4,99 €
»Die Revolution ist die Notwehr des Volkes, welches in seinen heiligsten Rechten gekränkt ist.« Lothar Bucher
Es gärt und brodelt im ganzen Land!
Deutschland wird von einer ideologisch verbissenen und moralisch verwahrlosten Elite ganz bewusst gegen die Wand gefahren. Überall herrschen politische Arroganz, Staatsversagen und Gleichgültigkeit. In den vergangenen Jahrzehnten gab es keine Zeit, in der »Volksvertreter« und Massenmedien so herablassend und verächtlich mit ihren Wählern und Bürgern umgegangen sind wie heute.
Die Menschen sind es satt, ständig bevormundet zu werden
Doch immer mehr Menschen reißt die Hutschnur. Überall regt sich Widerstand: Die Bürger begehren auf gegen Angela Merkel, Frühsexualisierung, hohe Mietpreise, Zensur, Bevormundung, Migrantenkriminalität, Parteienwillkür, Steuergeldverschwendung und Islamisierung. Es riecht nach Rebellion.
Markus Gärtner zeigt in bisher nie gekannter Deutlichkeit das Zerstörungswerk eines parteiübergreifenden linken Lagers, das unsere Republik immer stärker spaltet, und beschreibt die Vorbeben einer flächendeckenden Wut der Deutschen gegen die systematische Vernichtung ihres Landes. Die Gründe, die die Menschen auf die Barrikaden treiben, nehmen ebenso zu wie die Zahl der Protestmärsche.
Die kommenden Massenproteste oder gar Unruhen werden nicht von finsteren Verschwörungstheoretikern angekündigt, sondern von Wirtschaftsbossen, Wissenschaftlern und Geheimdienstlern. Der ehemalige CIA-Direktor Michael Hayden erwartet Bürgerkriege in Europa. Die Vereinten Nationen warnten schon 2013 davor. Ein Ex-Präsident des BND befürchtet »große gesellschaftliche Verwerfungen«. Die Unternehmensberatung Bain & Company, ein weltweit führender Strategieberater, sagt dem Westen »eine Zeit wirtschaftlichen Aufruhrs« voraus. Der ehemalige Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme vergleicht Europa sogar mit der Titanic.
Den Großteil der Verantwortung für dieses Desaster trägt Angela Merkel. Sie hat mit einer Serie gewaltiger Fehler die Deutschen ins Zentrum des kommenden Orkans gezerrt. Dieses Buch illustriert mit vielen Quellenangaben das riesige Zerstörungswerk. Es schildert die alarmierenden Vorzeichen des Aufbegehrens. Dabei wird deutlich, dass der viel gescholtene »deutsche Michel« bereits die Heugabeln wetzt.
»Nicht die ans Licht gekommenen Wahrheiten fördern Revolutionen, sondern Wahrheiten, die unterdrückt wurden.« Seneca
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Unser Land wird mit Volldampf gegen die Wand gefahren. Diesen Befund über eine politische Kaste, die unseren Nationalstaat auflöst und den eigenen Souverän kaltstellt, habe ich in der ersten Auflage dieses Buches im Oktober 2018 in seinem ganzen erschreckenden Ausmaß geschildert. Seitdem sind nur 20 Monate vergangen. Der zerstörerische Kurs des Machtkartells in Berlin hat sich weiter beschleunigt. Mit Corona zeigt sich nun: Alle Prognosen der ersten Auflage haben sich bewahrheitet und wurden teilweise durch die erschütternde Realität übertroffen. Das Buch ist aktueller denn je.
Hier nur ein paar Beispiele.
Der Marsch in den sozialistischen Linksstaat hat die Grenzen der Parteienlandschaft erreicht. Im Frühjahr 2020 haben CDU und SPD Bodo Ramelow, dessen Linke im Thüringer Landtag nicht über die nötige Mehrheit verfügt, mit zum Ministerpräsidenten gekürt. Im Mai des Jahres haben CDU und SPD die linksextreme Barbara Borchardt, ein Gründungsmitglied der vom Verfassungsschutz auf Bundesebene beobachteten Antikapitalistischen Linken, zur Richterin für das Landesverfassungsgericht in Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Eine Verfassungsgegnerin soll unsere Verfassung schützen. Selbst der Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, Arnold Vaatz, sieht diese skandalöse Wahl nicht als Unfall. In einem Interview mit Tichys Einblick schilderte Vaatz die Wahl von Borchardt als Teil eines Versuchs wesentlicher Kräfte in der CDU, den Unrechtsstaat DDR zu rehabilitieren, um die CDU auch nach links außen mehrheitsfähig zu machen.
Auf diesem Marsch nach links wird selbst die terroristische Antifa zum Verbündeten. Die Journalistin Bettina Röhl, Tochter der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof, hat in einem Gastkommentar für die Neue Zürcher Zeitung am 2. Juni 2020 (»Die RAF ist tot, es lebe die Antifa?«) die Frage gestellt, »ob die Antifa so etwas ist wie eine verbeamtete RAF, eine Terrorgruppe mit Geld vom Staat unter dem Deckmantel ›Kampf gegen rechts‹«.
Zweites Beispiel: Corona. Das Corona-Desaster wurde von der Regierung Merkel als Vorwand genutzt, um drastischer als je zuvor unsere bürgerlichen Freiheiten einzuschränken. Wochenlang wurden im Frühjahr 2020 Bewegungs-, Religions-, Versammlungs- und Berufsfreiheit beschnitten.
Der Meinungskorridor, der laut dem ehemaligen Chefredakteur des Handelsblatts, Gabor Steingart, ohnehin schon auf »Schießschartengröße« eingeschränkt wurde, ist nun noch stärker verengt. Bürger, die gegen die drakonischen Corona-Eingriffe protestieren wollten, mussten sich vor Gericht ihr Recht auf Demonstrationen erstreiten und wurden in den Mainstream-Medien in einer Weise beschimpft und diffamiert, wie man es in dieser Pauschalität und Aggressivität noch nicht gesehen hat. Wer auf die Straße ging und geht, um das Grundgesetz zu verteidigen, wird von Politik und Medien wahlweise als »Verschwörungstheoretiker«, als »Fall für den Psychiater«, als »Gefahr für die Demokratie« oder als »rechtsextrem« bezeichnet.
Mehr noch: Corona wird von den etablierten Parteien gezielt und skrupellos ausgenutzt, um eine nie dagewesene Kontrolle und Überwachung mit Drohnen, Apps und anderen technischen Mitteln zu erreichen.
Währenddessen hat die EU im Namen von Corona einen Schuldenrausch eingeleitet, der die wechselseitige Abhängigkeit der Mitgliedsstaaten auf einen Streich so verstärkt, dass der bürokratische und bevormundende Superstaat nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
Im Klartext: Wir erleben das Ende der Herrlichkeit, des Märchens vom freien, reichen, selbstbestimmten und rechtsstaatlich verfassten Deutschland. Immer mehr Menschen erkennen das und wollen ihr Land zurück. Und sie gehen dafür auf die Straße.
