Ich@Wir - Axel Honneth - E-Book

Ich@Wir E-Book

Axel Honneth

0,0

Beschreibung

In ihrem Streitgespräch zum Kursbuch 173 diskutieren Alex Honneth und Paul Nolte den Unterschied zwischen rechter und linker Gesinnung bzw. stellen die Frage, ob eine solche im modernen politischen Diskurs überhaupt noch Bestand hat. Was zeichnet Linkssein aus? Haben Rechte auch einen Fortschrittswillen? Auf welcher Seite stehen die Rebellen des arabischen Frühlings? Ist Chinas Regime links?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 27

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Axel Honneth, Paul Nolte

Ich@Wir

Ein Streitgespräch über rechts und links in der globalisierten Moderne

Kursbuch: Lassen Sie uns gleich ganz grundsätzlich und plakativ einsteigen. Gibt es eine politischeUnterscheidung rechts – links heute überhaupt noch? Oder anders gefragt: Ist Axel Honneth eigentlich konservativer, als man denkt? Und ist Paul Nolte umgekehrt nicht viel progressiver?

Nolte: Natürlich bin auch ich in dieser Links-rechts-Unterscheidung sozialisiert worden. Bis 1989 spielte sie im politischen Alltag eine überaus große Rolle. Im akademischen Milieu ist man selbstverständlich als Linker aufgewachsen. Noch 1982 standen wir fassungslos davor, als Helmut Kohl Bundeskanzler wurde, Habermas war damals der große Star am Himmel, der über allem schwebte. Die etablierte Links-rechts-Unterscheidung ist bis heute nicht verschwunden. In anderen politischen Kulturen hat sie sogar an Bedeutung gewonnen. Nicht zuletzt in den USA mit ihrer neuen konservativen Mobilisierung. In Deutschland gibt es eine linksliberale Verschiebung und zugleich einen neuen Zentrismus. Der klassische Konservatismus hierzulande ist verschwunden. Der Liberalismus eines Ralf Dahrendorf hat ihn abgelöst. Zugespitzt: Das »liberal« ist das neue »konservativ«.

Honneth: Da stimme ich zu. Es gibt eine grundlegende Verschiebung in Deutschland in Richtung eines sozialen Liberalismus, mit Ausnahme der FDP. Es gibt eine auffällige Sozialdemokratisierung der CDU. Die Unterscheidbarkeit zwischen den Parteien ist schwieriger geworden. Mit Ausnahme der Linken sind die Programme der großen Volksparteien kaum mehr zu differenzieren. Möglicherweise ist das auch ein Resultat der deutschen Wiedervereinigung als Anpassungsleistung an den Osten Deutschlands. Ich bin als der Ältere von uns beiden natürlich noch massiver in dieser Links-rechts-Unterscheidung aufgewachsen. Ich kam 1969 an die Universität, da konnte man kaum identifizieren, was rechts sein sollte. Es ging ausschließlich um die Binnendifferenzierung des Linken. Man unterschied sich nur nach innen. Was außerhalb war, wurde als rechts beschrieben. Für mich ist es heute immer noch sehr plausibel, diesen Dualismus zwischen links und rechts im Sinne grundpolitischer Programmatik aufrechtzuerhalten. Was schwieriger geworden ist, ist die Zuordnung zu den Parteien. Und wir sind unsicherer über die Mittel geworden, die zur Erreichung der linken oder rechten Ziele nötig sind.

Nolte: Moment mal, das finde ich nicht. Die Ziele oder die normativen Grundlagen haben sich sehr gründlich gewandelt. Die Zäsur hat doch bereits 1973 stattgefunden. In der Ölkrise ist das Fortschrittsvertrauen zusammengebrochen. Das Ende der goldenen Jahre, wie es Eric Hobsbawm beschrieben hat. Das hat bei Teilen der Linken zu einer Distanzierung vom klassischen Aufklärungs- und Fortschrittsparadigma geführt. 1973 war nicht nur das Ende einer 25-jährigen Nachkriegsprosperität, sondern auch das Auslaufen einer 200-jährigen Aufklärungstradition. Ich bin überzeugt, dass wir in 60 Jahren, wenn wir als 100-Jährige zurückblicken müssten, von dieser einschneidenden Zäsur überzeugt sein werden. Die fortschrittsskeptischen Grünen in Deutschland sind nur ein Beispiel, wie sich viele Linke von diesem Fortschrittsparadigma abgewandt haben. Das ist längst durch alle Poren unserer Kultur gedrungen. Ein Teil des alten Aufklärungsdenkens hat seinen Platz eher im liberalen Denken gefunden.

Honneth: