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Warum, fragt sich Sepp Forcher, steht er eigentlich immer auf, wenn irgendwo die Österreichische Bundeshymne ertönt? Selbst zu Hause vor dem Fernseher! In seinem neuen Buch geht er der Frage nach, was es bedeutet, Österreicher zu sein, was ihn mit diesem Land verbindet und warum er, trotz aller Widersprüchlichkeiten und Ärgernisse, stolz ist, Österreicher zu sein. Wie bereits in seinem Bestseller Einfach glücklich. Was im Leben wirklich zählt erzählt der gefeierte Fernsehstar und Publikumsliebling in berührenden Geschichten von Begegnungen, die sich in sein Gedächtnis eingebrannt haben, und von Ereignissen, die seinen Lebensweg beeinflusst haben. Er erzählt von Lese- und Kunsterfahrungen, die ihm wichtig waren, und von Natur- und Genusserlebnissen, die ihn geprägt haben. Ein nachdenkliches und lebenskluges Buch, das den Beweis erbringt, dass Heimatliebe jenseits von Verklärung und Nostalgie möglich ist. Und dass man das Fremde, das Andere zulassen, begreifen und verstehen lernen muss, um zu wahrer Heimatliebe fähig zu sein.
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Seitenzahl: 110
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Sepp Forcher
Warum wir auf Österreich stolz sein können
Ein kristallklarer Himmel. Der Großglockner in eis- und schneegepanzerter Schönheit. Und in seinem Angesicht, hoch über dem Pasterzengletscher auf der Franz-Josefs-Höhe, die höchste jemals stattgefundene Angelobung von fünfhundert Soldaten des österreichischen Bundesheeres. Bundespräsident, Minister, Landeshauptleute kamen in einem alten Postautobus angefahren, also waren alle Voraussetzungen für ein Österreichfest gegeben. Ein Fest, das den Begriffen von Tradition und Disziplin gerecht wurde. Militärische Kommandos, Festreden, das Aufziehen unserer Fahne mit dem Bundesadler und schließlich das Gelöbnis aus fünfhundert Kehlen. Der Inhalt der Gelöbnisformel hörte sich in seinem Kern gegenüber früheren Zeiten wenig verändert an. Aber gerade auf der Franz-Josefs-Höhe Zeuge zu werden, wie ein Eid auf die Republik Österreich geleistet wurde, weckte ein besonderes Gefühl: Dankbar dachte ich an die vielen Leistungen unseres Bundesheeres in Katastrophenfällen, an die Sicherung unserer Grenzen und bei Friedensmissionen. Da ging und geht es nicht um Tapferkeit und Heldentum, vielmehr kommt die Pflichterfüllung unserem Volk zugute, also jedem, der Hilfe braucht und Sicherheit sucht. Und natürlich empfand ich es als Selbstverständlichkeit, mich beim Erklingen der Bundeshymne zu erheben und dem Herrgott zu danken, dass er mich Österreicher sein lässt.
Warum stehe ich immer auf, wenn die österreichische Bundeshymne ertönt? Auch daheim vor dem Fernseher!
Meistens sind es sportliche Spitzenleistungen, die mit der Hymne belohnt werden. Ist es also die Freude über unsere Sportler, die mich aufstehen lässt, oder gibt es etwas anderes, Tieferes?
Sind es Melodie oder Text?
Der Text ist immerhin jünger als ich, bestens geeignet, in der Schule gesungen zu werden, die Melodie klingt vertraut und ich erinnere mich an eine Zeit, in der sie bildlich begleitet von der flatternden Bundesfahne zum Sendeschluss des ORF-Fernsehens um Mitternacht erklang. Aber damals erhob ich mich nur, um ins Bett zu gehen. Warum also stehe ich heute auf?
Sind die Anlässe seltener geworden?
Bin ich reifer, österreichischer geworden?
Ich denke, es lohnt sich, über die Ursachen nachzusinnen.
Meine Eltern haben in der Schule noch die alte Kaiserhymne gesungen: Gott erhalte … Aber Gott erhielt nicht. Südtirol, unsere Heimat, wurde italienisch. In der für sie fremden Sprache den neuen König oder die Ideale des Faschismus zu besingen, blieb ihnen erspart. Zuerst Österreicher, dann Italiener, Reichsdeutsche durch Abstimmung. Heim ins Reich, hieß es damals, heim in ein Reich, in dem es kein Österreich mehr gab, und nach einem Umweg über die Staatenlosigkeit schließlich und endlich wieder Österreicher. Der Weg der Eltern war mehr vom Heimweh beherrscht und weniger von der Heimatliebe und schon gar nicht vom Nationalstolz.