»Für den Italiener ist Häßlichkeit [sic] abstoßend, für den Franzosen Mangel an Geist. Die Angst der Deutschen ist, nicht gut zu sein.«
André Glucksmann
Dieses Buch offenbart Ihnen, dass Sie mit Ihrem Eindruck nicht alleine sind: Unser Land wird ganz bewusst und mit Vollgas an die Wand gefahren, während uns die Medien das beste Deutschland aller Zeiten vorgaukeln. Eine ideologisch verbissene und moralisch verwahrloste politische Elite ist dabei, den Nationalstaat aufzulösen, so schnell wie möglich einen europäischen Zentralstaat zu errichten und eine neue, bildungsschwache Gesellschaft entwurzelter Menschen zu erschaffen, in der es keine gemeinsamen Werte und Traditionen mehr gibt. Auf diesem Kreuzzug in eine bunte Republik werden das Parlament kaltgestellt, die Innere Sicherheit geopfert, die Sozialsysteme zerstört, die Säulen unserer Demokratie eingerissen und die Bänder zertrennt, die unsere Gesellschaft zusammenhalten. Beschleunigte Migration übernimmt in diesem perfiden Plan die Aufgabe, unsere kulturelle Identität zu zersetzen, damit der Nationalstaat leichter aufgelöst werden kann und die Kraft zur politischen Willensbildung schwindet. Das Drehbuch für die multikulturelle Gesellschaft wird bis hin zur Vergabe kommunaler Bauplätze durchgezogen.1
Die traditionellen Medien, früher einmal Wachhund ihres Publikums gegenüber dem Staat, entlarven sich bei diesem Coup gegen den Souverän als willige Helfer. Mit einer ausgeklügelten Sprachbereinigung, einer drastischen Verengung des Meinungskorridors sowie einer politischen Hexenjagd gegen alle, die aus der vorgegebenen Spur ausscheren, werden Kritiker mundtot gemacht und das Volk umerzogen. Dem linken Gesellschaftsexperiment darf nichts im Wege stehen. Doch zunehmende staatliche Bevormundung, die Verachtung der politischen Kaste für die Wähler sowie die unkontrollierte Einwanderung und eskalierende soziale Spannungen provozieren immer mehr Unmut und Protest.
Es gärt und brodelt im ganzen Land. Kaum eine Party, ein Gespräch mit Nachbarn oder ein Training im Sportverein, ohne dass darüber gesprochen wird, wie satt man das Erziehungsfernsehen, dieselben alten Gesichter in Berlin, die Gewaltspirale und die Unfähigkeit korrupter Politiker hat. Allerorten regt sich Widerstand. Ständig bilden sich neue Bürgerinitiativen und Proteste, weil immer mehr Menschen die Hutschnur reißt. 6 Millionen wählen die AfD, zu einem großen Teil aus Protest. Mehr als 4 Millionen verweigern oder verzögern Zwangsbeiträge für das GEZ-Fernsehen. Manche von ihnen gehen dafür sogar ins Gefängnis. Über 900 Bürgerinitiativen kämpfen zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen gegen die flächendeckende Aufstellung von Windrädern im Rahmen der völlig vermurksten Energiewende. Ungezählte Schrebergärtner protestieren im ganzen Land dagegen, dass der allgegenwärtige »Flächenfraß« ihre kleinen Paradiese für das nächste Gewerbegebiet verschluckt. In der laufenden Verkehrswende kommen Millionen getäuschte Diesel-Fahrer hinzu. In den Handelskammern begehren »IHK-Rebellen« gegen Zwangsbeiträge und exzessive Präsidentengehälter auf. Auch das Fußball-Volk rebelliert, und zwar gegen die irrwitzige Kommerzialisierung unseres beliebtesten Sports, der bei der WM 2018 in Russland seine größte Demütigung erlebte und sich dabei als Spiegelbild einer erneuerungsunfähigen Republik erwies. Durch Hamburg, Berlin, Cottbus, Rathenow, Mainz und Kandel ziehen Merkel-Gegner und Frauenmärsche. In Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Jena und anderen Städten rebellieren Bürger gegen Mietpreise, die am Anschlag sind. Eltern gehen im Kampf gegen die Frühsexualisierung ihrer Kinder in den Schulen auf die Straße. Proteste formieren sich »gegen Parteienwillkür und Amtsmissbrauch« (Greiz), »gegen das NetzDG« (Köln), gegen Islamisierung (Rostock), bei »Mütter gegen Gewalt« (Duisburg), beim »Frauenmarsch Niedersachsen« (Delmenhorst), für mehr Kita-Plätze (Berlin) und »Beweg was Deutschland« in Mainz. Die Terminhinweise für eine wachsende Zahl von Protesten füllen ganze Seiten im Internet. Und es brodelt bis in die Parteien hinein. Die Basis der SPD begehrt gegen ihre Funktionäre auf. In der CDU gab es bisher keine größere Revolte der Basis. Dafür rebellierte die CSU im Sommer massiv gegen Merkels Migrationspolitik. In den sozialen Medien lassen aufgebrachte Bürger derweil so viel Dampf ab, dass die Justizministerin ein »Pluralismus-Gebot« fordert und bestimmte Inhalte vorschreiben will.2
Kurz, es riecht nach Rebellion. Diesen alarmierenden Befund halten nur die für übertrieben, die sich ausschließlich bei den Mainstream-Medien informieren. Dort wird zwar über Proteste der Opposition in Armenien, über Demonstrationen gegen die Bahnreform in Frankreich oder einen Rentner-Aufruhr in Russland berichtet, aber nach Artikeln über die bei uns allerorten aufflackernden Proteste muss man in überregionalen Blättern mühsam suchen. Dabei regt sich sehr viel Widerstand. Und kommende Massenproteste oder Unruhen werden nicht von finsteren »Verschwörungstheoretikern« vorhergesagt, sondern von ausgewachsenen Managern, Unternehmern, Gesellschaftsforschern und Geheimdienstlern. Der ehemalige CIA-Direktor Michael Hayden erwartet Bürgerkriege in Europa. Die Vereinten Nationen warnten schon 2013 vor einer solchen Entwicklung. Der Ex-Präsident des BND, August Hanning, befürchtet »große gesellschaftliche Verwerfungen«. Der Historiker Michael Stürmer findet, dass man »aus der dahintreibenden ›MS Deutschland‹ bereits das Donnern der Stromschnellen voraus« hören kann. Die Unternehmensberatung Bain & Company aus Boston, die als eine der weltweit führenden Strategieberater gilt, sagt in ihrer Studie »Labor 2030« (»Die Arbeit im Jahr 2030 – Die Kollision von Demographie, Automatisierung und Ungleichheit«) »eine Zeit wirtschaftlichen Aufruhrs in den frühen 20er-Jahren« vorher. Sie erwartet eine Periode, »in der Extreme noch extremer werden«, die Mittelschicht sich so weit auflöst, dass bis zu 80 Prozent der Menschen der Unterschicht angehören werden, und eine »weit verbreitete Unsicherheit normale Familien heimsuchen wird«.3 Der ehemalige Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme vergleicht Europa sogar mit der Titanic. Bis aus Japan kommen alarmierende Prognosen: »Eine Ära der Wut und Angst gefährdet den Westen«, beobachtet die Zeitung Japan Times4 bei ihrem Blick ins ferne Amerika und Europa. Offenbar kann man aus neun Flugstunden Entfernung den heraufziehenden Orkan bei uns erkennen. Angela Merkel hat mit einer Serie gewaltiger Fehler die Deutschen ins Zentrum dieses Orkans gezerrt. Das vorliegende Buch zeigt das Zerstörungswerk eines parteiübergreifenden linken Lagers, das unser Land immer stärker spaltet und sich nicht nur am gesellschaftlichen Koordinatensystem vergreift, sondern auch an der kulturellen DNA. Es beschreibt die Vorbeben eines flächendeckenden Aufbegehrens der Deutschen gegen die systematische Zerstörung ihres Landes. Dabei zeigt sich, dass der viel gescholtene deutsche »Michel« auch auf die Barrikaden geht, wenn es ihm zu bunt wird.
