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In den Aufsätzen dieses Bandes verfolgt Axel Honneth seine Überlegungen zu einer Theorie der Anerkennung weiter, vertieft klassische Fragestellungen und erschließt neue Forschungsfelder. Im Vordergrund steht dabei die Absicht, die ursprünglich von Hegel entwickelten Ideen für eine zeitgenössische Konzeption der Gerechtigkeit fruchtbar zu machen. Es soll aber auch gezeigt werden, daß von einem normativen Begriff der Anerkennung aus eine Brücke zu sozialwissenschaftlichen Themen zu schlagen ist, wie sie in der soziologischen Gegenwartsdiagnose oder der Psychoanalyse verhandelt werden.
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Seitenzahl: 462
In den Aufsätzen dieses Bandes verfolgt Axel Honneth seine Überlegungen zu einer Theorie der Anerkennung weiter, vertieft klassische Fragestellungen und erschließt neue Forschungsfelder. Im Vordergrund steht dabei die Absicht, die ursprünglich von Hegel entwickelten Ideen für eine zeitgenössische Konzeption der Gerechtigkeit fruchtbar zu machen. Es soll aber auch gezeigt werden, daß von einem normativen Begriff der Anerkennung aus eine Brücke zu sozialwissenschaftlichen Themen zu schlagen ist, wie sie in der soziologischen Gegenwartsdiagnose oder der Psychoanalyse verhandelt werden.
Axel Honneth ist Professor für Philosophie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und geschäftsführender Direktor des dortigen Instituts für Sozialforschung. Im Suhrkamp Verlag sind zuletzt erschienen: Verdinglichung. Eine anerkennungstheoretische Studie (2005), Pathologien der Vernunft. Geschichte und Gegenwart der Kritischen Theorie (stw 1835).
Axel Honneth
Das Ich im Wir
Studien zurAnerkennungstheorie
Suhrkamp
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
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eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2013
© Suhrkamp Verlag Berlin 2010
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Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
eISBN 978-3-518-73238-0
www.suhrkamp.de
Vorbemerkung
I. Hegelsche Wurzeln
Von der Begierde zur Anerkennung.
Hegels Begründung von Selbstbewußtsein
Das Reich der verwirklichten Freiheit.
Hegels Idee einer »Rechtsphilosophie«
II. Systematische Konsequenzen
Das Gewebe der Gerechtigkeit.
Über die Grenzen des zeitgenössischen Prozeduralismus
Arbeit und Anerkennung.
Versuch einer theoretischen Neubestimmung
Anerkennung als Ideologie.
Zum Zusammenhang von Moral und Macht
Verflüssigungen des Sozialen.
Zur Gesellschaftstheorie von Luc Boltanski und Laurent Thévenot
Philosophie als Sozialforschung.
Zur Gerechtigkeitstheorie von David Miller
III. Sozialtheoretische Anwendungen
Anerkennung zwischen Staaten.
Zum moralischen Untergrund zwischenstaatlicher Beziehungen
6Organisierte Selbstverwirklichung.
Paradoxien der Individualisierung
Paradoxien der kapitalistischen Modernisierung.
Ein Untersuchungsprogramm (gemeinsam mit Martin Hartmann)
IV. Psychoanalytische Weiterungen
Das Werk der Negativität.
Eine anerkennungstheoretische Revision der Psychoanalyse1
Das Ich im Wir.
Anerkennung als Triebkraft von Gruppen
Facetten des vorsozialen Selbst.
Eine Erwiderung auf Joel Whitebook
Entmächtigungen der Realität.
