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Sich in Verbänden zu organisieren, gilt gemeinhin nicht als »sexy«. Dass Verbände und die Arbeit in ihnen nicht langweilig und statisch sein müssen, zeigen die drei Autoren anhand der dynamischen Geschichte der DGSF, eines großen systemischen Fachverbandes. Aus der Perspektive dreier ehemaliger Vorsitzender desselben Verbandes analysieren Jochen Schweitzer, Wilhelm Rotthaus und Björn Enno Hermans, wie ihr Verband »tickt«. Die Geschichte der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) ist ein reales Fallbeispiel inspirierender und erfolgreicher Verbandsentwicklung. Wer sich mit anderen zusammenschließen will, um über die Grenzen des eigenen Arbeitsplatzes oder der eigenen Region hinaus Unerwartetes, aber Wünschenswertes möglich zu machen, findet in diesem Buch zahlreiche Anregungen. Wie ringt man um einen gemeinsamen Identitätskern des Anliegens? Wie kann ein »fraktaler« Verband viele neue Mitglieder rasch integrieren? Wie können Mitglieder aktiv und wirksam werden? Dies sind nur einige Fragen, zu denen die Autoren Antworten liefern. Sie zeigen aber auch, wie Vorstände ihre Passung prüfen, zusammenwachsen und flott arbeiten können, Mitgliederversammlungen mit atmosphärischer Intelligenz attraktiv werden und widersprüchliche Interessenlagen einer sehr vielfältigen Mitgliedschaft ausbalanciert werden können. Berater und Aktivistinnen anderer Verbände erhalten zahlreiche anschauliche Anregungen für ihre Arbeit.
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Seitenzahl: 108
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Herausgegeben von Jochen Schweitzer und
Jochen Schweitzer/Wilhelm Rotthaus/Björn Enno Hermans
Verbandsentwicklung am Fallbeispiel der DGSF
Mit einer Abbildung
Vandenhoeck & Ruprecht
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.
© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG,
Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.