Das Thema »Revolution« macht sich dank rasanter technischer Umbrüche, geostrategischer Umwälzungen, wachsender sozialer Spaltung und der Verachtung des Wahlvolks durch die Eliten zunehmend in den Köpfen breit. Es beschäftigt sogar Kuratoren wie in Karlsruhe, wo das Badische Landesmuseum 2018 die Ausstellung »Revolution für Anfänger*innen« zeigte. Die Besucher konnten testen, »wie rebellisch und kampflustig«5 sie sind. Anstatt Vitrinen und Stellwände, bauten die Organisatoren Trümmerberge aus eigens zerschlagenen Podesten und Sockeln früherer Ausstellungen auf. In der Ankündigung auf der Webseite hieß es unter anderem: »›Revolution‹ hat Konjunktur, ob im Werbeslogan, im Namen für Bands, Fernsehserien oder Achterbahnen.«6
Auch die Bundeswehr stellt sich auf mögliche Unruhen und Proteste, genauer gesagt auf deren Eindämmung, ein. Die Magdeburger Volksstimme berichtete am 1. August 2018 über die bevorstehende Großübung »Schneller Adler«. Deren Skript beinhaltete ethnische Konflikte in »Aquilanien« (repräsentiert durch Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg) inklusive einer Eskalation der Lage, die Evakuierungen und das Vorgehen gegen Demonstranten erfordert. Gesucht wurden für die militärische Übung 260 Freiwillige, deren Einsatz als Darsteller die Magdeburger Volksstimme in dem Bericht so beschrieb: »Die Akteure agieren dann als Demonstranten, als Bürger von Aquilanien oder als Angehörige einer Ethnie, die mit Befürwortung oder Ablehnung auf den Einsatz der deutschen Soldaten reagieren und demonstrieren. Hier sollen vor allem jüngere Leute und besonders Männer zum Einsatz kommen.«7
1
Fake News vom Feinsten
»Propaganda ist die Kunst, andere von etwas zu überzeugen, was man selbst nicht glaubt.«
Abba Eban
Wir schreiben den 12. März 2018. Die Partner der neuen Großen Koalition (GroKo) in Berlin haben gerade ihren Vertrag unterzeichnet. Die Medien verbreiten Aufbruchstimmung. Ein Ruck soll durch das Land gehen. Im Kabinett sind sogar neue Gesichter zu sehen. Angela Merkel wird fleißig zitiert. Sie hat gesagt, sie wolle jetzt ganz schnell mit dem Regieren beginnen. Davor war sie 6 Monate lang abgetaucht. Für das Wahlvolk, von dem sie bei der Bundestagswahl heftig abgestraft wurde, war sie praktisch unsichtbar. Sie nahm sich ausgiebig Zeit, um eine Mehrheit für ihre vierte Kanzlerschaft zu suchen. Inzwischen ist sie längst am Werk, die jüngste GroKo. Aber von Aufbruch ist in diesen Tagen im März 2018, als die ersten Zeilen für dieses Buch geschrieben werden, nichts zu spüren. Die politische Kaste in Berlin ist bei der Lösung unserer größten Probleme weiter heillos überfordert. Niemand erwartet wirklich einen Neuanfang. Wieso auch? Der Regierung gehören mit Angela Merkel und Horst Seehofer zwei Auslaufmodelle an. Die implodierende SPD, der zweite große Verlierer der Bundestagswahl 2017 neben der Union, besetzt mit dem Außen- und Finanzministerium zwei der wichtigsten Schaltstellen der Regierung. Der neue Außenminister Heiko Maas, laut der Welt »ein geborener Europäer«8, hat als Justizminister der Vorgängerregierung die Meinungsfreiheit mit Füßen getreten. Olaf Scholz, der Finanzminister und Vizekanzler, führte als »Erster Bürgermeister« die Hansestadt Hamburg mit 31 Milliarden Euro an die Spitze der deutschen Schuldentabelle.9 Ursula von der Leyen darf als Verteidigungsministerin weitermachen, obwohl die Bundeswehr unter ihrer Führung so von Skandalen um Ausrüstung, Waffen und Munition geplagt wird, dass sie als »Trümmertruppe« gilt und der Wehrbeauftragte ihr bescheinigt, sie sei »derzeit nicht einsetzbar«10. Ein Offenbarungseid als Empfehlung zum Weitermachen? Was sagt das über die Führungsqualitäten einer Regierung aus? Und die ehemalige Bürgermeisterin des Problembezirks Neukölln, der als Musterbeispiel misslungener Integration gilt, ist jetzt die Familienministerin in diesem zukunftsweisenden GroKo-Kabinett. Ganz klar: Ein Neuanfang sieht anders aus. Kein Wunder, dass vor der Wahl in Italien am 4. März 2018 vor »deutschen Verhältnissen« gewarnt wurde.
Zu Recht, wie wir seit dem erbittert geführten Asylstreit zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer im Sommer 2018 wissen. Merkel, deren Fundament schon länger wackelt, steht trotz des Kompromisses, der am 2. Juli des Jahres zwischen CDU und CSU erzielt wurde, mit dem Rücken zur Wand. Mehrere Staaten der EU sperren sich gegen Rückführungsabkommen. Weil sie keine Verbündeten mehr hat, sind Merkels Tage gezählt. Und die GroKo hat in ihrer ganzen Zerrissenheit kaum Aussicht, die laufende Legislaturperiode zu überstehen. Eine Wende in der Asylpolitik, wie sie die Mainstream-Medien an die Wand malen, hat nicht stattgefunden. Merkel steht vor einem großen Scherbenhaufen: Die EU ist dank ihrer Politik heillos zerstritten, das eigene Land tief gespalten, die Union zwischen CDU und CSU beinahe geplatzt. Merkel repräsentiert eine deutsche Radikalität: Marx hat die Welt gespalten, Luther die Kirche – Merkel hat große Keile in das eigene Land, in die EU und in die Union mit der CSU getrieben.
Die Mehrheit der Deutschen will Merkel nicht mehr sehen. Auch in der Auslandspresse hat man die Kanzlerin satt. Die New York Times, die am 12. November 2016 Merkel noch als »letzte Verteidigerin des freien Westens« gefeiert hatte, betrachtet sie nun als »Zerstörerin der EU«, die »gehen muss«. Selbst der deutsche Medien-Mainstream beginnt sich von der Kanzlerin zu lösen und schwenkt um. »Das Fass ist übergelaufen«, schreibt Berthold Kohler in der FAZ. »Merkel traut in der EU keiner mehr über den Weg«, kommentiert Malte Pieper im ARD-Studio Brüssel. Wieder einmal erwachen die öffentlich-rechtlichen TV-Sender und die großen Zeitungen viel zu spät.
Doch das Ende von Angela Merkel wird nicht das Ende der Ära Merkel bedeuten. Ihre Migrationspolitik wird von weiten Teilen des linken politischen Spektrums in Deutschland getragen. Und ob sich die CDU ohne Merkel noch einmal auf ihr konservatives Erbe besinnt, ist völlig offen. Ihr innerer Zirkel hat Merkels Politik vehement verteidigt und die Reihen der CDU hinter ihr geschlossen. Eine unheilige Allianz zwischen dem linken Parteienkartell in Deutschland, neoliberalen Globalisierern und dem konservativen Islam arbeitet weiterhin fieberhaft daran, die Migration nach Europa aufrechtzuerhalten, wie ich in Kapitel 2 zeigen werde. Auch die CSU bleibt im Lager von Merkel. Sie kann es nicht verlassen, weil die AfD das Vakuum, das Merkels Politik im konservativen Teil des Wählerspektrums hinterlassen hat, längst besetzen konnte. Der Aufstand gegen Merkel, der im Sommer 2018 begann, ist jedoch nur einer von vielen, die wir derzeit in Deutschland beobachten können. Die Migrationspolitik, die schweren politischen Fehler der vergangenen Jahre, die wachsende soziale Spaltung und die Arroganz der politischen Kaste treiben immer mehr Bürger auf die Straße. Nicht nur der Blick zurück in den März 2018, als Merkels vierte Amtszeit begann, zeigt das.
Während die neue Regierung im März 2018 antrat, veranstalteten Clanmitglieder in Berlin mit ihren Maseratis tödliche Straßenrennen, kassierten Hartz IV und versuchten, in die örtliche Polizeiakademie einzusickern. Mit Pirmasens zog eine weitere Stadt die Reißleine und forderte eine Zuzugssperre für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Geschützte. Wegen der steigenden Zahl von Gewalttaten stellte eine Grundschule in Schöneberg Wachmänner ein. Syrische Flüchtlinge machten tagelang Schlagzeilen mit ihren Zweitfrauen. Hinzu kamen Messerattacken in einer nicht enden wollenden Gewaltspirale. Darunter die von drei jungen Syrern gegen ein Ehepaar in einem Cottbuser Einkaufscenter und der Messermord eines 41-jährigen Syrers in Mühlacker an seiner Frau.