Säkulare Formen des Trostes
Textnachweise
Der vorliegende Band vereinigt Aufsätze und Diskussionsbeiträge, die in den letzten Jahren mit dem Ziel entstanden sind, die Grundannahmen einer an Hegel anknüpfenden Anerkennungstheorie weiter auszubuchstabieren. Nachdem ich im Kampf um Anerkennung zum ersten Mal meine eigene Deutung des Hegelschen Ansatzes umrissen hatte, war ich zwar nach meinem subjektiven Eindruck schon genügend damit beschäftigt, die dort entwickelte Position auf Einwände hin entweder zu korrigieren oder zu präzisieren; vor allem die Auseinandersetzung mit Nancy Fraser und die Tanner-Lectures an der Universität Berkeley gaben mir willkommene Gelegenheiten, meinen zunächst noch vagen Überlegungen eine genauere Fassung zu geben.[1] Aber auf dem damit beschrittenen Weg, der auch Versuche einschloß, die Anregungen alternativer Intersubjektivitätstheorien zu verarbeiten,[2] blieben noch viele Fragen ungelöst; immerhin hatte ich ja den Versuch unternehmen wollen, die Hegelsche Anerkennungslehre so zu rekonstruieren, daß daraus Einsichten nicht nur für eine Neufassung des Gerechtigkeitsbegriffs, sondern auch für eine verbesserte Bestimmung des Verhältnisses von Vergesellschaftung und Individuierung, von sozialer Reproduktion und individueller Identitätsbildung folgen sollten. Die vielfältigen Klärungsbemühungen, zu denen mich diese weitgespannten Zielsetzungen in den letzten Jahren genötigt haben, finden sich in dem vorliegenden Band versammelt; mit wenigen Ausnahmen bewegen sie sich an jenen Rändern der Sozialphilosophie, an denen sich normative Fragen nur unter Einbeziehung der empirischen Anstrengungen anderer, benachbarter Disziplinen sinnvoll beantworten lassen.
Den Auftakt macht allerdings ein Teil, in dem zwei Beiträge enthalten sind, in denen ich mich noch einmal auf wesentliche Elemente der praktischen Philosophie Hegels zurückwende. Während 8ich im Kampf um Anerkennung noch von der Prämisse ausgegangen war, daß nur die Jenaer Systementwürfe tragfähige Elemente einer Anerkennungstheorie enthalten, habe ich mich später infolge einer vertieften Beschäftigung mit den reiferen Schriften eines Besseren belehren lassen; inzwischen glaube ich nicht mehr, daß Hegel seinen anfänglichen Intersubjektivismus im Zuge seiner Entwicklung einem monologischen Konzept des Geistes geopfert hat, sondern ich gehe davon aus, daß er zeit seines Lebens den objektiven Geist, also die soziale Realität, als ein Verhältnis aus geschichteten Anerkennungsverhältnissen begreifen wollte. Von dieser Neueinschätzung aus hatte ich mich schon vor einigen Jahren an den Versuch gemacht, nun auch die Hegelsche Rechtsphilosophie für die Ausarbeitung einer Anerkennungstheorie fruchtbar zu machen; viel stärker als in den Frühschriften war hier ja bereits der bahnbrechende Gedanke anzutreffen, daß wir die soziale Gerechtigkeit mit Blick auf die Erfordernisse wechselseitiger Anerkennung bestimmen und dabei von den historisch jeweils gewachsenen, bereits institutionalisierten Anerkennungsverhältnissen ausgehen müssen.[3] In dem Aufsatz zu Hegels Begriff des Selbstbewußtseins, der sich mit einem Schlüsselkapitel der Phänomenologie des Geistes beschäftigt, versuche ich nun zu klären, was wir in diesem Kontext systematisch unter Anerkennung verstehen können; darunter läßt sich beim reifen Hegel, so will ich zeigen, die Art von moralischer Selbstbeschränkung begreifen, die wir angesichts anderer Personen vollziehen können müssen, um überhaupt zu einem Bewußtsein von uns selbst zu gelangen. Der Aufsatz zur Hegelschen Rechtsphilosophie versucht demgegenüber die schwierige Frage zu beantworten, wie wir uns den internen Zusammenhang zwischen einer solchen Form von Anerkennung und der menschlichen Freiheit vorstellen sollen; diese Verknüpfung wird nach meiner Auffassung von Hegel hergestellt, indem er gegenüber dem Liberalismus seiner Zeit vorzuführen versucht, daß wir nur durch Teilnahme an institutionalisierten Praktiken der individuellen Selbstbeschränkung unseren Willen tatsächlich als unbeschränkt frei erfahren können.