Umschlagabbildung: StunningArt: Colorful louvers background/Shutterstock.com
Satz: SchwabScantechnik, Göttingen EPUB-Produktion: Lumina Datamatics, Griesheim
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com
ISSN 2625-6088
ISBN 978-3-647-99993-7
Vorwort von Arist von Schlippe
Geleitwort von Filip Caby und Anke Lingnau-Carduck
1 Einleitung
1.1 Die DGSF als Fallbeispiel
1.2 Unsere Perspektiven
2 Gemeinnützige Verbände in der Zivilgesellschaft
3 Vorgeschichte (1971 bis 1998) und Fusionsprozess (1998 bis 2000) der DGSF
3.1 Die Vorgeschichte der DGSF
3.2 Die Fusionsverhandlungen
4 Drei Entwicklungsphasen in der DGSF
4.1 Strukturen schaffen und konsolidieren (2000 bis 2007)
4.2 Wachstum und Wirksamkeit fördern (2007 bis 2013)
4.3 Auf hohem Niveau funktionieren (2013 bis 2019)
5 Drei Dauerbrenner
5.1 Wie viel Regulation solls sein? – Vom Zertifikatehändel
5.2 Wir wollen mitspielen … – der Kampf um Anerkennung 72
5.3 Geschwisterliebe – das Verhältnis zweier Nachbarverbände
6 Zentrale Fragen der Verbandssteuerung
6.1 »Systemisch« als Kern der Identität
6.2 Diversität: Wer soll dazugehören?
6.3 Wachstumsprozesse in einem Verband und wie sie aufeinander aufbauen
6.4 Komplexität: Welche Fülle von Prozessen kann ein Verband verdauen?
6.5 Steuerung: Mit welchen Mitteln lenkt sich ein Verband?
6.6 Storytelling: Was erzählt ein Verband über sich selbst?
7 Ein Tag im Jahr 2038
7.1 20.000 Mitglieder, zwei Kammern, drei Berufsverbände – aber nur eine DSG
7.2 Vorstandsarbeit ohne Überlastung
7.3 »Diversity-Koeffizient« und sozial gerechte Beiträge
7.4 Sieben hauptamtliche Referentinnen
7.5 Thinktank »Komplexe Politikberatung«
8 Einige Lernerfahrungen
9 Literatur
10 Glossar
11 Verzeichnis weiterer Abkürzungen
12 Die Autoren
Die nachfolgend dargestellte Entwicklung der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) in den ersten 20 Jahren ist nur möglich gewesen,
durch den engagierten Einsatz unserer Vorstandskolleginnen und -kollegen Friedebert Kröger, Anne Valler-Lichtenberg, Klaus Osthoff, Carmen Beilfuß, Heliane Schnelle, Michaela Herchenhan, Rainer Schwing, Susanne Altmeyer, Renate Zwicker-Pelzer, Liz Nicolai, Alexander Korittko, Filip Caby, Valeska Riedel und Tanja Kuhnert, – zu denen sich zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Buches Anke Lingnau-Carduck, Matthias Ochs und Matthias Richter als neugewählte Vorstandsmitglieder im Herbst 2019 hinzugesellt haben.
durch die stetige Unterstützung seitens der Geschäftsstelle mit dem Geschäftsführer Bernhard Schorn und der heutigen Co-Geschäftsführerin Miee Park sowie Caroline Keuser, Eva Hanowski, Ruth Wiedemeyer, Almut Ingelmann, Sandra Doß, Isabel Ben Chaabane und Jessica Schmid
durch die speziellen Expertisen der Fachreferentinnen Anni Michelmann, Dominique Bialowons, Kerstin Dittrich und Birgit Averbeck
und den bewundernswerten Einsatz vieler Kolleginnen und Kollegen – zu viele, um sie alle namentlich hier aufzuführen – in und außerhalb der unterschiedlichen Gremien und Arbeitsgruppen der DGSF.
Mehrere Expertinnen und Experten der DGSF-Geschichte halfen uns, unsere Erinnerungen eng an die historischen Fakten anzunähern. Für ein sorgfältiges Erstlektorat danken wir Marieke Born, für ein sorgfältiges Schlusslektorat Imke Heuer.
Vorwort von Arist von Schlippe
Über die Einladung, dieses Vorwort zu schreiben, habe ich mich sehr gefreut, habe ich doch die Entwicklung der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) schon in der Gründungsphase und vor allem in ihren ersten Jahren intensiv verfolgt. Zwischen 1999 und 2005 habe ich als Vorsitzender des »Schwesterverbands«, der Systemischen Gesellschaft (SG), die Vorgänge aus der Außenperspektive erlebt, zugleich wurde ich als langjähriges Mitglied der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Familientherapie (DAF) automatisch auch Mitglied der DGSF und bekam die Verbandsentwicklung so auch aus der Innenperspektive mit. In den ersten Jahren standen beide systemische Fachgesellschaften, DGSF und SG, vor einer Reihe von berufspolitischen Herausforderungen. Es war Wilhelm Rotthaus und mir als den jeweiligen Verbandspräsidenten klar, dass diese Aufgaben nur gemeinsam zu erreichen sein würden. Vielleicht hat uns das davor bewahrt, uns im Klein-Klein der Konkurrenz um das richtige, das »wahre« Verständnis von systemischer Praxis aufzureiben. Wir waren uns einig, dass nach der Vereinigung von DFS (Dachverband für Familientherapie und Systemisches Arbeiten) und DAF (die ja, wie in diesem Buch beschrieben, alles andere als ein »Spaziergang« gewesen ist) eine schnelle Fusion von DGSF und SG nicht zur Debatte stand. Zugleich war uns bewusst, dass das Verbindende stärker war als das Trennende, so dass wir unter dem Motto: »Zwei Verbände, eine berufspolitische Stoßrichtung!« über die Jahre hin eine enge, auch persönlich freundschaftliche Zusammenarbeit pflegten, die sich zwischen unseren Nachfolgern bis heute fortsetzt.
