließ sich glücklicherweise mit handelsüblichen Leerkassetten füttern, nicht mit den kleinen für Diktiergeräte. Ich stellte die Reisetasche und die Schuhe ab, spulte zurück und zog alles aus. Die Hose war hinüber, doch das war nicht weiter schlimm, dank Nonno hatte ich mehr Anzüge, als ich jemals würde tragen können. Schade war es nur um den Dufflecoat und die italienischen Lederschuhe. Es war 21:12 Uhr, zu spät, um ein Feuer zu machen. Wir hatten eine Tonne hinter dem Haus, ich konnte die Kleidung erst morgen darin verbrennen. Die Schuhe würde ich in den Altkleidercontainer werfen, gleich neben Nachhatars Werkstatt stand einer. Ich knotete die Schnürsenkel zusammen, stopfte sie zu den anderen Sachen in den Stoffbeutel und schob ihn unters Bett. Das Jackett war noch in Ordnung, ich hängte es auf die Kleiderstange. Rasch kleidete ich mich komplett neu ein, zog auch andere Schuhe und meinen dunklen Trenchcoat an.

Dann trat ich an meinen Giftschrank: ein metallenes Schmuckstück aus den Fünfzigern, pastellgelb, mit gestreifter Milchglasscheibe, das bei Dr. Kutschers Praxisauflösung in meinen Besitz gelangt war. Ich griff mir an den Hals, zog die Kette mit dem Schlüssel hervor, schloss auf und atmete das ausströmende Duftgemisch tief ein: Papier, Tinte, Toner, Videobänder, Musikkassetten, Fotos, die beißende Chemie von Polaroids. In diesem Schrank verwahrte ich alle Anrufbeantworterkassetten, meine Notizbücher, Formelsammlungen, Rezepthefte, verschiedene Logbücher und die Leitz-Ordner mit den ganzen Zeitungsartikeln. Außerdem noch Briefe, in Ziplocs nach Absendern sortiert, Fotoalben, alle Videokassetten von Mayra, mitsamt den Kopien meiner Antworttapes für sie, nummeriert, datiert, chronologisch sortiert, immer abwechselnd. Dieses Archiv war mein Leben, hier hatte alles seine Ordnung. Meine Ordnung. Allein der Anblick des geöffneten Schranks ließ mich ruhiger werden, und der Duft, er flüsterte mir zu, dass alles gut würde.

Fast ein Viertel des ganzen Schranks wurde von einem robusten Metallkasten ausgefüllt, dem Safe. Ich öffnete das vierstellige Zahlenschloss. Hier lagerten meine Tagebücher, ein paar Klemmbinder mit brisanten Fritzi-Geschichten, diverse Briefentwürfe und die Logbücher mit den Vergiftungen, die ich überlebt hatte. Im unteren Fach lag die Mixkassette, die meine Mutter niemals erhalten hatte. Als Erstes nahm ich die unbenutzte Flasche Eutha-Narcodorm aus der Innentasche des Jacketts und stellte sie dazu. Dann zog ich die Reisetasche heran, öffnete den Reißverschluss und nahm das Tape aus der Kamera, verstaute es im Safe, dann die Maglite. Des Weiteren waren noch die Schachtel mit der Luger 08 und das dicke Portemonnaie des Wilderers in der Tasche.

Was für ein Schlamassel.

In diesem Moment ging im Flur die Kellertür auf, das Toytonic Swing Ensemble und ein Nebel aus Gras, Schwarztee und Röhrenverstärkern quollen heraus, quer über den Gang durch meine offene Tür bis ins Zimmer. Hastig griff ich mit der einen Hand das Portemonnaie und mit der anderen die Holzkiste der Luger, sie klappte auf, und die Pistole fiel mitsamt einigen 9mm-Patronen heraus. Schlurfende Schritte kamen näher. Ich stellte die Kiste mit links in den Safe, warf das Portemonnaie mit rechts zurück in die Reisetasche, schob die Munition mit dem Fuß unter den Schrank und schlug die Tür zu. Während ich mich bückte, um auch die Waffe in die Reisetasche zu stopfen, hörte ich Dito auf dem Flur rufen: »Charlie?«

Ich nahm die Reisetasche in die Hand und warf sie genau in dem Moment aufs Bett, als er mein Zimmer betrat. Sie klappte auf, ganz oben thronte die Luger.

»Hey.«

Mein Vater klang niedergeschlagen. Ich drehte mich zu ihm um.

»Dito! Ich bin gerade zur Tür rein«, sagte ich so überrascht wie möglich, zog meinen Trenchcoat aus und warf ihn beiläufig in Richtung Bett. Er landete auf der Reisetasche.

»Was machst du denn schon hier?«, fragte ich.

Kein dämlicher Spruch, kein Grinsen, seine ganze Haltung hatte etwas Hündisches, Gebrochenes. Jetzt roch ich es auch, er hatte Alkohol getrunken, Schnaps, was selten vorkam.