Der zweite Teil enthält Aufsätze, in denen ich die soeben skizzierten Ideen Hegels selbständig weiterzuentwickeln versuche, um mit ihrer Hilfe einige zentrale Probleme einer zeitgenössischen Gerech9tigkeitstheorie zu klären. Dabei kann als systematische Rahmung all dieser Vorstöße durchaus der erste hier abgedruckte Beitrag verstanden werden, der die uns heute geläufige Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit dadurch korrigieren soll, daß er sie von der Fixierung auf Prinzipien der Güterverteilung auf Maßnahmen der Schaffung von symmetrischen Anerkennungsverhältnissen umleitet. Eine solche theoretische Umpolung darf freilich, wie ich in den beiden nächsten Aufsätzen zeigen möchte, weder vor der Problematisierung der gegebenen Organisation von Arbeit noch vor der schwierigen Frage haltmachen, welche Formen von sozialer Anerkennung heute indirekt zur Festigung sozialer Herrschaft beitragen; weder die Sphäre der gesellschaftlichen Arbeit noch die Wirkung von machtstabilisierenden Ideologien lassen sich aus dem Korpus einer Gerechtigkeitstheorie durch begriffliche Vorentscheidungen einfach herausdefinieren. In der Auseinandersetzung mit der höchst instruktiven Studie Über die Rechtfertigung von Luc Boltanski und Laurent Thévenot führe ich einige der zuvor entwickelten Überlegungen noch einmal zusammen, indem ich gegen deren Tendenz zur Entstrukturierung der gesellschaftlichen Moral das normative Gewicht von bereits institutionalisierten Sphären der Anerkennung herausarbeite. Ähnliches unternehme ich in einem Beitrag zur Gerechtigkeitstheorie von David Miller, der ursprünglich als Vorwort zu dessen inzwischen klassischer Monographie über die Grundsätze sozialer Gerechtigkeit erschienen ist; auch hier versuche ich darzulegen, daß eine im Hegelschen Geist vorgenommene »Rekonstruktion« der historisch bereits etablierten Anerkennungsprinzipien unerläßlich ist, wenn sich die ins Auge gefaßte Gerechtigkeitskonzeption stärker an der sozialen Wirklichkeit orientieren soll.
Im dritten Teil, dem ich mit einem relativ vagen Begriff die Aufgabe der sozialtheoretischen Anwendung zugewiesen habe, geht es mir darum, die zuvor entwickelten Ideen für explanatorische Zwecke nutzbar zu machen; nicht mehr normative Fragen, sondern Probleme der soziologischen Erklärung stehen daher im Mittelpunkt der hier versammelten Aufsätze. Allerdings läßt sich bei derartigen »Anwendungen«, wie sich schnell zeigen wird, keine saubere Abtrennung der sozialen Fakten von normativen Geltungsansprüchen vornehmen; sobald wir mit Hegel Anerkennungsbeziehungen als konstitutiv für alle gesellschaftliche Wirklichkeit begreifen, müssen wir vielmehr feststellen, daß wir bei jeder Erklärung sozialer Prozesse 10auf geltende Normen und Prinzipien Bezug nehmen müssen – diese gehören als Ansprüche oder Forderungen, als Verbindlichkeiten oder Überzeugungsgehalte ebenso zu der zu erklärenden Wirklichkeit wie die angeblich rein »objektiven« Sachverhalte. Der erste der hier abgedruckten Beiträge stellt eine noch sehr tentative Reaktion auf neuere Versuche innerhalb der Politikwissenschaften dar, die Spannungen und Dynamiken innerhalb der internationalen Beziehungen mit Hilfe der Anerkennungsbegrifflichkeit zu erklären; mir geht es dabei um nichts anderes als um eine Klärung des Umfangs, in dem es explanatorisch sinnvoll sein kann, sich die Beziehungen zwischen Staaten als durch Erwartungen der Anerkennung reguliert zu denken. Die beiden anderen Aufsätze dieses Teils verdanken sich Prozessen der theoretischen Selbstverständigung am Institut für Sozialforschung; ich versuche hier, im zweiten Fall gemeinsam mit Martin Hartmann, die von uns dort interdisziplinär untersuchten »Paradoxien« in der Entwicklung des gegenwärtigen Kapitalismus dadurch genauer zu erläutern, daß empirisch veranschaulicht wird, inwiefern historisch gewachsene Anerkennungserwartungen heute durch ökonomische Strukturwandlungen in disziplinierende Zumutungen an die Subjekte verkehrt werden. Im Zusammenhang des vorliegenden Buches können diese beiden, im engeren Sinn soziologischen Aufsätze freilich nur erste Hinweise darauf geben, wie eine anerkennungstheoretisch angelegte Gegenwartsdiagnose verfaßt sein müßte.