Also warum stehe ich dann auf, wenn unsere Bundeshymne erklingt?
Bin ich einfach stolz auf Österreich, einfach stolz, ein Österreicher zu sein?
JA!
Als Österreich den ersten Schrei tat.
Das klingt rätselhaft, aber in der Marktgemeinde Neuhofen an der Ybbs ist in dem kleinen Museum die Urkunde zu sehen, in der erstmalig das Wort „Ostarrichi“ steht. Vor mehr als tausend Jahren machte ein bayerischer Herzog einen Hof in dieser Gegend dem Bischof von Freising zum Geschenk und so kam in weiterer Folge unser Österreich zu seinem Namen. Da sieht man wieder einmal, wie wichtig es ist, eine Geburtsurkunde zu haben.
In der Nähe von Neuhofen befindet sich auf einem waldreichen Bergrücken der Ort St. Leonhard am Walde. Einen Seitenaltar in der Kirche haben die Wiener Fiaker gespendet, denn seit 1826 ist die Wallfahrt der Wiener Zeugllenker nach St. Leonhard am Walde bekannt. Neuerdings bereichern auch Taxifahrer den Zug der frommen Pilger. Die Ursache der Wallfahrt ist der Viehpatron St. Leonhard, dem die Kirche geweiht ist. Nur wenige Kilometer von der Fiakerkirche entfernt erhebt sich in 700 Meter Meereshöhe landbeherrschend die Wallfahrtskirche Sonntagberg. Ich habe einmal einen Mostbauern gefragt, wie groß das Mostviertel in Niederösterreich sei, und erhielt zur Antwort, das Mostviertel sei überall dort, von wo aus man die Basilika auf dem Sonntagberg sehen kann.
So stand also Ostarrichi von Haus aus unter einem guten Stern und es ist anzunehmen, dass viele Wallfahrer für Österreich und den Frieden gebetet haben. Neuhofen an der Ybbs ist kein Wallfahrtsort, aber es ist kein großer Umweg, wenn man das kleine Museum an der Wiege Österreichs besuchen will.
Vom Vaterland wird oft geredet, vom Mutterland schon weniger – warum wohl?
Mütter sind halt immer da, speziell, wenn die Väter in den Krieg ziehen, von dem es meistens geheißen hat, es gehe darum, die Heimat zu verteidigen. Die Mütter hatten die Familie zu verteidigen und das taten sie immer. In die Geschichte sind sie allerdings nur eingegangen, wenn sie gekrönt, sehr reich, heldenhaft jungfräulich oder jedenfalls den Männern ebenbürtig oder gar überlegen waren. In unseren Tagen ist das allerdings kein Thema mehr.
Dass Maria Theresia als Königin und Landesmutter ihren kaiserlichen Gemahl in den Schatten stellte, dass Katharina Lanz, die Pfarrersköchin, mit der Mistgabel auf die feindlichen Soldaten losging und durch diese beherzte Tat zur Heldenjungfrau von Spinges wurde, dass Bertha von Suttner fanatisch und vergeblich für den Frieden kämpfte, allein das wäre schon ausreichend, um den Begriff „Mutterland“ zu rechtfertigen. Als die Türken vor Wien standen, zu wem haben die Österreicher gebetet und um Hilfe gefleht? Zur Himmelsmutter Maria.
Die Gebete wurden erhört und das Wiener Kaffeehaus war geboren. Kulinarisch gesehen hat Österreich immer gewonnen.
Er wurde zum Schicksalsberg der Italiener im Ersten Weltkrieg, denn an seinen stark befestigten Stellungen kam der Vormarsch der Österreicher im Jahr 1917 zum Erliegen. Auf seinem Gipfel befindet sich ein riesiges, pompöses Bauwerk – sowohl an den Triumph als auch an den Tod erinnernd. Der Monte Grappa liegt in Oberitalien zwischen den Flüssen Piave und Brenta, ist etwas mehr als 1700 Meter hoch und von zahlreichen Almen umsäumt. Man könnte von einer friedlichen Idylle sprechen, wäre da nicht die schmerzhafte Erinnerung an Österreichs Scheitern. Das ist nun fast hundert Jahre her und über vieles ist das Gras der Vergesslichkeit gewachsen.
Als ich zum ersten Mal den Grappa-Gipfel betrat, mag wohl ein gewisser nationaler Masochismus in meinem Bewusstsein genistet haben, aber als ich neben der italienischen die österreichische Fahne da oben im Winde flattern sah, verflogen die nationalen Gefühle. Vor dem großen Gleichmacher Tod kann kleinliches Denken nicht bestehen.