Viele Schlagzeilen machte im März 2018 auch der Streit um die Essener Tafel. Er demonstrierte die Verwahrlosung der politischen Elite und deren Entfernung von den Realitäten der Menschen in unserem Land. Helfer der Tafel, die seit Jahren nichts anderes im Sinn haben, als Obst, Gemüse, Konserven und Suppen an bedürftige Menschen auszuteilen, wurden als Nazis beschimpft. Sie hatten es gewagt, wieder mehr deutsche Antragsteller zu berücksichtigen. Es war der führende Repräsentant der Kurdischen Gemeinschaft in Deutschland, Ali Ertan Toprak, der im März 2018 im Rahmen dieses Tafelstreits dem Parteienkartell in Berlin die Leviten las.11 Er machte die politische Kaste für grassierende Armut und Verteilungskämpfe verantwortlich, bescheinigte Deutschland ein »enormes Armutsproblem«, einen »unfassbaren Niedriglohnsektor«, eine »unzureichende Grundsicherung« und keine »stimmige Zuwanderungspolitik«. Kaum ein Zitat brachte in diesen Tagen in solcher Dichte und Klarheit auf den Punkt, wie verheerend die ersten 12 Jahre der Kanzlerschaft Merkel für das Land waren und wie ihre Migrationspolitik in deutschen Städten zu Spaltung, Verunsicherung, Wut, Verdrängung, Verlust, Ungerechtigkeit und Abstiegsangst geführt hat. In regionalen Zeitungen war von »vergessenen Stadtteilen« zu lesen, weil sich regelrechte Hartz-IV-Ghettos bilden, »mit Arbeitslosigkeit, hohem Ausländeranteil, Kinderarmut«.12 Es spricht Bände, dass selbst die FAZ im April 2018 einen Artikel über Armut in Deutschland so einleitete: »Es muss bloß das Auto oder die Waschmaschine kaputtgehen, und etwa jeder dritte Deutsche stößt an seine finanziellen Grenzen. Materielle Not zieht sich nach offiziellen Zahlen weit durch die Gesellschaft.«13 Vor allem der Streit über die Essener Tafel – eine von mehr als 930 im Land – machte deutlich, dass wir am Anfang einer langen Reihe schwerer Verteilungs- und Verdrängungskonflikte stehen. Sie können das Land in einen Bürgerkrieg führen.
Und was berichteten die Massenmedien zum Auftakt der GroKo über das Land, in dem wir laut CDU »gut und gerne leben«? Sie berichteten über die negativen Folgen der Migration, die steigende Kriminalität und die wachsende Gewaltspirale zurückhaltend und lückenhaft, meist ohne Details über die Herkunft von Tätern. Sie füllten Zeitungsseiten und Nachrichtensendungen lieber mit Jubelmeldungen über die beste deutsche Wirtschaft, die es je gab. Das Motto ist: Wenn es der Wirtschaft blendend geht, kann der Rest nicht so schlimm sein. Doch das ist reine Propaganda und PR zur Stabilisierung des von der herrschenden politischen Kaste selbst destabilisierten Staates. Mit den vielen Jubelmeldungen über die galoppierende Konjunktur ist es außerdem leichter, Kritiker der Migrationspolitik als undankbare »Wutbürger« oder »Modernisierungsverlierer« abzustempeln.
Die mediale Begeisterung über die brummende Wirtschaft hat zum Auftakt der laufenden Legislaturperiode im Frühjahr 2018 ihren Höhepunkt erreicht, obwohl überall im Land schon gut zu sehen ist, wie soziale Spannungen und die Wut der Bürger über die gegen sie gerichtete Politik immer massiver um sich greifen. Doch in den Medien haben Superlative Hochkonjunktur. Wir leben zu Beginn von Merkels vierter Amtszeit in einem Märchenland. Joachim Gauck hatte schon in einer Rede zum Ende seiner Amtszeit als Bundespräsident im Januar 2017 »das beste, das demokratischste Deutschland, das wir jemals hatten«14, bejubelt. Es war derselbe Bundespräsident, der im ARD-Interview ein halbes Jahr zuvor die Bevölkerung als »das Problem« bezeichnet hatte.15 Nicht nur Fahrkartenschaffner, Kassiererinnen und Pflegekräfte fanden diese Behauptung von Gauck extrem weltfremd, sofern sie im täglichen Überlebenskampf überhaupt die Zeit hatten, Nachrichten zu hören oder zu lesen. Nach der Steilvorlage von Gauck konnte sich auch Peter Altmaier nicht zurückhalten: »Deutschland steht so gut da wie noch nie in seiner Geschichte«, gab der mitteilsame Hauptfeldwebel des Kanzleramtes, der inzwischen am Kabinettstisch sitzt, in einem Interview mit Bild am Sonntag zu Protokoll.16 Die stets nach offiziellen Zitaten heischenden Mainstream-Medien der Republik taten, was ihnen Zunftzwang und Selbstverständnis auferlegten. Sie gaben die frohe Botschaft ungekürzt und an prominenten Stellen wieder.
Sie hallte lange nach. Am 19. November 2017 sprach Claus Kleber im heute journal unter Anspielung auf die Wirtschaft in Deutschland von »traumhaften Zeiten«17. Er bewies damit, wie weit sich die etablierten Medien in diesem Land von ihrem Auftrag entfernt haben und wie konsequent sie die schwierige Realität von Millionen Deutschen ausblenden. Mit dem Hinweis »Deutschland boomt« erinnerte Sandra Maischberger während des TV-Duells den damaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz trotzig an ein Wirtschaftswachstum, »das sich gewaschen hat«. Schulz hatte es gewagt, von einem tiefen Riss in der Gesellschaft zu sprechen. Auf Spiegel Online befand Florian Gathmann am 4. März 2018 nach dem Votum der SPD-Mitglieder für eine erneute GroKo: »Die Deutschen müssen fürs Erste also keine Angst vor der Zukunft haben.«18 Diese Behauptung war ein Schlag ins Gesicht von Millionen Menschen, die gegen wachsende Altersarmut kämpfen, trotz harter Arbeit Tafeln aufsuchen müssen oder als Alleinerziehende jeden Tag mit der Angst aufwachen, dass ihr Geld nicht bis zum Endes des Monats reicht. Ganz zu schweigen von den 7 Millionen Menschen, die von Hartz IV oder Arbeitslosengeld leben,19 den 2,8 Millionen befristet Beschäftigten,20 den 2,7 Millionen, die weniger als den Mindestlohn bekommen,21 oder den bald über 1 Million Wohnungslosen. Wer will es angesichts derart krasser journalistischer Fehldiagnosen dem Publikum verdenken, dass es in Scharen den Qualitätsmedien davonläuft und die Abonnenten den Aufstand proben? Wer braucht solche Zeitungen, Magazine und TV-Anstalten noch?
Die führende Wirtschaftszeitung in Deutschland darf natürlich nicht fehlen, wenn Jubelzahlen aus der Wirtschaft gefeiert werden. »Die Zeichen stehen auf noch mehr Schwung«, attestierte die FAZ der Konjunktur am 14. Dezember 2017. Sie beklatschte ifo-Präsident Clemens Fuest, der ganz entzückt darüber war, dass die »deutsche Wirtschaft brummt«.22 Schon im Herbst 2015 sah die B. Z. in Berlin den damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel »im Glück!«, weil dieser die Konjunktur auf einem »soliden Wachstumspfad« wähnte.23 Die Zeitung zeichnete das Bild eines Landes »auf dem Weg in die Hochkonjunktur« und zitierte Jürgen Matthes vom Institut der Deutschen Wirtschaft. Dieser machte die Lohnzurückhaltung im letzten Jahrzehnt für den gefeierten Arbeitsplatz-Boom verantwortlich und erklärte: »Es ist offenbar hinreichend rentabel, Menschen einzustellen. Anders als vor 10 bis 15 Jahren, als man eher Maschinen als Menschen eingestellt hat.« Das waren Worte aus der Mao-Bibel der Neoliberalen.