Aber ich will nicht der Versuchung erliegen, dieses Buch im Vorwort noch einmal neu zu schreiben. Womöglich würden dann an der einen oder anderen Stelle doch markante Unterschiede in der Erinnerung auftauchen – wir wissen ja, dass man die eigene Sicht immer gern so erzählt, dass sie als »Heldengeschichte« vor allem die eigenen Vorzüge in den Vordergrund stellt. Vielmehr möchte ich einen Gedanken teilen, der sich mir beim Lesen des Manuskripts aufdrängte. Beruflich habe ich mich seit 2005 mit Familienunternehmen und Unternehmerfamilien beschäftigt. Eine wesentliche Erkenntnis bei dieser Familien- und Organisationsform ist, dass wachsende Größe und Komplexität zunächst auf Unternehmensseite Struktur-entwicklungsschritte erfordern. Die Führung braucht Umbau- und Professionalisierungsschritte, die mit der veränderten Größe mithalten. Aber auch auf Familienseite sind Veränderungen angesagt: In der Anfangszeit sehen sich die Familiengesellschafter meist noch täglich, da ist es leicht, Entscheidungen auf Zuruf zu fällen, strategische Fragen beim Frühstück zu besprechen usw. Doch irgendwann kommt ein Moment, da wird klar: So kann es nicht weitergehen! Schon bei, sagen wir, acht bis zwölf Vertretern aus zwei Generationen sind Entscheidungen nicht mehr so leicht zu treffen. Was soll aber werden, wenn in zehn bis 15 Jahren die derzeitigen Kinder erwachsen sein werden, die Gruppe der Gesellschafter auf absehbar 25 bis 30 anwächst? Die Antwort kann hier nur sein, dass auch die Familie Strukturen bilden muss, um zu überleben! In dem Moment aber wird sie mit einer Paradoxie konfrontiert. Als »organisierte Familie« wird sie ein Stück Familienhaftigkeit aufgeben: Regelsysteme entstehen, Gremien werden gebildet, Wahlen abgehalten usw. So etwas passt doch nicht zur Familie! Entsprechend groß sind oft die Widerstände – »Es ging doch früher auch so!« Doch, so zeigt die Empirie, es sind gerade die Familien, die diese Herausforderung annehmen, deren Familienunternehmen langfristig überleben. Solche Familien sind ein Stück weit Organisation geworden, um eine lebendige und dynamische Unternehmerfamilie zu bleiben.
Vielleicht, liebe Leserin, lieber Leser, ahnen Sie, worauf ich hinauswill. Der Prozess der Gründung der DGSF (sicher ähnlich auch der SG, aber um die geht es hier ja jetzt nicht) erinnert mich an die soeben skizzierten Prozesse. Eine Organisation zu werden heißt, oft mit Bedauern die chaotisch-lebendige Dynamik der Gründerzeit loszulassen. Vorstände werden gewählt, Gremien und Kommissionen eingerichtet, Zertifikate werden vergeben – paradoxerweise durch Personen, die selbst nie ein solches erworben haben. Alles wird ordentlicher.
Wird es auch langweiliger? Es gibt ja eine andere Seite der Organisationsentwicklung. Es kann ein Zuviel an Bürokratie entstehen, das in »tote Zonen der Phantasie« führt, in denen »strukturelle Dummheit« regiert (Graeber, 2016, S. 57 f.)? Beispiele dafür gibt es viele. Denn übermäßige Bürokratisierung ist verwaltenden Organisationen inhärent. In den Familienunternehmen gewährleistet die nicht zu tilgende Familienhaftigkeit der Unternehmerfamilie, dass die Strukturen ausreichend unter Feuer genommen werden, um nicht zu erstarren. In anderen Organisationen braucht es umtriebige Mitglieder, die bereit sind, sich aktiv einzubringen, sich an Regeln zu halten, diese aber immer wieder möglichst elegant, spielerisch und freundlich zu umspielen. Es gibt einige Beispiele in diesem Buch, dass dies der DGSF gelingt – etwa, wenn ein Finanzbericht gesungen und nicht in trockenem Steuerberaterdeutsch verlesen wird, freuen Sie sich, liebe Leserin, lieber Leser, auf mehr! Offenbar ist hier eine beispielhafte Organisation entstanden, die ihren Mitgliedern einen Rahmen für »lebendige Zonen der Phantasie« bietet, in denen sich Aktivität, Kreativität und Kraft entfalten können. Ich habe, wie gesagt, diese erfreulich dynamische Entwicklung über die letzten zwanzig Jahre verfolgt, gratuliere herzlich zum Geburtstag und bin sicher: Von dieser strukturell klugen Fachgesellschaft wird auch in Zukunft noch viel zu erwarten sein.