»Ich bin auch erst heute Mittag gekommen.«

»Und, wie war die Tour? Seid ihr jetzt big in Japan? Wo ist Stucki?«

»Stucki ist noch in Thailand.«

»Wieso Thailand?«

»Er sitzt im Knast.«

»Wie bitte?«

Dito ließ sich auf meinen Schreibtischstuhl fallen, stützte die Ellenbogen auf die Knie und den Kopf in die Hände. Mit einem saftigen Knelack! stoppte das Tapedeck, die AB-Kassette war fertig zurückgespult. Dito reagierte nicht. Er richtete den Oberkörper auf und streckte sich mit geschlossenen Augen. Ein langes Ächzen knisterte in seinem Hals und ging in ein Gähnen über. Dann strich er sich seine wenigen Haare zurück, klimperte mit den roten Augen, bis er wieder klar gucken konnte, und sah vor sich auf den Boden, wie ein Schüler, der beim Direktor einen Streich zu beichten hatte.

»In Japan sind ein paar Termine weggebrochen. Unser Booker hat uns spontan auf einem Festival in Thailand untergebracht. In der Nähe von Bangkok auf dem Land. Das war der Hammer.«

Ein Lächeln zog durch sein Gesicht.

»Und dann?«, fragte ich.

»Die Leute haben uns total gefeiert. Die kannten uns! Und das Gras war unglaublich. Ich hab noch nie so gutes Dope geraucht. Unfassbar. Fand Stucki auch.«

»Und dann habt ihr beschlossen, was davon mit nach Hause zu bringen.«

Dito schwieg, reckte sein Kinn vor und rieb seinen unrasierten Hals.

»Ja, nee, also, ich nicht. Stucki hat das auf eigene Faust durchgezogen. Ist ja auch egal. Er wird jetzt gerade im Bangkok Hilton durchgebumst, und wir brauchen 25 000 Mark, um ihn da rauszuholen.«

»Oh Leute, wie blöd muss man sein …«

Ich stemmte die Hände in die Hüften. Es fühlte sich lächerlich und richtig zugleich an.

»Und Kemina?«

Kemina war Stuckis Frau und Mayras Mutter. Ihrem Job beim Goethe-Institut war es zu verdanken, dass die beiden Marihuanafreunde mit ihrer Krautjazzband hin und wieder in ferne Länder reisen durften.

»Sie war zum Glück noch in Osaka und ist sobald es ging rübergeflogen. Jetzt versucht sie von dort aus, die Sache zu regeln und das Geld zusammenzukratzen. Aber selbst mit Keminas und Stuckis Erspartem und dem bisschen, was wir auf der Tour verdient haben, fehlen uns immer noch 12 000 Piepen für den Anwalt, die Kaution und was man da sonst noch so alles zahlen darf. Vom Rückflug ganz zu schweigen.«

»Was für ein Scheiß. Kann Achill das nicht erst mal auslegen?«

Achill van Ackeren war der Inhaber ihres kleinen Plattenlabels.

»Der hat sich gerade mit einer neuen Ferienanlage übernommen und sowieso vor der Reise in die Nachpressungen unserer alten Alben investiert, weil er dachte, die Japaner reißen uns das Zeug aus den Händen. Haben sie leider nicht. Gibt zu viele Bootlegs von uns da drüben.«

Wir schwiegen eine Weile, Dito schloss erneut die Augen und strich sich immer wieder durch den lächerlichen Rest langer Haare, der auf seinem Kopf ein trauriges Dasein fristete. Nach Opa als Geldgeber brauchte ich nicht zu fragen, das hätte ich selbst dann nicht getan, wäre er noch am Leben gewesen. Die beiden redeten schon lange nicht mehr miteinander. Aber es gab ja noch den anderen Opa, Ditos Schwiegervater.

»Kannst du dir vielleicht was von Nonno leihen?«, fragte ich.

Er sah mich an, als hätte ich ihm vorgeschlagen, er solle sich die Geldscheine selbst malen und mit der Nagelschere ausschneiden.

Ich setzte mich aufs Bett.

Natürlich dachte ich an das dicke Portemonnaie. Und an den Hirsch. Er hatte wirklich mit mir kommuniziert. Per Gedankenübertragung. Ich glaubte nicht an Fügung, Zeichen oder Schicksal. Aber wie passend war es, dass ich vor gerade einmal einer halben Stunde zu so viel Geld gekommen war? Ich musste mir lediglich noch eine schlüssige Geschichte ausdenken, woher ich das Geld hatte. Dann könnte ich Stucki retten. Ich wäre der Held, nicht nur für Dito und Stucki. Wenn ich ihren durchgeknallten Ziehvater aus dem Knast holte, auch für Mayra.

»Ich frage meinen Chef. Der streckt mir bestimmt was vor, für den sind 10 000 ein Witz. Und 4000 habe ich selbst noch auf dem Sparbuch.«

Dito sah mich an.