Den Berg umspannt ein umfangreiches Wegenetz, sodass man mühelos von Alm zu Alm gelangen kann. Das Angebot auf den Hütten ist von rustikaler Einfachheit, ehrlich und echt. Die Ricotta affumicata – von je nach Hüttenrauch unterschiedlicher, aber immer erstklassiger Güte – und alles andere, was da angeboten wird, stammt aus eigener Produktion. Ein gutes Friedensgleichnis: Wo einst aufeinander geschossen wurde, weiden heute die Kühe. Das ist mit ein Grund für mich, Jahr für Jahr dort einige Sommertage zu verbringen.
Was oben die Almen sind, ist unten der Prosecco. Seine Hauptgegend um Vadobbiadene liegt am linken Piaveufer. Orte wie Asolo, Bassano del Grappa, Possagno und viele mehr sind angefüllt mit Kunst, Kultur und Geschichte. Possagno zum Beispiel ist der Heimatort von Antonio Canova. Der berühmte Bildhauer stiftete seiner Gemeinde den Tempietto Canoviano, einen landschaftsbeherrschenden, dem Pantheon in Rom nachempfundenen Rundtempel. Die Gipsotheca in seinem Geburtshaus enthält die meisten Entwürfe für die Statuen, die er dann in Marmor schuf. Die Landschaft am Fuß des Monte Grappa hält für den Besucher viele solche Überraschungen bereit. Eine den Almen besonders entsprechende ist die bäuerliche Einrichtung des Agriturismo, so ein Mittelding zwischen Heurigem und Urlaub auf dem Bauernhof. Hier gelten die Begriffe „einfach“ und „echt“, weil die üppige Natur alles bietet, was dem Menschen Freude macht. Welch ein Gegensatz zu jener unseligen Zeit, da um jeden Meter kargen Almbodens gekämpft wurde, und das im Anblick der zum Greifen nahen, satten Ebene da unten. Uns Nachgekommenen geraten geschichtliche Reminiszenzen kaum in die Quere, wenn wir uns beim Bauernhaus zwischen den Weinbergen dem Genuss von Wurst, Käse und Prosecco hingeben.
Adam Graf Herberstorff hat es wohl für einen Akt der Gnade gehalten, als er 36 als Rädelsführer verdächtigte Bauern und Bürger auf dem Haushamer Feld bei Frankenburg in Oberösterreich um ihr Leben würfeln ließ. Paarweise mussten sie zum entsetzlichen Spiel antreten und die Verlierer wurden sofort gehenkt. Vor fast vierhundert Jahren trug sich das schreckliche Geschehen zu, dessen Ursache wieder einmal die Geldnot des österreichischen Herrscherhauses war. Um die Kriegskassen für den Dreißigjährigen Krieg zu füllen, verpfändete man das Land ob der Enns, das heutige Oberösterreich, an den bayerischen Herzog. Mit den Bayern kamen Steuereintreiber und auch katholische Priester in das vorwiegend protestantische Land. In Frankenburg im Hausruck kam es zum offenen Aufstand, man vertrieb den eingesetzten katholischen Pfarrer und belagerte den Pfleger in der Burg. Nachdem ihnen Gnade zugesichert worden war, gaben die Rebellen die Belagerung nach kurzer Zeit auf. Statthalter Adam Graf Herberstorff versprach ebenfalls Gnade, als er alle Männer zwischen Vöcklamarkt und Frankenburg zum Haushamer Feld kommen ließ, um über die Aufständischen Gericht zu halten. Es sollen fünftausend gewesen sein, die dem grausamen Schauspiel zusehen mussten, das schließlich zum Auslöser des großen oberösterreichischen Bauernaufstandes von 1626 wurde, dessen Unterdrücker, ebenfalls Adam Graf Herberstorff, mittlerweile Landeshauptmann von Oberösterreich war.