Die medialen Einpeitscher legten auf dem Weg Richtung Bundestagswahl und Kalenderjahr 2018 immer noch einen Scheit drauf. »Nirgendwo sonst in der Eurozone werden derzeit so viele neue Jobs geschaffen, viele Firmen würden gerne noch mehr Leute einstellen«, berichtete im Dezember 2017 Spiegel Online und zitierte die Unternehmensberatung EY. Sie sagte für 2018 der Bundesrepublik 400 000 neue Stellen vorher und identifizierte das Land neben der Slowakei und Malta als einziges in der Eurozone, das zu diesem Zeitpunkt eine niedrigere Erwerbslosenquote als vor der Finanzkrise aufwies.
Im Qualitätsjournalismus wollte jeder den anderen überbieten, mit immer neuen Jubelmeldungen und Rekordzahlen: Haushaltsüberschüsse, Exportrekorde, Vollbeschäftigung – es gab kein Halten mehr. »Das eine oder andere Land zieht gerade wahrscheinlich in Erwägung, mit uns zu tauschen«, frohlockte Thomas Fricke in seiner Weihnachtskolumne im Spiegel 2017. (Nur 6 Monate später machte der Spiegel seine Ausgabe 27/2018 mit der Botschaft auf: »Fußball, Politik, Wirtschaft – Es war einmal ein starkes Land«). Fricke watschte in seiner Kolumne mit dem Schwung der frohen Konjunkturbotschaft jene Leser ab, die gerne gewusst hätten, warum nicht mehr über die bedrückenden Schattenseiten dieser wirtschaftlichen Offenbarung geschrieben wird: »Und was machen die Deutschen?«, ätzte er, sie wählen »statt Frau Ich-mach-das-schon-Merkel übellaunig alle möglichen Grüppchen«. Das war eine deutliche Anspielung auf 6 Millionen AfD-Wähler, die trotz all der überragenden Export-, Produktions- und Konsumerfolge »kein glückliches Volk« sein wollen.24 Tage danach meldeten die Zeitungen und Rundfunkanstalten den »besten Konsumindex seit 2001«, eine »Rekordzahl an offenen Stellen« und »einen leergefegten Arbeitsmarkt«. Für die Bauwirtschaft, lasen wir, »läuft es so gut wie zuletzt vor zwei Jahrzehnten«. Sand, Kies und Schotter wurden knapp, »Europaletten« waren kaum noch aufzutreiben. Und Spiegel Online verkündete, der deutschen Wirtschaft gehe es so gut, »dass sie akut keine grundlegenden Reformen nötig hat«. Fake News vom Feinsten wurden hier geboten.
In der ARD bezeichnete ein Volkswirt der VP-Bank in Liechtenstein das boomende Deutschland als »Wellness-Oase«. Die Experten lieferten zu den Jubelzahlen willig und gleichlautend die passenden Zitate. »Wenn man auf die Lebenszufriedenheit schaut, ist die heute höher, als wir sie je gemessen haben«, erzählte Anfang 2018 Gert Wagner der FAZ.25 Der Volkswirt befragt seit 30 Jahren Menschen in Deutschland, wie es ihnen geht. Und weil das Geschäft der 100 umsatzstärksten Firmen 2017 so richtig brummte, registrierten 76 von ihnen steigende Gewinne. Eilig rief die FAZ das »Dividenden-Schlaraffenland« aus. Sie rechnete vor, dass die Gewinnausschüttungen der Unternehmen in nur 2 Jahren um 25 Prozent in die Höhe geschossen waren. Dieser Anstieg war ein Mehrfaches der Zuwächse bei den Reallöhnen vieler Beschäftigter in den unteren und mittleren Lohngruppen. Trotz dieses eklatanten Widerspruchs zwischen dem Märchenland und seinen bitteren Realitäten gab sich die Deutsche Post in ihrem jährlichen »Glücksatlas« Ende 2017 hochzufrieden mit dem, was sie zuvor in den blühenden deutschen Landen abgefragt hatte. Das Fazit: Deutschland sei »weiter glücklich«. Die CDU brachte auf ihrer Webseite wenige Tage zuvor das 463 Seiten lange Gutachten des Sachverständigenrates, der die Wachstumsprognose für 2018 gerade deutlich auf 2,2 Prozent angehoben hatte, in vier Buchstaben auf den Punkt: »B O O M!«
Dieses Glücksgemälde, das ziemlich genau bis zum Beginn der vierten Amtszeit von Angela Merkel gezeichnet wurde, erinnerte mich an die schier grenzenlose Euphorie in den Monaten vor dem Zusammenbruch des Neuen Marktes 2001. Es erinnerte mich auch an die Zeit vor Ausbruch der Finanzkrise 2008. Jedes Mal hieß es, diesmal sei alles anders und die Konjunktur sei stabil. Doch inzwischen wurde es selbst einigen der medialen Cheerleader zu viel. »Jetzt wird Deutschland übermütig«, warnte im Januar 2018 die NeueZürcher Zeitung (NZZ). »Am Horizont ziehen Probleme auf«, mahnte fast zeitgleich die Welt. Was sich hinter dem sagenhaften »BOOM« der vergangenen Jahre verbarg und ein wirkliches Warnzeichen sein muss, wurde in unseren Qualitätsmedien jedoch selten hinreichend geschildert. Man will die schönen Wachstumszahlen als politischen Erfolg verkaufen.
Doch das waren sie nicht, es waren vor allem günstige Umstände am Werk. Die Sonderfaktoren, die der deutschen Wirtschaft über ein Jahrzehnt lang kräftigen Rückenwind verliehen, sind kein Geheimnis. Nach dem Boom in China, der hierzulande Autos, Maschinen, Chemie und Elektronik eine außerordentliche Exportkonjunktur bescherte, waren es die »Früchte« der Agenda 2010, die Arbeit verbilligte und Millionen von Menschen in prekäre Arbeitsverhältnisse trieb, in denen sie an der Entwicklung dieses Landes nicht mehr teilhaben. Angela Merkel hat den massenhaften Abstieg der ungewiss und entwürdigend Beschäftigten mit ihrer Migrationspolitik noch einmal drastisch verschärft, wie sich am Beispiel der Tafeln auf bedrückende Weise zeigt. Dank Merkels Politik prallen nun schwach gebildete Geringverdiener und Arme, die schon länger hier leben, mit Kriegsflüchtlingen und wirtschaftlich motivierten Migranten aufeinander. Die Tafeln waren nur der Anfang. Mittlerweile gibt es viele Konfliktherde, vor allem am Wohnungsmarkt, am Arbeitsmarkt und in den Schulen. Die Anfänge sind gut sichtbar. Die Anfänge, wohlgemerkt.
Zu den günstigen Umständen für die Konjunktur zählt auch der Kollaps der Ölpreise von 140 auf 30 Dollar je Barrel Öl, der nach der Finanzkrise enormen Rückenwind für das deutsche »Wunder« erzeugte. Hinzu kam der schwache Euro, der von 2008 bis 2017 gegenüber dem US-Dollar mehr als 30 Prozent an Wert verlor und die Exporte nach außerhalb des Euroraums stark verbilligte. Schließlich auch das billige Geld der Notenbanken. Laut Berechnungen der Bundesbank26 haben die Niedrigzinsen Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen von 2008 bis 2016 gegenüber der Durchschnittsverzinsung von 2007 eine Gesamtersparnis von 240 Milliarden Euro gebracht. Die Zinsersparnis betrug allein 2016 satte 47 Milliarden Euro. Das war fast so viel wie die beiden Etats Verteidigung und Bildung im Bundeshaushalt 2016.27
Ab 2015 sorgte auch die Migrationswelle für zusätzlichen Anschub. Die Asylindustrie aus Betreuern, Sozialarbeitern, Psychologen, Ärzten, Übersetzern, Handwerkern und Anwälten sowie kirchlichen Organisationen wie der Caritas und der Diakonie beschäftigt addiert ein Mehrfaches der Menschen, die in der Autoindustrie tätig sind. Auch Mitglieder der politischen Kaste haben28 an dem Asylboom gut mitverdient.29 Und einen Zuwachs beim Staatskonsum wie nach Beginn der Massenmigration ab dem Herbst 2015 hatte es zuletzt in den frühen 90er-Jahren nach der Wiedervereinigung gegeben.