Geleitwort von Filip Caby und Anke Lingnau-Carduck
20 Jahre DGSF: 20 Jahre Verbandsarbeit, die in drei Epochen verantwortlich durch die drei ehemaligen Vorsitzenden, weitere vierzehn Vorstandskolleg*innen, vier Fachreferentinnen und neun Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle geprägt sind. Ein Mitgliederwachstum hin zu knapp 8000 Mitgliedern. Ein Verband mit hoher Komplexität, Diversität, mit hoher Fachlichkeit in verschiedenen Disziplinen. Ein Verband mit viel Lust an Diskussionen, an innovativen und manchmal (un)möglich scheinenden Ideen und Visionen. Ein Verband mit vielen Ambivalenzen und einem unermüdlich großen Engagement seiner Mitglieder, heute bereits gut vernetzt in den gesellschafts- und gesundheitspolitischen Raum bundesweit.
Nun beginnt die vierte Epoche in der neuen Struktur mit einer paritätischen Doppelspitze im Vorstandsvorsitz ebenso wie in der Geschäftsführung.
Für uns als Doppelspitze ist dieses Buch ein Geschenk zur rechten Zeit. Fasst es doch wunderbar zusammen, welche Wege und Windungen die Entwicklung des Verbandes bis heute nahm, an welchen Landschaften der Verband vorbeizog und an welchen er verweilte. Es lässt Ausblicke auf die zukünftigen Jahre zu und formuliert treffend die anstehenden Aufgaben und Herausforderungen. Trotzdem wissen wir, gerade von der systemischen Tradition ausgehend: Es darf auch ganz anders kommen! Mit den Stärken der Tradition wird dieser Verband in neuen Kontexten gute Lösungen finden. Gleichzeitig ermutigen die folgenden Kapitel in Richtung Gelassenheit, hat es doch wohl schon zu allen Zeiten neben guter Atmosphäre und spannender Arbeit auch viele Kontroversen und Auseinandersetzungen der unschöneren Art gegeben. Dennoch hat die fraktale Organisation DGSF immer mehr an Konturen und Wachstum gewonnen.
So begleiten uns gute Geschichten aus unserer Geschichte auf unserem weiteren Weg:
Beeindruckt erinnern wir heute noch den EFTA-Kongress 2004 in Berlin. 3500 Teilnehmer*innen aus 41 Ländern in einer so nahbaren Atmosphäre von gemeinsamem Lernen und Wachsen mit den Vortragenden und Workshopleitern! Der Titel dieser Tagung ist zeitlos nützlich auch für das dritte Jahrzehnt DGSF: »Creating Futures – Systemische Dialoge in Europa«.
2020 heißt es in der DGSF: »Systemic for Future«, als Teil der Zivilgesellschaft übernehmen wir Systemiker in einem interkulturellen Deutschland Verantwortung für humanitäre Themen wie Klima, Humane Arbeit, Armut, Kinderschutz, Gesundheit, Gerechtigkeit – gern in Vernetzung mit anderen Fachgesellschaften.