»Marlon Künstler, aus deiner Werbeagentur? Die Flachpfeife soll uns helfen? Oh Mann, ist das peinlich. Was willst du dem denn erzählen?«

»Ich denke mir irgendwas aus, der Typ ist zwar ein Vollidiot, aber wenn er irgendwas mit Geld für mich regeln kann, ist er glücklich.«

»Ja?«

»Klar. Seit wir mit meiner Idee den Crunchoxx-Etat geholt haben, frisst er mir aus der Hand. Er hat von seinen Freunden in der Jury gehört, dass wir mit der Kampagne ein paar Goldfäuste gewinnen können, und nennt mich seitdem nur noch Goldberg.«

Dito schüttelte den Kopf. »Na, wenn du meinst … scheiße …«

Seine Stimme erstickte, er unterdrückte ein Schluchzen und vergrub sein Gesicht in den Handflächen.

Ich zog die schwarzen Schuhe aus, in die ich erst vor wenigen Minuten geschlüpft war, ging zu ihm rüber und legte meine Hand auf seine Schulter. Dabei trat ich auf eine Patrone, es tat weh. Vom unerwarteten Schmerzimpuls angetrieben, fielen Ditos Gras-, Schweiß- und Alkoholausdünstungen sofort in Einzelteilen über mich her, ich ließ mir nichts anmerken.

»Ziemlich anstrengende Reise, die du da hinter dir hast, oder?«, fragte ich.

Mit verweinten Augen sah er mich an, eine vorsichtige Vorfreude lag in seinem Blick, er ahnte, was die Bemerkung zu bedeuten hatte.

Ich fuhr fort.

»Wir haben noch Hirschrücken eingefroren. Soll ich morgen einen Topf Gulasch aufsetzen?«

Hirschgulasch. Seine Mutter hatte es nur gekocht, wenn jemand auf eine wichtige und kräftezehrende Reise ging – oder von einer wiederkam. Seit ihrem Tod war ich dafür zuständig. So wie heute Mittag bei Opa, ich war von einer wichtigen Reise gekommen. Dass es gleichzeitig auch ein Abschieds-Gulasch für Opas letzte Reise wurde, hatte niemand ahnen können.

Opa ist tot.

»Oh ja. Fritzi und Nonno kommen morgen zurück, du bist auch gerade erst wieder da – ich denke, das können wir gelten lassen.«

Dito war die Einhaltung der von Oma aufgestellten Regel extrem heilig. Opa hatte es nach ihrem Tod damit nicht mehr ganz so genau genommen. Oft genug hatte ich ihm einfach so einen Topf gemacht, wenn ich ihn besuchte. Die sechs Kilometer von uns bis ins Forsthaus hätte Oma nicht als Reise durchgehen lassen. Doch es war die einzige Art von Liebe, die ich Opa geben konnte. Dito wusste davon ebenso wenig wie von unseren Jagdausflügen. Vor allem wusste er nicht, dass sein Vater jetzt da draußen im Wald lag.

»Ich müsste nur morgen mal raus zu Opa fahren, die Schwarzkiefernadeln besorgen. Hab ihn eh schon lange nicht mehr besucht. Und dann rufe ich bei Marlon an. Ich erzähl ihm, euch wäre auf der Asien-Tour das Equipment gestohlen worden.«

Dito schwieg. Er prüfte einmal mehr seine Haare. Es schienen in den letzten fünf Minuten noch weniger geworden zu sein. Ich bückte mich, wie um mich am Knöchel zu kratzen, griff die Patrone und ließ sie im Socken verschwinden.

»Wir kriegen Stucki da raus. Um ihn musst du dir keine Sorgen machen, der weiß sich zu verteidigen. Wenn er wieder hier ist, mach ich noch einen Topf Gulasch, und dann gibt es eine Geschichte mehr. Eine Knast-Geschichte, die fehlte noch in der Sammlung.«

Die großen Gulascherzählungen

Aufgrund der Familientradition, das Hirschgulasch nur dann zu kochen, wenn jemand von einer Reise zurückkehrte oder eine Reise bevorstand, war fast jeder Topf mit einer Story verknüpft, die anschließend Teil des Kanons der großen Gulascherzählungen wurde. Der Begriff »Reise« wurde hierbei von meiner Oma durchaus großzügig ausgelegt – es konnte sich auch um eine Reise ins Totenreich oder den Beginn eines neuen Lebensabschnitts handeln.

Sobald wir beisammensaßen und das dicke, durch den Honig fast klebrige Gulasch seinen Geschmack im Raum verteilte, wurde erzählt. Oma, Dito oder Stucki ergriffen meist das Wort, als Kind saß ich nur dabei und lauschte. Auch Opa saß stumm wie ein Baum etwas abseits und löffelte seinen Teller noch, wenn alle anderen längst fertig waren. Meine Mutter war immer nur als Teil der ein oder anderen Geschichte anwesend.