Doch was das billige Geld, den schwachen Euro und das Öl angeht, sehen wir seit 2017 eine Schubumkehr: Die Ölpreise haben sich seit ihrem Tiefpunkt mehr als verdoppelt. Der Euro wird wieder stärker und die Zinsen befinden sich auf dem Weg nach oben. Aus dem beträchtlichen Rückenwind wird eisiger Gegenwind. Das Ergebnis: Die Konjunktur überschritt ihren Höhepunkt im Frühjahr 2018, zu der Zeit, als Angela Merkel zum vierten Mal Kanzlerin wurde und die Medien uns das beste Deutschland aller Zeiten in prallen Farben schilderten. Einen Monat nachdem Merkel ihren Amtseid abgelegt hatte, brachte der Spiegel plötzlich die Schlagzeile »Forscher sehen stark gestiegene Rezessionsgefahr«. Es war ein typischer Fall von spät aufgewacht. Schon Anfang 2018 hatten die schweren Kurseinbrüche an den Börsen ein erstes Vorbeben verursacht und die nächste Finanzkrise angekündigt. Die Kurskapriolen waren aber nur eines von vielen Zeichen, die signalisierten, dass der oft gepriesene Exportweltmeister schweren Zeiten entgegensieht. Das Märchen vom besten Deutschland aller Zeiten war schon lange vorher entlarvt worden.
»Immer aber ist wirkliche oder vermeinte Ungleichheit die Veranlassung zu bürgerlichen Unruhen und Revolutionen gewesen.«
Aristoteles
Die »Wirtschaftslokomotive Deutschland hat nicht nur eine, sondern viele Schrauben locker«, stellte Matthias Matussek schon im September 2017 auf der Achse des Guten fest.30 Ungeschönte Einschätzungen wie diese findet man weniger in den etablierten Medien, dafür umso häufiger auf alternativen Online-Seiten wie der Achse des Guten, Tichys Einblick oder den NachDenkSeiten. Zum Beispiel diese: »Es stimmt nicht, dass es allen Menschen in Deutschland gut geht. Einem großen Teil geht es nicht gut.«31 Das klingt banal und fast abstrakt, ist aber bittere Realität für Millionen von Deutschen. Allein durch die vielen sozialen Missstände braut sich inzwischen ein enormes Protestpotenzial zusammen, von den politischen Verwerfungen, um die es im nächsten Kapitel gehen wird, ganz zu schweigen. Nachfolgend eine kleine Liste, die das verdeutlicht. Sie entlarvt die vielen Jubelmeldungen über das beste Deutschland aller Zeiten als das, was sie sind: Propaganda und PR.
Schulden, Armut, Hartz IV
Jeder Zehnte in Deutschland ist überschuldet, 6,9 Millionen Menschen können mit Einkünften nicht die laufenden Ausgaben decken (Schuldenatlas 2017, Creditreform).32
41 Prozent der Hartz-IV-Empfänger waren Mitte 2017 bereits 4 Jahre oder länger auf die Hilfe angewiesen (Bundesagentur für Arbeit).33
Deutsche Arbeitslose sind im EU-Vergleich am stärksten von Armut betroffen – EU-weit 48,7 Prozent, hierzulande 70,8 Prozent (Eurostat).34
Stromversorger haben im Jahr 2016 rund 330 000 armen Haushalten den Strom abgestellt, bei 6,6 Millionen Sperr-Androhungen (Bundesnetzagentur).
Das Armutsrisiko von Alleinerziehenden ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, jeder dritte lebt von Hartz IV.
»Vor Gericht werden arme Menschen behandelt wie im Mittelalter.«35 Zu Geldstrafen verurteilte Deutsche, die nicht zahlen können, werden zu »Ersatzfreiheitsstrafen« verdonnert. Die Betroffenen belegen inzwischen jeden zehnten regulären Haftplatz.
Einkommen und Rente
Reale Bruttolöhne der unteren 40 Prozent sind zum Teil deutlich niedriger als 1995, ein Großteil der Bevölkerung hat weniger Kaufkraft als vor 20 Jahren (internes Faktenblatt Bundeswirtschaftsministerium).36
Ende 2016 lag beinahe jede zweite Altersrente (48 Prozent) auf Armutsniveau; 8,6 Millionen Rentner bekamen weniger als 800 Euro monatlich (Antwort des Bundesarbeitsministers zur Anfrage der Linken).37
»Polizisten können sich Dienst in Großstädten kaum leisten« (Deutsche Polizeigewerkschaft), hohe Mieten verdrängen sie aus den Ballungsräumen – Wer hält dann die öffentliche Sicherheit aufrecht?38
Die Nettorente von Durchschnittsverdienern liegt 20 Prozent unter dem Schnitt der EU (OECD) – und dürfte weiter sinken.39
Mehr als 20 Prozent der Erwerbstätigen verdienen weniger als 9,60 Euro pro Stunde; Deutschland hat nach Litauen den größten Niedriglohnsektor in Europa (DGB).40
Fast jeder vierte Tafelbesucher ist Rentner – 2007 lag der Anteil noch bei 12 Prozent –; ohne Kurswechsel in der Grundsicherung für das Alter droht ein Seniorenaufstand.
Soziale Ungleichheit und Wohnen
Die Ungleichheit der Einkommen in Deutschland befindet sich auf Jahrhundertniveau – die reichsten 10 Prozent verfügen laut »Welt-Ungleichheitsreport 2018« (Thomas Piketty) über 40 Prozent des Einkommens, so wie zuletzt 1913.
10 Prozent der Deutschen besitzen 60 Prozent des Vermögens (OECD)41 – 45 Deutsche besitzen so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung (DIW).42
Die Zahl der Wohnungslosen ist in Deutschland binnen 10 Jahren um 65 Prozent gestiegen (Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe).
Von 2002 bis 2013 ist der Bestand an Sozialwohnungen von 2,5 Millionen auf 1,5 Millionen zurückgegangen. Neubauten decken nur die Hälfte des Bedarfs am Wohnungsmarkt. Zwischen 2011 und 2015 wurden bundesweit 540 000 Wohnungen zu wenig gebaut (Prognos und Pestel-Institut).
Prekäre Beschäftigung und Arbeitslosigkeit
Mehr als jeder fünfte Arbeitnehmer in Deutschland steht nicht in einem traditionellen Arbeitsverhältnis, fast jeder zweite Neueingestellte bekommt nur eine befristete Stelle (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung).
3,2 Millionen Menschen gehen mehreren Jobs nach; diese Wahrheit über das deutsche »Jobwunder« brachte im Oktober 2017 eine Antwort der Bundesagentur für Arbeit auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag ans Licht.
»Vier von fünf neuen Jobs sind Teilzeit oder befristet und meist niedrig entlohnt.«43 – Das ist eine »Reservearmee«, die künftig mit einem Heer schlecht qualifizierter Migranten um die letzten Brosamen am prekären Arbeitsmarkt kämpfen wird.
Die Liste macht deutlich, was uns schon bald droht. Es ist das, wovor der französische Ökonom Thomas Piketty bei der Vorlage des Ungleichheitsberichts 2018 warnte. Er sieht grassierende Ungerechtigkeit als möglichen »Auslöser für politische, wirtschaftliche und soziale Katastrophen«44. Auch für den Historiker Michael Stürmer sind »Krisenzeiten angesagt«45.
Bürger begehren auf
Eine neue Ära von Protesten
»In den vergangenen Jahren wurde die Welt durch Proteste erschüttert.« Dieser Kernsatz einer Studie vom Herbst 2013 hat mich wie kein anderer beim Schreiben dieses Buches bestätigt. Seit 2006 haben weltweit – und zunehmend in reicheren Ländern mit immer mehr Menschen aus der Mittelschicht – die Proteste zugenommen: gegen Sparpolitik, gegen die politischen Eliten, gegen Machtmissbrauch und Korruption sowie gegen politische Kasten, die ihre Wählerschaft links liegen lassen und deren Interessen ignorieren oder mit Füßen treten. Das Papier der Initiative für politischen Dialog bei der Columbia-Universität in Chicago und der Friedrich-Ebert-Stiftung trägt den Titel »Die Proteste der Welt 2006–2013«. Es wertet für diese 8 Jahre rund um den Globus 843 Proteste in 84 Ländern aus, in denen 90 Prozent der Weltbevölkerung leben. Das Aufbegehren reicht von den Zeltstädten der Occupy-Bewegung über Aufstände in Tunesien und Ägypten im Rahmen des Arabischen Frühlings bis hin zu den Protesten im Gezi-Park in Istanbul und brennenden französischen Vorstädten im Jahr 2006.