Innerverbandlich erinnern wir gern die vielfältigen musikalischen Umrahmungen durch die Vorstände bei diversen Tagungen oder die Begegnung mit den »kleinen Leuten von Swabedoo« auf der Jahrestagung in Neu-Ulm 2007, fast jeder hatte tagelang die beim Eingang verschenkten weichen Fellchen bei sich für freundliche Tauschgeschäfte, Kontaktangebote oder Liebesbekundungen…
Mit unserem neuen Vorstandsteam haben wir durch unsere unterschiedlichen Erfahrungshintergründe fünf vernetzte, gute Chancen, die Diversität der Aufgaben fachlich und synergetisch erfolgreich zu bewältigen. Eine Herausforderung ist sicherlich, neben dem umfänglichen Alltagsgeschäft, auch weiterhin kreativ und gestaltend miteinander zu arbeiten. Wir werden uns etwas einfallen lassen, beständig vor oder nach dem Abarbeiten der TOPs auch Raum zu schaffen für ein freies Gestalten miteinander, für systemisches Querdenken, für ein bisschen Verrücktsein. So gehen wir gemeinsam gut begleitet, neugierig und lustvoll in ein neues Jahrzehnt DGSF!
1 Einleitung
Mit diesem Buch verbinden wir drei Wünsche:
1.Menschen, die einem Verband und speziell einer Fachgesellschaft als ehrenamtliche oder hauptberufliche Mitarbeitende dienen, soll es Anregungen zu einer Gestaltung ihrer Organisation geben und zu einem Bewusstsein für die Wahlmöglichkeiten, die sie dabei haben. Nichts davon ist mit »copy and paste« übertragbar, aber vieles per Analogie.
2.Organisationsentwicklerinnen, Coaches, Supervisorinnen soll es für Besonderheiten sowie die typischen Stärken und Schwächen der Beratung von vorwiegend ehrenamtlichen, gemeinnützigen, idealistisch motivierten Non-Profit-Institutionen sensibilisieren.
3.Der Deutschen Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) soll es zu ihrem 20. Verbandsgeburtstag als eine kurze Entwicklungsgeschichte des Verbandes dienen, auch als eine kleine »Geschichtensammlung«.
1.1 Die DGSF als Fallbeispiel
Wodurch zeichnet sich die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (im Folgenden: DGSF) aus? Sie ist ein Fachverband, laut Satzung ein Zusammenschluss von natürlichen sowie juristischen Personen, Personengesellschaften und Institutionen, der es sich zum Ziel gesetzt hat, berufsgruppen- und verfahrensübergreifend die Familientherapie und -beratung, die systemische Therapie und Beratung, das systemische Denken und Arbeiten und damit die öffentliche Gesundheit zu fördern. Charakteristisches Merkmal des Verbandes ist die Vielzahl der dort vertretenen Berufsgruppen.
Die DGSF ist kein klassischer Berufsverband. Der Schwerpunkt der Arbeitsfelder liegt im psychosozialen Bereich. Die größten in ihr vertretenen Berufsgruppen sind – etwa in dieser Reihenfolge – die Soziale Arbeit, die Pädagogik, die Psychologie, die Medizin, die Seelsorge, die Krankenpflege, in der Mediation auch die Rechtswissenschaft. Im Verlauf der Jahre hat sich die DGSF auch der arbeitsweltlichen Beratung geöffnet. Dadurch kommen Berufsgruppen der Betriebs- und Volkswirtschaft und des Ingenieurwesens hinzu, in der Personalentwicklung und im Coaching auch viele Geistes- und Sozialwissenschaftler.
Zusammengehalten werden die Berufsgruppen und Arbeitsfelder durch das Zauberwort »systemisch« – ein zunächst abstrakt und technisch klingender, aber wie sich zeigen wird durchaus identitätsstiftender Begriff. Kurz zur Erläuterung: »Systemisch« ist ein Therapie- und Beratungsansatz, der theoretisch vor allem auf der Systemtheorie und dem Sozialen Konstruktionismus fußt und in seiner methodisch reichhaltigen Praxis Heilung und Problemlösung als Gemeinschaftsleistung anstrebt (ausführlich dazu: von Schlippe u. Schweitzer, 2012; Levold u. Wirsching, 2016; von Sydow u. Borst, 2018).