Der vierte Teil nimmt schließlich einen theoretischen Faden wieder auf, den ich seit meinem Buch über den »Kampf um Anerkennung« beinahe vollständig liegengelassen habe.[4] Von Anfang an war ich davon überzeugt, daß sich soziale Anerkennungsbeziehungen nur unter der Voraussetzung von entsprechenden Strukturbildungen innerhalb der menschlichen Psyche entfalten können, wie sie vorbildhaft von der psychoanalytischen Schule der Objektbeziehungstheorie untersucht werden. Auch wenn mir diese Rückbindung an die Psychoanalyse gelegentlich den Vorwurf eingebracht hat, die Annerkennungstheorie insgesamt zu »psycholo11gisch« anzulegen, sehe ich bis heute keinen Grund dafür, von dem Vorhaben einer Verschränkung von äußerer sozialer Anerkennung und psychischer Strukturbildung abzulassen; natürlich darf man nicht den genetischen Fehlschluß begehen, Anerkennungsforderungen mit Verweis auf die Gefahr psychischer Beeinträchtigungen zu rechtfertigen, aber ansonsten scheinen mir in einer Verzahnung von Anerkennungstheorie und Psychoanalyse nur Vorteile zu liegen. Einige dieser Erkenntnisgewinne habe ich in den beiden hier abgedruckten Aufsätzen zur Bedeutung sozialer Gruppen und zum Stellenwert psychischer Entgrenzungen herausarbeiten wollen; die beiden anderen Beiträge, vor allem die Auseinandersetzung mit meinem Freund Joel Whitebook, stellen Versuche dar, meine eigene, anerkennungstheoretische Interpretation der Psychoanalyse gegen den naheliegenden Einwand einer Vernachlässigung destruktiver, antisozialer Triebe zu verteidigen.
Für die technische Hilfestellung bei der Fertigstellung des Bandes habe ich Stephan Altemeier und Frauke Köhler zu danken, die beide mit großer Ruhe und Umsicht dafür Sorge getragen haben, daß die verstreut erschienenen Aufsätze eine einheitliche und aufeinander abgestimmte Form fanden. Auf seiten des Verlages hat Eva Gilmer mich wie immer vorzüglich beraten; ihr möchte ich für Jahre vertrauensvoller Zusammenarbeit danken.
Frankfurt am Main, im Februar 2010
Axel Honneth
Hegels Begründung von Selbstbewußtsein
Kaum ein Text aus dem Werk Hegels hat von Beginn an größere Aufmerksamkeit auf sich gezogen als das Kapitel über »Selbstbewußtsein« in der Phänomenologie des Geistes. So schwierig, so unzugänglich das Buch im ganzen auch sein mochte, hier, wo der Geist nach Hegels eigenen Worten »aus der leeren Nacht des übersinnlichen Jenseits in den geistigen Tag der Gegenwart« (145)[1] übertreten sollte, schien dem Verständnis endlich ein Anhaltspunkt gegeben: Die Darstellung der Selbsterfahrung des Geistes nahm mit einem Mal lebhaftere Farben an, dem einsamen Selbstbewußtsein wurden unvermutet Mitsubjekte zur Seite gestellt, das abstrakte, bislang bloß kognitive Geschehen verwandelte sich in das soziale Drama eines »Kampfs auf Leben und Tod« – kurz, es waren alle Elemente versammelt, die dem Wirklichkeitshunger der nachidealistischen Philosophie Stoff für Konkretion und Ausschmückung liefern konnten. Schon die unmittelbaren Schüler Hegels nutzten die Chance dieses einen Kapitels, um seine spekulative Philosophie vom ätherischen Reich der Ideen und Begriffe auf den Boden der sozialen Wirklichkeit zurückzuversetzen; und seither sind von Lukács über Brecht bis zu Kojève die Versuche nicht mehr abgerissen, in der Abfolge von Begierde, Anerkennung und Kampf die Umrisse eines historisch situierbaren, politischen Hergangs zu entdecken.