Die Autoren berichten eine »stetige Zunahme der Gesamtzahl in jedem Jahr seit 2006«. Zwar sind seit dem Erscheinungsjahr der Studie 5 Jahre vergangen. Aber in dieser Zeit hat weltweit und in Deutschland die Migration riesige Ausmaße angenommen, hat sich die soziale Ungleichheit verschärft, sind Wohnungsnot, Wohnsitzlosigkeit, die Nachfrage an den Tafeln und die Angst vor Armut im Alter eskaliert. Und die Erschütterungen, Widersprüche und Schuldenprobleme in der EU haben sich weiter zugespitzt. Der »am meisten ernüchternde Befund« der ganzen Studie, schreiben die Autoren, sei nicht einmal die Forderung nach wirtschaftlicher Gerechtigkeit (jeder vierte Protest), sondern der Protest gegen das, was den Abbau der Ungerechtigkeiten verhindert: »Ein Mangel an wirklicher Demokratie, der eine Folge der wachsenden Erkenntnis der Menschen ist, dass die Politik ihnen keinen Vorrang einräumt – selbst wenn sie so tut –, sowie Enttäuschung über das »Weiter so« und mangelndes Vertrauen in die politischen Akteure.« (Übers. durch den Verf.). Die Krise der Repräsentation, so heißt es, sei in jedem politischen System zu beobachten.
Die Studie legt eine Entwicklung offen, die wir auch in Deutschland sehen: »Ein Profil der Demonstranten enthüllt, dass nicht nur traditionelle Protestler wie Aktivisten oder Gewerkschaften auf die Straße gehen; im Gegenteil, die Mittelschicht, junge Menschen, ältere Menschen und andere Gruppen protestieren in den meisten Ländern, weil sie Vertrauen verloren haben und desillusioniert sind über das existierende politische und wirtschaftliche System.« Ziel der Proteste ist demnach meist die nationale Regierung. Diese solle Verantwortung für eine Politik zeigen, die allen Bürgern nutzt und nicht nur »einigen wenigen«. Laut der Studie werden die Proteste immer größer, 37 der erfassten 843 zählten 1 Million oder mehr Demonstranten. Doch 63 Prozent der ausgewerteten Proteste haben ihr Ziel bis zum Erscheinen der Studie nicht erreicht. Und das kann nur eines heißen: Der Druck im Kessel steigt weiter an, denn die sozialen, geostrategischen und mit der Migration zusammenhängenden Probleme haben im laufenden Jahrzehnt weltweit zugenommen.
Europa habe im untersuchten Zeitraum seine eigene »Explosion an Protesten« erlebt, mit Bewegungen von Hunderttausenden in Spanien, Griechenland, Portugal und Italien, meist gegen die Sparpolitik, die auf entleerte Staatskassen in der Folge der Finanzkrise und der europäischen Schuldenkrise zurückgeht, berichtet die Studie. Stets geht es um ein zentrales Thema, schreiben die Autoren: »Was diese vielen verschiedenen Proteste gemeinsam haben, egal wo sie stattfinden oder aus welchem Teil des politischen Spektrums die Akteure kommen, ist das Scheitern wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung und die Forderung nach mehr direkter Demokratie.«
Aus der Studie geht eine Art zyklische Bewegung hervor: Erst die finanziellen und wirtschaftlichen Auswüchse des vergangenen Jahrzehnts, die zur Finanzkrise und zur Großen Rezession führten, dann zur Rettung der Banken auf Kosten der Steuerzahler, was die Staatsverschuldung in die Höhe trieb, Sparpolitik auslöste sowie Arbeitsplatzverluste und eine kriechende Konjunktur zur Folge hatte. In jeder Phase zahlten die Bürger und Steuerzahler die Zeche und die Proteste nahmen zu: wegen steigender Preise, höherer Mieten und Abgaben, wachsender Zinsverluste und reduziertem Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen. Die Proteste in der Folge der Finanzkrise, darunter Occupy Wall Street und soziale Aufstände im Süden Europas, belegen einen zentralen Befund der Studie: die große Mehrheit der Proteste spielt sich inzwischen in Ländern mit höheren Einkommen ab, wo die Unzufriedenheit über Finanzkrise, Schuldenkrise und, nach Erscheinen der Studie, auch die Massenmigration bei vielen Bürgern wächst.
Eine besondere Warnung an Deutschland enthält die Studie auch: Die Proteste gegen mangelnde politische Teilnahme der Bürger und die schwindende Repräsentation häufen sich auffallend. Sie haben in den vergangenen Jahren in mehr als der Hälfte der reichen Länder stattgefunden. Als unerwartetes Resultat bezeichnet die Studie zudem den Befund, dass die Intensität der Forderungen nach wirklicher Demokratie zunimmt und immer mehr Demonstrationen beeinflusst. – Das politische Berlin kann sich warm anziehen, wenn es bei uns nicht umgehend eine 180-Grad-Wende in Richtung Bürger und Steuerzahler gibt.
Da klingt das Versprechen von Angela Merkel, kurz bevor sie am 14. März 2018 vom Bundestag zum vierten Mal zur Bundeskanzlerin gewählt wurde, in den Ohren der Opfer ihrer Politik wie blanker Hohn. Merkel fordert nach 12 Jahren an der Spitze der Bundesregierung, der Wohlstand müsse »bei allen ankommen«.46 Sie bescheinigt sich damit selbst, wie miserabel sie bisher regiert hat. Laut dem Sozialbericht ihrer Regierung vom Sommer 2017 werden die Ausgaben des Sozialstaates schon 2021 die Schallmauer von 1 Billion Euro durchschlagen. Und das ist alles andere als eine Überraschung. In keiner anderen Kanzlerschaft der Bundesrepublik sind mehr Erwerbstätige und Rentner verarmt.
Von der Kranken- und Altenpflege über fehlende Sozialwohnungen bis hin zu Obdachlosigkeit: Die Baustellen werden immer größer, der Finanzbedarf explodiert – und tragfähige Lösungen sind nicht in Sicht. »Wo bleibt der Aufstand?«, wird in der Zeit mit Blick auf den Alltag vieler Kranken- und Altenpfleger gefragt.47 Dieselbe bange Frage in der Süddeutschen Zeitung: »Warum gibt es keinen Aufstand?«48 Beim Spiegel sieht man die überlasteten Pfleger längst aufbegehren und schildert, wie Schwestern während ihrer Pausen in der Klinik »Abwehrpläne« gegen den Kollaps schmieden.49 Auch in den Altenheimen herrscht Land unter. Und in puncto Wohnungsnot und Obdachlosigkeit lesen wir Berichte wie den über ein Kölner Paar, das seit Monaten im Wald lebt, weil die Stadt nicht in der Lage ist, eine geeignete Wohnung zu stellen.50 Oder ein Paar in Bonn, das in eine Flüchtlingsunterkunft zog, weil es keine Sozialwohnung finden konnte. Millionen von Mieter hat die Politik durch unterlassenen Sozialwohnungsbau im Stich gelassen. Weil sie sich billig verschulden konnte, ließ sie es auch zu, dass die Europäische Zentralbank durch Minizinsen die Immobilienpreise nach oben trieb und dafür sorgte, dass sich heute Normalverdiener kaum noch eine Wohnung in einer größeren Stadt leisten können. Doch für »Schutzsuchende«, die auf ihrem Weg nach Deutschland bereits zwei oder drei sichere EU-Staaten durchquert hatten, werden großzügig und schnell neue Wohnungen und Häuser gebaut.