Ich erzähle diese Geschichte, weil ich vor kurzem Altmünster am Traunsee besuchte und beim Betrachten seines marmornen Grabsteins in der Allerheiligenkapelle von einem einheimischen Bauern erzählt bekam, die Grabplatte des verhassten Bauern- und Protestantenfeindes sei vor der Kirche vergraben gewesen. Sie wurde erst vor einigen Jahren dort entdeckt und in der Kapelle aufgestellt. Bemerkenswert war nur die Gewohnheit einiger Kirchgänger, nach der Messe auf das Stück Boden zu spucken, unter dem die Grabplatte mit der Darstellung des Grafen vergraben war. So eine Episode bringt einen zum Nachdenken und es ist dann nur ein kleiner Schritt zum Besuch des Frankenburger Würfelspiels, das alle zwei Jahre am Platz des wirklichen Geschehens, auf dem Haushamer Feld, zur Aufführung kommt. Das Spiel findet unter freiem Himmel statt, die Zuschauer sitzen auf festen Holzbänken und die Landschaft ringsum gibt das Bühnenbild. Die Stimmung vor der Aufführung ist ruhig, es gibt nichts marktschreierisch Lautes. Bei Anbruch der Dunkelheit breitet sich vollkommene Stille aus, dann ertönt dumpfer Trommelschlag und die dreitausend auf den Bretterbänken verfolgen voll Ehrfurcht und Spannung die von vierhundert Mitwirkenden gespielte Wiederholung des Geschehens vom Jahre 1625. Das hier Gebotene hat nichts von einem hasstriefenden Fanatismus, sondern eher die Nüchternheit eines Tatsachenberichts und ist gerade aus diesem Grunde so überzeugend. Vielleicht oder sogar wahrscheinlich sind unter den Darstellern Nachfahren der Männer von damals, die an das Versprechen von Gnade durch Adam Graf Herberstorff geglaubt haben. Das Würfelspiel auf dem Haushamer Feld ist kein Spektakel und schon gar kein Event. Es ist etwas Echtes, Gewachsenes, dessen oft unterschiedliche Deutung an der Wahrheit vorbeigeht. Vier- bis fünfhundert Mitwirkende, deren Lohn lediglich aus einem gemeinsamen Bratenessen besteht, müssen über eine Motivation verfügen, die aus dem Heimatboden kommt und weit über die Freude und Begeisterung am Laientheater hinausgeht. Wenn ich heute mit meinen Freunden aus dem Hausruckviertel beieinandersitze, meistens Most trinkend und Geselchtes essend, denke ich oft an den Grafen, der in Altmünster am Traunsee begraben ist. Österreicher von Geburt, in bayerischen Diensten Statthalter und später wieder oberösterreichischer Landeshauptmann. Aus seiner Sicht hat er geholfen, den Protestantismus und die aufständischen Bauern zu besiegen. Aus der Sicht meiner Freunde war er ein falscher Hund, der viel Unglück und Not über das Land gebracht hat. Ereignisse wie das von ihm befohlene Würfelspiel auf dem Haushamer Feld haben tiefe Wunden geschlagen und es ist gut, wenn die Narben heute noch sichtbar gemacht werden, wie in der Aufführung des Frankenburger Würfelspiels.
Nicht nur die Ruhmesblätter gehören in das Buch der Geschichte Österreichs, auch die Leidensblätter müssen ihren Platz darin haben, selbst wenn das Buch dadurch umfangreicher wird.
Gott schütze deinen Ruf, der gut, das höchste deiner Güter. Tritt sicher ein in seine Hut, er ist der beste Hüter.“ Als ich den Spruch zum ersten Mal sah, konnte ich ihn nicht lesen, denn es waren arabische Schriftzeichen, die, über der Schlosseinfahrt in Stein gemeißelt, dem Besucher ein Rätsel aufgaben. Die Schlossherrin, eine liebenswürdige, junge Dame, half mir dann mit der Übersetzung aus dem Arabischen aus und das blieb mir so im Gedächtnis, dass ich den weisen arabischen Spruch jederzeit in unserer Sprache auswendig hersagen kann. Das Schloss Hainfeld, in der Nähe von Feldbach in der Steiermark, ist das größte Wasserschloss Österreichs, es befand sich einst im Besitz des Freiherrn von Hammer-Purgstall, der als Orientalist europäischen Ruf genoss und Gründer und erster Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften war. Er beherrschte viele Sprachen: Türkisch, Persisch, Arabisch, Latein, Griechisch, Italienisch, Französisch und Englisch. Das alles wüsste ich nicht, wenn mich die rätselhafte Inschrift bei einem zufälligen Besuch des Wasserschlosses Hainfeld nicht neugierig gemacht hätte. 1945 haben die Sowjettruppen im Schloss arg gehaust und bleibende Schäden hinterlassen, die bei meinem ersten Besuch zwar schon teilweise repariert waren, man konnte aber trotzdem spüren, dass die öffentliche Hand, offenbar erschrocken vom Ausmaß der Schäden an dem riesigen Vierkanter, sich langsam schloss und zurückzog. Immerhin der große, arkadengeschmückte Innenhof und die barocke Kirche sahen schon recht ansehnlich aus. Ich konnte die Verzweiflung der Schlossherrin spüren, weil sie merkte, wie all ihr Bemühen, aller Einsatz ihrer begrenzten finanziellen Mittel nicht ausreichten, ihren Besitz zu erhalten.