Allerdings war mit dieser Zuspitzung aufs Konkrete und Handgreifliche stets auch die Gefahr verknüpft, neben all der konflikthaften Interaktion den argumentativen Kern des Kapitels aus den Augen zu verlieren. Hegel ging es ja um anderes und weitaus mehr, als bloß den Nachweis anzutreten, daß die Subjekte untereinander in einen Kampf treten müßten, sobald sie sich die Abhängigkeit von ihrem sozialen Gegenüber klargemacht hatten; er wollte vielmehr mit Hilfe seiner phänomenologischen Methode beweisen, daß ein Subjekt zu einem »Bewußtsein« seines eigenen »Selbst« nur 16dann gelangen könnte, wenn es mit einem anderen Subjekt in ein Verhältnis der »Anerkennung« treten würde. Die Zielsetzungen von Hegel waren von viel grundsätzlicherer Art, als es die historisierende oder soziologisierende Deutung wahrhaben wollte: Nicht an einem geschichtlichen Ereignis, nicht an einem Konfliktgeschehen war ihm primär gelegen, sondern an einem geradezu transzendentalen Faktum, das sich als Voraussetzung aller menschlichen Sozialität erweisen sollte. Wenn es im »Selbstbewußtseins«-Kapitel der Phänomenologie überhaupt die Darstellung eines historisch-sozialen Geschehens gibt, dann setzt es erst ein, nachdem passiert ist, worauf es Hegel eigentlich ankommt: Das Subjekt ist aus der Selbstbezüglichkeit der bloßen Begierde so weit herausgetreten, daß es um die Abhängigkeit weiß, die es an sein menschliches Gegenüber bindet. Den Übergang vom natürlichen zum geistigen Wesen, vom menschlichen Tier zum rationalen Subjekt, nichts Geringeres ist es, was Hegel sich hier darzustellen vorgenommen hat; und alles, was an sozialem Konflikt in seinem Kapitel dann folgt, möchte er nicht anders verstehen als eine prozessuale Artikulation der Implikationen, die jene zuvor freigelegte Geistigkeit für den Menschen besitzt.
Ich will im Folgenden versuchen, den entscheidenden Beweisschritt in Hegels Argumentation, den Übergang von der »Begierde« zur »Anerkennung«, zu rekonstruieren. Daß es sich dabei um kein leichtes Unterfangen handelt, macht schon die lange Reihe von Interpretationen deutlich, die ohne wirkliche Berücksichtigung des Wortlauts zu recht eigenwilligen, ja abwegigen Deutungen des Textes gelangt sind. Eine Ursache für diese Tendenz zum Schwadronieren mag in dem quantitativen Mißverhältnis liegen, das zwischen dem zentralen Beweisgang und dem Rest des Kapitels in der besteht; von den rund vierzig Seiten, die das Kapitel über das »Selbstbewußtsein« insgesamt umfaßt, sind nur anderthalb Seiten tatsächlich der These gewidmet, daß das Bewußtsein des eigenen Selbst der Anerkennung durch ein anderes Selbst bedarf. Ich will diese wenigen Zeilen in den Mittelpunkt meiner Rekonstruktion rücken, indem ich zunächst den Einsatz bei der »Begierde« kläre (I), um dann den internen Übergang zur »Anerkennung« zu erläutern (II). Als Ergebnis dieser sich stark am Wortlaut orientierenden Interpretation wird sich zeigen, daß Hegel mehr als nur ein Argument dafür bereithält, warum die Erlangung von Selbstbewußtsein an die Voraussetzung intersubjektiver Anerkennung gebunden sein soll.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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