Für die Obdachlosigkeit gibt es in Deutschland dagegen nicht einmal eine Statistik. Was nicht gemessen wird, kann kein großes Problem sein. Trotz all der ökonomischen Jubelmeldungen über das wirtschaftlich prosperierende Land erreicht die Altersarmut jedoch den höchsten Wert seit dem Zweiten Weltkrieg, reihen sich in die langen Schlangen der Tafeln vor allem Senioren neu ein. Ab 2030 soll fast jeder zweite Arbeitnehmer, der in Rente geht, »unter das Grundsicherungsniveau fallen«51. Hans-Werner Sinn, damals noch Leiter des ifo-Instituts, wies 2016 darauf hin, dass in 20 Jahren fast alle Babyboomer die Rente erreicht haben werden. Es wird dann 7,5 Millionen mehr Rentner geben und 8,5 Millionen weniger Erwerbsfähige. Das ist nur eine von vielen Zeitbomben in unserem Land. Wie der milliardenschwere Stresstest einmal finanziert werden soll, weiß noch niemand. Aber eines wissen alle jetzt schon: Zahlen müssen diejenigen, die Arbeit haben. Die Menschen in der Mitte der Einkommensskala, die ganz überwiegend auch in der Mitte des politischen Spektrums beheimatet ist, müssen dann noch deutlich mehr schultern als jetzt schon. Die gefährliche Erosion in der sozialen und politischen Mitte der Gesellschaft wird sich daher weiter verschärfen. Der Historiker Andreas Rödder, ein CDU-Mann, sieht in Deutschland eine »regelrechte Erosion der politischen Mitte«.52
Der prozentuale Anteil der Mittelschicht an der Bevölkerung ist seit 1997 von 55 Prozent auf etwas unter 48 Prozent gefallen. Die Berechnungen weichen wegen der unterschiedlichen Definitionen für mittlere Einkommen etwas voneinander ab. Doch insgesamt sind der Mittelschicht etwa 6 Millionen Menschen verloren gegangen. Ich will nicht behaupten, dass es hier eine große Schnittmenge gibt, aber wenn 6 Millionen Menschen die AfD wählen, ist das laut den Mainstream-Medien das drängendste Problem im Land, auch wenn ein großer Teil von ihnen vorher CDU, CSU, SPD oder Grüne gewählt hat. Aber wenn der Mittelschicht 6 Millionen Mitglieder abhandenkommen, geschieht das fast geräuschlos, es gibt nicht allzu viele Klagen darüber. Man nimmt es einfach zur Kenntnis. Und das ist mehr als bedauerlich. Es ist für unseren Staat ein Desaster, das soziale Spannungen verschärft, die Spaltung vorantreibt und am Ende die Demokratie gefährdet. Denn diese Menschen sind die Leistungsträger. Vor allem ihnen ist es zu verdanken, dass die Steuereinnahmen sprudeln und unsere Gesellschaft trotz der chaotischen Migrationspolitik noch nicht aus den Fugen geraten ist. Doch viele, die noch zur Mittelschicht gehören, klammern sich bereits an die verbliebenen Statussymbole wie Auslandsreisen, das Auto und die Eigentumswohnung. Sie haben Angst, dass der wachsende Strudel sie in die Abstiegsgesellschaft hinabreißen könnte. Auch hier lauert Protestpotenzial, das sich jederzeit entladen kann. Man sieht es zum Beispiel an der wachsenden Zahl von Mieterprotesten in deutschen Städten.
Bürger begehren auf
Die Rebellion der Mieter
Millionen Bürger können sich die explodierenden Mieten und die großen Städte nicht mehr leisten. Polizisten, Krankenschwestern, Erzieher: Oft müssen sie 30 Prozent und mehr vom Einkommen für die Wohnung aufwenden. Sie pendeln stundenlag aus dem günstigeren Umland in die Ballungsräume, ziehen in kleine Wohnungen um oder landen auf der Straße. Denn auch die Zahl der Zwangsräumungen nimmt in einigen Teilen Deutschlands zu. Und immer öfter können Bürger ein Stellenangebot nicht annehmen, weil die örtlichen Mieten unerschwinglich geworden sind.
Dagegen regt sich im ganzen Land Protest. In größeren Städten demonstrieren seit 2015 immer öfter Menschen gegen steigende Mieten, Luxussanierungen, Mietervertreibung und das Renditegebaren großer Wohnungsgesellschaften. Die Zinspolitik der Notenbanken hat immenses Kapital in den Immobilienmarkt gespült. Es jagt Renditen, die es anderswo nicht mehr gibt. Hinzu kommt die Migration, die den Kampf um günstigen Wohnraum drastisch verschärft. Und drittens können immer mehr Menschen trotz einer Vollzeitbeschäftigung kaum noch den nötigen Wohnraum bezahlen. Fast die Hälfte aller Mieter in Berlin fürchtet, sich die Mieten bald nicht mehr leisten zu können. »Es brennt. Und was die Mieten betrifft, muss man konstatieren: Es brennt sogar gewaltig«, findet die linke taz. »Blanke Existenzangst« beobachtet die Wolfsburger Allgemeine in einem Artikel über eine Mieterdemonstration im Stadtteil Vorsfelde.
In Berlin – wo 80 Prozent aller Wohnungen Mietwohnungen sind – gingen im April 2018 rund 13 000 Bürger für bezahlbare Mieten auf die Straße. Dem breiten Aktionsbündnis gehörten 240 Initiativen an. Künstler, Gewerkschaften, Rentner, Familien mit Kindern und Studenten marschierten vom Potsdamer Platz bis nach Kreuzberg. Sie riefen »Keine Profite mit der Miete« und trugen Plakate mit Aufschriften wie »Spieglein, Spieglein an der Wand – wer ist der Nächste am Straßenrand?« Bei vorangegangenen Demonstrationen im September 2016 und im April 2017 waren jeweils nur ein paar Hundert Teilnehmer auf der Straße.
Im Heidgarten in Wolfsburg protestierten im April 2018 Dutzende von Mietern gegen die »Aufstockung« ihrer Gebäude. In Frankfurt gingen im Februar 2017 rund 800 Menschen unter dem Motto »Stadt für alle« auf die Straße. Im August 2017 kam es in Frankfurt-Nordend zu einer weiteren Demonstration gegen »Mietervertreibung«. In Göttingen protestierten im April 2018 etwa 350 Studenten mit mehreren Mieterinitiativen für eine sozialere Woh-nungspolitik. Bei einer Demonstration gegen Luxussanierungen in Wolfsburg im April 2018 beschrieben die WolfsburgerNachrichten die Stimmung als »auf dem Siedepunkt«.
In Stuttgart wurden im April 2018 nach einer Mieterkundgebung mit 150 Teilnehmern leerstehende Wohnungen besetzt. Am bundesweiten Aktionstag »Mietenwahnsinn stoppen« protestierten Bürger auch in Hamburg-Altona gegen überzogene Mieten. An der »Ersten Thüringer Mietparade« im April 2018 gingen 500 Menschen »gegen den Ausverkauf der Städte« auf die Straße. In Jena mobilisierte die Initiative »Recht auf Stadt« im Frühjahr 2018 mehr Menschen als die 37. regionale Immobilienmesse. Und in Bayern machen die Freien Wähler jetzt gegen Wohnungsnot mobil.
Es stören sich auch nicht allzu viele daran, dass der Spitzensatz von 42 Prozent heute schon bei Steuerzahlern greift, die nur das 1,3-Fache des Durchschnittslohns verdienen. Es gab Zeiten, da griff der Spitzensteuersatz erst beim 15-Fachen des Durchschnittslohns. Ganz klar: Es schwindet nicht nur die Zahl der Wasserträger für das größte Kultur- und Sozialexperiment in der Geschichte dieses Landes, die verbliebenen Exemplare dieser Melkkuh-Spezies werden auch vom unersättlichen Staat immer brutaler ausgenommen. An der Schmerzgrenze angekommen, werden sich viele soziale Absteiger an verschiedenen Orten mit Unmut und Protest bemerkbar machen. Gründe dafür gibt es viele, wie wir im Kapitel über die allerorten aufflackernden Proteste sehen werden.